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Verwaltungsgericht Berlin Urteil vom 01.03.2002 - 11 A 37.02 - Zweiter Anwohnerparkausweis bei Familien-Car-Sharing

VG Berlin v. 01.03.2002: Zum zweiten Anwohnerparkausweis bei Familien-Car-Sharing


Das Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 01.03.2002 - 11 A 37.02) hat entschieden:
  1. Die Nutzung eines Pkw durch zwei Familienangehörige, die in unterschiedlichen Parkzonen wohnen, im Wege des Familien-Car-Sharing begründet einen Anspruch auf Erteilung eines zweiten Anwohnerparkausweises.

  2. Die allgemeine Gefahr eines Missbrauches einer Anwohnerparkberechtigung vermag nicht eine unterschiedliche Behandlung von Vertrags-Car-Sharing und Familien-Car-Sharing zu begründen.

  3. Die Straßenverkehrsbehörde ist im Falle eines behaupteten Familien-Car-Sharings berechtigt, zum Nachweis einer solchen gemeinsamen Nutzung detaillierte Nachweise hierüber zu verlangen und das Bestehen einer solchen Autoteilung kritisch zu prüfen.

Siehe auch Bewohnerparkzonen und Carsharing


Tatbestand:

Der Kläger zu 2. begehrt die Erteilung eines Anwohnerparkausweises. Der Kläger zu 2. wohnt seit 1997 in der Mstraße ... in B C, wo er auch polizeilich gemeldet ist. Der Vater des Klägers zu 2., der Kläger zu 1., wohnt in der P Straße ... in B W; dieser Bereich gehört zur Anwohnerparkzone 8. Der Kläger zu 1. ist seit 1999 Halter des Pkw Smart mit dem polizeilichen Kennzeichen ... .

Der Kläger zu 1. erhielt seit 1997 Vignetten für das Anwohnerparken in der Zone 6 für verschiedene Fahrzeuge, zuletzt für seinen Smart.

Mit Antrag vom 12. April 1999 beantragte der Kläger zu 1. unter Hinweis auf sein Fahrzeug und seine eigene Vignette einen Anwohnerparkausweis für seinen Sohn, den Kläger zu 2. und führte zur Begründung aus, der Pkw mit dem polizeilichen Kennzeichen B werde mindestens die Hälfte der Zeit von seinem Sohn gefahren, der in der Mstraße ... lebe und dort polizeilich gemeldet sei. Der Wagen stehe mindestens die Hälfte der Zeit am Wohnort seines Sohnes mit der Folge polizeilicher Maßnahmen wegen vermeintlichen Falschparkens. Um Übersendung einer zweiten Vignette für die Mstraße ... werde gebeten.

Der Polizeipräsident in B lehnte durch Bescheid vom 31. Mai 1999 die Erteilung eines weiteren Anwohnerparkausweises mit der Begründung ab, das Kraftfahrzeug, für dass eine Sonderparkberechtigung gewährt werden solle, müsse auf den Anwohner als Halter zugelassen sein oder nachweislich vom Antragsteller dauernd genutzt werden (Abschnitt IX der bundeseinheitlichen allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 45 Abs. 1 bis 1 d der Straßenverkehrsordnung). Eine dauernde Nutzung setze voraus, dass das Kraftfahrzeug überwiegend (zu mehr als 50 %) genutzt werde. Für das in Rede stehende Fahrzeug sei bereits eine Sonderparkberechtigung in einer anderen Anwohnerparkzone erteilt worden. Ferner sei eine dauerhafte Nutzung durch einen weiteren Antragsteller bzw. die Erteilung eines zweiten Anwohnerparkausweises für das gleiche Fahrzeug nicht möglich. Eine Neufestlegung des Geltungsbereiches für eine Anwohnerparkzone sei offensichtlich nicht beabsichtigt.

Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch vom 14. Juni 1999 mit dem beantragt wurde, den begehrten zweiten Anwohnerparkausweis zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, § 45 Abs. 1 StVO decke die getroffene Entscheidung nicht. Das Kraftfahrzeug werde von dem Halter und seinem Sohn zu je etwa 50 % genutzt, so dass beide einen Anspruch auf eine entsprechende Erlaubnis hätten. Die Versagung stelle einen Verstoß nicht nur gegen die Freizügigkeit, sondern auch gegen den Vorbehalt des Gesetzes dar. Dass ein Anwohner ein von ihm regelmäßig genutztes Fahrzeug, das er auch für seinen beruflichen Einsatz benötige, nur kilometerweit entfernt abstellen dürfe, sei vom geltenden Recht nicht getragen und daher rechtswidrig.

Die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr wies den Widerspruch durch Bescheid vom 25. August 1999 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger zu 1. erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Anwohnerparkausweises für die Zone 6. Nach der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 45 Abs. 1 bis 1 d StVO sei Anwohner nur diejenige Person, die in dem in Betracht kommenden Gebiet tatsächlich wohne und dort amtlich gemeldet sei. Der Kläger zu 1. wohne tatsächlich in der P Straße und sei dort amtlich gemeldet. Dieser Wohnsitz liege jedoch nicht in der Parkzone 6, sondern in der Parkzone 8. Für diese sei ihm auch zutreffend der Anwohnerparkausweis erteilt worden. Der Umstand, dass in einer anderen Parkzone ein Familienangehöriger wohne, der sein Fahrzeug ebenfalls nutze, sei für die Entscheidung über den Antrag nicht relevant. Maßgebend sei nur der Wohnsitz des Antragstellers. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass auch ein vom Kläger zu 2. gestellter Antrag auf Erteilung des Anwohnerparkausweises für das Kraftfahrzeug B für die Anwohnerparkzone 6 keine Aussicht auf Erfolg haben würde. Nach IX 2 VwV-​StVO müsse das Kraftfahrzeug, für das ein Anwohnerparkausweis erteilt werden solle, auf den Anwohner als Halter zugelassen sein oder nachweislich vom Antragsteller dauernd genutzt werden. Nach den Angaben nutze der Kläger zu 2. das nicht auf ihn, sondern auf den Kläger zu 1 als Halter zugelassene Kraftfahrzeug allenfalls zu 50 %. In dem gleichen Umfang werde das Fahrzeug auch vom Kläger zu 1. genutzt. Dies zwinge zu dem Schluss, dass dem Kläger zu 2. das Fahrzeug nicht dauernd zur Verfügung stehe, weil es während des Gebrauchs durch den Kläger zu 1. seiner Nutzung entzogen sei. Damit erfülle auch der Kläger zu 2. nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines auf dieses Fahrzeug bezogene Anwohnerparkausweises.

