Das Verkehrslexikon

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OLG Bremen Beschluss vom 18.06.2014 - 1 SsBs 51/13 - Wartefrist zwischen Cannabiskonsum und Fahrtantritt

OLG Bremen v. 18.06.2014: Zur Wartefrist zwischen Cannabiskonsum und Fahrtantritt


Das OLG Bremen (Beschluss vom 18.06.2014 - 1 SsBs 51/13) hat entschieden:
  1. Ein Konsument von Cannabis darf sich als Kraftfahrer erst in den Straßenverkehr begeben, wenn er sicherstellen kann, den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht mehr zu erreichen. Das erfordert ein ausreichendes - gegebenenfalls mehrtägiges - Warten zwischen letztem Cannabiskonsum und Fahrtantritt.

  2. Im Regelfall besteht für den Tatrichter kein Anlass, an der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung und dem subjektiven Sorgfaltsverstoß zu zweifeln, wenn der analytische Grenzwert nach Beendigung der Fahrt erreicht ist.

Siehe auch Rauschfahrt - drogenbedingte Fahruntüchtigkeit und Fahrlässigkeit und drogenbedingte Rauschfahrt


Gründe:

A.

Das Amtsgericht Bremen hat den Betroffenen mit Urteil vom 15.02.2013 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit (Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis) zu einer Geldbuße von 500,00 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde vom 19.02.2013. Er erhebt neben einer Verfahrensrüge die allgemeine Sachrüge und begründet sie unter anderem damit, dass der Betroffene nicht fahrlässig gehandelt habe. Der Sachverständige habe genau den Grenzwert von 1,0 ng/ml THC ermittelt. Die Annahme des Gerichts, der Betroffene sei sich der Möglichkeit der fortdauernden Cannabis-​Wirkung bewusst gewesen, sei nicht durch Tatsachen belegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Bremen mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bremen zurückzuverweisen.

Der Bußgeldsenat – Einzelrichter – hat die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 15.02.2013 mit Beschluss vom 03.06.2014 gemäß § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.


B.

I.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 79 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 OWiG, 341 StPO) und begründete (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist allerdings im Wesentlichen unbegründet. Sie hat keinen Erfolg, soweit der Betroffene die Verletzung formellen Rechts rügt (1.). Auch die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der erhobenen Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (2.). Allein der Rechtsfolgenausspruch war dahingehend abzuändern, dass das angeordnete Fahrverbot entfällt (3.).

1. Die vom Betroffenen vorgebrachten Rügen, mit denen er sich gegen die Ablehnung von zwei Beweisanträgen und die Verwertung eines Vernehmungsprotokolls wendet, sind unzulässig. Sie genügen nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

a. Die durch den Verteidiger erhobene Verfahrensrüge der Ablehnung eines am 09.01.2013 gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis der Tatsache, dass die in dem Bericht des PK K. vom 27.04.2012 aufgeführten sog. Auffälligkeiten bei einem THC-​Wert von 1,0 ng/ml auf andere Ursachen als Cannabiswirkung zurückzuführen sind, ist unzulässig. Aufgrund von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind bei Erhebung einer Verfahrensrüge die auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen vollständig und zutreffend so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (st. Rspr, BGHSt 29, 203; 40, 218, 240; Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 23.09.2013, 2 SsBs 63/13; BeckOK-​OWiG/Bär, Stand 15.04.2013, § 79 Rn. 102). Einer wörtlichen Wiedergabe aller Einzelheiten bedarf es zwar grundsätzlich nicht, wohl aber einer geschlossenen und vollständigen Darstellung des gestellten Antrags und der darauf ergangenen Entscheidung (KK-​OWiG/Senge, 3. Auflage 2006, § 79 Rn. 88 f m.w.N.).

Ist ein Beschwerdeführer der Ansicht, der Tatrichter habe einen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt, so steht es ihm grundsätzlich frei, entweder die Verletzung des Beweisantragsrechts zu rügen oder geltend zu machen, das Gericht habe durch die Nichterhebung des Beweises seine aus § 244 Abs. 2 StPO folgende Aufklärungspflicht verletzt (st. Rspr. BGH, Urteil vom 13.01.2011, 3 StR 337/10, BeckRS 2011, 04176 m.w.N.). Im zu entscheidenden Fall rügt der Rechtsbeschwerdeführer die Verletzung des Beweisantragsrechts. Dies erfordert, neben dem abgelehnten Beweisantrag und dem Ablehnungsbeschluss auch für die Prüfung der Rüge etwaig notwendige, weitere Verfahrenstatsachen vollständig vorzutragen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.02.2012, 1 StR 647/11, BeckRS 2012, 06853 m.w.N.). Der Rechtsbeschwerdeführer hat jedoch nicht mitgeteilt, dass der abgelehnte Beweisantrag – bei gleichem Inhalt und nur minimal abweichendem Wortlaut – in der Hauptverhandlung am 04.02.2013 erneut gestellt und neu beschieden worden ist. Dieser Vortrag wäre jedoch notwendig gewesen. Denn die neue Bescheidung eines wiederholt gestellten Beweisantrages kann etwaige Fehler der ersten Ablehnung heilen, weil der Angeklagte seine Verteidigung auf die neue Beurteilung einstellen kann (vgl. BGH aaO).

b. Auch die durch den Verteidiger erhobene Verfahrensrüge der Ablehnung des am 09.01.2013 gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis der Tatsache, dass die Fahrtüchtigkeit des Betroffenen bei einem Wert von 1,0 ng/ml nicht eingeschränkt war und der Wert von 1,0 ng/ml und dessen Wirkungen für den Betroffenen nicht feststellbar waren, ist unzulässig. Auch wenn es dem Betroffenen grundsätzlich nicht verwehrt ist, auch solche Tatschen unter Beweis zu stellen, die er lediglich für möglich hält oder nur vermutet, bedarf es der Mitteilung konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte, die das Beweisbegehren zumindest möglich erscheinen lassen (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 06.08.2008, 2 Ss-​OWi 366/08; BeckRS 2008, 18918). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Soweit gerügt wird, für den Betroffenen sei die Wirkung von THC "nicht feststellbar", fehlt es auch an der Angabe einer dieses Beweisziel belegenden konkreten Tatsache.

