Das Verkehrslexikon

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OVG Münster Urteil vom 09.12.2014 - 16 A 2608/10 - Feststellung der Inlandsungültigkeit einer polnischen Fahrerlaubnis

OVG Münster v. 09.12.2014: Zur Feststellung der Inlandsungültigkeit einer polnischen Fahrerlaubnis


Das OVG Münster (Urteil vom 09.12.2014 - 16 A 2608/10) hat entschieden:
  1. Strafrechtliche Ermittlungen ausländischer Behörden gegen den Inhaber einer dortigen Fahrschule wegen des Verdachts der Täuschung von Behörden über die Wohnsitzverhältnisse deutschen Fahrschulkunden bzw. ein Ermittlungsersuchen der ausländischen Staatsanwaltschaft an deutsche Ermittlungsbehörden wegen dieses Verdachts stellen keine unbestreitbaren Informationen des Ausstellerstaates über einen Wohnsitzverstoß einzelner Fahrschulkunden im Zusammenhang mit dem Erwerb einer ausländischen Fahrerlaubnis dar, die zu einer Nichtanerkennung dieser Fahrerlaubnis für die Benutzung im Inland berechtigen.

  2. Das gilt auch dann, wenn auch eigene Einlassungen des Fahrerlaubnisinhabers oder im Inland gewonnene Erkenntnisse gegen einen mindestens 185-tägigen Aufenthalt des Inhabers einer ausländischen Fahrerlaubnis im Ausstellermitgliedstaat bzw. für das Vorliegen eines bloßen Scheinwohnsitzes sprechen.

  3. Inländische Fahrerlaubnisbehörden sind auch nach einer rechtskräftigen gerichtlichen Aufhebung eines Feststellungsbescheides nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV zum erneuten Erlass eines solchen Bescheides befugt, wenn sich nachträglich aufgrund neuer Erkenntnisse aus dem Ausstellermitgliedstaat ergibt, dass beim Fahrerlaubniserwerb das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten worden ist.

Siehe auch Das Wohnsitzprinzip bei der Erteilung eines EU-Führerscheins und Stichwörter zum Thema EU-Führerschein


Tatbestand:

Der 1964 geborene Kläger war seit 1989 Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 2 (alt). Mit Strafbefehl vom 16. November 2004 entzog ihm das Amtsgericht Paderborn die Fahrerlaubnis wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, begangen am 31. Juli 2004 mit einer BAK von 2,24 Promille, und verhängte eine Sperrfrist von neun Monaten für die Neuerteilung. Mit Urteil vom 16. Dezember 2005 verurteilte das Amtsgericht Paderborn den Kläger wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Haftstrafe auf Bewährung und verhängte eine weitere Sperrfrist von zwölf Monaten.

Durch Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 16. Februar 2009 erfuhr der Beklagte, dass dem Kläger am 22. Januar 2009 eine polnische Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt worden ist. Aus dem in Kopie übermittelten polnischen Führerschein geht unter Ziff. 8 eine Wohnanschrift in 69-100 T. , T1. 21 m.1, hervor. In dem Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes war ausgeführt, der polnischen Fahrerlaubnisbehörde sei im Vorfeld mitgeteilt worden, dass der Kläger in Deutschland nur aufgrund eines medizinischpsychologischen Gutachtens eine neue Fahrerlaubnis erhalten könne und dass die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis bestehe.

Am 30. März 2009 erließ der Beklagte die angefochtene Ordnungsverfügung, mit der festgestellt wurde, dass der Kläger nicht berechtigt sei, mit seiner polnischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge zu führen. Außerdem wurde der Kläger zur Vorlage seines polnischen Führerscheins zwecks Eintragung eines Sperrvermerks bzw. zwecks Umtauschs aufgefordert und ihm für den Fall der Nichtvorlage binnen drei Tagen nach Zustellung des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro, ersatzweise Zwangshaft, angedroht.

