Das Verkehrslexikon

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OVG Münster Beschluss vom 02.01.2014 - 16 B 1394/13 - Erwerb in einem Mitgliedstaat der EU durch Umtausch eines drittstaatlichen Führerscheins

OVG Münster v. 02.01.2014: Zum Erwerb in einem Mitgliedstaat der EU durch Umtausch eines drittstaatlichen Führerscheins


Das OVG Münster (Beschluss vom 02.01.2014 - 16 B 1394/13) hat entschieden:
Die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland gilt nicht für Inhaber einer EU- oder EWR- Fahrerlaubnis mit ordentlichem Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, deren Fahrerlaubnis aufgrund einer Fahrerlaubnis eines Drittstaats, der nicht in der Anlage 11 zur Fahrerlaubnis-Verordnung aufgeführt ist, prüfungsfrei umgetauscht worden ist.


Siehe auch Stichwörter zum Thema EU-Führerschein und Umschreibung einer EU-Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis


Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die für die Prüfung durch das Oberverwaltungsgericht maßgeblichen Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht die Anträge der Antragstellerin zu Unrecht abgelehnt hat.

Soweit es den Antrag zu 1. betrifft, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. August 2013 wiederherzustellen, macht die Antragstellerin geltend, die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung müsse zu ihren Gunsten ausfallen, da der die Inlandsungültigkeit ihrer belgischen Fahrerlaubnis feststellende Bescheid entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts rechtswidrig sei. Dem ist nicht zu folgen. Die Beschwerde stellt - mit Recht - nicht in Frage, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV im Fall der Antragstellerin vorliegen. Danach gilt die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland gemäß Absatz 1 der Vorschrift unter anderem nicht für Inhaber einer EU- oder EWR- Fahrerlaubnis mit ordentlichem Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, deren Fahrerlaubnis - wie hier - aufgrund einer Fahrerlaubnis eines Drittstaats, der nicht in der Anlage 11 zur Fahrerlaubnis-Verordnung aufgeführt ist, prüfungsfrei umgetauscht worden ist. Da es an einer Übergangsbestimmung für "Altfälle" fehlt, ist es rechtlich unerheblich, ob die Antragstellerin vor Inkrafttreten der Regelung am 30. Juni 2012 berechtigt war, mit ihrer durch Umtausch einer New Yorker Fahrerlaubnis erworbenen belgischen Fahrerlaubnis im Inland Kraftfahrzeuge zu führen. Ebenso unerheblich ist es im vorliegenden Zusammenhang, ob die belgische Fahrerlaubnis die Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 FeV "berechtigt hat". Selbst wenn dies zuträfe (dazu nachfolgend), ergäbe sich daraus lediglich ein Anspruch auf Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis unter erleichterten Voraussetzungen, nicht aber die Berechtigung, von der belgischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland weiterhin Gebrauch zu machen. Falsch ist schließlich die wiederholt vorgetragene Auffassung der Beschwerde, der Bescheid verstoße gegen den unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz. Sowohl Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 der Richtlinie 91/439/EWG als auch Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG nehmen Führerscheine (Fahrerlaubnisse), die in einem Mitgliedstaat durch Umtausch eines drittstaatlichen Führerscheins (einer drittstaatlichen Fahrerlaubnis) erworben wurden, ausdrücklich vom Geltungsbereich des Anerkennungsgrundsatzes aus.

Was den Antrag zu 2. angeht, hat das Verwaltungsgericht diesen mangels Vorliegens eines Anordnungsanspruchs abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Antragstellerin könne jedenfalls die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis ohne vorherige Ablegung einer Fahrerlaubnisprüfung nicht verlangen. Zwar seien nach § 30 Abs. 1 FeV unter anderem die Vorschriften über die Befähigungsprüfung nicht anzuwenden, wenn der Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt habe, die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die entsprechende Klasse von Kraftfahrzeugen beantrage. Dies erfasse jedoch nicht die vorliegende Fallgestaltung, in der die EU-/EWR-Fahrerlaubnis nicht mehr anerkannt werde. Erfasst vom Begriff der früheren Fahrberechtigung seien vielmehr (lediglich) diejenigen Fälle, in denen eine EU-Fahrerlaubnis, deren Gültigkeit nach den im Ausstellermitgliedstaat geltenden Vorschriften zeitlich begrenzt sei, nach Ablauf der jeweiligen Geltungsdauer ihre Gültigkeit verloren habe, und diejenigen Fallkonstellationen, in denen eine EU-Fahrerlaubnis im Inland ab dem Zeitpunkt der Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes in die Bundesrepublik Deutschland nach den hiesigen fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften (etwa wegen Überschreitens der in § 23 Abs. 1 Satz 2 FeV genannten Zeiträume) nicht mehr gültig wäre, den Inhaber gemäß § 28 Abs. 3 Satz 3 FeV jedoch noch sechs Monate ab Begründung des ordentlichen Wohnsitzes im Inland zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtige bzw. berechtigt habe.

Auf diese Argumentation geht die Beschwerde bereits nicht in der gebotenen Weise ein, sondern beruft sich weiterhin allein auf den Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 FeV. Davon abgesehen ist aber auch nicht erkennbar, dass die Sichtweise des Verwaltungsgerichts unzutreffend ist. Dass es ausreicht, wenn die EU-/EWR- Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt hat, trägt nach der Intention des Verordnungsgebers (allein) Schwierigkeiten Rechnung, die sich aus dem Ablauf der Geltungsdauer einer EU-/EWR-Fahrerlaubnis ergeben und stärkt insoweit das Recht auf Freizügigkeit. Würde nämlich als Voraussetzung für die erleichterte Erteilung einer Fahrerlaubnis des Wohnsitzmitgliedstaats stets eine noch gültige EU/EWR-Fahrerlaubnis verlangt, hätte dies zur Folge, dass der Bewerber nach Ablauf der Geltungsdauer seiner alten ausländischen Fahrerlaubnis die neue deutsche Fahrerlaubnis nur unter den Bedingungen für die Ersterteilung erlangen könnte. Denn der ursprünglich erteilende Mitgliedstaat wäre mangels ordentlichen Wohnsitzes nicht mehr zuständig und der nunmehr zuständige Wohnsitzstaat würde die Erteilung mangels noch gültiger Fahrerlaubnis ablehnen.
Vgl. die Begründung zur Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, BR-Drs. 443/98 vom 7. Mai 1998, S. 287 ff.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



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