Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Bochum Urteil vom 22.06.2010 - 1 O 471/09 - Fehlende Unfallfreiheit als Sachmangel

LG Bochum v. 22.06.2010: Fehlende Unfallfreiheit als Sachmangel und Berechnung der Nutzungsentschädigung bei Rückabwicklung des Kaufvertrages


Das Landgericht Bochum (Urteil vom 22.06.2010 - 1 O 471/09) hat entschieden:
  1. Ein Käufer kann beim Kauf eines Gebrauchtwagens grundsätzlich erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als zu geringfügigen, äußeren Lackschäden, also zu Bagatellschäden gekommen ist (Vergleiche: BGH, Versäumnisurteil vom 10. Oktober 2007, VIII ZR 330/06; NJW 2008, 53).

  2. Schließt der Verkäufer einen Kaufvertrag in Ausübung seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit ab, so liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor, wenn der Käufer Verbraucher ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Veräußerung von Fahrzeugen Gegenstand der selbstständigen beruflichen Tätigkeit ist. Abzustellen ist hierbei auf eine überwiegende Nutzung des Gegenstandes zu beruflichen Zwecken (Vergleiche: OLG Celle, Urteil vom 11. August 2004, 7 U 17/04; NJW-RR 2004, 1645).

  3. Bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug ist bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung der konkrete Altwagenpreis zu der voraussichtlichen Restfahrleistung ins Verhältnis zu setzen und mit der tatsächlichen Fahrleistung des Käufers zu multiplizieren (Vergleiche: BGH, Urteil vom 17. Mai 1995, VIII ZR 70/94; NJW 1995, 2159).

Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Autokauf - Gewährleistung und Garantie beim Gebrauchtwagenkauf


Tatbestand:

Der Beklagte, der als selbständiger Vermögensberater tätig ist, war seit Februar 2004 Eigentümer des PKW Audi A 3 1,9 TDI mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer WAUZZZ8L231210059. Er nutzte das Fahrzeug überwiegend zu beruflichen Zwecken. Mitte des Jahres 2009 bot der Beklagte den PKW im Internet zum Kauf an. Hierauf meldete sich der Kläger, der nach einem Fahrzeug für den privaten Gebrauch suchte. Am 25.09.2009 traf sich der Kläger, in Begleitung des Zeugen F, mit dem Beklagten auf dem Kirchhof vor dessen Wohnung. Die Lebensgefährtin des Beklagten, die Zeugin T, fuhr den PKW vor. Der Kläger besichtigte das Fahrzeug und führte gemeinsam mit dem Beklagten und dem Zeugen F eine Probefahrt durch. Da sich der Kläger noch ein anderes Fahrzeug anschauen wollte, einigten sich die Parteien darauf, dass der Beklagte dem Kläger den PKW gegen Zahlung von EUR 200,00 reserviert. Mit Vertrag vom 28.09.2009 erwarb der Kläger den Audi A 3, der zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 164.100 hatte, zum Preis von EUR 6.800,00 von dem Beklagten. Die Veräußerung des Fahrzeugs erfolgte gemäß Ziff. 1 des Kaufvertrages "in gebrauchtem Zustand, wie besichtigt, nach Probefahrt und unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung". Der PKW wurde am 28.09.2009 an den Kläger übergeben. Gleichzeitig zahlte der Kläger den vereinbarten Kaufpreis an den Beklagten. Für die Zulassung des Fahrzeugs wandte der Kläger EUR 54,30 auf. Mit Anwaltsschreiben vom 14.10.2009 erklärte der Kläger wegen eines unstreitigen, reparierten Unfallschadens des Fahrzeugs im Front- und linken Seitenbereich aus Dezember 2005 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten unter Fristsetzung zum 20.10.2009 auf, den Kaufpreis in Höhe von EUR 6.800,00 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs an den Kläger zurückzuzahlen. Der Beklagte wies das Begehren mit Anwaltsschreiben vom 19.10.2009, das am 21.10.2009 bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers einging, zurück.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihm den unstreitig vorhandenen Unfallschaden des Fahrzeugs vorsätzlich verschwiegen. Er, der Kläger, habe den Beklagten während der gemeinsamen Probefahrt nach etwaigen Unfällen des Fahrzeugs gefragt. Der Beklagte habe daraufhin ausdrücklich erklärt, das Fahrzeug sei unfallfrei. Nach Beendigung der Probefahrt habe er, der Kläger, sich nochmals nach der Unfallfreiheit des Fahrzeugs erkundigt. Diese sei ihm von dem Beklagten erneut zugesichert worden. Daraufhin habe er sich zum Kauf entschlossen. Von dem unstreitigen Unfallschaden aus Dezember 2005 habe er erst einige Tage nach Abschluss des Kaufvertrages im Audi- Zentrum Osnabrück erfahren, wo ihm die im System erfassten Fahrzeugdaten mitgeteilt worden seien. Der Kläger behauptet, er habe Kosten für neue Halogenlampen in Höhe von EUR 26,95 aufgewandt.

Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.881,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB auf 6.800,00 € seit dem 21.10.2009 und auf weitere 81,25 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen; Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW Audi A3 1,9 TDI mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer WAUZZZ8L231210059; festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des zu Ziffer 1 bezeichneten PKW in Annahmeverzug befindet.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, der Kläger habe ihn vor der Probefahrt, bei der äußeren Besichtigung des Fahrzeugs gefragt, ob der PKW unfallfrei sei. Darauf habe er erwidert, dass das Fahrzeug einen Seitenschaden an der Fahrerseite erlitten habe. Er habe dem Kläger geschildert, dass er mit dem Fahrzeug von der Auffahrt der A 2 zur A 43 in eine Leitplanke gerutscht, es dabei zu dem Seitenschaden gekommen sei und er den Wagen zur Reparatur in eine Audi-​Fachwerkstatt gegeben habe, wo der Schaden fachgerecht behoben worden sei. Der Kläger habe diese Erklärung hingenommen. Weitere Fragen habe er nicht gehabt. Der Beklagte behauptet, er habe das streitgegenständliche Fahrzeug in der Zeit von Anfang Juli bis September 2009 nicht mehr geschäftlich genutzt. Ihm habe ab Juli 2009 ein neues Geschäftsfahrzeug zur Verfügung gestanden. Das an den Kläger veräußerte Fahrzeug sei ab Anfang Juli 2009, wenn überhaupt, nur noch privat genutzt worden.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle vom 09.03.2010 (Bl. 59 ff. d. A.) und 01.06.2010 (Bl. 99 d. A.) Bezug genommen. Die Laufleistung des Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 01.06.2010 176.300 km.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F und T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.03.2010 (Bl. 59 ff. d. A.) Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

I.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von EUR 6.016,62 Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW Audi A 3 gemäß §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323, 326 Abs. 5 BGB.

1. Der Kläger war gemäß §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323, 326 Abs. 5 BGB berechtigt, von dem am 28.09.2009 geschlossenen Kaufvertrag zurückzutreten.

a. Der kaufgegenständliche PKW ist mangelhaft.

aa. Ein Mangel liegt allerdings nicht in einer Abweichung der vereinbarten von der tatsächlichen Beschaffenheit des Fahrzeugs (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB).

Die Parteien haben keine schriftliche Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich etwaiger Unfallschäden des PKW getroffen. Der Kaufvertrag vom 28.09.2009 enthält diesbezüglich keine Angaben.

Auch eine mündliche oder konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung ist nicht dargetan. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die Parteien ausdrücklich oder konkludent die Unfallfreiheit des Fahrzeugs vereinbart haben. Dem Beklagten ist es nicht gelungen, zu beweisen, dass die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses übereinstimmend vom Vorliegen eines Unfallschadens des Fahrzeugs ausgegangen sind.