Am 27. April 2009 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen: Er habe im November 2008 einen Kursus an der Fahrschule "K. " in T. /Republik Polen absolviert, anschließend die praktische Fahrprüfung bestanden und schließlich im Januar 2009 den polnischen Führerschein erhalten. Vor dem Führerscheinerwerb habe er sämtliche Voraussetzungen nachgewiesen, sowohl hinsichtlich des Gesundheitszustandes als auch der theoretischen und praktischen Kenntnisse. Beim Fahrerlaubniserwerb habe auch keine Sperrfrist für die Wiedererteilung mehr gegolten. Entgegen der Annahme in der angefochtenen Ordnungsverfügung liege kein rechtsmissbräuchlicher Fahrerlaubniserwerb vor. Vielmehr sei der Beklagte aufgrund der europäischen Führerscheinrichtlinie und der dazu ergangenen Rechtsprechung insbesondere des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet, den in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellten Führerschein ohne jede Formalität anzuerkennen. Inländischen Stellen sei eine eigenständige Überprüfung der Erteilungsvoraussetzungen verwehrt. Auch die Annahme eines bloßen Scheinwohnsitzes berechtige ohne entsprechende Verlautbarungen des Ausstellerstaates nicht zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs. Da im Europarecht bislang keine vollständige Harmonisierung der Anforderungen an die Fahreignung erfolgt sei, könne auch die Umgehung der in Deutschland erforderlichen medizinischpsychologischen Begutachtung diesen Vorwurf nicht begründen. An diesen zur Zweiten Führerscheinrichtlinie 91/439/EWG entwickelten Rechtsgrundsätzen habe auch das Inkrafttreten der Dritten Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG nichts geändert.

Der Kläger hat beantragt,
den Feststellungsbescheid des Landrates des Beklagten vom 30. März 2009 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage entsprechend dem Antrag des Beklagten abgewiesen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers die Berufung zugelassen und nachfolgend die Meldebehörde von T. zu den Aufenthaltsverhältnissen des Klägers im zeitlichen Zusammenhang mit der dortigen Fahrerlaubniserteilung befragt. Wegen der Antwort wird auf die Verfahrensakte (Bl. 151, 153 und 155) verwiesen.

Der Kläger trägt noch vor: Auch mit Blick auf die geltende Dritte Führerscheinrichtlinie seien EU-ausländische Fahrerlaubnisse anzuerkennen, ohne dass dem Mitgliedstaat, in dem sich der Inhaber einer solchen Fahrerlaubnis aufhalte, insoweit ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre. Die Behörden des Aufnahmemitgliedstaates seien weiterhin nicht befugt, die vom Ausstellerstaat bereits bejahten Erteilungsvoraussetzungen nochmals in eigener Zuständigkeit zu überprüfen. Die vom Senat beim Stadtamt T. eingeholte Auskunft bestätige, dass er, der Kläger, einen den Vorgaben des europäischen Fahrerlaubnisrechts genügenden Wohnsitz in Polen gehabt habe, bei dem es sich auch nicht um einen Scheinwohnsitz zur Täuschung der polnischen Behörden gehandelt habe. Er sei von September 2007 bis Februar 2009 für eine niederländische Import-Export-Firma in Polen tätig gewesen. Seine Wohnung in Q. habe er beibehalten, um den Kontakt zu seinen Kindern zu pflegen. Aus dem vom Beklagten vorgelegten Rechtshilfeersuchen ergebe sich lediglich ein letztlich unbewiesen gebliebener Verdacht eines Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis beim Erwerb der EU-Fahrerlaubnis. Ein gegen ihn, den Kläger, bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder geführtes Strafverfahren sei mit Verfügung vom 22. Februar 2013 eingestellt worden.

Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und trägt noch vor: Nach eigenen Ermittlungen des Beklagten habe sich der Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit dem Fahrerlaubniserwerb nicht in Polen aufgehalten. Auch aus Verlautbarungen des Ausstellerstaates gehe zweifelsfrei ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis durch den Kläger hervor. Aus der vom Senat eingeholten Auskunft aus dem Bevölkerungsregister der Stadt T. ergebe sich zwar, dass der Kläger zur Zeit des Fahrerlaubniserwerbs formell einen Wohnsitz in Polen gehabt habe. Dabei habe es sich aber um einen Scheinwohnsitz gehandelt, der zur Täuschung der polnischen Behörden über die Voraussetzungen der Fahrerlaubniserteilung gedient habe. Ausweislich eines als Anlage beigefügten Rechtshilfeersuchens der Kreisstaatsanwaltschaft H. X. an die Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) werde in Polen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Q1. X1. , den Inhaber der Fahrschule "K. " in T. , geführt. Diesem werde eine "Erschleichung der Unwahrheit" vorgeworfen, die darin bestehe, dass er sowohl bei der Beantragung der Führerscheinerteilung beim Landratsamt in T. als auch bei der Bewerbung um eine Aufenthaltsgenehmigung für Bürger der Bundesrepublik Deutschland in Polen die dort jeweils zuständigen Beamten getäuscht habe. In der Fahrschule "K. " würden vor allem Bürger der Bundesrepublik Deutschland betreut, die in Wirklichkeit nicht in Polen wohnten. Herr X1. habe in Zusammenarbeit mit anderen Personen Bescheinigungen über die kurzfristige Anmeldung in Polen für diese Bundesbürger erschlichen. Wie bis jetzt ermittelt worden sei, habe keiner der Ausbildungsteilnehmer in der Fahrschule "K. " einen polnischen Wohnsitz besessen, die Anmeldung sei rein fiktiv gewesen. Kontaktperson für diese deutschen Fahrerlaubnisbewerber sei der deutsche Bürger V. C. gewesen. Von diesem Ermittlungsverfahren sei auch der Kläger betroffen. Er sei als einer von 901 Bundesbürgern in einer zu der Strafakte gehörenden Liste aufgeführt, deren Beiziehung beantragt werde. Der Kläger sei Kunde der Fahrschule "K. " gewesen. Mit dem von ihm erworbenen polnischen Führerschein sei sogar unter dem Stichwort "EU-Führerschein ohne MPU!" im Internet geworben worden. Auch seine Kontaktperson sei der besagte V. C. gewesen, der sich sogar per E-Mail in das laufende Verfahren des Klägers eingeschaltet habe. Mit dem erwähnten Rechtshilfeersuchen der dortigen Kreisstaatsanwaltschaft lägen unbestreitbare Informationen des Ausstellerstaates vor, die belegten, dass der Kläger seine polnische Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Erfordernis eines Wohnsitzes im Ausstellerstaat erlangt habe. Er habe die Fahrerlaubnis offensichtlich rechtsmissbräuchlich über die Fahrschule "K. " erworben, die damit werbe, dass polnische Wohnsitze eingetragen werden könnten. Aus den weiteren Angaben im Internetauftritt der Fahrschule gehe hervor, dass die tatsächliche Aufenthaltsdauer beim Fahrerlaubniserwerb nur maximal 14 Tage betrage, während die gemeinschaftsrechtliche 185-Tage-Frist als Wartezeit bezeichnet und gleichsam miterworben werde. Im Übrigen hätten eigene Ermittlungen bestätigt, dass sich der Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit seinem Fahrerlaubniserwerb nicht in Polen aufgehalten habe. Ausweislich einer Auskunft aus dem Melderegister der Stadt Q. sei er seit dem 31. August 2005 bis heute in Q. -T2. gemeldet. Lediglich für den Zeitraum vom 6. Januar 2009 bis zum 2. Februar 2009 habe er sich nach "T. , woj. M. ul. 1 N. 18m2" abgemeldet. Auch die Eigentümerin des heute vom Kläger bewohnten Hauses könne bestätigen, dass der Kläger dort seit dem 31. August 2005 ununterbrochen bis heute gelebt