Mit der am 1. September 1999 zunächst von beiden Klägern erhobenen Klage – der Kläger zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung seine Klage zurückgenommen – begehrt nunmehr der Kläger zu 2. die Erteilung eines Anwohnerparkausweises für die Zone 6. Der Kläger zu 2. wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend dazu vor, hinter dem "Car-​Sharing" stehe der Gedanke, dass er und sein Vater das Fahrzeug nicht vollständig benötigten. Vielmehr sei es ihnen beiden möglich, insbesondere die Wege in die Innenstadt zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erledigen. Das Fahrzeug werde daher vorwiegend für die längeren Strecken sowie für Fahrten zu ungewöhnlichen Tageszeiten gebraucht. Die gemeinsame Nutzung lasse sich vor allem deshalb gut vereinbaren, da er – der Kläger zu 2. – in wechselnden Schichten arbeite und deshalb das Fahrzeug oftmals in der Nacht- und frühen Morgenstunden auf dem Weg zu bzw. von seiner Arbeitsstelle einsetze. Diese Aufteilung funktioniere bereits seit längerer Zeit optimal, weshalb er und sein Vater auch kein weiteres Fahrzeug besitzen würden. Da beide Nutzer im Bezirk Charlottenburg und damit in – für Berliner Verhältnisse – relativ geringer Entfernung von einander wohnten, lasse sich die gemeinsame Nutzung auch organisatorisch gut handhaben. Ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Anwohnerparkerlaubnis ergebe sich aus § 45 Abs. 1 b Satz 2 StVO i. V. m. der Verwaltungsvorschrift zu § 45 StVO. Er sei Anwohner in der Parkzone 6 und sein Begehren werde von der Zielsetzung der Anwohnerprivilegierung umfasst. Nach Sinn und Wortlaut der Verwaltungsvorschrift sei es ausreichend, wenn das Fahrzeug vom Anwohner dauernd genutzt werde, ohne dass es auf ihn zugelassen sei. Die Zielsetzung des § 45 Abs. 1 b Satz 2 StVO rechtfertige es nicht, die Nutzung eines Fahrzeuges durch zwei in unterschiedlichen Parkzonen wohnende Anwohner zu verhindern. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er unproblematisch eine Anwohnerparkberechtigung erhalten könne, wenn er einen eigenen, auf ihn zugelassenen oder ausschließlich von ihm genutzten Pkw besäße. Die gesetzliche Regelung bezwecke es also, ihm das unproblematische Abstellen seines Fahrzeuges in unmittelbarer Nähe zu seiner Wohnung zu ermöglichen. Hierfür mache es keinen Unterschied, ob er den ihm vorbehaltenen Parkraum mit einem ausschließlich oder nur hälftig von ihm genutzten Fahrzeug fülle. Der Begriff der dauernden Nutzung in der Verwaltungsvorschrift müsse auch seiner Zielsetzung entsprechend angewendet werden. Die Gesetzesanwendung des Beklagten führe zu einer Schlechterstellung von Anwohnern, die sich ein Fahrzeug teilten. Diese Privilegierung des ohne sachlichen Grund allein genutzten Fahrzeuges fördere eine Zunahme der Kraftfahrzeuge und bestrafe denjenigen, der umweltbewusst handele, die Anzahl der Fahrten mit dem Pkw reduziere und damit eine gemeinschaftliche Nutzung ermögliche. Dies stehe im Widerspruch zu der umweltpolitischen Staatszielbestimmung, die in Artikel 20 a GG ihren Ausdruck gefunden habe. Dem Aspekt der Missbrauchsverhütung werde durch die Verwaltungsvorschrift bereits in anderer Weise ausreichend gedient, denn die Verwaltungsvorschrift schreibe vor, dass jeder Anwohner die Sonderparkberechtigung jeweils nur für ein Fahrzeug erhalte. Außerdem seien die Parkausweise gebührenpflichtig. Durch beide Instrumente werde verhindert, dass unter Berufung auf eine zeitweise Nutzung eine Vielzahl von Parkausweisen für dasselbe Kraftfahrzeug erteilt werde.

Der Kläger zu 2. beantragt,
den Bescheid des Polizeipräsidenten in B vom 31. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25. August 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm einen Anwohnerparkausweis für die Zone 6 (Mstraße) zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an den angefochtenen Bescheiden fest und trägt ergänzend dazu vor, das Parkvorrecht für Anwohner gebiete infolge der Benachteiligung sämtlicher übriger Verkehrsteilnehmer eine enge Auslegung. Das Fahrzeug, für das das Parkvorrecht in Anspruch genommen werde, müsse vom Antragsteller dauernd genutzt, d. h., wie vom Sinn und Zweck der Regelung her gesehen zu ergänzen ist, schwerpunktmäßig von seinem Wohnsitz in der jeweiligen Anwohnerparkzone aus eingesetzt werden. Es bestehe sonst die Gefahr, dass der privilegierte Parkbereich für ein Fahrzeug zum Nachteil anderer Verkehrsteilnehmer durch Vorschieben von Personen, die kein eigenes Fahrzeug nutzen können oder wollen, erweitert werde. Diese allgemeine – auch kaum durch praktikable Kontrollen zu verhindernde – Missbrauchsgefahr rechtfertige die von der Behörde vorgenommenen Einschränkungen, die praktisch bewirkten, dass für ein Fahrzeug ein Anwohnerparkausweis nur für eine Parkzone ausgestellt werde.

Ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren blieb erfolglos (vgl. Beschluss der 25. Kammer vom 11. Januar 2000 – VG 25 A 360.99 – bestätigt durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 30. November 2001 – OVG 1 SN 15.00 –).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte des Klageverfahrens, der Streitakte des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens – VG 25 A 360.99 – und den Inhalt des den Kläger zu 2. betreffenden Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Die Kammer hat durch Beschluss vom 21. Februar 2002 den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten den Kläger zu 2. in seinen Rechten, der einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Anwohnerparkausweises für die Zone 6 hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Kläger begehrt von der Straßenverkehrsbehörde die Ausstellung eines Anwohner-​Parkausweises. Dabei handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der eine Sonderparkberechtigung begründet und als Nachweis dafür dient, dass der Inhaber als "Anwohner" zu dem begünstigten Personenkreis gehört und auf den dafür gekennzeichneten Flächen in seinem Wohnbereich – der Mommsenstraße und den angrenzenden Straßen – parken darf.

Die behördliche Befugnis zur Erteilung solcher Anwohner-​Parkausweise ergibt sich aus § 45 Abs. 1 b 1 Nr. 2 StVO. Danach treffen die Straßenverkehrbehörden die notwendigen Anordnungen "im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde sowie für Anwohner". Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte durch die Anordnung und Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen Gebrauch gemacht und ein System anwohnerberechtigten Parkens eingeführt. § 45 Abs. 1 b 1 Nr. 2 StVO ist durch die Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG gedeckt, wonach der Bundesminister für Verkehr mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften über "die Beschränkung des Haltes und Parkens zugunsten der Anwohner sowie die Schaffung von Parkmöglichkeiten für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde, insbesondere in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung oder ihrer Arbeitsstätte" erlässt.

Eine Definition des Begriffes "Anwohner" enthält weder das Straßenverkehrsgesetz noch die Straßenverkehrsordnung. In den allgemeinen Verwaltungsvorschriften ist dieser Begriff dahin erläutert, dass Anwohner nur diejenigen Personen sind, die in dem in Betracht kommenden Gebiet tatsächlich wohnen und dort amtlich gemeldet sind (vgl. Abschnitt IX Nr. 1 VwV-​StVO zu § 45 StVO, abgedruckt bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., 2001, § 45 StVO Rdnr. 16).

Der Begriff des "Anwohners" hat in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Erweiterung erfahren. Während zunächst (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1985 – 7 B 204.84 – NJW 1985, 3092) als Anwohner nur diejenigen Personen angesehen wurden, die in einer Straße wohnten, erfolgte durch die weitere Rechtsprechung des 3. Senates (BVerwG, Urteil vom 12. November 1992 – 3 C 6.90 –, BVerwGE 91, 168, 172) eine Erweiterung insofern, als die Anwohnerparkzonen nunmehr zwei oder höchstens drei Straßen umfassen durften und die in diesem Bereich lebenden Personen als Anwohner im Sinne von § 45 Abs. 1 b 1 Nr. 2 StVO angesehen wurden. An dieser Rechtsprechung ist in der Folgezeit festgehalten worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 1994 – 11 C 24.93 – NJW 1995, 473; Urteil vom 28. Mai 1998 – 3 C 11.97 – NJW 1998, 2840). Soweit die 25. Kammer in ihrem Beschluss vom 11. Januar 2000 den Antrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren unter anderem mit der Begründung abgelehnt hat, der Umstand, dass das Parkvorrecht für Anwohner eine Benachteiligung aller übrigen Verkehrsteilnehmer bedeute, gebiete eine enge Auslegung, vermag das erkennende Gericht dieser Bewertung nicht zu folgen. Die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat im Anschluss an die "Leitentscheidung" vom 12. November 1992 (vgl. zu dieser Bewertung Hillgruber, Verwaltungsarchiv 98, 93, 98) die straßenverkehrsrechtliche Ermächtigung zur Anordnung von Parkmöglichkeiten für Anwohner lediglich insofern restriktiv interpretiert, als sie tatbestandlich voraussetzen soll, dass die Parkmöglichkeiten in der Nähe der berechtigten Anwohner gelegen sind. Danach dürfen Anwohnerparkzonen bestimmte Größenordnungen nicht überschreiten. Diese einschränkende Auslegung setze an dem Begriff des Anwohners an. Die Sonderparkberechtigung sei nicht generell für Einwohner einer Stadt vorgesehen, sondern dürfe nur für Anwohner eingerichtet werden, so dass eine räumliche Nähe – oder Sonderbeziehung – zwischen den Parkplätzen, auf die sich die Sonderparkberechtigung beziehe, und den Wohnungen der bevorrechtigten Personen bestehen müsse.

