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OLG Düsseldorf Urteil vom 29.10.2007 - I-1 U 59/07 - Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs wegen fehlgeschlagener Nachbesserung durch den Verkäufer

OLG Düsseldorf v. 29.10.2007: Zur Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs wegen fehlgeschlagener Nachbesserung durch den Verkäufer


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 29.10.2007 - I-1 U 59/07) hat entschieden:
Einem Verkäufer können mehr als die zwei Versuche zur Nachbesserung, nach denen diese gemäß § 440 BGB grundsätzlich als fehlgeschlagen gilt, zugebilligt werden, wenn es sich um ein technisch besonders kompliziertes Gerät oder schwer behebbare Mängel handelt.


Siehe auch Autokauf - Gewährleistung und Garantie beim Neuwagenkauf und Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs in Anspruch. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass der Beklagte sich mit der Rücknahme des gelieferten Fahrzeugs im Verzug befinde.

Dem Streit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bestellung vom 14. Januar 2004 bestellte der Kläger bei dem Beklagten, der ein Citroen Autohaus betreibt, einen fabrikneuen Pkw der Marke Citroen Typ C 5 Kombi 2,0 16 V zum Preis von insgesamt 25.695,00 €. Im Kaufpreis nicht enthalten ist eine Citroen Garantie für 48 Monate bzw. 70.000 km ("Citroen Garantie Plus-​Vertrag für Barzahler"). Hierfür bezahlte der Kläger gesondert 600,00 € brutto.

Am 25. Februar 2004 wurde das Fahrzeug an den Kläger ausgeliefert.

Im Juni sowie erneut im Oktober 2004 war der Wagen in der Werkstatt des Beklagten. Um welche Mängel es dabei ging, ist zwischen den Parteien streitig gewesen.

Mit Anwaltsschreiben vom 14. März 2005 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kauf. Zur Begründung gab er an, ihm sei ersichtlich ein "Montagsauto" geliefert worden; weitere Mängelbeseitigungsversuche seien ihm nicht zumutbar.

In erster Instanz hat er beantragt,
  1. der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.639,40 € (richtig: 25.695,00 €) sowie weitere 600,00 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Rücknahme des im Tenor dieses Urteils näher bezeichneten Fahrzeugs unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils in Höhe von 3.498,63 €.

  2. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des vorbenannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Durch das angefochtene Urteil hat es die Klage abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe nicht das Recht zu, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Zu keinem Zeitpunkt habe er dem Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Ein Fall der Entbehrlichkeit der Fristsetzung sei nicht gegeben. Insbesondere sei die Nacherfüllung nicht fehlgeschlagen. Allenfalls habe es einen erfolglosen Versuch der Nachbesserung gegeben.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Klageziel im Wesentlichen weiterverfolgt. Er sieht sämtliche Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Vertrag als erfüllt an. Es liege der Regelfall für das Fehlschlagen einer Nachbesserung vor, denn der Beklagte habe zweimal erfolglos versucht, die Mängel zu beheben.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und macht insbesondere geltend, der Kläger habe ihm angesichts der Art des Mangels mehr und länger Gelegenheit zur Nachbesserung geben müssen.


II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Kläger zum Rücktritt vom Kauf berechtigt (§§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB). Dass der Neuwagen bei Gefahrübergang (Übergabe am 25. Februar 2004) nicht mangelfrei war, steht nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts fest. Das Fahrzeug "ruckelte" und nahm phasenweise kein Gas an. Damit entspricht es nicht derjenigen Beschaffenheit, die der Kläger von einem Neufahrzeug erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Dass der Mangel unerheblich ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB), kann der Senat nicht feststellen.

a) Allerdings hat der Kläger dem Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Unter den besonderen Umständen des Streitfalles ist dies jedoch ausnahmsweise entbehrlich gewesen (§ 440 BGB). Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt eine Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.

Der Senat geht aus den nachfolgenden Gründen von einem "Fehlschlagen" der Nachbesserung aus:

Wie im Senatstermin geklärt werden konnte, war der Wagen bereits am 16. Juni 2004 bei Kilometerstand 5.394 nicht nur wegen der Quietschgeräusche beim Bremsen, sondern auch wegen der vom Kläger geltend gemachten "Motorprobleme" in der Werkstatt des Beklagten. Dies ergibt sich aus der Eintragung in dem Werkstattauftrag, der sich in Kopie bei der Akte befindet (Bl. 53). In der Spalte "Bezeichnung der Arbeiten" ist u. a. notiert: "Fernladen + Initialisierung". Das und die darüber stehenden Zahlen und Abkürzungen deuten auf die Prüfung eines Elektronikproblems hin, so wie es die Ehefrau des Klägers bei ihrer Zeugenvernehmung geschildert hat. Nachdem das Auto etwa 5.000 km gelaufen sei, seien Probleme aufgetreten. Der Wagen habe zunächst kein Gas angenommen und dann geruckelt. Jedenfalls sei er nicht normal gefahren. Sodann habe man ihn in die Werkstatt gebracht. Dabei handelt es sich nach Ansicht des Senats um den Werkstattaufenthalt im Juni 2004, nicht etwa um den Termin im Oktober 2004.

