Das Verkehrslexikon

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OLG Saarbrücken Urteil vom 29.06.2010 - 4 U 482/09 - Schadensersatzanspruch nach Schaden infolge herabfallender Pappeläste

OLG Saarbrücken v. 29.06.2010: Schadensersatzanspruch nach Schaden infolge herabfallender Pappeläste


Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 29.06.2010 - 4 U 482/09) hat entschieden:
  1. Der Träger der Straßenbaulast ist in Erfüllung der gebotenen Verkehrssicherungspflicht gehalten, im Bereich von Parkplätzen hohe Pappeln zu entfernen, da diese auch in gesundem Zustand dazu neigen, Äste abzuwerfen.

  2. Widmungsbeschränkungen eines öffentlichen Straßenbereichs sind für Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht nur dann von Relevanz, wenn sie für den betroffenen Verkehr mit zumutbarer Sorgfalt erkennbar sind.

Siehe auch Astbruch und Verkehrssicherung und Verkehrssicherungspflicht


Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht auf Erstattung eines Sachschadens in Anspruch.

Der Sohn des Klägers parkte am 8.6.2008 das dem Kläger gehörende Fahrzeug im Bereich der Zuwegung zum-​Tierheim in .... Der Parkplatz (Lichtbild Bl. 42 d. A.) liegt in einem Waldbereich, hinsichtlich dessen Wegenetzes die Beklagte verkehrssicherungspflichtig ist. Von einer neben dem Wagen stehenden Pappel fiel ein Ast herab und beschädigte das Fahrzeug erheblich.

Der Sachschaden belief sich auf insgesamt 4.032,96 EUR, den die Vollkaskoversicherung des Klägers nach Rechtshängigkeit des ursprünglichen Zahlungsantrags beglichen hat.

In den Jahren 2002/2003 fällte die Beklagte im Bereich der bereits zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Parkplätze des angrenzenden Tierheims Pappelbäume.

Der Kläger hat vorgetragen, dass der Parkplatz, auf dem sich der Schadensfall ereignete, in der lichtbildlich dokumentierten Form bereits im Jahr 2007 angelegt gewesen sei. Es entziehe sich seiner Kenntnis, wer diese Parkfläche hergerichtet habe. Da es sich vermutlich um Bauschutt handele, sei davon auszugehen, dass dies Reste des Baues des neuen Tierheims seien. Wann dieses errichtet worden sei, wisse der Kläger nicht.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger zuletzt die Erstattung der Gutachterkosten (482,96 EUR), den Ausgleich des Höherstufungsschadens für das Jahr 2009 (93,70 EUR), der Selbstbeteiligung der Vollkaskoversicherung (300 EUR), zusammen 901,66 EUR, sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt. Darüber hinaus hat der Kläger die Beklagte auf Feststellung der Einstandspflicht für die Erstattung des Höherstufungsschadens in der Vollkaskoversicherung ab dem Jahr 2010 in Anspruch genommen.

Der Kläger hat ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlungen vom 22.4.2009, S. 4 (Bl. 68 d. A.), und vom 22.7.2009, S. 2 (Bl. 90 d. A.), zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
  1. an den Kläger 901,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.8.2008;

  2. weitere 446,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher durch die Inanspruchnahme von dessen Vollkaskoversicherung bei der ...versicherung AG, versichertes Fahrzeuges ... / Versicherungsnummer: ..., insbesondere durch die sich ergebende Höherstufung entstanden ist.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte hat behauptet, dass der Bereich, in dem sich der Unfall ereignet habe, letztmals im März 2008 kontrolliert worden sei. Die Parkstelle sei von der Beklagten nicht als Parkplatz angelegt worden. Vielmehr handele es sich um einen vom Tierheim provisorisch angelegten Parkplatz, der ohne Absprache mit der Forstabteilung der Beklagten angelegt worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit der vorliegenden Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren lediglich hinsichtlich der Anträge zu 1) und 2) weiter.

