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Landgericht Bonn Urteil vom 22.12.2005 - 8 S 142/05 - Beweislastverteilung nach Risikosphären bei Waschstraßenunfällen

LG Bonn v. 22.12.2005: Zur Beweislastverteilung nach Risikosphären bei Waschstraßenunfällen


Das Landgericht Bonn (Urteil vom 22.12.2005 - 8 S 142/05) hat entschieden:
Zwar muss bei Waschstraßenunfällen grundsätzlich der Geschädigte beweisen, dass der Pkw in der Waschstraße geschädigt worden ist, der Betreiber schuldhaft eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Von einer Schädigung kann jedoch auf die Pflichtverletzung des Betreibers geschlossen werden, wenn der Geschädigte darlegt und beweist, dass die Schadensursache alleine aus dem Verantwortungsbereich des Betreibers herrühren kann, also eine andere Schadensursächlichkeit ausgeschlossen ist. Insoweit wird es im Rahmen einer Verteilung der Beweislast nach Risikosphären grundsätzlich als ausreichend angesehen, dass der Geschädigte beweist, dass der Schaden in der Waschanlage verursacht worden ist.


Siehe auch Fahrzeugbeschädigung in der Autowaschanlage und Stichwörter zum Thema Schadensersatz


Tatbestand:

I.

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz auf Grund einer Beschädigung des Fahrzeuges des Klägers am 31.01.2004 in der Waschstraße des Beklagten im Gewerbegebiet West in I .

Gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen und von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.

Die Kläger verfolgt mit der Berufung sein ursprüngliches Ziel auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.386,19 EUR weiter. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.


Entscheidungsgründe:

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz des gesamten, im Bereich der Waschanlage des Beklagten am 31.01.2004 entstandenen Schadens an seinem Fahrzeug aus § 632, § 280 BGB.

Über den vom Amtsgericht zugesprochenen Schadensersatz wegen Beschädigung des Außenspiegels ist der Beklagte auch zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die im Zusammenhang mit der Beschädigung der Heckscheibe des W U entstanden sind, da auch diese Beschädigung des Fahrzeuges auf eine Pflichtverletzung des Beklagten zurückzuführen ist.

Unstreitig entstand der Heckscheibenschaden am Fahrzeug W U , als sich der Kläger am 31.01.2004 mit seinem Fahrzeug in der Waschanlage des Beklagten im Gewerbegebiet West in I befand. Diese Feststellung ist in vorliegendem Falle ausreichend, um den Nachweis einer Schadensverursachung durch den Beklagten zu führen.

Zwar muss bei Waschstraßenunfällen grundsätzlich der Geschädigte beweisen, dass der Pkw in der Waschstraße geschädigt worden ist, der Betreiber schuldhaft eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Von einer Schädigung kann jedoch auf die Pflichtverletzung des Betreibers geschlossen werden, wenn der Geschädigte darlegt und beweist, dass die Schadensursache alleine aus dem Verantwortungsbereich des Betreibers herrühren kann, also eine andere Schadensursächlichkeit ausgeschlossen ist (OLG Hamm, NJW-​RR 2002, 1459 ) Insoweit wird im Rahmen einer Verteilung der Beweislast nach Risikosphären grundsätzlich als ausreichend angesehen, dass der Geschädigte beweist, dass der Schaden in der Waschanlage verursacht worden ist ( BGH, NJW 1975, 685; LG Hamburg, DAR 1984, 260; LG Stuttgart, DAR 1987, 227 . )

Diesen Beweis konnte der Kläger vorliegend ohne weiteres führen. Unstreitig wurde der Schaden am Spiegel durch die Seitenteile des Trockenportals und der Schaden im Bereich der Heckscheibe durch die Trockendüse verursacht. Die Schadensursache lag also ausschließlich in der Risikosphäre des Beklagten, nicht in der des Klägers oder eines Dritten, was beispielsweise dann der Fall gewesen wäre, wenn ein nachfolgendes Fahrzeug den Schaden verursacht hätte.