Wie die Ehefrau des Klägers bei ihrer erstinstanzlichen Zeugenvernehmung weiter berichtet hat, sei das Problem nach Abholung des Fahrzeugs aus der Werkstatt zunächst verschwunden gewesen. Mit fortschreitender Kilometerzahl, etwa alle 5.000 km, sei es jedoch wieder aufgetreten. Das deckt sich mit der Eintragung in dem zweiten Werkstattauftrag (Annahmetermin 6. Oktober 2004) bei Kilometerstand 9.600 km. Dort ist in der Rubrik "Bezeichnung der Arbeiten" ausdrücklich vermerkt, dass das Fahrzeug "ruckelt", und zwar im kalten Zustand. Hinzugefügt ist das Wort "Fehlzündungen".

Daraus folgt, dass der erste Versuch im Juni 2004 ohne nachhaltigen Erfolg geblieben ist. Auch der zweite Versuch im Oktober 2004 brachte keine dauerhafte Verbesserung im Sinne einer endgültigen Mängelbeseitigung. Das ergibt sich nicht zuletzt aus den Feststellungen des Sachverständigen D.. Er hat das Fahrzeug am 19. Januar 2006 bei Kilometerstand 25.194 überprüft. Dabei hat er festgestellt, dass das Fahrzeug nur verzögert Gas annimmt. Im betriebswarmen Zustand des Motors seien "deutliche Störungen im Motorbetrieb" feststellbar. Bei seiner Anhörung hat der Sachverständige von einem nicht normalen Fahrbetrieb gesprochen. Bei einer Nachuntersuchung stellte er erneut ein "Ruckeln" fest.

Bestätigt wird das Vorhandensein eines Elektronikproblems im Wiederholungsfall durch die Feststellungen, die das Autohaus K. im April und im September 2005 getroffen hat (vgl. Werkstattaufträge Bl. 56/57 d.A.). Dass der Motor nicht "rund" lief, folgt schließlich auch aus der Expertise des D.-​Sachverständigen D. D. vom 2. Mai 2005. Dieser Sachverständige hat den Wagen am 28. April 2005 bei Kilometerstand 16.414 geprüft. Erst nach dem zweiten Startversuch sei der Wagen angesprungen. Beim leichten Gas geben und Anfahren habe er kein Gas angenommen, der Motorlauf sei sofort unruhig gewesen. Die Beschleunigung des Fahrzeuges sei mit Verzögerung erfolgt. Erst bei höherer Drehzahl habe das Fahrzeug problemlos beschleunigt. Nach einer Phase der Abkühlung des Motors hat der Sachverständige D. einen zweiten Versuch durchgeführt. Hierbei seien die gleichen Fehler aufgetreten.

Nach alledem steht fest, dass es dem Beklagten bei zwei Versuchen (Juni und Oktober 2004) nicht gelungen ist, die Motorstörungen dauerhaft zu beseitigen. Der Senat vermag der Einschätzung des Landgerichts nicht zu folgen, wonach der Werkstattaufenthalt im Juni 2004 als erfolgreicher Mängelbeseitigungsversuch zu werten ist. Das Gegenteil ist der Fall. Der Versuch war erfolglos, denn derselbe Mangel ist bald darauf wieder aufgetreten. Was bei dem Aufenthalt im Oktober 2004 Gegenstand der Bemühungen des Beklagten war, das "Ruckeln" zu beheben, war nicht etwa ein neuer Mangel, sondern der bereits im Juni 2004 gerügte Mangel. Eine nur kurzfristige Behebung eines Elektronikproblems stellt keine Mängelbeseitigung dar, zu der ein Neufahrzeugverkäufer verpflichtet ist. Erfüllt ist der Anspruch des Käufers auf Nachbesserung erst dann, wenn der Mangel vollständig und dauerhaft beseitigt ist. Mit einer nur vorübergehenden Besserung ist dem Käufer nicht gedient. Ein nur von Zeit zu Zeit auftretender Motordefekt kann erst dann als beseitigt gelten, wenn die Ursache für das Wiederkehren behoben ist. Das ist dem Beklagten weder im Juni 2004 noch bei dem zweiten Versuch im Oktober 2004 gelungen. Weitere Versuche des Beklagten musste sich der Kläger nicht mehr gefallen lassen.

