Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Beschluss vom 02.12.2004 - 3 Ss 477/04 - Beschränkung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl

OLG Hamm v. 02.12.2004: Zur Beschränkung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl


Das OLG Hamm (Beschluss vom 02.12.2004 - 3 Ss 477/04) hat entschieden:
Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur statthaft, wenn in dem angefochtenen Urteil die Feststellungen zur Tat so vollständig und umfassend getroffen worden sind, dass der Umfang des gegen den Angeklagten gerichteten Vorwurfs sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht klar umrissen ist (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 318 Rdnr. 16; OLG Hamm, 4. Strafsenat, Beschluss vom 12.08.1999 - 4 Ss 841/99 -). Diese Grundsätze gelten auch für den Einspruch gegen einen Strafbefehl (OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1997, 113).


Siehe auch Rechtsmittel im Strafverfahren und Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen


Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bünde hat den Angeklagten am 12.08.2004 wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25,- € verurteilt. Desweiteren hat das Amtsgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und angeordnet, dass ihm vor Ablauf einer Frist von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.

Zuvor war im vorliegenden Verfahren bereits ein Strafbefehl gegen den Angeklagten ergangen, und zwar durch das Amtsgericht Bünde am 23.06.2004. Der Strafbefehl war dem Verteidiger des Angeklagten am 28.06.2004 zugestellt worden. Mit am 30.06.2004 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schreiben hatte der Verteidiger Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt und diesen mit weiterem Schreiben vom 07.07.2004, beim Amtsgericht Bünde eingegangen am 08.07.2004, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am 19.08.2004 bei dem Amtsgericht Bünde eingegangenem Schreiben seines Verteidigers Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach der Urteilszustellung an den Verteidiger am 06.09.2004 mit am 06.10.2004 bei dem Amtsgericht eingegangenem weiteren Schreiben als Revision bezeichnet und mit dem Antrag begründet, das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bünde im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bünde zurückzuverweisen. Die Revision wendet sich mit der Sachrüge allein gegen die Festsetzung der Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis.


II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt - nicht nur im Rechtsfolgenausspruch - sowie zur Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bünde, § 354 Abs. 2 StPO.

Die Beschränkung des Einspruchs und der Sprungrevision auf den Rechtsfolgenausspruch sind vorliegend unwirksam. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur statthaft, wenn in dem angefochtenen Urteil die Feststellungen zur Tat so vollständig und umfassend getroffen worden sind, dass der Umfang des gegen den Angeklagten gerichteten Vorwurfs sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht klar umrissen ist (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 318 Rdnr. 16; OLG Hamm, 4. Strafsenat, Beschluss vom 12.08.1999 - 4 Ss 841/99 -). Diese Grundsätze gelten auch für den Einspruch gegen einen Strafbefehl (OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1997, 113). Der Einspruch kann nach § 410 Abs. 2 StPO wie ein Rechtsmittel gegen Urteile auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Auch hier gilt aber, dass die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam ist, wenn die Feststellungen zum Schuldspruch so knapp und unzulänglich sind, dass sie keine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs bieten (Meyer-Goßner, a.a.O., § 410 Rdnr. 5; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Hier sind sowohl die Beschränkung der Revision als auch die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam. Das Amtsgericht hat zur Tat folgende Feststellungen getroffen:
"Am 27.03.2004 befuhr der Angeklagte gegen 19.00 Uhr mit einem Pkw der Marke Audi mit dem amtlichen Kennzeichen .. - ... unter anderem die T-Straße in L. Auf Grund zuvor konsumierten Alkohols war der Angeklagte nicht in der Lage, das Fahrzeug sicher zu führen. Infolge seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit geriet er auf die Gegenfahrbahn und kollidierte dort mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Bei diesem Verkehrsunfall entstand ein Fremdschaden in Höhe von 4.000,00 € an dem fremden Fahrzeug. Des weiteren wurde die Zeugin I verletzt; sie erlitt eine HWS-Distorsion. Die dem Angeklagten um 19.35 Uhr entnommene Blutprobe hat eine Blutalkoholkonzentration von 3,30 Promille ergeben."
Weitergehende Angaben zum Tatgeschehen enthält auch der Strafbefehl vom 23.06.2004 nicht.

Das Amtsgericht hat hier lediglich Feststellungen zu der im Rausch begangenen Tat und zu der Höhe der Blutalkoholkonzentration des Angeklagten getroffen. Es hat aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass bei § 323 a StGB nicht die im Vollrausch begangene Tat, sondern das vorsätzliche oder fahrlässige Sich-Berauschen Gegenstand des Schuldvorwurfs und damit Grundlage der Strafzumessung ist (vgl. BGHR StGB § 323 a Abs. 2 - Strafzumessung 1, Beschluss vom 15.04.1988 - 3 StR 113/88 -). Das Amtsgericht hätte hier daher weitere Feststellungen dazu treffen müssen, auf welche Weise den Geschehensablauf in Gang gesetzt hat, insbesondere zum Trinkverlauf am Tattag und zur Persönlichkeit des Angeklagten in Bezug auf sein Verhalten bei Alkoholgenuss (OLG Hamm, a.a.O.). Dabei hätte es weiter berücksichtigen müssen, dass der Angeklagte nach den zu seiner Person getroffenen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil zum Tatzeitpunkt bereits seit mehreren Jahren Alkoholiker war und heute noch ist. Vor diesem Hintergrund hätte das Amtsgericht vor allem unter Zugrundelegung des Trinkverlaufs am Tattage der Frage nachgehen müssen, inwieweit der Angeklagte überhaupt noch in der Lage war, sein Trinkverhalten zu steuern. § 323 a StGB ist nämlich dann nicht anwendbar, wenn Einsichts- oder Steuerungsunfähigkeit schon zum Zeitpunkt des Sich-Berauschens selbst vorgelegen haben. Insbesondere kann eine infolge bestehender Alkoholabhängigkeit vorliegende erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit hinsichtlich des Sich-Berauschens bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Milderung des § 323 a StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 323 a Rdnr. 14 m.w.N.).