habe. Aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart ergebe sich, dass der Kläger zwischen August/September 2008 und dem 18. März 2009 Inhaber eines Autohauses in X2. gewesen sei. Nach alledem habe ihm in Polen keine Fahrerlaubnis erteilt werden dürfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Seine Klage gegen die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 30. März 2009 hat Erfolg. Die Ordnungsverfügung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Feststellung, dass die dem Kläger unter dem Datum vom 22. Januar 2009 erteilte polnische Fahrerlaubnis der Klasse B in der Bundesrepublik Deutschland keine Gültigkeit besitzt, kann nicht auf § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV in der hier maßgeblichen Fassung durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 7. Januar 2009 (BGBl. I S. 29) gestützt werden. Diese Vorschrift ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 2006/126/EG nur in Fällen anwendbar, in denen die EU- oder EWR-Fahrerlaubnis - anders als hier - während einer noch laufenden Sperrfrist erteilt worden ist, und verstößt ansonsten gegen den unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz.
Vgl. EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - C-419/10 (Hofmann) -, Rn. 50 f., 65 und 85, NJW 2012, 1935 = juris.
In denjenigen Fällen, in denen wie vorliegend der Verdacht des sog. Führerscheintourismus besteht, weil der Fahrerlaubniserwerb im Ausland nach einer Entziehung im Inland wegen aufgetretener schwerwiegender Eignungsmängel erfolgte, ein Wiedererwerb der Fahrerlaubnis bei Anlegung der im Inland geltenden Maßstäbe den gutachterlich erbrachten Nachweis einer nachhaltigen Einstellungs- und Verhaltensänderung erfordert hätte und wenig für vertiefte Beziehungen zum Ausstellerstaat spricht, beschränkt sich mithin die Nichtanerkennung einer gleichwohl erteilten ausländischen Fahrerlaubnis für das Inland - abgesehen von den Fällen der Fahrerlaubniserteilung noch während einer laufenden Sperrfrist oder von nachträglichen Aktualisierungen der Fahreignungsbedenken etwa durch neuerliche Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr - auf diejenigen Verfahren, in denen die Fahrerlaubnisbehörde den Nachweis führen kann, dass der Betroffene beim Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis in dem Ausstellerstaat keinen Wohnsitz im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/EG unterhalten hat. Demgegenüber beruht das angefochtene Urteil auf der Annahme, dass es nach der im Vergleich zur vorherigen zweiten Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439/EWG) geänderten Bestimmung des Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG nicht mehr darauf ankomme, ob dem Inhaber einer EU-/EWR-Fahrerlaubnis ein Verstoß gegen das Erfordernis eines Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat nachgewiesen werden kann. Dieser früher auch vom Senat in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vertretenen Auffassung hat der Europäische Gerichtshof zwischenzeitlich eine Absage erteilt, indem er festgestellt hat, dass die von ihm zur Richtlinie 91/439/EWG entwickelten Grundsätze auf die Richtlinie 2006/126/EG zu übertragen seien.
Vgl. EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - C-419/10 (Hofmann) -, Rn. 44, 47 und 52 ff., a. a. O.
Die Ordnungsverfügung des Beklagten findet ihre Rechtsgrundlage auch nicht in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 FeV. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, grundsätzlich im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt das aber nicht für solche Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, sie hätten als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben, was indessen für den Kläger nicht zutrifft.

