Das Verkehrslexikon

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OVG Bautzen Beschluss vom 08.04.2014 - 3 B 462/13 - Mangelnde Mitwirkung des Kfz-Halters bei der Feststellung der Fahrereigenschaft

OVG Bautzen v. 08.04.2014: Mangelnde Mitwirkung des Kfz-Halters bei der Feststellung der Fahrereigenschaft


Das OVG Bautzen (Beschluss vom 08.04.2014 - 3 B 462/13) hat entschieden:
Die Feststellung des Fahrzeugführers ist für die Behörde unmöglich im Sinne von § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO, wenn der Halter die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes im Bußgeldverfahren im Rahmen der Beschuldigtenanhörung ablehnt oder wenn er seine Fahrzeugführereigenschaft im Verfahren betreffend seines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid bestreitet und vorträgt, er wisse nicht, wer von vielen in Betracht kommenden Personen das Firmenfahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt habe.


Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage und Mangelnde Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers und Fahrtenbuchauflage


Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27. Mai 2013 angeordnete und für sofort vollziehbare erklärte Fahrtenbuchauflage wiederherzustellen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 26. Juni 2013 gegen die angeordnete Fahrtenbuchauflage mit der Begründung abgelehnt, mit dem auf den Antragsteller zugelassenen PKW sei am 30. April 2012 ein Verstoß gegen Verkehrsvorschriften von einigem Gewicht, nämlich eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 35 km/h innerorts, begangen worden, die mit einer Geldbuße und 3 Punkten im Verkehrszentralregister geahndet worden sei. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen. Denn der Antragsteller habe sich als Betroffener zu der Ordnungswidrigkeit nicht geäußert. Das Amtsgericht Bad Liebenwerda habe den Antragsteller nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, der vom Landkreis Elbe-Elster aufgrund eines Bildpersonenvergleichs unter dem 14. Juni 2012 erlassen worden sei, freigesprochen, da er den Vorwurf bestritten und sich aus dem vom Landratsamt vorgelegten Beweisfoto keine hinreichende Wahrscheinlichkeit seiner Eigenschaft als Fahrzeugführer ergeben habe. Somit sei nach § 26 Abs. 3 StVG Verfolgungsverjährung eingetreten.

Dagegen trägt der Antragsteller vor, § 31a StVZO greife in den Fällen nicht, in denen die Behörde - wie hier - einen vermeintlichen Fahrzeugführer ermittelt habe und das Bußgeldverfahren gegen diesen eröffnet worden sei. § 31a StVZO greife nur in den Fällen, in denen ein Bußgeldverfahren noch nicht eröffnet worden sei und Ermittlungen zum Fahrzeugführer wegen erkennbarer Aussichtslosigkeit oder eingetretener Verjährung hätten abgebrochen werden müssen. Jedenfalls habe der Antragsgegner nicht alle nach Sachlage bei verständiger Würdigung nötigen und möglichen, angemessenen und zumutbaren Nachforschungen unternommen. Der Antragsgegner habe sich von Anfang an aufgrund des Bildpersonenvergleichs auf ihn als Fahrzeugführer festgelegt und ihn erst gar nicht als Zeuge vernommen. Er habe eine Belehrung erhalten, dass es ihm frei stehe, sich zur Sache zu äußern. Auf negative Folgen, sollte er sich nicht äußern, sei er nicht hingewiesen worden.

Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die angeordnete Fahrtenbuchauflage keine Aussicht auf Erfolg hat und das öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung daher überwiegt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers lagen die Voraussetzungen zum Erlass einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO vor. Danach kann die Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Die Feststellung des Fahrzeugführers nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat; Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab (BVerwG, Beschl. v. 23. Juni 1996 - 11 B 84.96 -, juris; Urt. v. 17. Dezember 1982 und Beschl. v. 21. Oktober 1987 Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 12 und Nr. 18). Aus § 31a StVZO kann nicht geschlossen werden, die Polizei sei verpflichtet, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden, insbesondere etwa den Täter auf frischer Tat zu stellen. Es gilt vielmehr der allgemeine Grundsatz, dass die Polizei in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen hat, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen. Lehnt der Halter erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Beschl. v. 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, juris; Urt. v. 17. Dezember 1982 Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 18).

Davon ausgehend war die Feststellung des Fahrzeugführers für die Behörde hier unmöglich im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Zum einen hatte der Antragsteller die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes im Bußgeldverfahren des Landratsamts Elbe-Elster im Rahmen der Beschuldigtenanhörung abgelehnt. Zum anderen hatte er seine Fahrzeugführereigenschaft vor dem Amtsgericht Bad Liebenwerda im Verfahren betreffend seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Landratsamts Elbe-Elster bestritten und vorgetragen, er wisse nicht, wer von vielen in Betracht kommenden Personen das Firmenfahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt habe. Bei dieser Sachlage ist schon nicht nachvollziehbar, welche weiteren Erkenntnisse sich im Rahmen einer Zeugenvernehmung hätten ergeben sollen. Schließlich wurde der Antragsteller freigesprochen, weil seine Fahrzeugführereigenschaft auf Grundlage eines gutachtlichen Vergleichs des Messfotos mit diversen Vergleichsfotos vom Amtsgericht Bad Liebenwerda nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte. Vor diesem Hintergrund war es der Behörde nicht zuzumuten, nach Abschluss des Verfahrens vor dem Amtsgericht Bad Liebenwerda vor Ablauf der Verjährungsfrist zusätzliche Ermittlungen anzustellen.

Schließlich entfällt die Voraussetzung der Nichtfeststellbarkeit des verantwortlichen Fahrzeugführers entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht schon dann, wenn die Behörde einen vermeintlichen Fahrzeugführer ermittelt und das Bußgeldverfahren gegen diesen eröffnet worden ist. Vielmehr fehlt es an dieser Voraussetzung erst dann, wenn derjenige, der eine Verkehrsübertretung mit dem Fahrzeug des Halters begangen hat, noch vor Ablauf der Verjährungsfrist für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit bekannt geworden ist (BayVGH, Urt. v. 6. Oktober 1997 - 11 B 96.4036 -, juris). Dies war hier nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (http://www.bverwg.de/medien/pdf/streitwertkatalog.pdf) und folgt im Übrigen der Festsetzung des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die keine Einwände erhoben wurde.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



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