Das Verkehrslexikon

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OVG Hamburg Beschluss vom 03.05.2010 - 3 Bs 205/09 - Zum gelegentlichen Cannabiskonsum

OVG Hamburg v. 03.05.2010: Zur Annahme von gelegentlichem Konsum von Cannabis


Das OVG Hamburg (Beschluss vom 03.05.2010 - 3 Bs 205/09) hat entschieden:
Der einmalige Konsum von Cannabis ist mit gelegentlichem Konsum im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV gleichzusetzen, so dass auch bei einmaligem Konsum regelmäßig keine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr besteht, sofern nicht zwischen dem Cannabisgenuss und dem Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr getrennt wird.

Anmerkung: Diese Rechtsprechung hat das OVG Hamburg mit Beschluss vom 16.05.2014 - 3 Bs 205/09 aufgegeben und sich der überwiegenden Ansicht der übrigen Oberverwaltungsgerichte angeschlossen.


Siehe auch Der gelegentliche Konsum von Cannabis und Stichwörter zum Thema Cannabis


Gründe:

I.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30. September 2009 bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, führen nicht zum Erfolg des Rechtsmittels. Der Antrag des Antragstellers wird gemäß §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller gemäß § 80 Abs. 5 VwGO begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner zwischenzeitlich erhobenen Klage gegen die am 2. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2009 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung von der Antragsgegnerin verfügte Entziehung seiner Fahrerlaubnis wiederherzustellen, da der Widerspruch bereits beschieden wurde.

1. Am 27. Juli 2009 um 12.05 Uhr bemerkten Polizeibeamte im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle beim Antragsteller als Fahrer eines VW-​Busses mit dem amtlichen Kennzeichen HH ... körperliche Auffälligkeiten, die auf Drogenkonsum hindeuteten, woraufhin sie weitere Untersuchungen durchführten und anordneten. So hielten die Polizeibeamten fest, dass die Augen des Antragstellers sehr wässrig gewesen seien, dass er leicht gerötete Bindehäute gehabt, die Pupille auf Lichteinfall sehr träge reagiert und dass er bei geschlossenen Augen sehr unsicher auf einem Bein gestanden habe. Beim sogenannten Romberg-​Test, bei dem das Zeitgefühl des Probanden getestet wird, gab der Antragsteller, der mit geschlossenen Augen eine Zeitspanne von 30 Sekunden schätzen sollte, das Stoppzeichen nach 44 Sekunden. Ein freiwillig durchgeführter Urintest fiel positiv auf Tetrahydrocannabinol (THC/Cannabis) aus. Die Polizeibeamten untersagten dem Antragsteller die Weiterfahrt für einen Zeitraum von 24 Stunden. Der Antragsteller gab auf Befragen an, am Wochenende in einem Lokal am Hamburger Berg bei dem Cannabiskonsum Dritter anwesend gewesen zu sein, er habe aber nicht aktiv geraucht. Bei der am selben Tag um 13.15 Uhr entnommenen Blutprobe des Antragstellers stellte das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-​Eppendorf im Blutplasma folgende Werte fest: 3,7 ng/ml THC, 1,5 ng/ml THC-​OH und 24,3 ng/ml THC-​Carbonsäure. Die Bewertung lautete dahin, aus der durchgeführten Untersuchung ergebe sich, dass der Antragsteller Cannabis konsumiert gehabt und dass er zum Zeitpunkt der Blutentnahme noch unter dem Einfluss der Droge gestanden habe. THC gehöre zu den berauschenden Mitteln gemäß § 24a StVG.

Die Antragsgegnerin entzog dem Antragsteller daraufhin mit Bescheid vom 2. September 2009 die ihm im Jahr 1993 nach der damaligen Klasse 3 erteilte Fahrerlaubnis gemäß § 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-​Verordnung (FeV) und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Sie forderte ihn auf, den Führerschein unverzüglich abzugeben. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, durch den zumindest gelegentlichen Konsum von Cannabis und die nachgewiesenen Teilnahme am Straßenverkehr habe der Antragsteller bewiesen, dass er das erforderliche Trennungsvermögen nicht besitze und dass er daher ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei.

Im parallel durchgeführten Bußgeldverfahren wurde gegen den Antragsteller mit Bescheid vom selben Tag eine Geldbuße in Höhe von 500,- Euro festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Der Bußgeldbescheid wurde bestandskräftig.

Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid der Antragsgegnerin Widerspruch und hat beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsmittels insbesondere mit der Begründung begehrt, es sei nicht erwiesen, dass er mehr als einmal Cannabis konsumiert habe, da er im Straßenverkehr zuvor nicht aufgefallen sei. Es sei nicht belegt, dass bei ihm mehr als ein einmaliger, experimenteller Gebrauch von Cannabis vorliege. Das Tatbestandsmerkmal des gelegentlichen Konsums sei folglich nicht gegeben. Aus dem THC-​Wert von 3,7 ng/ml könne lediglich auf fehlendes Trennungsvermögen geschlossen werden, was jedoch allein nicht genüge, um die Kraftfahreignung nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung zu verneinen. Ein besonderes Vollziehungsinteresse bestehe nicht, zumal er als Auslieferer für einen Getränkehandel arbeite und Alleinverdiener sei. Seine Frau sei schwanger und bettlägerig.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 30. September 2009 abgelehnt, da sich der angegriffene Verwaltungsakt voraussichtlich als rechtmäßig erweisen werde und bei einer Interessenabwägung den öffentlichen Interessen an der Entziehung der Fahrerlaubnis der Vorrang einzuräumen sei. Die Fahrerlaubnis sei gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. deren Anlage 4, Abschnitt 9.2.2. insbesondere dann zu entziehen, wenn gelegentlich Cannabis konsumiert worden sei, wozu auch der einmal festgestellte Konsum zähle, und der Konsument unter dem Einfluss dieser Droge ein Fahrzeug geführt habe. Es sei nicht erforderlich gewesen, vor der Entziehung der Fahrerlaubnis eine medizinisch-​psychologische Untersuchung anzuordnen, da es angesichts der hohen Wirkstoffkonzentration im Blut keine Zweifel an der fehlenden Fahreignung des Antragstellers gegeben habe, die in einem Gutachten hätten abgeklärt werden müssen.

Den Widerspruch des Antragstellers wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2009 zurück, wogegen sich seine Klage zum Aktenzeichen 15 K 3466/09 richtet.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet der Antragsteller im Beschwerdeverfahren erneut ein, für das Tatbestandsmerkmal "gelegentlich" sei ein mehrmaliger Konsum erforderlich, den er nicht eingeräumt habe. Zudem habe er unbewusst Cannabis konsumiert und gerade kein fehlendes Trennungsvermögen gezeigt. Er habe am Vorabend der Blutprobe zwischen 20.30 Uhr und 21.30 Uhr in einem Lokal am Hamburger Berg ein Stück eines Geburtstagskuchens zu sich genommen, in dem sich möglicherweise Cannabis befunden habe; vor dem Lokal hätten andere Gäste einen Joint kreisen lassen. Gegen 22 Uhr habe er das Lokal verlassen und Übelkeit und Schwindel verspürt.

Er habe eine Magenverstimmung vermutet. Er habe auch eine extreme Müdigkeit verspürt, diese aber auf seine angespannte familiäre Situation zurückgeführt. Am nächsten Morgen habe er gegen 8.30 Uhr in ausgeschlafenem Zustand seine Arbeit als Getränkeausfahrer angetreten und habe keine Zweifel verspürt, nicht verkehrstüchtig zu sein. Bisher habe er keine Erfahrungen mit Cannabis gemacht und habe sich fahrtauglich gefühlt. Die Ungeeignetheit zur Teilnahme im Straßenverkehr sei allein aufgrund der festgestellten Wirkstoffkonzentration nicht nachgewiesen. Es sei nicht unüblich, dass ein Erstkonsument keine Wirkungen verspüre. Bloße Zweifel reichten nicht aus, um ihm ohne weitere Sachaufklärung durch die Einholung eines Gutachtens die Fahrerlaubnis zu entziehen. Er sei beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, habe die ihm auferlegte Geldbuße rasch überwiesen und hoffe, seinen Führerschein alsbald zurückzuerhalten, um seine Familie ernähren zu können.