§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV ist zwar, anders als Nr. 3 der genannten Vorschrift, mit Unionsrecht vereinbar; sie zeichnet sogar die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Anerkennungspflicht ausländischer Fahrerlaubnisse nach. Sie greift aber wegen des Fehlens der tatsächlichen Voraussetzungen nicht ein. Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EGwerden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine (Fahrerlaubnisse) gegenseitig anerkannt. Dabei regelt das Unionsrecht selbst die Mindestvoraussetzungen, die für die Ausstellung eines Führerscheins bzw. die Erteilung einer Fahrerlaubnis erfüllt sein müssen. Unter anderem hängt die Ausstellung des Führerscheins, wie schon oben zu § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV ausgeführt, vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder dem Nachweis eines mindestens sechsmonatigen Studienaufenthalts im Ausstellermitgliedstaat ab (vgl. Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/EG). Als ordentlicher Wohnsitz im Sinne der Richtlinie gilt nach Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder - im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen - wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.

In der vom Europäischen Gerichtshof zunächst für die Richtlinie 91/439/EWG entwickelten und später auf die Richtlinie 2006/126/EG übertragenen Auslegung des unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatzes sehen sowohl Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG als auch Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor. Es ist Aufgabe des Ausstellermitgliedstaats zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, namentlich diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind. Haben die Behörden eines Mitgliedstaats einen Führerschein ausgestellt, sind die anderen Mitgliedstaaten nicht befugt, die Beachtung der unionsrechtlichen Ausstellungsvoraussetzungen in eigener Kompetenz nachzuprüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist als Beweis dafür anzusehen, dass sein Inhaber am Tag der Ausstellung die dafür maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt hat. Umgekehrt ist es einem Mitgliedstaat durch Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG nicht verwehrt, in seinem Hoheitsgebiet die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins abzulehnen, wenn aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder aufgrund anderer vom Ausstellermitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen feststeht, dass der Inhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats hatte.
Std. Rspr., vgl. EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - C-419/10 (Hofmann) -, Rn. 43 bis 51, 65 und 85, a. a. O., mit weiteren Nachweisen betreffend die Auslegung der Richtlinie 91/439/EWG.
Die danach gegebenenfalls erforderliche Prüfung, ob bestimmte Informationen als aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührend eingestuft werden können, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Sache der nationalen Gerichte. Diese müssen die ihnen vorliegenden Informationen bei Bedarf auch dahin bewerten und beurteilen, ob es sich um unbestreitbare Informationen handelt, die beweisen, dass der Inhaber des Führerscheins zu dem Zeitpunkt, als er ihn erhielt, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats hatte. Im Rahmen dieser Beurteilung können die nationalen Gerichte alle Umstände des bei ihnen anhängigen Verfahrens berücksichtigen. Sie können insbesondere Informationen berücksichtigen, die darauf hinweisen, dass sich der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellermitgliedstaats nur für ganz kurze Zeit aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen.
Vgl. EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-467/10 (Akyüz) -, Rn. 73 ff., NJW 2012, 1341 = juris.
Darüber hinaus ist geklärt, dass unionsrechtlich allein eine nach den vorstehend beschriebenen Grundsätzen feststehende Verletzung des Wohnsitzerfordernisses genügt, um die Befugnis des sog. Aufnahmemitgliedstaats zur Nichtanerkennung der EU-/EWR-Fahrerlaubnis auszulösen; die Voraussetzungen von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV, also die Entziehung der früheren inländischen Fahrerlaubnis oder ein dem vergleichbarer Sachverhalt, müssen nicht noch zusätzlich gegeben sein.
Vgl. EuGH, Urteile vom 19. Mai 2011 - C-184/10 (Grasser) -, Rn. 32 f., NJW 2011, 3635 = juris, vom 1. März 2012 - C-467/10 (Akyüz) -, Rn. 62 ff., a. a. O., und vom 26. April 2012 - C-419/10 (Hofmann) -, Rn. 48, 65 und 85, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 - 3 C 34.11 -, BVerwGE 144, 220 = juris, Rn. 12.