c. Den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist ebenso wenig genügt, soweit vorgebracht wird, der Betroffene habe zunächst einen Körperreaktionstest durchgeführt und sei erst dann von PK K. über seine Rechte belehrt worden. Ob mit der Rechtsbeschwerde eine Verletzung der § 136 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 163a Abs. 3 Satz 2 StPO gerügt werden sollte, bleibt offen und liegt zudem nicht nahe. Denn die Durchführung eines Körperreaktionstests ist keine "Vernehmung" i. S. d. § 136 Abs. 1 StPO. Es fehlt im zu entscheidenden Fall bereits an einer Darlegung von Umständen, aufgrund derer vor Durchführung des Körperreaktionstests überhaupt eine Belehrung hätte erfolgen müssen (vgl. LR/Gleß, StPO, 26. Auflage 2007, § 136 Rn. 116). Schließlich fehlt es auch an Vortrag, wann der Betroffene in der Hauptverhandlung vom 09.01.2013 der Verwertung des von PK K. gefertigten Protokolls widersprochen hat. Der Widerspruch gegen die Verwertung eines Beweismittels ist nur bis zu dem durch § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt möglich. Dem Revisionsvorbringen ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erhebung des Widerspruchs gegen die Verwertung des Protokolls und seiner Einführung in die Hauptverhandlung nicht zu entnehmen, sodass nicht beurteilt werden kann, ob der Widerruf rechtzeitig (§ 257 StPO) erfolgte.

2. Die Überprüfung des Schuldspruches hat aufgrund der erhobenen Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

Das Amtsgericht hat unter anderem folgende Feststellungen zur Person und zur Sache getroffen:
"I. Der Betroffene ist 30 Jahre alt, ledig und kinderlos. Er arbeitet im B. als Schlosser. Das monatliche Nettoeinkommen liegt bei etwa 1.400,- €. Er wohnt in der Gemeinde O. in einem Haus, dessen Eigentümer er ist. Das Haus befindet sich außerhalb des Ortes O. ohne Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Die Auskunft des Verkehrszentralregisters beinhaltet keine Eintragungen, die dem Betroffenen noch vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden dürften.

II. Zur Überzeugung des Gerichts konnte folgender Sachverhalt festgestellt werden:

Am 27.04.2012 gegen 13:50 Uhr befuhr der Betroffene als Führer des Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen [...] den Autobahnzubringer Ü. in B.. In seinem Blut, das um 15:45 Uhr entnommen wurde, konnten 1,0 ng/ml THC nachgewiesen werden. Dieser Wert ist auf einen Cannabiskonsum des Betroffenen zurückzuführen, der innerhalb von 24 Stunden vor der Blutentnahme stattgefunden hat. Bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte der Betroffene erkennen können, dass er noch unter der Wirkung von Cannabinoiden steht."
In der rechtlichen Würdigung führt das Amtsgericht Folgendes aus:
"Der Betroffene führte das Kraftfahrzeug zur Tatzeit unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG genannten berauschenden Mittels, nämlich Cannabis. Ausreichend für diese Feststellung ist gemäß § 24a Abs. 2 S. 2 StVG der Substanznachweis im Blut. Nicht erforderlich ist die Feststellung einer konkreten rauschmittelbedingten Beeinträchtigung der für das Führen von Kraftfahrzeugen erforderlichen Leistungsfähigkeit. Ausreichend ist stattdessen, wenn die betroffene Substanz in einer Konzentration nachweisbar ist, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt, was bei Cannabis der Fall ist, wenn eine THC-​Konzentration von 1 ng/ml nachgewiesen wird (BVerfG NZV 2005, 270 (271 f.), Burhoff, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-​Verfahren, 3. Auflage (2012), Rn. 595 mit einer tabellarischen Übersicht zur Rechtsprechung der Oberlandesgerichte). [...]

Nach der vom Gericht vertretenen Auffassung begründet bereits das Erreichen des von der Grenzwertkommission für Cannabis festgelegten Grenzwertes mangels Anhaltspunkten für das Bestehen einer Ausnahmekonstellation den Fahrlässigkeitsvorwurf. Unabhängig davon wird auch nach der überwiegend in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung der Fahrlässigkeitsvorwurf zu bejahen sein. Der von der Grenzwertkommission festgelegte Grenzwert von 1,0 ng/ml THC ist zwar nur gerade eben erreicht. Die Sachverständige Dr. B. legte sich jedoch darauf fest, dass der Konsum der Blutentnahme höchstens 24 Stunden vorangegangen ist. Die Blutentnahme fand knapp zwei Stunden nach dem Führen des Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr statt. Der Cannabiskonsum liegt damit bezogen auf das Führen des Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr längstens 22 Stunden zurück. Angesichts der langen Wirkungsdauer von Cannabis ist somit noch nicht von einem längere Zeit zurückliegenden Konsum auszugehen. Die lange Wirkungsdauer von Cannabis ist allgemein bekannt. Der Betroffene geht einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit nach und bewegt sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit im B. in einem gesellschaftlich und politisch interessierten Umfeld. Es ist daher fern liegend, dass er hinsichtlich der Wirkungsdauer von Cannabis aus Unkenntnis einer Fehleinschätzung unterlag. Ihm war stattdessen die Möglichkeit der fortdauernden Cannabiswirkung bewusst. Er wird zwar gehofft haben, dass ein Nachweis von THC nicht mehr möglich sein wird, war sich des Risikos jedoch bewusst."
a) Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen den Fahrlässigkeitsvorwurf in Bezug auf die Tathandlung.