Das Beschwerdegericht hat sich telefonisch durch das Institut für Rechtsmedizin die Blutwerte, die Rückrechnung und die möglichen bzw. zwangsläufigen körperlichen Beeinträchtigungen erläutern lassen. Insoweit wird auf den Inhalt der Verfügung des Gerichts vom 13. April 2010 verwiesen. Die Bußgeldakte hat dem Beschwerdegericht in Kopie Vorgelegen.

2. Die Einwände des Antragstellers greifen nicht durch. Sie sind nicht geeignet, die Feststellung des Verwaltungsgerichts zu entkräften, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund des Cannabiskonsums und des mangelnden Trennungsvermögens ohne vorherige Einholung eines Gutachtens nach summarischer Prüfung rechtmäßig war und daher den öffentlichen Sicherheitsinteressen der Vorrang gegenüber den Interessen des Antragstellers an einer vorläufigen Aufrechterhaltung der Fahrerlaubnis einzuräumen ist. Unschädlich ist, dass dem Antragsteller lediglich der einmalige Konsum von Cannabis nachgewiesen wurde (a.); auch dringt er mit seiner Auffassung nicht durch, angesichts seiner unbewussten Aufnahme von Cannabis könne nicht auf ein fehlendes Trennungsvermögen zwischen Drogenkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr geschlossen werden (b.). Des Weiteren durfte die Fahrerlaubnis ohne vorherige Anordnung eines medizinisch-​psychologischen oder ärztlichen Gutachtens entzogen werden (c.). Schließlich hat das Verwaltungsgericht die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fehlerfrei zu Lasten des Antragstellers getroffen (d.).

a.) Zunächst vertritt das Beschwerdegericht wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss die Auffassung, dass der einmalige Konsum mit gelegentlichem Konsum im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV gleichzusetzen ist, so dass auch bei einmaligem Konsum regelmäßig keine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr besteht, sofern nicht zwischen dem Cannabisgenuss und dem Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr getrennt wird. Das Beschwerdegericht hat den Tatbestand der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 ("gelegentliche Einnahme von Cannabis") bereits im Rahmen der Prüfung des insoweit wortgleichen § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV (der aktuellen Fassung vom 7.1.2009; entspricht § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV in der Fassung vom 18.8.1998), wonach die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens angeordnet werden kann, wenn eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen, mit diesem Ergebnis ausgelegt (vgl. zu § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV OVG Hamburg, Beschl. v. 15.12.2005, NJW 2006, 1367, und vom 23.6.2005, VRS 2005, 214).

Der Senat hat in seinem Beschluss vom 23. Juni 2005 zu § 14 Abs. 1 FeV ausgeführt:
"Denn schon die hier sicher festgestellte einmalige Einnahme von Cannabis genügt, um von einer gelegentlichen Einnahme im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV ausgehen zu können (so auch Bouska, Fahrerlaubnisrecht, 2. Aufl. 2000, § 14 FeV Anm. 5). Der Beschwerdesenat hält an seiner bereits im Beschluss vom 19. August 2004 geäußerten Auffassung fest (3 Bs 319/04).

Dem Verwaltungsgericht und den anderen Vertretern der gegnerischen Ansicht (OVG Saarlouis, Beschl. v. 22.11.2000, NVwZ-​RR 2001, S. 606; OVG Bautzen, Beschl. v. 8.11.2001, DÖV 2002, S. 577; VGH Mannheim, Beschl. v. 29.9.2003, DÖV 2004, S. 129; OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 13.12.2004 - 4 B 206/04 zitiert nach juris; vgl. auch Dietz, Cannabismissbrauch und Kraftfahreignung, in NVwZ 2005, S. 410 ff.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 14 Rdnr. 4) ist zuzugestehen, dass das Wort "gelegentlich" im allgemeinen Sprachgebrauch meist der Umschreibung eines mehr als einmal auftretenden Ereignisses dient. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann der Begriff "gelegentlich" jedoch auch die Bedeutung von "bei Gelegenheit" haben (siehe z.B. Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 3, 1981, und Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 3, 1977, wo diese Bedeutung des Wortes "gelegentlich" jeweils sogar an erster Stelle genannt wird). In diesem Sinne kann auch eine einmalige Einnahme als eine "gelegentliche" bezeichnet werden. Es liegen deutliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Verordnungsgeber die in § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV verwendete Formulierung "gelegentliche" Einnahme von Cannabis im Sinne von "bei Gelegenheit" verstanden wissen will. Nach der Auffassung des Beschwerdegerichts beschreibt die Formulierung "gelegentliche" Einnahme in § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV jede Einnahme von Cannabis, die hinter der regelmäßigen Einnahme zurückbleibt (ebenso Geiger, Neue Rechtsprechung zur Fahreignung bei Alkohol- und Drogenauffälligen, in DAR 2003, S. 97, 99). Bei diesem Verständnis der Norm ist die einmalige Einnahme von der "gelegentlichen" umfasst.