Davon ausgehend kann der polnischen Fahrerlaubnis des Klägers die Anerkennung in der Bundesrepublik Deutschland auch nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht versagt werden, denn ungeachtet erheblicher Verdachtsmomente liegt auch weiterhin keine unbestreitbare Verlautbarung des Ausstellerstaates vor, nach der sich der Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit der Erlangung der Fahrerlaubnis nicht mindestens 185 Tage in der Republik Polen aufgehalten hätte. Vielmehr folgt aus der vom Senat eingeholten Auskunft der für den Ausstellungsort zuständigen Meldebehörde (Stadtamt T. ) vom 31. März 2014, dass der Kläger vom 6. März 2008 bis zum 18. Oktober 2008 unter der Anschrift "69-100 T. , 1 N. 18/2" und vom 28. November 2008 bis zum 11. Juni 2009 unter der Anschrift "69-100 T. , T3. 21/1" gemeldet war. Ausgehend vom Ausstellungsdatum der polnischen Fahrerlaubnis, also dem 22. Januar 2009, war der Kläger seit rund zehn Monaten mit einer etwa 40-tägigen Unterbrechung in Polen gemeldet. Hinweise darauf, dass die auch aus dem Führerscheindokument hervorgehende Wohnsitznahme des Klägers in Polen entgegen dem melderechtlichen Befund nicht stattgefunden hat oder wesentlich kürzer bemessen war, sind der genannten Auskunft nicht zu entnehmen. Auch die sonstigen Hinweise, die mit einigem Gewicht auf die Unterhaltung bloßer Scheinwohnsitze in Polen durch den Kläger hindeuten, sind entweder nicht staatlichen polnischen Stellen zuzuordnen oder stellen sich, soweit dies doch der Fall ist, nicht als unbestreitbare Informationen dar. Insbesondere das vom Beklagten vorgelegte Rechtshilfeersuchen der polnischen Staatsanwaltschaft beruht zwar auf dem Verdacht, dass die vom Kläger beauftragte Fahrschule "K. " in T. bzw. deren Inhaber in einer allerdings nicht näher bezeichneten Weise zugunsten bundesdeutscher "Lehrlinge" polnische Behörden über die Wohnsitzverhältnisse getäuscht habe. Eine Verurteilung des Inhabers der Fahrschule geht aber aus diesen Unterlagen ebenso wenig hervor wie etwa straf- oder verwaltungsrechtliche Maßnahmen polnischer Stellen zulasten des Klägers. Auch der Umstand, dass das Rechtshilfeersuchen aus März 2011 datiert und somit offensichtlich im Verlauf von annähernd vier Jahren nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt hat, steht der Annahme "unbestreitbarer Informationen" aus dem Ausstellerstaat über einen Wohnsitzverstoß des Klägers entgegen. Soweit in dem Rechtshilfeersuchen ausgeführt wird, dass "in der Tat keiner von den Führerscheinausbildungsteilnehmern in der Fahrschule K. in der Wirklichkeit in Polen gewohnt und derer Anmeldung fiktiv war", ist das zu pauschal und lässt insbesondere nicht erkennen, ob es sich insoweit lediglich um den Stand der bisherigen Ermittlungen gehandelt hat oder ob tatsächlich zu diesem Zeitpunkt schon abschließende Erkenntnisse über alle deutschstämmigen Kunden der Fahrschule vorgelegen haben. Gegen abschließende Erkenntnisse - also gegebenenfalls "unbestreitbare Informationen" über einen Wohnsitzverstoß- spricht jedenfalls der einleitende Satzteil "Wie es bis jetzt ermittelt wurde" und der Umstand, dass sich das Rechtshilfeersuchen gerade darauf bezieht, die insgesamt 901 Bundesbürger, die bei der Fahrschule "K. " angemeldet waren, überhaupt erst über die genauen Umstände des Fahrerlaubniserwerbs zu vernehmen. Soweit dies geschehen ist und im Fall des Klägers einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ergeben haben sollte, würde es sich im Übrigen nicht um Verlautbarungen des Ausstellerstaates handeln, sondern vielmehr um solche des Klägers selbst bzw. der deutschen Strafverfolgungsbehörde. Eine Verlautbarung des Ausstellerstaates wäre erst dann gegeben, wenn auf der Grundlage der in Deutschland angestellten Ermittlungen in Polen abschließende und den Einzelfall des Klägers betreffende Feststellungen getroffen worden wären; hierfür gibt es aber nach wie vor keinen Anhaltspunkt. Aus diesem Grund war auch der Anregung des Beklagten, die bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) geführte Ermittlungsakte beizuziehen, nicht zu folgen. Es spricht nichts dafür, dass das dortige Aktenmaterial über das als solches unergiebige Ermittlungsersuchen der Staatsanwaltschaft H. X. hinaus Verlautbarungen polnischer Stellen über die näheren Umstände des Fahrerlaubniserwerbs des Klägers enthalten könnte; auch der Beklagte hat dergleichen nicht vorgetragen.