Die seit Inkrafttreten der Regelung von § 45 Abs. 1 b 1 Nr. 2 StVO bekannt gewordene Rechtsprechung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. November 1992 a. a. O.; Hessischer VGH, Urteil vom 21. Februar 1994 – 2 UE 1564.91 – VRS 87, 476; OVG Koblenz, Beschluss vom 24. Februar 1994 – 7 B 10034/94 – NVwZ – RR 95, 357; Hessischer VGH, Beschluss vom 19. November 1996 – 2 TG 3178/96 – NJW 1997, 1522; OVG Münster, Urteil vom 2. Dezember 1996 – 25 A 4206.95 – NWVBl 1997, 253; Urteil vom 24. August 1999 – 8 A 403/99 – NZV 2000, 183; VG Köln, Urteil vom 20. März 1995 – 11 K 2260/93 u. a., NZV 1995, 335; VG München, Urteil vom 24. April 1996 – M 6 K 95.5256 – NZV 1997, 54) beschäftigt sich in den meisten Fällen auch bei der Prüfung des Anwohnerbegriffes ausschließlich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen dieser räumliche Bezug noch zu bejahen ist oder bereits zu verneinen ist (zu der Frage, welche Flächen von der Rechtsprechung insofern für eine rechtmäßige Anwohner-​Parklizenzierung anerkannt werden vgl. die Darstellung bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. a. a. O. Rdnr. 36 mit ausführlichen Zahlenangaben).

Der Kläger zu 2. ist unter Berücksichtigung dieser Kriterien im Hinblick auf seine Wohnung in der Mstraße ... Anwohner im Sinne der Parkzone 6; Anhaltspunkte dafür, dass diese Zone im Hinblick auf ihre flächenmäßige Ausdehnung nicht rechtmäßig eingerichtet worden ist, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

Der Kläger zu 2. erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen nach der Verwaltungsvorschrift zu § 45. Nach Teil IX Nr. 2 muss das Kraftfahrzeug, für das eine Sonderparkberechtigung gewährt werden soll, auf den Anwohner als Halter zugelassen sein oder nachweislich vom Antragsteller dauernd genutzt werden.

Auch wenn es sich bei dieser Regelung nur um eine Verwaltungsvorschrift handelt, ergibt sich hieraus ein Anspruch des Klägers zu 2. auf Erteilung einer Anwohnerparkerlaubnis, weil er jedenfalls die Voraussetzungen der 2. Alternative (dauernde Nutzung) erfüllt.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil des 3. Senates vom 8. April 1997 – 3 C 6.95 – BVerwGE 104, 220, 223 m. w. N.) ist anerkannt, dass Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne Bindung hinaus sowohl wegen des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) als auch wegen des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebotes des Vertrauensschutzes (Art. 20 und Art. 58 GG) eine anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis der Verwaltung zum Bürger haben (vgl. dazu ebenso Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 42 Rdnr. 149 m. w. N.).