Ausschlaggebend für diese Auslegung ist die Erwägung, dass § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV im Lichte der Nrn. 9.2.1 und 9.2.2. der Anlage 4 der Fahrerlaubnis-​Verordnung zu lesen ist, die regeln, unter welchen Voraussetzungen die Einnahme von Cannabis grundsätzlich zur Annahme der Nichteignung führt. Dort werden lediglich zwei Kategorien gebildet: Die gelegentliche Einnahme von Cannabis (Nr. 9.2.2 der Anlage 4) und die regelmäßige (Nr. 9.2.1 der Anlage 4). Eine Kategorie "einmalige" Einnahme ist dort nicht angeführt.

Die in dieser Anlage getroffene Unterscheidung lediglich zwischen gelegentlicher und regelmäßiger Einnahme beruht darauf, dass bei derzeitigem Kenntnisstand keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der gelegentliche Cannabiskonsument im Regelfall drogenkonsumbedingt außerstande ist, die seine Fahrtüchtigkeit ausschließenden Wirkungen des Cannabiskonsums als solche zu erkennen oder eine besserer Erkenntnis zuwider erfolgende Teilnahme am Straßenverkehr zu unterlassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.6.2002, a.a.O., Rdnr. 45). Zur Annahme eines die Fahreignung ausschließenden Eignungsmangels braucht es deshalb nach dem Willen des Verordnungsgebers weiterer Umstände, so etwa der fehlenden Bereitschaft, zwischen Cannabiskonsum und Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen, oder der Feststellung des zusätzlichen Gebrauchs von Alkohol oder anderer psychoaktiv wirkender Stoffe, einer Störung der Persönlichkeit oder eines Kontrollverlustes (Nr. 9.2.2 der Anlage 4). Bei festgestelltem regelmäßigem Konsum geht der Verordnungsgeber auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse davon aus, dass die Konsumenten grundsätzlich nicht mehr in der Lage sind, ihre konsumbedingten Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit sicher zu beurteilen, und dass ihre Bereitschaft zur Fahrt unter Drogeneinfluss wider bessere Erkenntnis deutlich steigt. In diesen Fällen steht nach dem Willen des Verordnungsgebers die fehlende Fahreignung bereits mit der bloßen Feststellung des regelmäßigen Konsums fest (Nr. 9.2.1 der Anlage 4)."
Der Senat führt im Beschluss vom 23. Juni 2005 weiter aus:
"Ferner kann der Antragsteller aus dem Umstand, dass in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2001 (NJW 2002 S. 78) die Rede von einmaligem oder gelegentlichem Cannabiskonsum ist, nichts für sich herleiten. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung sprachlich zwischen diesen beiden Fällen des Konsums unterschieden, jedoch rechtlich keine unterschiedlichen Folgen daran geknüpft. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die Begriffe "einmalig" und "gelegentlich" nebeneinander anführt und damit - dem häufiger verwandten allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend - diesen Begriffen wohl unterschiedliche Bedeutungen zumisst, ist damit kein Präjudiz für die Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV gegeben, die nach Auffassung des Beschwerdegerichts allein in der Abgrenzung zu einer regelmäßigen Einnahme vorzunehmen ist.