Der Betreiber der Waschanlage muss dann, wenn der Schaden aus seinem Risikobereich stammt, beweisen, dass die während des Waschvorgangs eingetretene Beschädigung nicht auf einem Versagen der Anlage beruht. Allerdings muss hierfür feststehen, dass der Schaden nur durch die Waschstraße selbst verursacht worden sein kann, also keine anderen Schadensursachen in Betracht kommen. ( LG Bochum N JW-​RR 2004, 963; OLG Hamm, NJW-​RR 2002, 1459 )

Der Beklagte hat im konkreten Fall nicht den Beweis dafür erbringen können, dass der Schaden nicht durch die Bauart, die Bedienung oder durch eine Fehlfunktion seiner Anlage entstanden ist. Fest steht, dass der PKW auf Grund seiner Breite nicht für die Anlage des Beklagten geeignet war. Auf Grund der Breite hat sich das Fahrzeug zunächst verkantet, was zu einem Stillstand der Anlage führte. Auch musste das Fahrzeug durch ein Eingreifen des Beklagten "befreit" werden, bevor die Anlage wieder in Betrieb gesetzt werden konnte. Es kam dann in einem engen zeitlichen Zusammenhang, der schon dann vorliegt, wenn Schadensvorfälle innerhalb eines einheitlichen Waschvorganges auftreten, zu einer Beschädigung der Heckscheibe, da sich die Trocknerdüse auf das stehende Fahrzeug des Klägers herabsenkte.

Die Feststellung des Sachverständigen V , die Funktionsfähigkeit der Anlage ergebe sich daraus, dass die nachfolgenden Fahrzeuge unbeschadet die Trockneranlage durchfahren hätten, reicht zum Nachweis einer fehlerfreien Funktion der Anlage und einer damit verbundenen Unmöglichkeit einer Schadensverursachung nicht aus. Es wurde nämlich nicht der Nachweis geführt, dass auch keine temporäre Fehlfunktion der Anlage vorlag, die ihre Ursache in einem notwendigen Rückfahren des Klägers wegen der Verkantung seines Spiegels hatte. Auch die Feststellung des Sachverständigen X , die Anlage sei am Prüftag in Ordnung gewesen, schließt eine temporäre Fehlfunktion in der besonderen Situation nach der Verkantung des Spiegels nicht mit einer für eine Klageabweisung erforderlichen Sicherheit aus, da eine Funktionstüchtigkeit am Prüftag keine Rückschlüsse auf die Funktion am Schadenstag nach Verkantung eines Fahrzeuges und dadurch verursachtem automatischen Stopp zulässt.

Der Beklagte hat auch nicht beweisen können, dass der Schaden durch den Kläger selbst verursacht wurde, da weder die Zeugen noch die Sachverständigen mit Sicherheit feststellen konnten, dass der Kläger vor der Beschädigung der Heckscheibe rückwärts gefahren ist. Die Gutachten vermuten ein "Rückwärtsfahren" und sind in ihren Feststellungen nicht einheitlich. Während der Sachverständige V feststellte, dass der Kläger nicht in die Trocknerdüse hineingefahren ist, sondern die Düse sich auf das Fahrzeug gesenkt hat, das Fahrzeug also gestanden haben muss, legte der Sachverständige X dar, dass die Anlage auf ein Rückwärtsfahren reagiert, indem sie stoppt. Wäre dies aber der Fall gewesen, hätte sich die Anlage nicht auf das stehende Fahrzeug senken können. Jedenfalls hat der Beklagte nicht den ihm obliegenden Beweis geführt, dass die durch die Trocknerdüse entstandene Beschädigung nicht aus seinem Risikobereich, nämlich der Waschanlage, stammte.

Im übrigen ist - ohne dass es hierauf ankäme - zu berücksichtigen, dass der Beklagte sich auch ein evtl. Fehlverhalten des Klägers zurechnen lassen müsste, wenn dieser den Schaden durch eine fehlerhafte Reaktion verursacht hätte, weil er nach dem Schadensvorfall "Außenspiegel" davon ausgehen durfte, dass sein Fahrzeug für die Anlage nicht geeignet war und er nicht sicher sein konnte, dass weitere Berührungen mit der Anlage ausbleiben würden. In dieser Situation wäre es dem Beklagten zuzumuten gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass die Anlage jederzeit hätte gestoppt werden können. Es hätte ihm in dieser besonderen Situation, nämlich nach Erkennen, dass ein offensichtlich zu breites Fahrzeug durch seine Anlage gezogen wurde, oblegen, die Weiterfahrt des klägerischen Fahrzeuges zu beobachten, um den Wasch-​, bzw. Trockenvorgang bei Bedarf, nämlich einem weiteren drohenden Zusammenstoß zwischen Fahrzeug und Anlage oder einem nachzuvollziehenden Fehlverhalten des Klägers nach bereits eingetretenem Schaden, etwa einem unnötigen Bremsen, anzuhalten.

Der Klage war nach alldem in vollem Umfang stattzugeben. Die geltend gemachte Höhe des Schadensersatzanspruches ist nicht zu beanstanden, da der Schaden nach Art und Höhe vom Sachverständigen V bestätigt wurde.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Anlass die Revision zuzulassen, bestand nicht.

Berufungsstreitwert: 1.372,90 EUR