Er beantragt hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 14.12.2009, eingegangen am 15.12.2009, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trägt hierzu vor, eine Mitarbeiterin seines Büros habe die Berufungsbegründung am 23.11.2009 gefertigt und dem sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten zur Unterschrift vorgelegt. Nach Weiterleitung der Unterschriftenmappe an den Postausgang der Kanzlei seien die Fristen gestrichen worden. Die Post werde in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers täglich durch eine gesondert hierfür eingestellte Mitarbeiterin bearbeitet und am gleichen Tag dem Dienstleister S. übergeben. Soweit es sich um Faxe handele, würden diese am selben Tag versandt. Soweit es sich um Gerichtspost handele, werde diese täglich gesondert gesammelt und spätestens am Folgetag durch einen Anwalt zur zentralen Poststelle des Landgerichts Saarbrücken gefahren. Dies sei im vorliegenden Fall Rechtsanwalt K. gewesen, der am .1.2009 um 9:30 Uhr einen Termin beim Arbeitsgericht Saarbrücken wahrgenommen habe. Rechtsanwalt K. sei weiterhin bewusst, dass er auch am 25.11.2009 an die Poststelle des Landgerichts gefahren sei, da er einen Termin in Vertretung für den Kollegen B. am Finanzgericht wahrgenommen habe. Rechtsanwalt K. habe daher davon ausgehen dürfen, dass mit Übergabe des Schriftstückes an die Poststelle nach Unterzeichnung mit dem normalen Postlauf davon ausgegangen werden könne, dass dieses noch in der Kalenderwoche 48 bei Gericht eingehe. Warum ein entsprechender Eingang bei Gericht nicht festzustellen sei, entziehe sich der Kenntnis des Rechtsanwalts.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Parkfläche in einem Zeitraum von über sechs Jahren, nämlich von 2002 beziehungsweise 2003 bis zum Eintritt des hier maßgeblichen Unfalles habe angelegt sein können. In Anbetracht dieses Umstandes, dass die Fläche bis zu sechs Jahren als Parkplatz genutzt worden sei, sei davon auszugehen, dass der Beklagten die Nutzung des Geländes als Parkplatz bekannt gewesen sei. Insbesondere liege die Annahme nahe, dass die Beschäftigten der Beklagten die Parkfläche bei der Kontrolle am 14.3.2008 hätten wahrnehmen müssen.

Nach Auffassung des Klägers besteht die Verkehrssicherungspflicht auch darin, dass eine rechtswidrige Nutzung hätte unterbunden werden müssen. Allein durch den langen Zeitraum der Nutzung ergebe sich zumindest eine Widmung des Parkplatzes durch die tatsächliche Nutzung und das Nichtstun der Beklagten. Weiterhin sei eine Beweisaufnahme darüber nicht erfolgt, wer den Parkplatz tatsächlich angelegt habe.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 26.8.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, 4 O 385/08,
  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 901,66 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.8.2008 zu zahlen;

  2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an den Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 446,13 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und bekräftigt ihre erstinstanzliche Behauptung, dass das fragliche Gelände, auf dem sich der Unfall ereignet habe, im Jahre 2003 nicht als Parkplatz genutzt worden sei. Der Parkplatz sei von der Beklagten auch nicht angelegt worden. Der Beklagten sei die Nutzung des Geländes als Parkplatz nicht bekannt gewesen. Im Übrigen könne die Beklagte nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden, dass ein Verkehrsteilnehmer außerhalb der Verkehrsfläche, für die die Beklagte verantwortlich sei, am Verkehr teilnehme und die Beklagte ein solches Verhalten nicht unterbinde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 23.11.2009 (Bl. 149 ff. d. A.), der Berufungserwiderung vom 19.1.2010 (Bl. 164 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 25.2.2010 (Bl. 172 d. A.) Bezug genommen.

Der Senat hat dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 8.6.2010 gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.


II.

A.

Die Berufung hat im Umfang der Anfechtung Erfolg: Dem Kläger steht aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) ein Anspruch auf Ersatz der wegen des Astbruchs an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden zu.

1. Gemäß § 9 Abs. 3a SaarlStrG sind dem Träger der Straßenbaulast die sich aus der Überwachung der Verkehrssicherheit der öffentlichen Straßen ergebenden Aufgaben als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit übertragen. Demnach obliegt es dem Träger der Straßenbaulast in Erfüllung dieser Amtspflicht, die Straße in einem hinreichend sicheren Zustand zu erhalten und in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die zur Herbeiführung und Erhaltung eines für die Benutzer hinreichend sicheren Zustandes erforderlich sind. Hierbei ist keine absolute Gefahrlosigkeit herzustellen. Dies ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen. Vielmehr muss sich der Straßenbenutzer grundsätzlich den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Demgegenüber ist es Sache des Verkehrssicherungspflichtigen, alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (BGHZ 108, 273, 274 f.; BGH, Urt. v. 21.6.1979, III ZR 58/78, VersR 1979, 1055, vgl. Urt. v. 11.12.1984, VI ZR 218/83, NJW 1985, 1076; Staudinger/Hager, BGB, 13. Aufl., § 823 Rdnr. E 74; MünchKomm(BGB)/Wagner, 5. Aufl., § 823 Rdnr. 416 ff.; 438 f.; Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 823 Rdnr. 221; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2. Aufl., § 823 Rdnr. 314; Prütting/Wegen/Weinreich/Schaub, BGB, 5. Aufl., § 823 Rdnr. 132).