Mit dem vom Beschwerdesenat für richtig gehaltenen Verständnis des Wortes "gelegentlich" geht einher, dass die Frage, ab welcher Anzahl von Einnahmen ein die Anordnung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens rechtfertigender gelegentlicher Konsum vorliegt, nicht mehr geklärt zu werden braucht. Fraglich wäre ansonsten, ob schon die zweimalige Einnahme genügt oder ob etwa mehr als fünf "Probierversuche" gegeben sein müssen (vgl. zur Anzahl von Probierversuchen BVerfG, Beschl. v. 24.6.1993, a.a.O.) Wo die Grenze zur Annahme einer gelegentlichen Einnahme zu ziehen ist, wenn eine einmalige Einnahme nicht ausreichen sollte, würde sich im Übrigen anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse kaum sicher bestimmen lassen."
Die von dem Antragsteller vorgebrachten Argumente rechtfertigen eine Änderung dieser Rechtsprechung, die im Ergebnis auch vom Oberverwaltungsgericht Schleswig geteilt wird (Urt. v. 17.2.2009, 4 LB 61/08, juris; a.A. dagegen OVG Berlin-​Brandenburg, Beschl. v. 3.2.2010, 1 S 234.09 und v. 13.11.2009, 1 S 102.09, beide in juris, und OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.2.2009, ZfSch 2009, 358 ff.), nicht.

b.) Der neue Vortrag des Antragstellers, er habe vermutlich unbewusst und erstmalig Cannabis in Form von Kuchen verzehrt und sei seines Wissens nach am nächsten Morgen in fahrtüchtigem Zustand in sein Fahrzeug gestiegen, entkräftet die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht, als gelegentlicher Cannabis-​Konsument unter dem akuten Einfluss der Droge Auto gefahren zu sein und dabei mangelndes Trennungsvermögen bewiesen zu haben.

Ausdruck eines die Fahreignung ausschließenden Mangels ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (BVerfG, Beschl. v. 20.6.2002, NJW 2002, 2378). Im Hinblick auf die hohen Anforderungen, die im Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen sind, genügt es für die Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn der Fahrerlaubnisinhaber hinreichenden Anlass zu der Annahme hatte, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen Sicherheit resultiert, und dennoch ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat (BVerfG, Beschl. v. 20.6.2002, a.a.O.). Die Gefährlichkeit von Drogen besteht gerade darin, dem Konsumenten eine getrübte Selbstwahrnehmung und damit ein falsches Sicherheitsgefühl zu vermitteln (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.12.2005, NJW 2006, 1367 ff.), so dass die Einschätzung des unter Drogenkonsum stehenden Fahrers, inwieweit er fahrtüchtig ist, nicht maßgeblich sein kann, und der hinreichende Anlass, daran zu zweifeln, genügen muss. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob bei dem Betroffenen drogentypische Ausfallerscheinungen oder Fahruntüchtigkeit positiv feststellbar waren (VGH München, Beschl. v. 23.2.2010, 11 CS 09.2427, juris). Der Antragsteller hatte nach Auffassung des Beschwerdegerichts nach diesem Maßstab hinreichenden Anlass, an seiner Fahrtüchtigkeit zu zweifeln.

Es ist nicht auszuschließen, dass der Antragsteller am Vormittag des 27. Juli 2009 fahruntüchtig gewesen ist. Für die Bewertung des Trennungsvermögens und der Fahrtüchtigkeit sind maßgeblich die Blutwerte heranzuziehen, die im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr gemessen wurden. Der Senat ist sich jedoch dessen bewusst, dass allein der Nachweis von THC oder THC-​Abbauprodukten im Blut nicht notwendigerweise auf eine fortdauernde Wirkung der Droge und Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit schließen lässt, da durch moderne Messverfahren der Nachweis auch noch Tage oder Wochen nach dem Cannabiskonsum erfolgen kann (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 21.12.2004, NJW 2005, 349 ff.). Jedenfalls ist die Fahrtüchtigkeit einer Person im akuten Haschischrausch und während der Dauer einer mehrstündigen Abklingphase aufgehoben. Die Höhe des THC-​Wertes gibt Aufschluss über die noch nicht abgebaute Dosis des Cannabis-​Wirkstoffs im Blutplasma und kann anzeigen, ob sich der Konsument noch in der Wirkungsphase der Droge befindet, während die langfristiger messbaren Werte der Abbauprodukte Aufschluss über die Häufigkeit des Konsums geben können.

Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass ab einer Konzentration von mehr als 1,0 ng/ml des Cannabis-​Wirkstoffs THC im Blutplasma die Möglichkeit besteht, dass die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt ist (ebenso: Beschluss der Grenzwertkommission vom 20.11.2002 zu § 24a Abs. 2 StVG, siehe BVerfG, Beschl. v. 21.12.2004, a.a.O.; OVG Schleswig, Urt. v. 17.2.2009, a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.9.2008, 12 ME 227/08, juris; VGH Mannheim, Urt. v. 13.12.2007, ESVGH 58, 156 f. m.w. N. zu gutachterlichen Stellungnahmen; OVG Hamburg, Beschl. v. 15.12.2005, 3 Bs 214/05, NJW 2006, 1367). Ob der Grenzwert von 1,0 ng/ml zu Recht angesetzt wurde, oder ob die Leistungsfähigkeit des Betroffenen erst bei höheren Konzentrationen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit spürbar beeinträchtigt ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls dürfte ab einer THC-​Konzentration von mehr als 2,0 ng/ml im Blut eines Kraftfahrzeugführers eine Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit derart gesichert sein, dass drogentypische Ausfallerscheinungen nicht gesondert festgestellt werden müssen (VGH München, Beschl. v. 23.2.2010, a.a.O., m.w.N.). Auch den Wert von 2,0 ng/ml überschreitet der Messwert des Antragstellers bei weitem, da noch um 13.15 Uhr ein THC-​Wert von 3,7 ng/ml festgestellt wurde. Auch ohne die Möglichkeit einer auf den Fahrtbeginn bezogenen exakten Rückrechnung steht jedenfalls fest, dass der THC-​Wert bei Fahrtantritt fast fünf Stunden vor der Blutentnahme deutlich höher war als der gemessene Wert von 3,7 ng/ml.

Der Antragsteller hätte bei der gebotenen kritischen Überprüfung seiner Fahrtüchtigkeit vor Fahrtantritt nach Auffassung des Beschwerdegerichts subjektiv feststellen können, dass drogenkonsumbedingte Einschränkungen nicht ausgeschlossen werden können. Seine Erklärung, er habe eine eventuelle Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht bemerkt und auch nicht auf einen unbewussten, erstmaligen Konsum von Cannabis zurückführen können, hält der Senat nicht für glaubhaft. Der Antragsteller hat sich zu seinem Drogenkonsum im Laufe des Verfahrens widersprüchlich geäußert und sein Vorbringen gesteigert. Zunächst hat der Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten angegeben, lediglich beim Cannabiskonsum Dritter anwesend gewesen zu sein. Durch reines Passivrauchen kann jedoch nach der telefonischen Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin ein Wert von 3,7 ng/ml mehr als 12 Stunden nach dem Konsum nicht erreicht werden (vgl. auch VG Augsburg, Beschl. v. 20.2.2008, Au 3 S 08.171, juris, m.w.N.). Mit dem Widerspruch und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht machte der Antragsteller geltend, mehr als ein einmaliger, experimenteller Gebrauch von Cannabis sei ihm nicht nachgewiesen worden. Erst mit der Beschwerde trägt der Antragsteller vor, unbewusst - also nicht experimentell - vermutlich einen mit Cannabis versetzen Kuchen gegessen zu haben; nur draußen vor dem Lokal sei von anderen Cannabis geraucht worden.

Eine unbemerkte Aufnahme der Droge ist insbesondere im Hinblick auf die am Folgetag polizeilich festgestellten körperlichen Auffälligkeiten zum Zustand seiner Augen, zu seinem beeinträchtigten Gleichgewichtssinn und zu seinem deutlich verlangsamten Zeitgefühl nicht glaubhaft. Insofern kann sich der Antragsteller nicht auf die von ihm angeführten Fälle berufen, in denen bei einigen Erstkonsumenten von Cannabis keine körperlichen bzw. psychischen Auswirkungen Vorgelegen hätten. Es ist nicht glaubhaft, dass der Antragsteller die von den Polizeibeamten festgestellten körperlichen Beeinträchtigungen infolge des Cannabiskonsums nicht wahrgenommen hat. Nach der telefonischen Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin vom 12. April 2010 sind zudem angesichts der Blutwerte am Folgetag sehr wahrscheinlich nicht allein Magenbeschwerden und Übelkeit die Folge des Genusses von Cannabiskuchen gewesen, ohne dass ein Rauschzustand mit psychischen Auswirkungen spürbar gewesen wäre. Sämtliche zum Teil noch am Folgetag bemerkbaren körperlichen Auswirkungen des Cannabiskonsums hätten dem Antragsteller Anlass geben müssen, an seiner Fahrtüchtigkeit zu zweifeln. Das Verwaltungsgericht hat danach zu Recht ein fehlendes Trennungsvermögen des Antragstellers festgestellt. Einen tatbestandlich besonders gelagerten Ausnahmesachverhalt hat der Antragsteller nicht glaubhaft dargelegt.