Zum objektiven Handlungsunrecht des § 24a Abs. 2 StVG gehört lediglich das Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG genannten berauschenden Mittels. Eine solche "Wirkung" liegt nach der Legaldefinition des § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG vor, wenn eine der in der Anlage genannten Substanzen – hier THC – im Blutserum nachgewiesen wird (OLG Hamm, Urteil vom 15.06.2012, 2 RBs 50/12, BeckRS 2012, 18138; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, § 24a StVG, Rn. 21, 21a m.w.N.). Der Gesetzgeber spricht mit § 24a Abs. 2 StVG ein generelles Verbot aus und hat einen Gefährdungstatbestand geschaffen. Anders als § 24a Abs. 1 StVG für Alkohol knüpft die Norm nicht an einen qualifizierten Grenzwert an. Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Dezember 2004 gebietet keine Feststellungen zur Wirkung einer Substanz im Sinne einer konkreten Beeinträchtigung. Es sind lediglich qualifizierte Anforderungen an den Nachweis der Substanz zu stellen. Dieser Nachweis kann erst ab Erreichen des analytischen Grenzwerts als geführt angesehen werden (BVerfG, Urteil vom 21.12.2004, 1 BVR 2652/03, NJW 2005, 349 ff). Die betreffende Substanz muss in einer Konzentration nachgewiesen werden, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt (vgl. BVerfG, aaO). Dies ist dann der Fall, wenn der analytische Grenzwert erreicht ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.05.2013, 1 (3) SsBs 131/13, zit. nach juris; vgl. König, aaO, Rn. 21a). Ausschlaggebend für diesen analytischen Grenzwert ist der Beschluss der "Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle" (sog. Grenzwertkommission) vom 20. November 2002, aktualisiert durch weiteren Beschluss vom 22. Mai 2007 (Blutalkohol 44 (2007), 311). Danach liegt der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit gem. § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml Serum. Eine solche Konzentration kann – einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags – sicher nachgewiesen und quantitativ präzise bestimmt werden. Insbesondere erscheint bei Erreichen einer derartigen Konzentration eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit möglich. Die Feststellung des sachverständig beratenen Amtsgerichts Bremen zum objektiven Tatbestand, wonach im Blutserum des Betroffenen 1,0 ng/ml THC nachgewiesen werden konnten, trifft zu.

b) Auch die Feststellungen des Amtsgerichts Bremen zum objektiven Sorgfaltspflichtverstoß genügen den an seinen Nachweis zu stellenden Anforderungen.

aa) Fahrlässiges Handeln im Sinne von § 10 OWiG, § 24a Abs. 3 StVG liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist und deshalb entweder die rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt oder voraussieht (unbewusste Fahrlässigkeit) oder die Möglichkeit der rechtswidrigen Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden gewesen ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, diese werde nicht eintreten und damit bewusst fahrlässig handelt (vgl. BGHSt 49, 1, 5; Hans. OLG Bremen, Beschlüsse vom 02.09.2013, 2 SsBs 60/13, und 20.02.2012, 2 SsBs 75/11, sowie Beschluss vom 17.02.2006, Ss (B) 51/05, NZV 2006, 276; OLG Hamm, Urteil vom 15.06.2012, III - 2 RBs 50/12, BeckRS 2012, 18138; KG, Beschluss vom 05.06.2009, 2 Ss 131/09, NZV 2009, 572, 573; OLG Celle, Beschluss vom 09.12.2008, 322 SsBs 247/08, NZV 2009, 89, 90; Göhler/Gürtler, OWiG, 16. Auflage 2012, § 10 Rn. 6; KK-​OWiG/Rengier, 3. Auflage 2006, § 10 Rn. 15; zu allem: Leipziger Kommentar/Vogel, StGB, 12. Auflage 2007, § 15 Rn. 164 ff m.w.N.).

Hinsichtlich des Tatbestands des § 24a Abs. 2 und 3 StVG muss feststehen, dass der Betroffene die Möglichkeit fortlaufender Wirkung des Cannabiskonsums entweder erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können und müssen. Der Vorwurf des schuldhaften Führens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung eines berauschenden Mittels bezieht sich nämlich nicht auf den Konsumvorgang, sondern vielmehr auf die Wirkung des Rauschmittels zur Tatzeit (vgl. Hans. OLG Bremen, Beschlüsse vom 30.09.2013, 2 SsBs 37/13, und 02.09.2013, 2 SsBs 60/13; OLG Hamm, Urteil vom 15.06.2012, III - 2 RBs 50/12, BeckRS 2012, 18138; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.08.2010, 2 Ss-​OWi 166/10, NZV 2010, 530 f; KG, Beschluss vom 04.01.2010, 3 Ws (B) 667/09, BeckRS 2010, 11789; Beschluss vom 05.06.2009, 2 Ss 131/09, NZV 2009, 572, 573; OLG Celle, Beschluss vom 09.12.2008, 322 SsBs 247/08, NZV 2009, 89, 90; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.04.2007, 3 Ss 35/07, NStZ-​RR 2007, 249). Nach ständiger Rechtsprechung handelt fahrlässig, wer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und dennoch ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt, ohne sich bewusst zu machen, dass das Rauschmittel noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml abgebaut ist. Es ist hierzu nicht erforderlich, dass sich der Betroffene einen spürbaren oder auch nur messbaren Wirkstoffeffekt vorgestellt hat oder zu einer entsprechenden genauen physiologischen oder biochemischen Einordnung in der Lage war, zumal ein Kraftfahrer die Unberechenbarkeit von Rauschmitteln stets in Rechnung zu stellen hat (Hans. OLG Bremen, KG, OLG Celle, OLG Frankfurt a.M., OLG Hamm, jeweils aaO; vgl. auch Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-​Verfahren, 3. Auflage 2012, Rn. 599 f; König, aaO, Rn. 25b).