Das vom Kläger zu 2. mit seinem Vater betriebene Car-​Sharing stellt eine dauernde Nutzung in dem vorgenannten Sinne dar. Car-​Sharing stellt eine Form der Pkw Nutzung durch einen oder mehrere Personen dar, die keinen hohen Mobilitätsbedarf mit dem Auto haben und so die vergleichsweise unwirtschaftlichen und umweltbelastenden Folgen eines eigenen Kraftfahrzeuges vermeiden wollen. Hierbei ist zwischen dem – wie im vorliegenden Fall praktizierten – Familien-​Car-​Sharing und dem überwiegend praktizierten Vertrags-​Car-​Sharing zu unterscheiden. In der letzteren Form sind die Personen entweder in einem Verein oder in einer Gesellschaft (häufig GmbH) organisiert. Die erste Car-​Sharing Organisation in Deutschland wurde 1988 gegründet; 1995 gab es in etwa 50 deutschen Städten Car-​Sharing Organisationen.

Nach den Angaben des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung wird die Nutzung eines Kraftfahrzeuges im Rahmen eines Vertrags-​Car-​Sharings bereits seit 1997 als dauernde Nutzung im Sinne von Abschnitt IX Nr. 2 der Verwaltungsvorschrift hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der dauernden Nutzung angesehen. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, warum der Beklagte diese für das vorliegende Verfahren wesentliche Information in dem seit September 1999 andauernden Klageverfahren erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, nachdem das Gericht die Verfahrensbeteiligten über die im Wege der Amtsermittlung über das Internet erlangten Erkenntnisse über die Praxis der Stadtpolizei in Zürich (Schweiz) unterrichtet hat, wonach bei einer Fahrzeuggemeinschaft (Car-​Sharing) jeder Nutzer eine eigene Parkkarte für die blaue Zone erhält.

Entgegen der in der mündlichen Verhandlung von dem Beklagten geäußerten Auffassung vermag das Gericht unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Anwohnerprivilegierung gemäß § 45 Abs. 1 b 1 Nr. 2 StVO eine unterschiedliche Behandlung von Vertrags-​Car-​Sharing und Familien-​Car-​Sharing – letzteres gilt auch für andere persönliche Beziehungen wie enge Bekanntschaften und Lebenspartnerschaften – zu erkennen.

Nach der Begründung zum Gesetzentwurf sah der Gesetzgeber ein Bedürfnis dafür, dass die Parkraumsituation innerstädtischer Wohnstraßen verbessert werden muss, um die innerstädtischen Wohngebiete wieder attraktiver zu gestalten. In der Begründung heißt es weiter:
"Die Parkraumnot erschwert die Lebensumstände der dortigen Wohnbevölkerung in besonderem Maße und bildet ein entscheidendes Hindernis für eine Verbesserung des Wohnumfeldes und damit für die Erhaltung und Modernisierung dieser Wohngebiete. Betroffen sind in erster Linie dicht bebaute Gebiete am Rand der Innenstädte, die in Zeiten gebaut wurden, in denen Art und Umfang der heutigen Motorisierung noch nicht abzusehen waren und in denen daher – am heutigen Bedarf gemessen – kaum privater Parkraum vorhanden ist. Die Anwohner müssen daher ihre Fahrzeuge auf der Straße abstellen. Auf dieser ohnehin knappen Parkfläche versuchen aber auch Innenstadtbesucher zu parken, die im Zentrum oft keine ausreichenden oder nicht bequem erreichbare Parkmöglichkeiten finden. Infolge dieses unerfreulichen Wettlaufes um die wenigen Parkflächen am Straßenrand laufen die Anwohner Gefahr, bis zum Abend keinen Parkplatz in der Nähe ihrer Wohnung zu finden .... Die vorgesehene Ermächtigung ist daher ein geeigneter Beitrag, den städtebaulich nicht zu verantwortenden Folgen der Stadtumlandwanderung entgegenzuwirken."
Sinn und Zweck der Einführung von Sonderparkrechten ist somit, die Wohnqualität in innerstädtischen Bereichen zu steigern durch Lösung des Konkurrenzverhältnisses von parkplatzsuchenden Anwohnern und Fremdparkern zugunsten der ersteren Gruppe (vgl. Schwerdtner, NVwZ 1998, 1265, 1266; Hentschel, NJW 1997, 625, 627; Hillgruber Verwaltungsarchiv a. a. O. S. 95; Köckerbauer NJW 1995, 621; Schmitz NVwZ 1988, 602, 603); der "quartiersfremde Kraftverkehr soll ferngehalten werden" (Geißler DAR 1999, 345).

