Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OVG Bautzen Beschluss vom 11.06.2014 - 3 A 217/13 - Geschwindigkeitsmessung mit dem TRAFFIPAX TraffiStar S 330

OVG Bautzen v. 11.06.2014: Zur Geschwindigkeitsmessung mit dem Geschwindigkeitsüberwachungsgerät TRAFFIPAX TraffiStar S 330


Das OVG Bautzen (Beschluss vom 11.06.2014 - 3 A 217/13) hat entschieden:
Die Piezorichtlinie ist auf intelligente Piezo-Vorverstärker, wie sie beim Geschwindigkeitsmessgerät TraffiStar S 330 verwandt werden, nicht anwendbar.


Siehe auch Das Messgerät TRAFFIPAX TraffiStar S 330 und Geschwindigkeitsverstöße - Nachweis - standardisierte Messverfahren


Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil, mit dem das Verwaltungsgericht ihre Klage gegen die von der Beklagten nach § 31 a Abs. 1 StVZO verfügte Fahrtenbuchauflage abgewiesen hat, hat keinen Erfolg. Unterstellt, der Antrag ist zulässig, ist er jedenfalls unbegründet, da der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt.

Die Darlegung ernstlicher Zweifel i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfordert, dass der Antragsteller alle selbständig tragenden Rechtssätze oder erheblichen Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens zumindest als ungewiss erscheint. Der Antragsteller muss sich mit den Argumenten, die das Verwaltungsgericht für die angegriffene Rechtsauffassung oder Sachverhaltsdarstellung und -würdigung angeführt hat, inhaltlich auseinander setzen und aufzeigen, warum sie aus seiner Sicht nicht tragfähig sind (Senatsbeschl. v. 1. Dezember 2009 - 3 B 561/07 -, juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Ohne Erfolg hält die Klägerin dem Verwaltungsgericht einen unzulässigen Zirkelschluss vor, indem es angenommen habe, dass Messergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten im standardisierten Verfahren gewonnen würden, der gerichtlichen Entscheidung „ohne weiteres zu Grunde gelegt werden (könnten), wenn möglichen Fehlerquellen durch den Abzug von Messtoleranzen - wie hier - Rechnung getragen worden“ sei. Zwar dürfen die Gerichte vor möglichen Gerätemängeln, Bedienungsfehlern und systemimmanenten Messungenauigkeiten nicht die Augen verschließen. Den nach den jeweiligen technisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auch in einem standardisierten Messverfahren möglichen Fehlerquellen ist durch die Berücksichtigung von Messtoleranzen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus müssen sich die Gerichte dann von der Zuverlässigkeit der Messungen überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind (vgl. BGH, Beschl. v. 19. August 1993, BGHSt 39, 291). Die Klägerin moniert im Streitfall allerdings zu Unrecht einen fehlenden Wartungsnachweis, da sie irrigerweise davon ausgeht, dass zu dem hier in Rede stehenden Geschwindigkeitsmessgerät TraffiStar S 330 in den Straßenbelag eingelassene sog. Piezo-Sensoren gehörten, die entsprechend der geltenden Bedienungsanleitung des Messgeräts gemäß Punkt B.2 der Piezorichtlinie der Physikalisch-Technischen-Prüfanstalt (PTB) in einem vorgeschriebenen Turnus von sechs Monaten zu warten seien. Die Beklagte hat auf die Senatsverfügung vom 5. Mai 2014 Unterlagen zur Funktionsweise der Messanlage übersandt, aus denen sich nachvollziehbar ergibt, dass sich bei den hier eingesetzten speziellen Sensoren, in Verbindung mit dem intelligenten Piezo-Vorverstärker (IPV), die halbjährlichen Wartungsintervalle nach dem „3. Nachtrag zur 1. Neufassung“ zur innerstaatlichen Bauartzulassung der PTB vom 5. März 2003 erübrigen (vgl. zur Nichtanwendbarkeit der Piezorichtlinie auf IPV auch VG Göttingen, Urt. v. 8. Juli 2013 - 1 A 239/11 -, juris rn. 15). Dem ist die Klägerin zuletzt auch nicht mehr entgegengetreten.

