Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 13.02.1974 - IV ZR 186/72 - Nachhaftung bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses

BGH v. 13.02.1974: Zur Nachhaftung bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses


Der BGH (Urteil vom 13.02.1974 - IV ZR 186/72) hat entschieden:
Gibt der Versicherer in der sonst richtigen und vollständigen Anzeige, dass das Versicherungsverhältnis beendet ist, ein ihm von der Zulassungsstelle falsch mitgeteiltes amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs an, so endet seine Nachhaftung unabhängig von der Aufklärung dieser Unstimmigkeit einen Monat nach dem Eingang der Anzeige bei der zuständigen Stelle.


Siehe auch Nachhaftung bei Beendigung des Versicherungsvertrags


Tatbestand:

Der Kläger befuhr am 21. Januar 1970 mit seinem Pkw die L.-Straße in Stuttgart-Z. Er stieß auf seiner Fahrbahn mit einem verkehrswidrig entgegenkommenden Kraftwagen zusammen, dessen Halter der Erstbeklagte war. Dieser hatte sich bei der Zweitbeklagten gegen Haftpflicht versichert. Der Kläger hat beide Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er streitet nach dem Ausscheiden des Erstbeklagten jetzt nur noch mit der Zweitbeklagten darum, ob deren Nachhaftung gemäß § 3 Nr. 5 PflVG im Zeitpunkt des Unfalls auf Grund einer Anzeige nach § 29 c StVZO erloschen war, in der die Zweitbeklagte das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs unrichtig wiedergegeben hatte.

Der Wagen des Erstbeklagen war unter der Nummer ... zugelassen. Die Haftpflichtversicherung bestand ursprünglich bei einem anderen Versicherer, der den Vertrag jedoch mangels rechtzeitiger Prämienzahlung gekündigt und dies der Zulassungsstelle angezeigt hatte. Um der angeordneten Entstempelung der Nummernschilder zu entgehen, schloss der Erstbeklagte am 28. Dezember 1968 bei der Zweitbeklagten einen neuen Versicherungsvertrag ab. Im Antrag wurde aus nicht mehr zu klärenden Gründen das unzutreffende Kennzeichen ...-... 496 angegeben. Die Zweitbeklagte übernahm es in ihre vorläufige Deckungszusage, die der Erstbeklagte dem Landratsamt E. vorlegte. Auch dort wurde der Fehler nicht richtiggestellt; die der Zweitbeklagten gemäß § 29 b Abs. 2 StVZO a. F. übersandte Mitteilung enthielt ebenfalls die unzutreffende Kennzahl 496.

Der Erstbeklagte geriet wiederum mit der Prämienzahlung in Verzug. Die Zweitbeklagte kündigte daraufhin den Vertrag zum 30. Oktober 1969 und zeigte dies dem Landratsamt E. mit Schreiben vom 8. Dezember 1969 unter Angabe des bei ihr geführten, unrichtigen Kennzeichens ...-... 496 an. Die Zulassungsstelle sandte die Anzeige unter dem 10. Dezember 1969 mit dem Vermerk zurück, das angegebene Kennzeichen stimme mit den amtlichen Unterlagen nicht überein. Die Zweitbeklagte wiederholte ihre inhaltlich unveränderte Anzeige mit Schreiben vom 18. Dezember 1969, fügte jedoch diesmal eine Ablichtung der vorläufigen Deckungszusage mit der Bitte um Überprüfung bei. Das Landratsamt E. leitete dieses Schreiben, ohne der Zweitbeklagten einen Bescheid zu erteilen, an die Stadt Krefeld weiter, weil diese inzwischen für das früher tatsächlich unter ...-... 496 zugelassene, andere Kraftfahrzeug zuständig geworden war. Von der Stadt Kr. erhielt die Zweitbeklagte am 21. Januar 1970 eine aufklärende Mitteilung.

Der Kläger meint, die Zweitbeklagte habe die in § 3 Nr. 5 PflVG bestimmte Monatsfrist weder durch ihr Schreiben vom 8. noch vom 18. Dezember 1969 in Lauf gesetzt. Er hat gebeten, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 13.903,22 DM und eines angemessenen Schmerzensgeldes, jeweils mit Zinsen, zu verurteilen. Das Landratsamt E. ist nach Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Die Zweitbeklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, die unrichtige Angabe des Kennzeichens in ihren beiden Anzeigen sei unschädlich gewesen; verantwortlich hierfür sei allein der Streithelfer.