Dieses vom Gesetzgeber verfolgte Ziel schließt die vom Beklagten bisher praktizierte Differenzierung zwischen Vertrags-​Car-​Sharing und Familien-​Car-​Sharing aus; die unterschiedliche Behandlung verstößt damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift des Grundgesetzes ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu Hillgruber a. a. O. S. 109 mit umfangreichen Hinweisen in Fußnote 60).

Der tatsächliche Umfang der Nutzung von Kraftfahrzeugen in den beiden Formen des Car-​Sharing spricht im Übrigen vielmehr dafür, eher das Familien-​Car-​Sharing als das Vertrags-​Car-​Sharing zu begünstigen, weil nämlich beim Familien-​Car-​Sharing nach Auffassung des Gerichts die Nutzung der Kraftfahrzeuge in größerem Umfang erfolgt als beim Vertrags-​Car-​Sharing. Das Vertrags-​Car-​Sharing ist nach den mit den Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung erörterten Erkenntnissen des Gerichts eher durch eine unregelmäßige und sporadische Nutzung von Kraftfahrzeugen gekennzeichnet. Diese Fahrzeuge werden von den Angehörigen einer Car-​Sharing Organisation häufig nicht regelmäßig, sondern nur bei Bedarf im Einzelfall genutzt, während – wie der Fall des Klägers zu 2. und seines Vaters in typischer Weise belegt – ein solches Fahrzeug regelmäßig von einem der Teilnehmer des Car-​Sharing genutzt wird. Unter Berücksichtigung des Sinn und Zweckes der Privilegierung des Anwohnerparkens läge es daher vielmehr näher, eine Form – wie sie von dem Kläger zu 2. und seinem Vater praktiziert wird – zu begünstigen, als die Nutzung von Kraftfahrzeugen durch Personen, die diese oft nur Stunden oder wenige Tage im Monat fahren.

Für eine in jedem Fall aber gebotene Gleichbehandlung von Familien-​Car-​Sharing mit Vertrags-​Car-​Sharing spricht der verkehrs- und umweltpolitische Vorteil, der sich aus solcher gemeinschaftlichen Nutzung eines Kraftfahrzeuges ergibt.

Der Kläger zu 2. weist in seinem Klagevortrag zu Recht darauf hin, dass er vom Beklagten ohne weiteres den begehrten Anwohnerparkausweis erhalten würde, wenn er sich ein eigenes Fahrzeug anschaffen würde, durch das ein weiterer "kostbarer" Parkplatz in der Innenstadt belegt werden würde und dass zu einer weiteren Steigerung der Umweltbelastung durch zusätzliche Abgase führen würde.

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung seine fortdauernde Ablehnung der Erteilung eines Anwohnerparkausweises für den Kläger zu 2. und eine Gleichbehandlung von Familien-​Car-​Sharing mit Vertrags-​Car-​Sharing mit dem Hinweis auf die Möglichkeit eines Missbrauches begründet hat, vermag das Gericht dieser Auffassung ebenfalls nicht zu folgen.