Allerdings handelt es sich bei der Zwei-​Versuche-​Regel des § 440 BGB nur um eine allgemeine Richtschnur, von der Abweichungen in beide Richtungen im Einzelfall möglich sind. Wie dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zuzugeben ist, kann sich je nach Art der Sache und auch nach der Art des Mangels oder aus den sonstigen Umständen ergeben, dass ein Käufer mehr als zwei Nachbesserungsversuche abwarten muss, bevor er vom Vertrag zurücktreten kann. Bei technisch besonders komplizierten Geräten oder bei schwer behebbaren Mängeln können einem Verkäufer in der Tat mehr als zwei Versuche zuzubilligen sein (BGH NJW 2007,504).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nach Ansicht des Senats nicht vor. Der Beklagte ist ein Vertragshändler der Marke Citroen. Als solchem steht ihm das technische Know-​how des Herstellers zur Verfügung. Abgesehen davon kann er beim Hersteller Regress nehmen. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keine Veranlassung, die in § 440 BGB vorgesehene Zwei-​Versuche-​Regel zugunsten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten zu modifizieren. Damit würden berechtigte Interessen des Klägers verletzt. Auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit geht es nicht an, den Kläger weiterhin auf seinen Nacherfüllungsanspruch zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass er mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug inzwischen mehr als 42.000 km zurückgelegt hat. Mit welchen Schwierigkeiten das verbunden gewesen ist, ergibt sich für den Senat nachvollziehbar aus den anschaulichen Schilderungen der Ehefrau und der Tochter des Klägers.

b) Da der Rücktritt nach alledem gerechtfertigt ist, ist der Vertrag gemäß § 346 BGB rückabzuwickeln. Folglich hat der Beklagte den Kaufpreis zurückzuzahlen. Unstreitig beläuft er sich auf 25.695,00 €. Zwar gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Kaufpreis ganz oder teilweise von der Citroen Bank finanziert worden ist. Daraus haben die Parteien aber mit Blick auf die Rückabwicklung des Vertrages keine rechtlichen Konsequenzen gezogen, so dass der Senat keinen Grund sieht, bei der Bestimmung der Rückzahlungspflicht des Beklagten darauf einzugehen.

Abzuziehen sind die Gebrauchsvorteile, die der Kläger durch die Benutzung des Fahrzeugs gezogen hat. Wie er im Senatstermin erklärt hat, lässt er sich einen Betrag von 4.316,76 € anrechnen. Dem zugrunde liegt eine Fahrleistung von 42.064 km. Ein höherer Abzug ist nicht gerechtfertigt. Er wird von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht.

Damit ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von 21.378,24 €.

2. Hinzu kommt ein Betrag in Höhe von 600,00 € als Entgelt für die Citroen Garantie. Gerechtfertigt ist dieser Anspruch zwar nicht unter dem Gesichtspunkt des Verwendungsersatzes (§ 347 Abs. 2 BGB). Er hat seine Grundlage jedoch in § 437 Nr. 3 in Verbindung mit § 284 BGB. Es handelt sich um eine für den Kläger nutzlose Aufwendung. Dass der Beklagte weder den Mangel noch das Fehlschlagen der Nachbesserung zu vertreten hat, ist nicht dargetan, jedenfalls ist die Verschuldensvermutung nicht widerlegt.

3. Eine Verzinsung macht der Kläger nicht geltend. Zinsen sind ihm deshalb nicht zuzusprechen. 4. Festzustellen ist, dass der Beklagte sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.


III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).


Streitwert für das Berufungsverfahren:
bis 17. September 2007: 23.296,37 € (22.196,37 € + 600,00 € + 500,00 €), sodann 22.478,24 € (Abzug Gebrauchsvorteile jetzt 4.316,76 €).


IV.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 23.10.2007 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Dass der Wagen im Juni 2004 auch wegen eines "Motorproblems" in der Werkstatt gewesen ist, war im Senatstermin unstreitig und ist im Übrigen auch erwiesen, wobei es dem Senat auf den Ausdruck "Fernladung" nicht entscheidend ankommt.