Der Zeuge F hat die Behauptung des Klägers bestätigt, dass dieser den Beklagten einmal während der Probefahrt und noch einmal danach gefragt hat, ob das Fahrzeug einen Unfallschaden hat und der Beklagte dies jeweils ausdrücklich verneint hat. Demgegenüber hat die Zeugin T ausgesagt, der Kläger sei bereits vor der Probefahrt um das Auto herumgegangen und habe den Kläger nach Schäden des Fahrzeugs gefragt, worauf der Beklagte von Kratzern an dem Fahrzeug berichtet und den Kläger über den Unfallschaden informiert habe. Der Beklagte habe erzählt, wie der Unfall passiert sei. Er habe gesagt, dass er eine Leitplanke gestreift habe und die Fahrerseite beschädigt gewesen sei.

Das Gericht vermag nicht zu entscheiden, welche der beiden sich widersprechenden Zeugenaussagen zutrifft (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO). Beide Aussagen decken sich mit dem entsprechenden Vortrag der jeweiligen Partei. Das Gericht sieht insbesondere keinen Widerspruch zwischen der Aussage des Zeugen F, das Fahrzeug sei zunächst Probe gefahren und erst dann besichtigt worden, und dem Vortrag des Klägers: "Der Kläger hatte den Pkw vor dem Kauf am 25.09.2009 besichtigt und Probe gefahren". Der Vortrag des Klägers in der Klageschrift vom 11.12.2009 gibt zum genauen zeitlichen Ablauf nichts her. Dass die Zeugin T das von ihr bekundete Gespräch zwischen dem Beklagten und dem Kläger nicht im Einzelnen wiedergeben konnte, macht ihre Aussage nicht weniger glaubhaft als die des Zeugen F. Das von der Zeugin T bekundete Gespräch, an dem sie nicht unmittelbar beteiligt war, lag zum Zeitpunkt der Beweisaufnahme bereits mehrere Monate zurück. Es erscheint daher nachvollziehbar, dass die Zeugin den Wortlaut des Gesprächs nicht im Einzelnen wiedergeben konnte. Die Darstellungen der Zeugen erscheinen dem Gericht - auch in Bezug auf den geschilderten zeitlichen Ablauf - gleichermaßen möglich. Es ist lebensnah, das Fahrzeug zunächst von außen in Augenschein zu nehmen und anschließend Probe zu fahren. Ebenso möglich und nachvollziehbar erscheint es aber, ein Fahrzeug, das keine offensichtlichen äußeren Schäden aufweist, zunächst Probe zu fahren, um im Anschluss daran eine genaue Besichtigung durchzuführen. Das Gericht sieht sich auch außer Stande, einen der beiden Zeugen gegenüber dem anderen für glaubwürdiger zu erachten. Beide Zeugen stehen im Lager der Partei, für die sie benannt sind. Die Aussagen der Zeugen lassen nicht erkennen, dass sie sich von der Nähe zu der jeweiligen Partei haben leiten lassen.

bb. Ein Mangel liegt auch nicht in einer fehlenden Eignung des Kaufgegenstandes zur vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Verwendung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 2 BGB). Das Fahrzeug ist zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten und gewöhnlichen Verwendung geeignet.

cc. Der streitgegenständliche PKW weist jedoch nicht die Beschaffenheit auf, die bei einem Gebrauchtwagen üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Beim Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeuges kann der Käufer grundsätzlich erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als Bagatellschäden gekommen ist. Ein Bagatellschaden ist lediglich bei geringfügigen, äußeren Lackschäden nicht aber bei Blechschäden anzunehmen (BGH, NJW 2008, 53-55). Das streitgegenständliche Fahrzeug hat aufgrund des Unfalls am 06.12.2005, bei dem der Beklagte mit dem PKW in eine Leitplanke gerutscht ist, unstreitig einen nicht unerheblichen Schaden im Front- und linken Seitenbereich erlitten, infolge dessen der Stoßfänger vorn, der linke Kotflügel und das Seitenteil links ausgetauscht werden mussten. Bei einem derartigen Schaden handelt es sich nicht lediglich um eine Bagatelle. Vielmehr hat das Fahrzeug einen Unfallschaden erlitten. Allein diese Tatsache stellt einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar und zwar unabhängig davon, ob der Schaden fachgerecht repariert worden ist (BGH, NJW 2008, 53-55).