Die Straßenverkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf den Schutz vor solchen Gefahren, die den Benutzern der Straße durch Straßenbäume drohen. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen werden, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen (BGH, Urt. v. 4.3.2004, III ZR 225/03, NJW 2004, 1381). Zu diesen Gefahren gehörte es auch, dass – dies ist in tatsächlicher Hinsicht im vorliegenden Rechtsstreit unstreitig – Pappeln dazu neigen, selbst bei äußerem gesunden Zustand Äste abzuwerfen. Pappeln stellen jedenfalls auf Parkplätzen eine Gefährdung des Verkehrs dar, da ein unter einer Pappel abgestelltes Fahrzeug den Gefahren eines Astabwurfs in größerem Ausmaß ausgesetzt ist als ein die Straße entlang fahrendes Fahrzeug. Es ist ein Gebot der Verkehrssicherung, hohe Pappeln, die dazu neigen, Äste abzuwerfen, im Bereich von Parkplätzen zu entfernen.

Dieses Gebot hat sich die Beklagte zudem selbst auferlegt: Der zuständige Forstwirtschaftmeister, der Zeuge S., hat ausgesagt, dass die Beklagte in den Jahren 2002 und 2003 alle Pappeln, die in dem Bereich der Zuwegung, die von parkenden Fahrzeugen benutzt worden sei, entfernt habe, da diese eine Gefährdung der dort parkenden Fahrzeuge dargestellt hätten. Ergänzend hat der Zeuge ausgeführt, dass die Beklagte auch die Pappel entfernt hätte, von der sich der Ast löste, wenn der Parkplatzteil schon damals bestanden hätte.

2. Soweit das Landgericht die Auffassung vertreten hat, es sei der Beklagten nicht zuzumuten, Verkehrssicherungsmaßnahmen für solche Bereiche zu treffen, die von Dritten rechtswidrig auf einem Grundstück des Verkehrssicherungspflichtigen angelegt worden seien, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.

a) Zwar ist im Grundsatz die Widmung eines Verkehrsweges für Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht von Relevanz. Allerdings bestimmt sich die Frage, für welche Art ein Verkehr gewidmet ist, nach seinem äußeren Erscheinungsbild, insbesondere nach den äußerlich erkennbaren Merkmalen eines Weges unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und der allgemeinen Verkehrsauffassung (BGH, Urt. vom 15.12. 1998, III ZR 112/87, VersR 1989, 847, 848). Widmungsbeschränkungen sind nur dann von Relevanz, wenn sie aus der Anlage des Weges mit zumutbarer Sorgfalt erkennbar sind. Nur dann kann sich der Verkehrssicherungspflichtige darauf verlassen, dass der Verkehrsteilnehmer den Gegebenheiten Rechnung trägt (vgl. Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823 E 76 f.).

Davon unabhängig besteht die Verkehrssicherungspflicht für den Zustand einer Sache im Grundsatz selbst gegenüber Personen, die sich unbefugt im Gefahrenbereich aufhalten. Dies gilt zumindest, solange die widerrechtliche Benutzung nicht zu einer vom Opfer selbst verschuldeten Gefahrerhöhung führt (vgl. Schröter, AcP 179 (1979), 578).

b) Beide Aspekte streiten für den Kläger. Der auf dem Lichtbild gezeigte Bereich ist erkennbar zum Parken ausgestaltet: Das Lichtbild Bl. 42 d. A. zeigt einen sich an eine Straßenlaterne anschließenden Bereich, der teilweise durch das Auftragen von Brache bis unter den Baumbewuchs planiert wurde. Die zurückgesetzte Straßenlaterne vermittelt den Anschein, als sei sie eigens zur Ausleuchtung des fraglichen Bereichs installiert worden. In der Zusammenschau besitzt die Ausgestaltung des Platzes zum Parken geradezu Aufforderungscharakter, da ein anderer Zweck für die Bereitstellung der Fläche nicht ersichtlich ist. Davon, dass der Sohn des Klägers das Fahrzeug an der besagten Stelle verkehrswidrig abstellte, kann keine Rede sein. Insbesondere wird der Vorwurf, der Kläger habe „wild“ geparkt, den örtlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Vielmehr hatte der Fahrer des klägerischen Autos keinerlei Veranlassung, die Parkberechtigung an der fraglichen Stelle in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Fahrer in vorwerfbarer Weise zur Erhöhung des Schadensrisikos beigetragen hat, sind nicht ersichtlich.