Das Landgericht hat unter teilweiser Aufrechterhaltung eines gegen den Erstbeklagten ergangenen Versäumnisurteils der Klage in Höhe von 12.595,22 DM zuzüglich 2.500,00 DM Schmerzensgeld und Zinsen stattgegeben. Hiergegen hat nur die Zweitbeklagte Berufung mit dem Erfolg eingelegt, dass die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen worden ist. Der Kläger erstrebt mit der zugelassenen Revision die volle Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.


Entscheidungsgründe:

Der Kläger nimmt die Zweitbeklagte im Wege der Direktklage nach § 3 Nr. 1 PflVG auf Ersatz des Schadens in Anspruch, den er am 21. Januar 1970 erlitten hat. Der zugrunde liegende Versicherungsvertrag mit dem Erstbeklagten war unstreitig durch die Kündigung der Zweitbeklagten am 30. Oktober 1969 beendigt worden. Diesen Umstand kann die Zweitbeklagte dem Kläger jedoch nach § 3 Nr. 5 PflVG nur entgegenhalten, wenn das Schadensereignis später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eingetreten ist, an dem sie die Beendigung des Versicherungsverhältnisses der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat. Zu dieser Anzeige war die Zweitbeklagte nach § 29 c StVZO verpflichtet. Sie hat sie unter dem 8. Dezember 1969 dem Streithelfer auf einem Vordruck erstattet, in dem alle Rubriken mit Ausnahme des amtlichen Kennzeichens zutreffend ausgefüllt waren. Das Berufungsgericht hat entschieden, dass die Monatsfrist des § 3 Nr. 5 PflVG durch diese Anzeige ungeachtet ihres bezeichneten Mangels in Lauf gesetzt worden ist mit der Folge, dass die Nachhaftung der Zweitbeklagten im Zeitpunkt des Schadensereignisses nicht mehr bestand. Dieser Ansicht muss zugestimmt werden.

Es ist davon auszugehen, dass die in § 3 Nr. 5 PflVG und § 29 c StVZO bestimmte Anzeigepflicht dieselbe ist, wenn auch ihre Erfüllung sowohl versicherungsrechtliche wie öffentlich-rechtliche Wirkungen hat (so unter der Geltung von § 158 c Abs. 2 VVG a. F. zutreffend H. Wussow VersR 1962, 1035 m. w. Nachw., gegen E. Prölss VersR 1954, 481). Der Versicherer wahrt durch die einmalige Anzeige sowohl seine öffentlich-rechtliche Pflicht, die Zulassungsstelle auf die gebotene Stilllegung des nicht mehr versicherten Fahrzeugs aufmerksam zu machen, als auch sein eigenes Interesse an der baldigen Beendigung seiner Nachhaftung. Über Form und Inhalt der Mitteilung trifft nur § 29 c StVZO eine Bestimmung durch die Vorschrift, dass der Versicherer die Anzeige nach dem der Zulassungsordnung anliegenden Muster zu erstatten hat.

Enthält der vom Versicherer ausgefüllte und übersandte Vordruck unrichtige Angaben, so darf die Zulassungsstelle die Anzeige deshalb weder unbeachtet lassen noch zurückweisen. Das folgt sowohl aus ihrer Pflicht, jedes nicht nach Vorschrift versicherte Kraftfahrzeug, von dem sie erfährt, nach § 29 d Abs. 2 StVZO unverzüglich stillzulegen, als auch aus der gebotenen Mitwahrung der Belange des Versicherers. Demgemäß bestimmt Abs. 2 der Ausführungsverordnung zu § 29 c StVZO:
"Stimmen die Angaben auf der Anzeige nicht mit denen der Zulassungsstelle überein, sind Unstimmigkeiten unverzüglich aufzuklären; nötigenfalls ist dazu die Anzeige an den Versicherer zurückzusenden. "
Die Zurücksendung zur Aufklärung steht im Gegensatz zur Zurückweisung, die in Abs. 1 der Bestimmung für verfrühte Anzeigen vorgeschrieben ist. Sie macht anders als diese die Anzeige nicht ungeschehen. Das gilt auch für die Zurücksendung der Anzeige der Zweitbeklagten vom 8. Dezember 1969 durch den Streithelfer. Der Vermerk, das angegebene Kennzeichen stimme mit den Unterlagen der Zulassungsstelle nicht überein, enthält eindeutig eine Aufforderung zur Aufklärung, so dass an einer nur zu diesem Zweck erfolgten Rücksendung kein Zweifel sein kann.