bb) An der Erkennbarkeit der Wirkung des Rauschmittels für den Betroffenen kann es ausnahmsweise dann fehlen, wenn zwischen dem Zeitpunkt des Drogenkonsums und der Fahrt längere Zeit vergangen ist (Hans. OLG Bremen, Beschlüsse vom 30.09.2013, 2 Ss 37/13, und 02.09.2013, 2 SsBs 60/13, sowie vom 17.02.2006, Ss (B) 51/05, NZV 2006; OLG Hamm, Urteil vom 15.06.2012, III - 2 RBs 50/12, BeckRS 2012, 18138; OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.02.2011, 1 Ss 616/10, DAR 2011, 218 ff.; KG, Beschluss vom 04.01.2010, 2 Ss 363/09, VRS 118, 205 ff; KG, Beschluss vom 05.06.2009, 2 Ss 131/09, NZV 2009, 572; OLG Celle, Beschluss vom 09.12.2008, 322 SsBs 247/08, NZV 2009, 89, 90; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.08.2010, 2 Ss-​OWi 166/10, BeckRS 2010, 20608; Beschluss vom 25.04.2007, 3 Ss 35/07, NStZ-​RR 2007, 249; Janker in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 22. Auflage 2012, § 24a StVG Rn. 7a). Mit zunehmendem Zeitablauf schwindet das Bewusstsein dafür, dass der zurückliegende Rauschmittelkonsum noch Auswirkungen bis in die Gegenwart haben könnte. Das Tatgericht hat daher in denjenigen Fällen, in denen ein zeitnaher Rauschmittelkonsum vor der Tatzeit nicht festgestellt werden kann, zu prüfen, ob weitere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Betroffenen die Möglichkeit einer im Tatzeitpunkt noch andauernden Beeinflussung durch das Rauschmittel bewusst gewesen ist bzw. hätte bewusst sein müssen (Hans. OLG Bremen, KG, OLG Celle, OLG Frankfurt a.M., jeweils aaO).

Von einem länger zurückliegenden Konsum wird in der Rechtsprechung teilweise bereits ab einem Zeitraum von 20 Stunden zwischen Drogenkonsum und Fahrtantritt ausgegangen (vgl. König, NStZ 2009, 425, 427). Einen genauen Zeitraum, bei dem von einem länger zurückliegenden Drogenkonsum vor Fahrtantritt auszugehen ist, hat die obergerichtliche Rechtsprechung bislang indes nicht eindeutig festgelegt. Eine "längere Zeit" ist etwa für einen Zeitraum von zwei bis drei Tagen (Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 17.02.2006, Ss (B) 51/05, NZV 2006, 276), zwei Tagen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.09.2010, 3 (7) SsBs 541/10, BeckRS 2011, 21298), 24 Stunden (OLG Braunschweig, Beschluss vom 27.01.2010, Ss (OWi) 219/09, BeckRS 2010, 28813), mehr als 24 Stunden (Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 30.09.2013, 2 SsBs 37/13) und weniger als 24 Stunden (OLG Hamm, Urteil vom 15.06.2012, 2 RBs 50/12, BeckRS 2012, 18138; OLG Celle, Beschluss vom 09.12.2008, 322 SsBs 247/08, BeckRS 2008, 26992; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.04.2007, 3 Ss 35/07, BeckRS 2007, 09344) angenommen worden.

Die fehlende Erkennbarkeit einer im Tatzeitpunkt noch andauernden Wirkung durch das Rauschmittel wird in der Rechtsprechung nicht nur von dem Zeitpunkt des letzten Drogenkonsums abhängig gemacht, sondern zum Teil auch von der Konzentration des Wirkstoffes THC zum Zeitpunkt der Blutentnahme. Bei einem knapp 23 Stunden zurückliegenden Drogenkonsum und einer nur etwas mehr als zweifachen Überschreitung des analytischen Grenzwertes sei ohne weitere Feststellungen die Fahrt unter Wirkung von Cannabis nicht vorwerfbar (so OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.04.2007, 3 Ss 35/07, BeckRS 2007, 09344). Jedenfalls bei einer THC-​Konzentration im Blutserum mit 1,4 ng/ml und einem mehr als zwei Tage zurückliegenden Cannabiskonsum sei von fehlender Vorwerfbarkeit auszugehen (so OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.01.2009, 1 Ss 178/08, BeckRS 2009, 03276). Bei einem vage bleibenden Zeitraum zwischen ein und zwei Tagen könne bei einer verhältnismäßig geringen Überschreitung des analytischen Grenzwertes von 4,6 ng/mg THC nicht auf eine fahrlässige Tatbestandsverwirklichung geschlossen werden (so OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.08.2010, 2 Ss-​OWi 166/10, BeckRS 2010, 20608). An diese Rechtsprechung knüpft auch die Begründung des Antrages der Generalstaatsanwaltschaft an.

cc) Dieser Auffassung kann allerdings nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden.

(1) Das den Vorwurf fahrlässigen Handelns nach § 10 OWiG begründende Verhalten besteht in der Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Es handelt bereits fahrlässig, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist und deshalb die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt, aber erkennen kann (unbewusste Fahrlässigkeit). Genereller Maßstab für die im Verkehr erforderliche Sorgfalt sind die Regeln eines besonnenen und gewissenhaften Menschen in der sozialen Situation, in der sich der Betroffene konkret befindet. Diese allgemeinen Sorgfaltsregeln können sich aus geschriebenen und ungeschriebenen Regeln (Verkehrsgepflogenheiten) ergeben. Letztere leiten sich aus dem allgemeinen Verbot ab, andere zu schädigen. Je größer das Risiko einer Gefährdung des geschützten Rechtsgutes erscheint, desto höher sind die Sorgfaltsanforderungen zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.1990, 5 StR 187/90, NJW 1991, 501).