4. Letztlich ist auch die Zumutbarkeit verkehrssichernder Maßnahmen nachgewiesen:

a) Die oben dargestellten gesteigerten Verkehrssicherungspflichten für die einer Parkfläche drohenden Gefahren oblagen der Beklagten (unterstellt man, dass die Parkfläche nicht von der Forstverwaltung angelegt wurde) nur dann, wenn sie entweder positiv wusste oder unter Anstrengung eines zumutbaren Aufwandes hätte erkennen müssen, dass der fragliche Bereich als Parkfläche ausgestaltet war. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erkennbarkeit ist für die rechtliche Beurteilung im vorliegenden Fall der Zustand der Örtlichkeit zum Zeitpunkt der am 14.3.2008 durchgeführten Kontrolle.

b) Der Senat hat keine Zweifel, dass der auf dem Lichtbild vom 19.8.2008 abgebildete Zustand schon zum Zeitpunkt der letzten Kontrolle – am 14.3.2008 – vorhanden war: Die Fläche zeigt im Bereich des Braschenbelags deutliche Gebrauchsspuren und eine sich durchsetzende Vegetation, wie sie nicht zu erwarten gewesen wäre, wenn die Parkplatz erst unmittelbar vor der Lichtbildaufnahme angelegt worden wäre. Darüber hinaus hat die Beklagte den gegnerischen Sachvortrag zur zeitlichen Entstehung des Parkplatzes nicht substantiiert bestritten: Der Senat hat die Beklagte mit Verfügung vom 3.2.2010 aufgefordert, klarzustellen, ob der sog. Eckparkplatz bei der vom Zeugen S. bestätigten Kontrolle am 14.3.2008 bereits vorhanden war. Im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25.2.2010 hat die Beklagte eine eindeutige Stellungnahme zur zeitlichen Einordnung des maßgeblichen Geschehens vermieden und stattdessen ihren Einwand erneuert, dass der Eckparkplatz von der Beklagten dem Verkehr nicht zur Verfügung gestellt worden sei. Dieser Sachvortrag zieht die Richtigkeit des klägerischen Sachvortrags zur zeitlichen Entstehung der Parkfläche nicht substantiiert in Zweifel.

c) Entsprachen die örtlichen Gegebenheiten jedoch dem lichtbildlich dokumentierten Zustand, so war die tatsächliche Nutzung des fraglichen Bereichs zu Parkzwecken für die die Ortsbegehung durchführenden Bediensteten der Beklagten bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt selbst dann hinreichend erkennbar, wenn zum Zeitpunkt der Kontrolle keine Fahrzeuge abgestellt waren. Der Aufforderungscharakter der Fläche war für den geschulten Blick einer Baumbegehung nicht zu übersehen. Darüber hinaus erscheint es mehr aus unwahrscheinlich, dass die tatsächliche Nutzung der Fläche als Parkplatz dem mit der Pflege des Forstbereichs betrauten Personal verborgen bleiben konnte.

d) Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die objektive Verletzung verkehrssichernder Maßnahmen mit dem Argument in Abrede gestellt hat, die Frist zwischen der letzten Kontrolle (14.3.2008) und dem Schadensereignis (8.6.2008) sei zu kurz, um der Beklagten im Rahmen der Zumutbarkeit die Pflicht zur Abhilfe aufzuerlegen, vermag der Senat die rechtliche Wertung der Beklagten nicht zu teilen: Es sind keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die den Rückschluss erlauben, dass es der Beklagten aus organisatorischen Gründen unmöglich gewesen wäre, innerhalb des nicht unerheblichen Zeitraums von fast drei Monaten Baumfällarbeiten zu organisieren. In jedem Fall wäre es der Beklagten zumutbar gewesen, die Benutzer des Parkplatzes im Zeitintervall zwischen letzter Begehung und Schadensfall vor den Gefahren des Astbruches zu warnen. Auch dieser Warnpflicht hat die Beklagte nicht genügt.

e) Schließlich stehen fiskalische Erwägungen der Zumutbarkeit verkehrssichernder Maßnahmen im vorliegenden Fall nicht entgegen: Es ist nicht ersichtlich, dass die fiskalische Leistungsfähigkeit der beklagten Kommune durch das Fällen von wenigen Bäumen oder das Ergreifen geeigneter Maßnahmen, um ein Parken im fraglichen Bereich zu unterbinden, in nennenswertem Umfang beeinträchtigt werden kann.