Missbrauch ist allgemein der vernünftigen, allgemein anerkannten Verhaltensregeln widersprechende Gebrauch eines Gegenstandes bzw. eines Rechtes. In einer freiheitlichen Rechtsordnung, die durch das Bestehen vielfältiger Rechte für die Bürger gekennzeichnet ist, ist ein Missbrauch rechtlich nicht schlechthin ausgeschlossen; die Möglichkeit eines Missbrauches allein rechtfertigt andererseits nicht die Ablehnung von Rechten bzw. die Versagung von Rechten. Die freiheitliche Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland kennt eine Vielzahl von Missbräuchen von Rechten (vgl. dazu im Einzelnen die keineswegs abschließende Aufzählung bei Tilch/Arloth, Deutsches Rechts-​Lexikon, 3. Aufl. 2001, S. 2884 – 2887). In diesem Lexikon sind eine Vielzahl von verschiedenen Formen des Missbrauchs von Rechten und Institutionen aufgeführt, wobei der Missbrauch im Regelfall mit staatlichen Sanktionen verbunden ist. Trotz der nicht nur abstrakten Gefahr des Missbrauches bei vielen Rechten und Institutionen käme niemand auf den Gedanken, wegen der Gefahr eines Missbrauches diese Rechte oder Institutionen abzuschaffen. Dass Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe) häufig durch das Eingehen einer Scheinehe missbraucht wird, ist dem Gericht aus zahlreichen ausländerrechtlichen Verfahren bekannt; die Abschaffung des besonderen Schutzes der Ehe ist trotzdem bisher nie erwogen worden. Das Bundesverfassungsgericht kann sich im Fall der missbräuchlichen Anrufung durch Verhängung einer Missbrauchsgebühr nach § 34 Abs. 5 BVerfGG wehren; niemand käme jedoch auf die Idee, deshalb das Bundesverfassungsgericht abzuschaffen.

Der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat im Übrigen – einen dem Gericht bisher nicht bekannten – bereits praktizierten Missbrauch von Anwohnerparkausweisen durch Herstellung und Benutzung von Fälschungen glaubhaft beschrieben, ohne dass dieser Missbrauch dazu geführt hätte, dass solche Berechtigungen nicht mehr ausgegeben werden.

Das Gericht hält einen Missbrauch der Anwohnerparkberechtigung bei der Anerkennung des familiären Car-​Sharing nicht für größer als bei sonstigen Berechtigungen, zumal hierfür ein nicht unerheblicher logistischer Aufwand betrieben werden muss. Das Gericht hat bereits in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt, welche Voraussetzungen nach seiner Auffassung erforderlich sind, um im Einzelfall die Existenz eines Familien-​Car-​Sharing mit der Folge eines Anspruches auf einen zweiten Anwohnerparkausweis bejahen zu können. Hierfür ist erforderlich, dass der zweite Nutzer eines Kraftfahrzeuges eine eigene Fahrerlaubnis sowie kein weiteres eigenes Fahrzeug hat. Die Behörde kann darüber hinaus gegebenenfalls die Führung eines Fahrtenbuches sowie eine schriftliche Vereinbarung über den Abschluss eines solchen Car-​Sharing sowie weitere Nachweise verlangen und ist keineswegs verpflichtet, auf die bloße Behauptung einer solchen geteilten Nutzung die gewünschte Berechtigung zu erteilen. Auch die Entfernung zwischen den Wohnsitzen der behaupteten Car-​Sharing Partner kann ein Indiz für oder gegen das Bestehen der behaupteten gemeinsamen Nutzung sein. Wohnt einer der Beteiligten etwa in Frohnau oder in Rudow und der andere in der Innenstadt, dürfte erheblicher Erklärungsbedarf bestehen, wie eine regelmäßige gemeinsame Nutzung und insbesondere die Übergabe des Fahrzeuges erfolgt. Letztendlich muss derjenige, der einen Anspruch – hier auf eine zweite Vignette – geltend macht, die materielle Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen tragen und die Behörde ist durchaus befugt, bei Zweifeln hieran einen entsprechenden Antrag abzulehnen.

Anhaltspunkte für einen Missbrauch im vorliegenden Fall sind weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst erkennbar; die in großer Zahl von dem Kläger zu 1. vorgelegten – aufgrund der Nutzung des Fahrzeuges durch den Kläger zu 2. ergangenen – Verwarnungsgelder belegen in eindrucksvoller Weise die Nutzung des Fahrzeuges durch den Kläger zu 2. in der Mommsenstraße.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Klägers zu 2. auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Soweit der Kläger zu 1. seine Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich des Klägers zu 2. ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.