c.) Soweit der Antragsteller mit der Beschwerde den unmittelbaren Fahrerlaubnisentzug ohne vorherige Einholung eines medizinischen oder psychologischen Gutachtens für rechtswidrig hält, ist der Einwand ebenfalls unbegründet. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 3 FeV führen Tatsachen, die Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit des Inhabers einer Fahrerlaubnis begründen, zur Einholung eines Gutachtens nach §§ 11 bis 14 FeV. § 11 Abs. 7 FeV bestimmt, dass die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens unterbleibt, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht; demgegenüber kann die Behörde bei gelegentlichem Konsum von Cannabis auch gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eine medizinisch-​psychologische Untersuchung anordnen. Mit dem Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass jedenfalls im Falle des Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer THC-​Konzentration der hier festgestellten Höhe auch ohne weitere Begutachtung gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Ungeeignetheit des Konsumenten feststeht, so dass die Fahrerlaubnis zwingend gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zu entziehen ist. Die medizinischpsychologische Begutachtung ist zwar in Zweifelsfällen ein geeignetes Mittel zur prognostischen Beurteilung, ob jemand zukünftig seinen Cannabiskonsum von der aktiven Teilnahme als Lenker eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr trennen kann (OVG Hamburg, Beschl. v. 24.8.2005, a.a.O.); sie ist aber nicht zwingend erforderlich zur Feststellung einer bestehenden Nichteignung.

Bei einer THC-​Konzentration von mehr als 2,0 ng/ml im Blutplasma kann als hinreichend sicher angenommen werden, dass der Verkehrsteilnehmer in so erheblichem Umfang mangelndes Trennungsvermögen bewiesen hat, dass eine weitere Begutachtung nicht geboten ist (VGH München, Beschl. v. 2.3.2010, a.a.O., Rdnr. 10; VGH Mannheim, Urt. v. 13.12.2007, a.a.O. für 2,1 ng/ml). Bei niedrigeren Konzentrationen kommt dagegen insbesondere bei weiteren Zweifeln am Konsumverhalten und der Trennungsfähigkeit vor einer Entscheidung über die Entziehung die Einholung eines Gutachtens in Betracht (VGH München, Beschl. v. 25.1.2006, ZfSch 2006, 236 f.).

Die beim Antragsteller gemessene THC-​Konzentration lag mit 3,7 ng/ml deutlich über dem Wert von 2,0 ng/ml. Bei dieser Sachlage ist keine Aufklärung des sonstigen Konsumverhaltens des Antragstellers im Hinblick auf seine aktive Teilnahme im Straßenverkehr geboten.

d.) Auch im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO zeigt die Beschwerde keine Fehler in der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auf. Da die Entziehung der Fahrerlaubnis nach summarischer Prüfung als rechtmäßig anzusehen ist, das Ergebnis des Klageverfahrens also gerade nicht offen erscheint, und den Interessen der Allgemeinheit am Fernhalten ungeeigneter Kraftfahrer ein hohes Gewicht beizumessen ist, haben die Interessen des Antragstellers an einer vorläufigen Beibehaltung seiner Fahrerlaubnis auch unter Beachtung seiner beruflichen Situation zurückzutreten.


II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 1 GKG. Die entzogene Fahrerlaubnis der früheren Klasse 3 entspricht einer der Klassen B, BE, C1, C1E, M, S und L gemäß § 6 Abs. 1 FeV in der aktuellen Fassung vom 18. Juli 2008 (vgl. Abschnitt I. in Anlage 3 zu § 6 Abs. 7 FeV). Der Streitwert wird mit Bezug auf die "höchste" streitbefangene Fahrerlaubnisklasse (hier: C1E) entsprechend der zu den Ziffern 46.5 und 46.8 gegebenen Empfehlung im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand: 2004, DVBl. 2004, 1525) für das Hauptsacheverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt (ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 8.6.2005, 3 Bs 63/05, m.w.N.). Dieser Wert ist für das vorliegende einstweilige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.