5. Entgegen der Auffassung der Berufung scheitert die Inanspruchnahme der Beklagten nicht an § 839 Abs. 1 S. 2 BGB:

Zwar hat auch derjenige, der den Parkplatz am fraglichen Bereich eingerichtet hat, in einer Schadensersatzansprüche begründenden Weise gegen seine Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Denn er hätte bereits bei Anlage des Parkplatzes die Gefährdungen durch den angrenzenden Baumbewuchs bedenken müssen. Dennoch kann diese alternative Schuldnerstellung dem Kläger nicht entgegengehalten werden: Seit BGHZ 123, 102 ist es anerkannt, dass der Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung bei Verletzungen der als hoheitliche Aufgabe ausgestalteten allgemeinen Verkehrssicherungspflichten die Anwendung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausschließt. Die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs betrifft ausdrücklich einen Fall, in dem die öffentliche Hand für den von einem Baum ausgehenden Schaden in Anspruch genommen wurde. Der Auffassung der Vorinstanz, der dortige Kläger müsse zunächst einen Bauunternehmer in Anspruch nehmen, der durch Arbeiten im Bereich des Wurzelwerks die Standsicherheit beeinträchtigt habe, hat sich der BGH – ebenso wie der Senat in der vorliegenden Entscheidung – nicht angeschlossen.

Insbesondere rechtfertigt der Rechtsgedanke des § 254 BGB kein für die Beklagte günstigeres Ergebnis:

Ein Mitverschulden des Klägers ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist dem Kläger nicht vorzuhalten, er hätte ebenso wie ein Forstwirt um die Gefahren äußerlich gesund erscheinender Pappeln wissen müssen. Die Ausführungen des Landgerichts, wonach derjenige, der auf rechtswidrige Weise die wilde Parkfläche geschaffen habe, die Gefährdung der dort parkenden Fahrzeuge durch das Anlocken dieser Fahrzeuge in so überwiegendem Maße geschaffen habe, dass es unbillig erscheine, die Haftung für hieraus resultierende Schäden der Beklagten als Verkehrssicherungspflichtigen für die dorthin führenden Wege aufzuerlegen, verstellen den Blick auf die richtige Interessenabwägung: Selbst wenn im Innenverhältnis der Gesamtschuldner die vom Landgericht angestrengten Erwägungen dafür streiten, den „Erbauer“ des Parkplatzes mit der überwiegenden Haftung zu belegen, ist es dem Kläger dennoch unbenommen, die Beklagte auf Erstattung des vollen Schadens in Anspruch zu nehmen. Ein berechtigter Straßenbenutzer muss sich den etwaigen Rechtsverstoß desjenigen, der den Parkplatz angelegt hat, nicht zurechnen lassen.

6. Die Schadenshöhe steht außer Streit: Dem Kläger steht gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ein Anspruch auf Erstattung aller Aufwendungen zu, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urt. v. 14.10.2008, VI ZR 308/07, NJW 2009, 58; Urt. v. 2.10.2004, VI ZR 151/03, 2005, 51; Palandt/Grüneberg, aaO, § 249 Rdnr. 12). Hierzu zählen im vorliegenden Fall die zur Feststellung des Sachschadens angefallenen Gutachterkosten (482,96 EUR) und die als Nebenforderung geltend gemachten außerprozessualen Rechtsanwaltskosten (446,13 EUR), die auf der Grundlage des entstandenen Sachschadens berechnet wurden. Darüber hinaus sind auch der für das Jahr 2009 entstandene Höherstufungsschaden aus der Vollkaskoversicherung (93,70 EUR) und die Selbstbeteiligung im Rahmen der Vollkaskoversicherung (300 EUR) Vermögenseinbußen, die adäquat aus der Rechtsgutsverletzung resultieren.

Die Zinsforderung beruht auf Verzugsgesichtspunkten (§ 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 291 BGB.


B.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 97 ZPO. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kostenentscheidung war der Kläger mit den Kosten der Teilrücknahme und den anteiligen Kosten der rechtskräftigen Abweisung der Feststellungsklage zu belasten: Ausweislich der auf S. 6 der landgerichtlichen Entscheidung erfolgten Streitwertfestsetzung wollte das Landgericht alle gestellten Anträge, mithin auch den Feststellungsantrag, bescheiden. Die unterbliebene Erwähnung des Feststellungsantrags beruht auf einem offensichtlichen (§ 319 ZPO) Versehen. Da der Kläger trotz des Hinweises des Senats in der Verfügung vom 3.2.2010 seinen Berufungsantrag nicht modifizierte, ist die Abweisung des Feststellungsantrags endgültig in Rechtskraft erwachsen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).