(2) Im Straßenverkehr können Nachlässigkeiten und Irrtümer sehr leicht zur erheblichen Gefährdung anderer und zu schweren Unfällen führen. Deshalb ist hier besonders sorgfältiges Verhalten geboten (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.1987, VI ZR 280/86, zit. nach juris; Göhler/Gürtler, aaO, Rn. 10). Die Sorgfaltsanforderungen beschränken sich dabei nicht auf das Führen des Kraftfahrzeugs selbst. Die Gefahren des Straßenverkehrs gebieten ein Einsetzen von Sorgfaltspflichten schon vor Antritt der Fahrt. Insbesondere hat sich der Kraftfahrzeugführer vor Fahrtantritt stets zu vergewissern, ob er nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten überhaupt (noch) imstande ist, den Erfordernissen des Straßenverkehrs zu genügen (BGH, aaO). Seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit muss er vor Fahrtantritt überprüfen (vgl. § 2 Absatz 1 Satz 1 FeV). Wer in Kenntnis zum Beispiel seiner Epilepsie-​Erkrankung und unmittelbar zurückliegender Anfälle erneut ein Fahrzeug führt und dann - im Zustand der Steuerungsunfähigkeit gem. § 20 StGB - einen Verkehrsunfall verursacht, macht sich bereits durch den Antritt der Fahrt zumindest wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs strafbar, weil er wegen körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen (LG Bonn, Urteil vom 12.12.2012, 25 Ns 100 Js 199/11, BeckRS 2013, 17333). Ergeben sich aus einer bestimmten Tätigkeit – wie beispielsweise als Fahrer eines Kraftfahrzeuges – bestimmte Pflichten, muss verlangt werden, dass sich der Adressat dieser Pflicht von ihr Kenntnis verschafft (Göhler/Gürtler, aaO). So ist anerkannt, dass ein Kraftfahrer, der medizinisch veranlasst Medikamente zu sich nimmt, verpflichtet ist, die Gebrauchsanleitung des Medikamentes zu beachten. Hat er keine, muss er sich erkundigen (OLG Hamm, Beschluss vom 05.04.2011, 3 RVs 19/11 m.w.N., BeckRS 2011, 19876). Ein Kraftfahrer wird nach vorangegangenem, bewussten Genuss von Alkohol ohne weiteres damit rechnen müssen, dass er den noch zulässigen Grenzwert überschreitet. Nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis kann niemand vor oder nach dem Trinken genau voraussehen, welche Blut- oder Atemalkoholkonzentration er später haben wird. Der Vorwurf der Fahrlässigkeit im Rahmen des § 24a Abs. 3 StVG ist in der Regel schon auf Grund der Tatsache gerechtfertigt, dass der Betroffene trotz Kenntnis vorausgegangenen Alkoholgenusses das Fahrzeug geführt hat (OLG Jena, Beschluss vom 16.01.2006, 1 Ss 80/05, zit. nach juris). Von einem Alkohol konsumierenden Kraftfahrer wird erwartet, dass er sich erst nach ausreichendem Abbau der Blutalkoholkonzentration wieder hinter das Steuer setzt.

(3) Es besteht kein Anlass, einen ein Kraftfahrzeug führenden Drogenkonsumenten privilegiert zu behandeln. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG kann bereits der unerlaubte Erwerb von Cannabisprodukten bestraft werden. Dieser Straftatbestand ist seiner Natur nach ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bereits der unbefugte Erwerb von Cannabis mit erheblichen gesundheitlichen Gefahren verbunden ist und daher einen Angriff auf die geschützten Rechtsgüter bedeutet (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 29.06.2004, 2 BvL 8/02, BeckRS 2004, 23354; Weber, BtMG, 4. Auflage 2013, vor § 29 BtMG, Rn. 1 ff). In der Begründung zum Änderungsgesetz vom 28.04.1998 (BT-​Drucks 13/3764) wird zu § 24a Abs. 2 StVG ausgeführt, dass – auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhend – Cannabis bei typischem Rauschverlauf beispielsweise zu Konzentrations-​, Wahrnehmungs- und Denkstörungen, leichterer Ablenkbarkeit und zu Leistungseinbußen in den für den Kraftfahrzeugführer wichtigen psychomotorischen Funktionen führt. Ein Konsument von Cannabis muss sich schon wegen der Pönalisierung des Erwerbs und der vom Gesetzgeber bislang nicht anerkannten sozialen Adäquanz seines Konsums veranlasst sehen, alles ihm Mögliche zu tun, damit er als objektiv unter Wirkung von Drogen Stehender keine für andere potenziell gefährliche Fahrt antritt (vgl. auch OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 26.10.2012, 2 Ss-​OWi 672/12, Rn. 10, zit. nach juris; OLG Hamm, aaO; König, NStZ 2009, 425, 427). Einen Kraftfahrer trifft deshalb die Pflicht, sich vor oder nach erfolgtem Cannabiskonsum Gewissheit von seiner Fahrtüchtigkeit und Kenntnis darüber zu verschaffen, wie lange die Wirkung der von ihm eingenommenen Droge dauern kann, um das Erreichen des Grenzwertes bei Fahrtantritt auszuschließen (vgl. OLG Hamm, aaO; Göhler/Gürtler, aaO, § 11 Rn. 26; vgl. auch Gehrmann, NZV 2011, 6, 8 f). Diese Prüfungs- und Erkundigungspflicht ist ohne weiteres zumutbar. Neben kostengünstigen seriösen Informationsquellen im Internet kann und muss er zur Not einen fachkundigen Apotheker oder Mediziner befragen.