Soweit die Klägerin geltend macht, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass ihr ein Zeugenfragebogen vom 22. Februar 2011 am 25. Februar 2011 zugegangen sei, in dem die zwei Wochen zuvor begangene Geschwindigkeitsüberschreitung unter Beifügung von Tatfotos bekanntgegeben worden sei, teilt der Senat auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens die Auffassung der Vorinstanz, dass sie von dem Verkehrsverstoß nicht erst durch Übergabe des an die Beklagte gerichteten Schreibens der Thüringer Polizei vom 22. März 2011 durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 3. Mai 2011 Kenntnis erlangt hat. Diese erstmals in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung ist vor dem Hintergrund des Akteneinsichtsersuchens der Klägerin vom 5. Mai 2011, ihrer Widerspruchsbegründung sowie auch der Klageschrift nicht nachvollziehbar. Insbesondere lässt sich die Datumsangabe 22. Februar 2011 (statt 23. März 2011) deshalb nicht mit einem bloßen Schreibfehler erklären, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sowohl in der Widerspruchsbegründung als auch in der Klageschrift den Zugang des Schreibens am 25. Februar 2011 bei der Klägerin benennt. Hierbei kann es sich denknotwendig nicht um das an die Beklagte gerichtete und der Klägerin nach ihren Angaben erst am 3. Mai 2011 übergebene Schreiben vom 22. März 2011 gehandelt haben. Auch wenn der Klägerin am 25. Februar 2011 möglicherweise anstelle eines Zeugenfragebogens ein Anhörungsbogen als Betroffene zugegangen ist, nimmt der Senat der Klägerin nicht ab, dass sie „mit signifikanter Wahrscheinlichkeit Angaben zum Fahrzeugführer getätigt hätte“, wenn sie bzw. ihre Geschäftsführerin als Zeugin und nicht als Betroffene angehört worden wäre. Wenn die Darstellung der Klägerin zutrifft, dass ihre am 3. Mai 2011 von einem Mitarbeiter der Beklagten aufgesuchte Geschäftsführerin das Fahrzeug geführt hatte und sie sich unter Berufung auf ihr Aussageverweigerungsrecht nicht selbst belasten wollte, so ist die Annahme fernliegend, als Zeugin wäre sie hierzu bereit gewesen. Insoweit hat das Verwaltungsgericht im Übrigen zutreffend ausgeführt, dass ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht der Geschäftsführer der Klägerin im Ordnungswidrigkeitsverfahren nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. neben den Rechtsprechungsnachweisen der Vorinstanz auch bereits SächsOVG, Beschl. v. 5. Juli 2011 - 3 B 320/10 - n. v.) dem Erlass einer Fahrtenbuchauflage nicht entgegensteht, da ein doppeltes „Recht“, sich nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht selbst zu belasten und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, nicht besteht.

Unbehelflich ist ferner der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe den den Beginn der sechsmonatigen Pflicht zur Führung des Fahrtenbuchs betreffenden Widerspruch zwischen Tenor („ab Bestandskraft der Anordnung“) und Begründung des Bescheids (im Fettdruck: „einen Monat nach Zustellung des Bescheides. Der Zeitpunkt der Zustellung ist auf dem Briefumschlag vermerkt.“) nicht aufgeklärt. Sollte die Pflicht entgegen der Auslegung des Verwaltungsgerichts, wonach der Tenor maßgeblich sein soll, einen Monat nach Zustellung des Bescheids begonnen haben, so dürfte die mit dem Zulassungsantrag aufrechterhaltene Anfechtungsklage bereits deshalb keinen Erfolg mehr haben können, weil sich die angegriffene Fahrtenbuchauflage durch Zeitablauf im Klageverfahren erledigt hätte und die Klägerin hierauf nicht durch Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage oder im Wege der Erledigungserklärung reagiert hat.

Schließlich rügt die Klägerin ohne Erfolg, das Verwaltungsgericht habe die Fahrtenbuchauflage zu Unrecht für ermessensfehlerfrei gehalten und einen Fehler nicht darin erkannt, dass die Widerspruchsbehörde sich von unzulässigen spezialpräventiven Erwägungen habe leiten lassen, indem sie darauf abgestellt habe, dass durch die angegriffene Maßnahme die Fahrzeugführer zum vorschriftsmäßigen Verhalten im Straßenverkehr angehalten werden sollten. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht die Ausführungen aus dem Zusammenhang heraus und in Übereinstimmung mit der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung dahin verstanden, dass die genannte Erwägung „lediglich Folge“ der Fahrtenbuchauflage sei, da diese bewirkt, „dass die Fahrer, die eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen haben, ermittelt werden können“ (vgl. S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung). Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und folgt der erstinstanzlichen Festsetzung.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz § GKG).



Datenschutz    Impressum