Das Verkehrslexikon

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OVG Bautzen Beschluss vom 04.08.2014 - 3 B 90/14 - Fahrtenbuchauflage und Überzeugung von der Täterschaft

OVG Bautzen v. 04.08.2014: Keine Fahrtenbuchauflage bei fehlender Überzeugung von der Täterschaft


Das OVG Bautzen (Beschluss vom 04.08.2014 - 3 B 90/14) hat entschieden:
Deuten die durchgeführten Ermittlungen lediglich auf einen bestimmten Täter hin, ohne dass die Verkehrsbehörde ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte, ist davon auszugehen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften i. S. v. § 31a Abs. 1 StVZO nicht möglich war.


Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage und Stichwörter zum Thema Verkehrsverwaltungsrecht


Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 24. Februar 2014 unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verfügte Fahrtenbuchauflage wiederherzustellen.

Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsteller vor, die Voraussetzungen für den Erlass der Anordnung des Antragsgegners, ab dem 10. März 2014 für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen, lägen nicht vor. Denn der Erlass einer auf § 31a Abs. 1 StVZO gestützten Anordnung setze tatbestandlich voraus, dass die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich gewesen sei. Diese Voraussetzung sei hinsichtlich der ihm im Bußgeldverfahren vom Regierungspräsidium K... zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung vom 30. September 2013 nicht gegeben. Zwar habe er im Rahmen der Anhörung des gegen ihn als Fahrzeughalter geführten Bußgeldverfahrens angegeben, nicht der Führer des Fahrzeugs gewesen zu sein, und er habe auch keine Angaben gemacht, wer das Fahrzeug geführt habe. Dazu sei er auch nicht verpflichtet gewesen, da das Fahrzeug von seinem Sohn E... geführt worden sei und ihm im Bußgeldverfahren daher ein Aussageverweigerungsrecht zugestanden habe. Eine Unmöglichkeit i. S. v. § 31a StVZO habe aber hier schon deswegen nicht vorgelegen, weil der Bußgeldbehörde von der Polizeidirektion Zwickau mit Schreiben vom 6. November 2013 auf Anfrage mitgeteilt worden sei, dass es sich bei der Person, die auf dem gefertigten Tatfoto abgebildet sei, um einen seiner beiden Söhne handeln müsse. Anhand der mit diesem Schreiben gleichzeitig übermittelten Fotos seiner beiden Söhne hätte die Behörde unabhängig von seiner verweigerten Mitwirkung zwingend erkennen müssen, dass das Fahrzeug nicht von ihm, sondern vielmehr von seinem Sohn E... geführt worden sei. Angesichts dieser Sachlage könne hier nicht davon gesprochen werden, dass die somit erforderlichen und in zeitlicher Hinsicht möglichen weiteren Ermittlungen der Bußgeldbehörde wahllos oder zeitraubend gewesen wären.

Mit diesem Beschwerdevorbringen dringt der Antragsteller nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers i. S. v. § 31a Abs. 1 StVZO nicht möglich war. Nach § 31a Abs. 1 StVZO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Von Unmöglichkeit i. S. v. § 31a Abs. 1 StVZO ist nicht nur dann auszugehen, wenn nicht aufgeklärt werden kann, wer das Fahrzeug im Tatzeitpunkt geführt hat. Sie liegt vielmehr immer dann vor, wenn alle nach Sachlage bei verständiger Beurteilung nötigen und möglichen, vor allem aber auch angemessenen und zumutbaren Nachforschungen ergebnislos geblieben sind (BVerwG, Urt. v. 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, juris, st. Rspr; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31a StVZO Rn. 4 m. w. N.). Die Fahrtenbuchauflage hat nicht repressiven, sondern präventiven Charakter. Sie soll zum einen sicherstellen, dass es bei künftigen Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug anders als im Anlassfall möglich ist, ohne Schwierigkeiten festzustellen, wer das Fahrzeug geführt hat. Zum anderen soll künftigen Fahrern zum Bewusstsein gebracht werden, dass sie als Täter ermittelt und mit Sanktionen belegt werden können, wenn sie sich als Fahrzeugführer verkehrswidrig verhalten (Dauer a. a. O. Rn. 2).

Dies gilt gerade auch in den Fällen, in denen sich der Fahrzeughalter - wie hier der Antragsteller - auf ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann. Diese Rechte schützen den Begünstigten zwar vor der Verfolgung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sie schützen den Fahrzeughalter aber nicht vor Maßnahmen der Verkehrsbehörde zur Abwendung von Gefahren für den Straßenverkehr (st. Rspr., SächsOVG, Beschl. v. 19. August 2013 - 3 B 360/13 -, juris Rn. 7; Beschl. v. 25. September 2012 - 3 B 215/12 -, juris Rn. 4 m. w. N.).

Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind der Verkehrsbehörde weitere Ermittlungen in der Regel nicht zumutbar (BVerwG a. a. O.; Dauer a. a. O. Rn. 5 m. w. N.).Dies gilt insbesondere dann, wenn es - wie bei der hier begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung - um die Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten geht, die freilich nur einen Sinn hat, wenn der Täter vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3, § 24 StVG) so rechtzeitig bekannt ist, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden kann und die daran anknüpfenden verkehrspolizeilichen Maßnahmen eingeleitet werden können.

Dies vorangestellt ist hier mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass es der Bußgeldbehörde i. S. v. § 31a Abs. 1 StVZO nicht möglich war, den tatsächlichen Fahrzeugführer festzustellen. Es liegt kein Fall vor, der es rechtfertigen könnte, eine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen, dass es der Verkehrsbehörde nicht zuzumuten ist, weitere Ermittlungen anzustellen, wenn der Fahrzeughalter seine Mitwirkung verweigert. Anders als der Antragsteller meint, musste die Bußgeldbehörde aufgrund der Antwort der Polizeidirektion Zwickau und den diesem Schreiben übermittelten Fotos der beiden Söhne des Antragstellers nicht zweifelsfrei davon ausgehen, dass das Fahrzeug von seinem Sohn E... geführt worden war. Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass der Vergleich dieser beiden Fotos mit dem vom Radargerät gefertigten Tatfoto eine solche Vermutung durchaus nahelegt. Deuten die durchgeführten Ermittlungen aber - wie hier - lediglich auf einen bestimmten Täter hin, ohne dass die Verkehrsbehörde ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte, ist davon auszugehen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war (OVG NRW, Beschl. 25. März 2008 - 8 A 586/08 -, juris Rn. 4). Wie der Antragsteller im Rahmen der Anhörung ja selbst angegeben hatte, ist das Tatfoto unscharf, weswegen der Vergleich der Fotos nur eine solche Vermutung zulässt, jedoch nicht geeignet ist, den Fahrzeugführer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu identifizieren. Bei dieser Sachlage ist die Verkehrsbehörde auch dann nicht verpflichtet, weitere Ermittlungen anzustellen, wenn hierfür vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist noch genügend Zeit wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG und folgt der Festsetzung der Vorinstanz.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



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