(4) Dieser normativ entwickelten Erkundigungspflicht steht nicht entgegen, dass der Stand der Wissenschaft auch zum jetzigen Zeitpunkt zu den Nachweis- bzw. Wirkungszeiten kein einheitliches Bild liefert. Eine hinreichend zuverlässige Methode der Rückrechnung konnte aufgrund einer Vielzahl von schwer bestimmbarer Faktoren – vor allem wegen der kaum zu quantifizierenden Intensität vorangegangenen Konsums – noch nicht entwickelt werden (vgl. Leipziger Kommentar/König, StGB, 12. Auflage 2008, § 316 Rn. 152). In der Fachwelt werden für THC divergierende Nachweis- bzw. Wirkungszeiten genannt. Nach einer bereits im Jahr 2007 veröffentlichten Studie mit 20 teilnehmenden Probanden, die zuvor kein THC konsumiert hatten, war bei 16 Teilnehmern nach dem Rauchen eines Joints nach sechs Stunden kein THC nachweisbar. Bei zwei Probanden wurde nach dieser Zeit noch mehr als 1,0 ng/ml THC im Blutserum analysiert (Kauert u.a., Journal of Analytical Toxicology 2007, 288 ff). Teilweise werden Nachweiszeiten von bis zu 48 Stunden bei chronischen Konsumenten angegeben (Eisenmenger, NZV 2006, 24 f). In der Fachliteratur wird auch referiert, dass bei 13 von 18 intensiv Cannabis konsumierenden Probanden nach einer Abstinenz von sieben Tagen noch mehr als 1,0 ng/ml THC im Blutserum hatte festgestellt werden können (Karschner u.a., Journal of Analytical Toxicology 2009, 469 ff).

(5) In der älteren Rechtsprechung wird andererseits gelegentlich davon ausgegangen, dass auch niedrige Werte zwischen 1 und 2 ng/ml THC im Blutserum nur zeitnah nach dem Konsum nachzuweisen seien (vgl. VGH München, Beschluss vom 03.02.2004, 11 CS 04.157, BeckRS 2004, 14636; OVG Weimar, Beschluss vom 11.05.2004, 2 EO 190/04, BeckRS 2004, 23975). Das könnte Betroffene zu der Schlussfolgerung verleiten, dass nach Ablauf eines Tages eine Fortdauer der Wirkung des Rauschgiftes ausgeschlossen ist (vgl. KG, Beschluss vom 04.01.2010, 3 Ws (B) 667/09, BeckRS 2010, 11789). Bereits zum Tatzeitpunkt waren allerdings mehrere obergerichtliche Entscheidungen veröffentlicht, denen zufolge trotz Überschreitens des analytischen Grenzwertes von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der letzte Drogenkonsum vor Fahrtantritt mehrere Tage zurück lag (vgl. nur OLG Hamm, Beschluss vom 05.04.2011, 3 RVs 19/11, zit. nach juris; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.08.2010, 2 Ss-​OWi 166/10, BeckRs 2010, 20608). Dieser unsichere Befund und die in der Fachwelt diskutierte lange Wirkungsdauer von mehreren Tagen (und bei Intensivkonsumenten von einer Woche) gebieten jedem Kraftfahrzeugführer, nach vorangegangenem Drogenkonsum angesichts der von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bis zum erneuten Fahrtantritt ausreichend zu warten. Nur der Konsument selbst weiß, welches Mittel er wie häufig in welcher Menge genommen hat. Noch weniger als beim Alkohol kann er aber den Wirkverlauf eines eingenommenen Betäubungsmittels einschätzen. Die Strafbewehrtheit des Betäubungsmittelhandels bringt eine fehlende staatliche Kontrolle von Qualität und Wirkstoff feilgebotener Cannabisprodukte mit sich. Ihr Wirkstoffgehalt dürfte daher stark variieren und auch vom Konsumenten selbst – anders als bei Alkohol – nur schwer vorherzusehen oder gar zu bestimmen sein. Das gebietet besondere Vorsicht vor einer möglichen Fahrt nach Drogenkonsum. Nur sofern sich der Konsument der Gefahrlosigkeit der Fahrt gewiss sein kann, darf er sich in den Straßenverkehr begeben. Vertraut er auf ungewisser Grundlage hingegen auf den Abbau der Droge und verwirklicht sich sein Risiko fehlerhafter Einschätzung, handelt er objektiv und subjektiv fahrlässig (OLG Hamm, Beschluss vom 05.04.2011, III-​3 RVs 19/03, zit. nach juris; König, aaO, Göhler/Gürtler, aaO, § 11 Rn. 26). Von einem besonnenen und gewissenhaften Kraftfahrer ist deshalb zu erwarten, dass er eine Fahrt erst antritt, wenn er ein Überschreiten des analytischen Grenzwertes von THC in seinem Blutserum ausschließen kann.

(6) Der Umstand, dass der zulässige Grenzwert von THC im Blutserum nur geringfügig überschritten ist, ändert an der Voraussehbarkeit einer zum Tatzeitpunkt objektiv noch andauernden Wirkung durch das Rauschmittel nichts. Eine besonders hohe Konzentration zum Zeitpunkt der Blutentnahme mag unter Umständen den Schluss auf bedingten Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit für das Tätigkeitsdelikt des § 24a Abs. 2 StVG zum allein entscheidenden Zeitpunkt der Drogenfahrt (§ 6 OWiG) nahe legen. Dem Vorwurf unbewusster Fahrlässigkeit wird hingegen eine Konzentration von THC, die gerade einmal den Grenzwert erreicht, regelmäßig nicht entgegenstehen: Nach ständiger zu § 24a Abs. 2 StVG ergangener Rechtsprechung verwirklicht eine Drogenfahrt bereits mit 1,0 ng/ml THC das objektive Handlungsunrecht. Ein Kraftfahrer wird nach vorangegangenem, bewussten Genuss von Cannabisprodukten ohne weiteres damit rechnen müssen, dass er den noch zulässigen Grenzwert überschreitet. Von ihm ist zu erwarten, dass er sich erst in den Straßenverkehr begibt, wenn er bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt sicher sein kann, den zulässigen Grenzwert – und nicht einen unbestimmbaren höheren – nicht zu erreichen. Wer ein Kraftfahrzeug nach vorangegangenem, bewussten Konsum von Cannabisprodukten führt und sich über eine mögliche Wirkung überhaupt keine Gedanken macht, handelt allein deswegen zumindest unbewusst fahrlässig. Bewusst fahrlässig handelt demgegenüber, wer sich Gedanken macht und pflichtwidrig darauf vertraut, den Grenzwert nicht zu erreichen.