b. Der Kläger durfte aufgrund des Sachmangels vom Vertrag zurücktreten, ohne dem Beklagten zuvor eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen. Die Fristsetzung war entbehrlich, da der Mangel nicht behebbar ist (§ 326 Abs. 5 BGB). Der Charakter als Unfallwagen lässt sich durch Nachbesserung nicht korrigieren. Auch eine Ersatzlieferung ist ausgeschlossen, da es sich um einen Stückkauf handelt.

c. Die in der Lieferung des mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung durch Schlechtleistung ist auch nicht unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB.

d. Das Rücktrittsrecht des Klägers ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte den PKW gemäß Ziff. 1 des Kaufvertrages vom 28.09.2009 unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung an den Kläger veräußert hat.

Der Gewährleistungsausschluss ist gemäß § 475 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

Bei dem Kaufvertrag handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 BGB. Ein Verbrauchsgüterkauf liegt vor, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Der Kläger hat den PKW unstreitig zur privaten Nutzung erworben und damit als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB gehandelt. Der Beklagte hat den Kaufvertrag hingegen in Ausübung seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit als Vermögensberater und damit als Unternehmer abgeschlossen (§ 14 Abs. 1 BGB). Insoweit kann dahinstehen, ob die Veräußerung von Fahrzeugen Gegenstand der selbständigen beruflichen Tätigkeit des Beklagten sein muss, um die strengere Haftung nach den Grundsätzen des Verbrauchsgüterkaufs zu begründen. Nutzt eine natürliche Person einen Gegenstand sowohl privat als auch im Rahmen ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit, kommt es für die Einordnung als Verbrauchsgüterkauf darauf an, welche Nutzung überwiegt. Liegt eine überwiegend berufliche Nutzung des Gegenstandes vor, unterfällt dessen Veräußerung den Merkmalen des § 14 Abs. 1 BGB (OLG Celle, NJW-​RR 2004, 1645-1647; LG Frankfurt a. M., NJW-​RR 2004, 1208). Der Beklagte hat das streitgegenständliche Fahrzeug - jedenfalls im Zeitraum Februar 2004 bis Juli 2009 - unstreitig überwiegend zu beruflichen Zwecken genutzt. Die Veräußerung erfolgte daher in Ausübung der selbständigen beruflichen Tätigkeit des Beklagten. Daran ändert es nichts, dass der Beklagte behauptet, den PKW von Anfang Juli bis September 2009 nicht mehr geschäftlich sondern wenn überhaupt nur noch privat genutzt zu haben. Der Beklagte hat nach seinem eigenen Vortrag das streitgegenständliche, überwiegend beruflich genutzte Fahrzeug durch ein Neues ersetzt und sich deshalb um den Verkauf des alten Fahrzeugs bemüht. Die Tatsache, dass ein überwiegend beruflich genutztes Fahrzeug nach Erwerb eines neuen ebenfalls zur beruflichen Nutzung vorgesehenen PKW veräußert wird, unterstreicht die Eigenschaft als Geschäftsfahrzeug.

e. Das Rücktrittsrecht des Klägers ist auch nicht gemäß § 442 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

Gemäß § 442 Abs. 1 S. 1 BGB sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis des Mangels trägt der Verkäufer hier der Beklagte. Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass er den Kläger vor Vertragsschluss auf Nachfrage über den Unfallschaden aufgeklärt hat, der Schaden dem Kläger also bekannt war. Zwar hat die Zeugin T den entsprechenden Vortrag des Beklagten bestätigt. Dem gegenüber steht jedoch die Aussage des Zeugen F. Das Gericht vermag nicht zu entscheiden, dass die Aussage der Zeugin T gegenüber der widersprechenden Aussage des Zeugen F zutrifft (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO). Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter I, 1 a. verwiesen.

Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers im Sinne des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB liegt nicht vor. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der unstreitig reparierte Unfallschaden für den Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses - unabhängig von der streitigen Aufklärung über den Vorschaden - erkennbar war.

2. Nach erfolgter Rücktrittserklärung des Klägers mit Anwaltsschreiben vom 14.10.2009 kann der Kläger von dem Beklagten gemäß §§ 346, 348 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs verlangen.

Von dem gezahlten Kaufpreis in Höhe von EUR 6.800,00 sind allerdings EUR 783,38 als Nutzungsvorteil für den Gebrauch des Fahrzeugs abzuziehen.

Gemäß § 346 Abs. 1 BGB sind im Fall des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gezogene Nutzungen herauszugeben. Nutzungen in diesem Sinne sind gemäß § 100 BGB unter anderem Gebrauchsvorteile. Da diese nicht in Natur herausgegeben werden können, ist gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten.

Dieser ist vorliegend mit EUR 783,38 zu berechnen. Die Nutzungsentschädigung ist nach dem Verhältnis der insgesamt möglichen zur tatsächlichen Nutzung aus dem Wert der Sache zu berechnen. Maßgeblich ist die zeitanteilige lineare Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer. Bei gebrauchten Kraftfahrzeugen ist der konkrete Altwagenpreis zu der voraussichtlichen Restfahrleistung ins Verhältnis zu setzen und mit der tatsächlichen Fahrleistung des Käufers zu multiplizieren (BGH, NJW 1995, 2159-2161).

Das Gericht geht vorliegend von einer mutmaßlichen Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 270.000 km aus (§ 287 ZPO). Bei Dieselfahrzeugen kann in der Regel eine Gesamtlaufleistung von 200.000 km und mehr angenommen werden (MüKo, BGB, § 346, Rn. 27 m. w. N.). Unter Berücksichtigung des unstreitig gut gepflegten Zustandes des Fahrzeugs erscheint eine mutmaßliche Gesamtlaufleistung von 270.000 km angemessen.

Danach errechnet sich ein Gebrauchsvorteil in Höhe von EUR 783,38 (EUR 6.800,00 : 105.900 km x 12.200 km).


II.

Der Kläger hat außerdem einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung von Zulassungskosten in Höhe von EUR 48,87 gemäß §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 311 a, 284 BGB.

Der Kläger hat unstreitig Zulassungskosten in Höhe von EUR 54,30 aufgewandt. Da der Kläger den PKW allerdings seit knapp 9 Monaten nutzt, ist der Aufwand nur teilweise vergeblich (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.08.2008, 1 U 238/07). Das Gericht hält insoweit einen Abzug von 10 % für gerechtfertigt (§ 287 ZPO).

Dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von dem Unfallschaden hatte, ist unstreitig.


III.

Die Erstattung von Kosten für Halogenleuchten in Höhe von weiteren EUR 26,95 kann der Kläger nicht verlangen. Er hat trotz Bestreitens des Beklagten keinen Beweis dafür angeboten, dass er die Leuchten in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut hat.


IV.

Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB und §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte befindet sich seit dem 21.10.2009 mit der Rückzahlung des Kaufpreises in Verzug. Der Kläger hat den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 14.10.2009 unter Fristsetzung aufgefordert, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen. Dies hat der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 19.10.2009, zugegangen am 21.10.2009, ausdrücklich abgelehnt.


V.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs im Annahmeverzug befindet (§§ 293, 295 BGB, 256 ZPO). Der Beklagte ist jedenfalls durch die Verweigerung der von dem Kläger geforderten Rückabwicklung in Annahmeverzug geraten. Die Tatsache, dass der Kläger mit Schreiben vom 14.10.2009 die Rückzahlung des gesamten Kaufpreises verlangt hat, hindert den Verzug im Hinblick auf die damalige Geringfügigkeit des Mehrbetrages nicht.


VI.

Die Kostenentscheidung resultiert aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1, 2 ZPO.