Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss vom 20.12.2012 - 7 L 1427/12 - Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten beim Entzug der Fahrerlaubnis

VG Gelsenkirchen v. 20.12.2012: Keine Berücksichtigung beruflicher und wirtschaftlicher Schwierigkeiten beim Entzug der Fahrerlaubnis


Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Beschluss vom 20.12.2012 - 7 L 1427/12) hat entschieden:
Weil es sich bei der Entziehung der Fahrerlaubnis um eine gebundene Entscheidung handelt, ist es darüber hinaus weder dem Antragsgegner noch dem Gericht möglich, die angeführten beruflichen oder persönlichen Schwierigkeiten des Antragstellers, die sich aus dem Verlust der Fahrerlaubnis ergeben, zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.


Siehe auch Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde


Gründe:

Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 5196/12 des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 5. November 2012 anzuordnen,
ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber nicht begründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an der in § 4 Abs. 7 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung überwiegt gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an einem Vollstreckungsaufschub, weil die Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist.

Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt derjenige als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, der mit 18 oder mehr Punkten im Verkehrszentralregister (VZR) eingetragen ist oder war; in diesem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass ihr ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre. Dabei ist sie gemäß Satz 2 der Vorschrift an die rechtskräftigen Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gebunden. So liegt der Fall hier. Für den Antragsteller sind derzeit 18 Punkte zu berücksichtigen.

Zuvor waren gegen den Antragsteller auch sämtliche Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 (Verwarnung) und Nr. 2 Satz 1 StVG (Aufbauseminar) und Nr. 2 Satz 2 (erneute Verwarnung statt Aufbauseminar) ergriffen worden.

Bei der Verwarnung vom 11. August 2005 waren zwei Geschwindigkeitsverstöße vom 24. Juli 2001 und 31. März 2004 (1 und 3 Punkte), einmal Führen eines Kraftfahrzeuges ohne erforderliche Betriebserlaubnis am 16. Mai 2002 (3 Punkte) und ein Rotlichtverstoß vom 8. April 2005 (3 Punkte) mit insgesamt 10 Punkten rechtskräftig geahndet.

Als der Antragsgegner den Antragsteller mit Verfügung vom 1. September 2008 aufforderte, an einem Aufbauseminar teilzunehmen, waren ein Rotlichtverstoß am 7. September 2006 (3 Punkte) und zwei weitere Geschwindigkeitsüberschreitungen am 1. März 2008 und am 19. März 2008 (3 und 4 Punkte) hinzugekommen, allerdings die beiden Eintragungen im Verkehrszentralregister aus den Jahren 2001 und 2002 getilgt und bereits gelöscht (§ 29 Abs. 1 und 6 Satz 3, 7 StVG). Der Antragsgegner hat dementsprechend zutreffend zu diesem Zeitpunkt 16 Punkte zugrundegelegt. Das Aufbauseminar hat der Antragsteller in der Zeit vom 6. bis zum 21. Februar 2009 absolviert.

Mit Verfügung vom 21. April 2010 hat der Antragsgegner den Antragsteller gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 StVG erneut schriftlich verwarnt, weil er an einem Aufbauseminar bereits 2009 teilgenommen hatte und nach dem Seminar eine weitere Ordnungswidrigkeit am 1. Februar 2010 bekanntgeworden war, die mit einem Punkt bewertet worden ist. Der Antragsgegner hat seinerzeit einen Stand von 14 Punkten im Verkehrszentralregister zugrundegelegt, weil. zum Zeitpunkt der Verwarnung der Verkehrsverstoß vom 31. März 2004 nach Ablauf der 5-jährigen Tilgungsfrist nach Rechtskraft, die am 31. Juli 2004 eintrat, mit insgesamt 3 Punkten gelöscht war.

Ein weiterer zuvor bereits am 19. April 2010 begangener Verkehrsverstoß (Verkehrsunfallflucht, 7 Punkte) wurde erst am 30. Juli 2010 und damit nach der zweiten Verwarnung rechtskräftig geahndet. Diese Tat war aber nach dem sogenannten Tattagprinzip
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 25. September 2008 - 3 C 3/07 und 3 C 34/07 -, jeweils juris
grundsätzlich mit der entsprechenden Punktzahl zu berücksichtigen, so dass die Punktereduzierung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG auf 17 Punkte zu erfolgen hatte.

Dennoch hatte der Antragsteller zum Zeitpunkt des Erlasses der hier streitigen Verfügung vom 5. November 2012 auch unter Abzug von 3 Punkten wegen des zwischenzeitlich getilgten Rotlichtverstoßes vom 7. September 2006 (Rechtskraft: 28. November 2006) im Verkehrszentralregister 18 Punkte erreicht, denn hinzu kamen folgende weitere Eintragungen:
10.03.2012 (RK: 20.04.2012) Benutzung Mobiltelefon beim Fahren 1 Punkt
19.06.2012 (RK: 8.09.2012) Geschwindigkeitsüberschreitung 3 Punkte
Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG lagen daher vor.

Weil es sich bei der Entziehung der Fahrerlaubnis um eine gebundene Entscheidung handelt, ist es darüber hinaus weder dem Antragsgegner noch dem Gericht möglich, die angeführten beruflichen oder persönlichen Schwierigkeiten des Antragstellers, die sich aus dem Verlust der Fahrerlaubnis ergeben, zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der aktuellen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, vgl. Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -, nrwe.de.