(7) Systematische Erwägungen sprechen nicht dagegen, im Regelfall davon auszugehen, dass der Betroffene ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung von THC fahrlässig geführt hat. Das Tatbestandsmerkmal der "Wirkung" verkümmert dadurch nicht etwa nur zu einer objektiven Bedingung der Verfolgbarkeit, auf die sich der Fahrlässigkeits-​Schuldvorwurf nicht beziehen müsste. Ergibt sich beispielsweise bei einer durch Indizien gestützten Einlassung des Betroffenen, dass er zuverlässige Erkundigungen eingeholt und sich an die erteilten Empfehlungen gehalten hat, ist der Tatrichter gehalten, sich angesichts der entgegenstehenden Messwerte mit der Möglichkeit eines solchen Tatverlaufs auseinanderzusetzen und – falls diesbezügliche reale Anhaltspunkte bestehen – nach dem Zweifelssatz gegebenenfalls von fehlender Fahrlässigkeit auszugehen. Fehlt es hingegen diesbezüglich an realen Anhaltspunkten, ist der Tatrichter nicht gehalten, einen solchen Sachverhalt zu Gunsten des Betroffenen zu unterstellen (BGH, Urteil vom 03.06.2008, 1 StR 59/08, StV 2009, 511; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 26.10.2012, 2 Ss OWi 672/12, zit. nach juris; Meyer-​Goßner, StPO, 57. Auflage, § 261 Rn. 26; vgl. auch LR/Hanack, StPO, 25. Auflage, § 337 Rn. 163). So verhält es sich indessen im vorliegenden Fall: Nach den Urteilsfeststellungen hat der Betroffene von seinem Recht Gebrauch gemacht, zur Sache nicht auszusagen. Es fehlen jedwede Anhaltspunkte, dass sich der Betroffene vor der Tatzeit zuverlässig erkundigt hatte und der erteilten Empfehlung entsprechend die Fahrt antrat.

(8) Es bedurfte auch keinerlei Feststellungen zur Art des Konsums von Cannabis. Hierzu konnten vom Tatgericht in Ermangelung einer Einlassung des Betroffenen oder sonstiger Anknüpfungspunkte keine Erkenntnisse gewonnen werden. Dies zwingt nicht dazu, die Konzentration von THC zum Blutentnahmezeitpunkt auf andere Ursachen als auf einen bewussten Cannabiskonsum zurückzuführen. Der Zweifelssatz bedeutet nicht, dass das Gericht von der für den Betroffenen günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muss, wenn hierfür keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen (Meyer-​Goßner, aaO). Er gebietet nicht, ohne konkrete Anhaltspunkte zu Gunsten des Betroffenen Tatvarianten zu unterstellen (BGH, Urteil vom 11.01.2005, 1 StR 478/04, Rn. 14, zit. nach juris; BGH, Urteil vom 03.06.2008, 1 StR 59/08, NStZ 2009, 264, zum strafbefreienden Rücktritt). Auch das Schweigen des Betroffenen zu Konsum und Tathergang zwingt nicht dazu, alle denkbaren, aber ganz unwahrscheinlichen oder gar abwegigen Fallgestaltungen nachzugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 29.08.1974, 4 StR 171/74, zit. nach juris Rn. 10). Diesen Grundsätzen folgend bedurfte keiner Erörterung, ob die festgestellte Konzentration von Cannabis auf passives Rauchen, unerkanntes Verabreichen von THC, einen unbewussten Konsum von Drogen oder beispielsweise das Rauchen eines Joints unmittelbar vor Beendigung der Fahrt zurückzuführen sein könnte, der ohne "Wirkung" auf den Zeitraum der Fahrt bliebe.

c) Der Betroffene handelte nach den zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts schuldhaft, weil ihm der Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG subjektiv vorzuwerfen ist. Zur Feststellung individueller Tatschuld ist es erforderlich, dass der Betroffene nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage war, die objektive Sorgfaltspflichtverletzung zu vermeiden und die Tatbestandsverwirklichung vorauszusehen (Beck-​OK/Valerius, OWiG Stand 15.04.2013, § 10 Rn. 39; KK-​OWiG/Rengier, aaO, § 10 Rn. 40; vgl. auch BGHSt 40, 341, 348; BGH, Urteil vom 17.11.1994, 4 StR 441/94, NJW 1995, 795, 796). Das Amtsgericht hat hierzu festgestellt, dass der Betroffene einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit nachgehe und sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit im B.in einem gesellschaftlich und politisch interessierten Umfeld bewege. Es sei daher fern liegend, dass er hinsichtlich der Wirkungsdauer von Cannabis aus Unkenntnis einer Fehleinschätzung unterlag. Diese Folgerung erscheint – wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt – nicht zulässig. Es erschließt sich nicht, dass dem Betroffenen seine Tätigkeit als Schlosser beim B. in einem besonderen Maße Kenntnis über eine lang anhaltende Wirkungsdauer von Cannabis vermittelt hat. Es liegt ebenso nahe, dass er gerade aufgrund seiner ausgeübten handwerklichen Tätigkeit nicht über medizinisches Sonderwissen verfügte und die Fahrt in Unkenntnis der langen Wirkungsdauer von THC antrat.