Ob und wann eine bestehen bleibende, nur zur Aufklärung unstimmiger Angaben zurückgesandte Anzeige die Monatsfrist des § 3 Nr. 5 PflVG in Lauf setzt, hängt von Art und Gewicht der Unstimmigkeiten ab. Anzuzeigen ist die Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Die Zweitbeklagte hat dieses in allen nach dem Muster hierüber zu machenden Angaben zutreffend gekennzeichnet. Damit war der entscheidende Inhalt ihrer Anzeige vollständig und richtig. Überdies deckte sich aber auch das angegebene amtliche Kennzeichen des Kraftfahrzeugs mit demjenigen, das der Zweitbeklagten vom Streithelfer in der Durchschrift der Versicherungsbestätigung mitgeteilt worden war. Unter diesen Umständen muss dem Berufungsgericht darin beigetreten werden, dass die Monatsfrist mit dem Eingang der Anzeige vom 8. Dezember 1969 bei der Zulassungsstelle begonnen hat, mochte auch das darin angegebene amtliche Kennzeichen tatsächlich nicht zutreffen, deshalb noch eine Aufklärung erforderlich und das Auffinden der richtigen Unterlagen für die Zulassungsstelle erschwert sein.

Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das unrichtige Kennzeichen durch die Zweitbeklagte in die Vorgänge gelangt ist, indem sie es ungeprüft aus dem Versicherungsantrag in die Versicherungsbestätigung übernommen hat. Nach § 29 a Abs. 2 StVZO n. F. hat die Zulassungsstelle dem Versicherer unter Benutzung der der Versicherungsbestätigung anhängenden Durchschrift das dem Fahrzeug zugeteilte amtliche Kennzeichen mitzuteilen; dazu war sie nach § 29 b Abs. 2 StVZO a.F. ebenso verpflichtet. Diese auf Neuzulassungen zugeschnittene Bestimmung gilt sinngemäß auch beim Bestehenlassen eines dem Fahrzeug bereits zugeteilten Kennzeichens. Hat der Versicherer, wie anscheinend hier, das bisherige Kennzeichen bereits in die Spalte der Durchschrift eingesetzt, so muss es die Zulassungsstelle erforderlichenfalls berichtigen. Da sie die Versicherungsbestätigung zu ihren Unterlagen nehmen muss, was unter einem falschen Kennzeichen kaum denkbar ist, kann der Fehler bei ihr schwerlich unbemerkt bleiben. Die Zweitbeklagte hat denn auch unwidersprochen vorgetragen, ihre Versicherungsbestätigung sei ungeachtet der unrichtig angegebenen Kennziffer in die richtigen Unterlagen eingefügt worden. Hiernach bleibt nur übrig, dass das Kennzeichen lediglich auf dem zurückgesandten Doppel nicht verbessert worden ist. Diese Durchschrift war für die Zweitbeklagte aber fortan die maßgebliche Unterlage; nach ihr hat sie sich bei ihrer Anzeige nach § 29 c StVZO gerichtet. Sie ging davon aus, dass der Vorgang bei dem Streithelfer unter dem Kennzeichen geführt wurde, den das Kraftfahrzeug nach der Mitteilung gemäß § 29 b Abs. 2 StVZO a.F. "erhalten" hatte. Das kann ihr nicht zum Nachteil gereichen. Die Dauer der ihr auferlegten Nachhaftung kann sich weder deshalb verlängern, weil das von ihr unrichtig angegebene Kennzeichen vom Streithelfer bestätigt worden ist, noch weil die Zulassungsstelle es anders als bei der Versicherungsbestätigung nicht vermocht hat, die sonst zutreffende und vollständige Anzeige der Zweitbeklagten ungeachtet der falschen Endziffer des Kennzeichens zu dem richtigen Vorgang zu bringen. Der Beginn der Monatsfrist des § 3 Nr. 5 PflVG hängt nicht davon ab, wie die Zulassungsstelle bei einer Unstimmigkeit der vorliegenden Art handelt; insbesondere wird er nicht bis zur erfolgten Aufklärung hinausgeschoben. Auf die nochmalige, mit einer abgelichteten Versicherungsbestätigung verbundene Anzeige der Zweitbeklagten vom 18. Dezember 1969 kommt es hiernach ebenso wenig mehr an wie auf die vom Streithelfer für geboten gehaltene Weiterleitung an die Stadt Krefeld.

Die Revision des Klägers musste nach alledem als unbegründet zurückgewiesen werden.