Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Villingen-Schwenningen Urteil vom 16.04.2013 - 5 C 508/12 - Unfall zwischen Rettungswagen und Pkw

AG Villingen-Schwenningen v. 16.04.2013: Unfall zwischen Rettungswagen mit Martinshorn und Blaulicht und Pkw mit schneebedeckter Heckscheibe und lauter Lüftung


Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen (Urteil vom 16.04.2013 - 5 C 508/12) hat entschieden:
Bei einem Unfall zwischen einem Kfz und einem Rettungsfahrzeug ist zu Lasten des Kfz-Führers zu berücksichtigen, dass er das mit Blaulicht und Martinshorn fahrende Rettungsfahrzeug wegen der nicht vom Schnee befreiten Heckscheibe und des in seinem Fahrzeug wegen der hochgeschalteten Lüftung herrschenden hohen Geräuschpegels nicht frühzeitig bemerken konnte. Auf Seiten des Fahrers des Rettungswagens ist zu berücksichtigen, dass dieser zwar unter Einsatz von Sonderrechten fährt, ihn dies aber nicht von der Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer entbindet. In einem derartigen Fall ist Schadensteilung geboten.


Siehe auch Sonderrechte - Einsatzfahrzeuge - Rettungsfahrzeuge - Wegerechtsfahrzeuge und Pflichten des Fahrzeugführers - Zustand des Fahrzeugs


Tatbestand:

Von der Darstellung eines Tatbestands wird gemäß §§ 313 a, 511 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel mangels Erreichens der Berufungssumme gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten Ziffer 1 keinen Anspruch auf Ersatz restlichen Schadens aus § 18 StVG. Der Beklagte Ziffer 1 war Führer des unfallbeteiligten Rettungswagens, bei dessen Betrieb eine Sache, das Kfz des Klägers, beschädigt wurde. Nach § 18 Abs. 3 StVG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 und 2 StVG ist der Umfang der Verpflichtung zum Ersatz des Schadens von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen abhängig. Im vorliegenden Fall ist von jeweils hälftigen Verursachungsbeiträgen auszugehen. Der Beklagte Ziffer 1 war unter Einsatz von Sonderrechten gemäß § 35 StVO unterwegs. Er hatte sowohl Blaulicht als auch Martinshorn eingeschaltet. Das blaue Blinklicht ordnet gemäß § 38 Abs. 1 StVG an: "Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen."

Im vorliegenden Fall ist das Gericht aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers zwar davon überzeugt, dass er sofort reagierte, als er den Beklagten Ziffer 1 bemerkte. Das Gericht ist jedoch aufgrund der Darstellung des Beklagten Ziffer 1 sowie der Ausführungen des Klägers ebenso davon überzeugt, dass der Kläger bereits eher hätte reagieren können und müssen. Das Fahrzeug des Beklagten Ziffer 1 befand sich bereits eine Weile hinter dem Fahrzeug des Klägers. Der Beklagte Ziffer 1 hat überzeugend und anschaulich geschildert, wie die Fahrt bis zum Kreisverkehr verlief. Es hätte sich zwischen seinem Rettungswagen und dem Fahrzeug des Klägers zunächst noch ein weiteres Fahrzeug befunden, welches bereits vor dem Kreisverkehr auf eine weitere Fahrspur nach rechts ausgewichen sei. Hinter dem Fahrzeug des Klägers habe der Beklagte Ziffer 1 dann jedoch zunächst abbremsen und anhalten müssen, da dieser sich noch vor ihm befand. Der Kläger selbst trägt hierzu vor, seine Heckscheibe sei mit Schnee bedeckt gewesen und er habe die Lüftung in seinem Fahrzeug sehr hochgeschaltet gehabt, so dass es in seinem Fahrzeug laut war. Dies ist eine Erklärung dafür, dass er weder das Blaulicht wahrnahm. Insbesondere die Blaulichter, die sich am Kühlergrill des Rettungswagens befinden und nach Aussage des Beklagten insbesondere in die Innenspiegel der vorausfahrenden Fahrzeuge blinken sollen. Es erklärt auch, warum der Kläger das Martinshorn nicht wahrnahm. Desweiteren kommt hinzu, dass das Fahrzeug des Klägers durch diesen zwar bei Bemerken des Rettungswagens abgebremst wurde, jedoch nicht völlig zum Stillstand kam. Zum Zeitpunkt der Kollision befand das klägerische Fahrzeug sich also noch leicht in Bewegung.

Auf Seiten des Beklagten Ziffer 1 ist zu berücksichtigen, dass dieser zwar unter Einsatz von Sonderrechten fuhr, ihn dies aber nicht von der Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer entbindet. Der Fahrer eines Rettungswagens ist auch bei der Nutzung von Sondersignalen verpflichtet, zu beobachten, ob sein Sondersignal von anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beachtet wird. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte Ziffer 1 persönlich angehört erklärt, er habe gedacht, das Fahrzeug des Klägers stehe. Erst nach der Kollision habe er im Spiegel gesehen, dass das Fahrzeug des Klägers sich noch leicht in Bewegung befunden habe. Hiernach steht nicht fest, dass der Beklagte Ziffer 1 den Überholvorgang in Kenntnis dessen startete, dass das Fahrzeug des Klägers sich noch in Bewegung befand.

Unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger sofort, als er den Beklagten Ziffer 1 bemerkte, nach links zog und an den äußeren linken Rand des Kreisverkehrs fuhr und es während er noch rollte dennoch zu einer Kollision kam, scheint eine Verteilung der Verursachungsbeiträge von jeweils 50 % angemessen. Der Kläger hätte den Beklagten Ziffer 1 bereits weitaus eher bemerken und ihm freie Bahn schaffen müssen. Dies war ihm aufgrund der nicht vom Schnee befreiten Heckscheibe und des im Auto herrschenden Geräuschpegels durch die Lüftung nach eigener Aussage nicht möglich. Nach sofortiger Reaktion des Klägers ist eine gewisse Rücksicht auch vom Beklagten Ziffer 1 zu fordern.

Da die Beklagte Ziffer 2 bereits 50 % des Unfallschadens reguliert hat, besteht ein weiterer Anspruch des Klägers nicht.

Ebenso steht dem Kläger kein Anspruch gegen den Beklagten Ziffer 1 aus § 823 BGB sowie gegen die Beklagte Ziffer 2 aus §§ 1 PflVG, 115 VVG zu.

Ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen besteht mangels des Vorliegens eines Hauptanspruchs nicht. Ebenso hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Berufung gegen das Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.



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