Dies steht einer Verurteilung wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG allerdings nicht entgegen. Für einen Schuldspruch ist nicht erforderlich, dass der Betroffene die Fahrt in Kenntnis der langen Wirkungsdauer von THC antritt und so die Tatbestandsverwirklichung zwar für möglich hält, aber noch darauf vertraut, dass sie nicht eintreten werde (bewusste Fahrlässigkeit). Ausreichend ist bereits, dass er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten die Möglichkeit der Überschreitung des Grenzwertes von 1,0 ng/ml erkennen kann (unbewusste Fahrlässigkeit). So liegt es im vorliegenden Fall. Der Betroffene ist Kraftfahrzeugführer. Nach seinen individuellen Fähigkeiten ist er in der Lage, sich vor oder nach bewusstem Konsum von Cannabis über dessen Wirkungen zuverlässig zu informieren, so dass er ohne weiteres die Möglichkeit der Überschreitung des zulässigen Grenzwertes erkennen kann.

d) Der Fahrlässigkeitsvorwurf wird nicht durch die Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens eingeschränkt. Als regulatives Prinzip erfüllt die Unzumutbarkeit auch bei Fahrlässig​keitsdelikten eine Funktion (Lenckner/Sternberg-​Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014, Vorbem. zu §§ 32 ff. Rn. 126). Die Unzumutbarkeit spielt in der sich bei diesen Delikten ergebenden Schuldbetrachtung insofern eine Rolle, als sie die persönlichkeitsbezogene Pflichtanforderung begrenzt. Im konkreten Fall besteht keinerlei Anlass anzunehmen, dass dem Betroffenen die Erfüllung der an ihn gestellten Sorgfaltspflicht in einem solchen außergewöhnlichen Maße erschwert gewesen ist, dass die Unterlassung des sorgfaltswidrigen Verhaltens die Aufopferung eigener zu billigender Interessen bedingt hätte. Der Konsum von Cannabis ist zwar durch die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit gedeckt. Absolut geschützt – und damit der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen – ist allerdings nur ein Kernbereich privater Lebensgestaltung. Dazu kann der Umgang mit Drogen, insbesondere das Sichberauschen, aufgrund seiner vielfältigen sozialen Aus- und Wechselwirkungen nicht gerechnet werden (BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994, 2 BvL 43/92, NJW 1994, 1577). Ein unter Umständen viele Tage währender Verzicht auf Betäubungsmittelkonsum vor Fahrtantritt, der zu einer Konzentration von mehr als 1,0 ng/ml führt, kann deshalb jedem Kraftfahrzeugführer zugemutet werden.

e) Im Ergebnis ist festzuhalten, dass ein Konsument von Cannabis alles in seiner Macht Stehende tun muss, damit er keine für andere potentiell gefährliche Fahrt unter der Wirkung von Drogen antritt. Er darf sich als Kraftfahrer erst in den Straßenverkehr begeben, wenn er sicherstellen kann, den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht mehr zu erreichen. Das erfordert ein ausreichendes – gegebenenfalls mehrtägiges – Warten zwischen letztem Cannabiskonsum und Fahrtantritt. Im Regelfall besteht für den Tatrichter kein Anlass an der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung und dem subjektiven Sorgfaltsverstoß zu zweifeln, wenn der analytische Grenzwert nach Beendigung der Fahrt erreicht ist.

3. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Überprüfung indessen nicht mehr stand.

a) Die Feststellungen des Tatgerichts reichten aus, um die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbotes nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 BKatV rechtsfehlerfrei zu bejahen. Das Amtsgericht hat die in der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehene Regelbuße von 500,00 EUR für einen fahrlässigen Verstoß gegen § 24a StVG verhängt. Es hat sich auch hinreichend mit den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen befasst und festgestellt, dass der ledige und kinderlose Betroffene einer geregelten beruflichen Tätigkeit als Schlosser nachgeht und ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 1.400,00 Euro erzielt. Angesichts dessen bedurfte es keiner weiteren Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob die verhängte Geldbuße unter Berücksichtigung der Kriterien des § 17 Abs. 3 OWiG noch als verhältnismäßig anzusehen ist.

b) Indes war wegen Zeitablaufs der Wegfall des vom Amtsgericht angeordneten Fahrverbotes anzuordnen. Das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.07.1969, 2 BvL 11/69, BVerfGE 27, 36, 42). Das Fahrverbot kann daher seinen Sinn verloren haben, wenn die zu ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen und er sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat (Hans. OLG in Bremen, Beschluss vom 10.03.2014, 1 SsBs 41/13; KG, Beschlüsse vom 05.09.2007, 3 Ws (B) 459/07, und 27.12.2004, 3 Ws (B) 508/04, zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 02.07.2007, 3 Ss OWi 360/07, zitiert nach juris; OLG Dresden, Beschluss vom 08.02.2005, Ss (OWi) 32/05, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 08.06.2004, Ss 247/04 (B), zitiert nach juris; BayObLG, Beschluss vom 09.10.2003, 1 ObOWi 270/03; BeckRS 2003, 09551). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen kann, ist eine Frage des Einzelfalles, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. Der Sinn eines Fahrverbots dürfte jedoch zumindest dann fraglich sein, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt (Hans. OLG Bremen, KG, OLG Hamm, BayObLG, OLG Dresden, OLG Köln, jeweils aaO). Das Urteil des Amtsgerichts erging am 15.02.2013 und damit knapp 10 Monate nach der Tat. Auch die zwischen dem angefochtenen Urteil und der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts verstrichene Zeit ist bei der Prüfung der Frage, ob wegen Zeitablaufs von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen ist, zu berücksichtigen (KG, aaO). Die ungewöhnliche große Zeitspanne zwischen erstinstanzlichem Urteil und der Entscheidung des Senats, die dem Einflussbereich des Betroffenen nicht zuzurechnen ist, lässt den Versuch einer erzieherischen Einwirkung auf den inzwischen schon 31-​jährigen Betroffenen gut zwei Jahre nach der Tat unter den gegebenen Umständen nicht mehr als geeignet erscheinen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

5. Das Verfahren war dem Bundesgerichtshof bereits deshalb nicht nach § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. §§ 79 Abs. 3 S. 1, 80a Abs. 3 OWiG zur Entscheidung vorzulegen, weil es sich bei dem festgestellten Schuldvorwurf um eine Tatfrage handelt.