Auch aus der vom Beklagten dargestellten Internetwerbung geht nichts hervor, was den Nachweis eines Wohnsitzverstoßes beim Fahrerlaubniserwerb des Klägers ermöglicht. Dabei geht der Senat allerdings davon aus, dass die unter "www.europappe.de" gefundene und die Fahrschule "K. " benennende Internetwerbung für einen "EU Führerschein ohne MPU" mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Führerschein des Klägers zeigt. Denn trotz Schwärzungen stimmen der gezeigte Führerschein und derjenige des Klägers hinsichtlich des Geburtsortes, des Ausstellungsdatums, des polnischen Wohnortes und des sichtbaren unteren Randes des Passfotos überein. Diese Werbung kann indessen nicht als eine Verlautbarung polnischer Stellen qualifiziert werden. Ob eine gegebenenfalls in diesem Werbeauftritt enthaltene Selbstbezichtigung des Klägers für die Feststellung eines Wohnsitzverstoßes im Grundsatz herangezogen werden könnte, ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH nicht eindeutig zu beantworten. Ausgeschlossen ist danach jedenfalls die Berücksichtigung einer persönlichen Einlassung, die der Betroffene im Verwaltungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren in Erfüllung einer ihm nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats auferlegten Mitwirkungspflicht gegeben hat.
Vgl. EuGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - C-445/08 (Wierer) -, Rn. 63, NJW 2010, 217 = DAR 2009, 637 = juris.
Soweit es um Äußerungen des Fahrerlaubnisinhabers geht, die dieser außerhalb eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens - also aus freien Stücken - getätigt hat, ist die Zulässigkeit einer Verwertung durch inländische Stellen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Allerdings hat der EuGH insoweit ausgeführt, dass die Aufzählung der Erkenntnisquellen, auf die sich der Aufnahmemitgliedstaat stützen kann, um die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu verweigern, nämlich Angaben im Führerschein selbst oder andere vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen, abschließend und erschöpfend sei.
Vgl. Urteil vom 1. März 2012 - C-467/10(Akyüz) -, Rn. 66 i. V. m. Rn. 62, a. a. O.
Das dürfte in der Weise zu verstehen sein, dass eigene Einlassungen des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers unabhängig vom rechtlichen Zusammenhang, in dem sie erfolgen, als mögliche Nachweise eines Wohnsitzverstoßes ausscheiden. Unabhängig davon kann allein das Abbilden des polnischen Führerscheins des Klägers im Rahmen einer Internetwerbung für einen evident missbräuchlichen Fahrerlaubniserwerb auch nicht als unbestreitbarer Nachweis eines Wohnsitzverstoßes durch den Kläger bewertet werden. Es ist zwar naheliegend, aber nicht sicher, dass der Kläger, der eingeräumt hat, die im Streit stehende Fahrerlaubnis bei der in Verdacht geratenen Fahrschule "K. " in T. erworben zu haben, diesen Fahrerlaubniserwerb unter den in der Anzeige geschilderten Umständen ("2 Anreisen ...erste Anreise, 1 Tag Aufenthalt ohne Übernachtung ... zweite Anreise, nur 4 Tage Aufenthalt ... Ihr Prüfungstermin") realisiert hat; dagegen spricht jedenfalls neben den sonstigen Einlassungen des Klägers auch die vom Senat eingeholte Auskunft des Stadtamtes T. über die melderechtlichen Gegebenheiten in Polen.

Bei den Melderegisterauskünften der Stadt Q. und den Erkenntnissen über berufliche oder geschäftliche Aktivitäten des Klägers in Deutschland, die gegen einen mindestens 185-tägigen Wohnsitz in Polen im zeitlichen Vorfeld des Fahrerlaubniserwerbs sprechen, handelt es sich nicht um Nachweise aus dem Ausstellerstaat. Das steht nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ungeachtet der Aussagekraft dieser Erkenntnisse in der Gegenüberstellung mit anderslautenden Angaben des Klägers und den melderechtlichen Erkenntnissen, die der Senat durch die Befragung polnischer Stellen gewonnen hat, einer Verwertung zu Lasten des Klägers entgegen.
Vgl. schon zur Rechtslage unter der Geltung der (Zweiten) Führerscheinrichtlinie 91/439/EWG: EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C-329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, Rn. 49 ff., NJW 2008, 2403 = NZV 2008, 641 = Blutalkohol 45 (2008), 225 = juris, und C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 46 ff., DAR 2008, 459 = juris; Beschluss vom 9. Juli 2009 - C-445/08 (Wierer) -, a. a. O. Zur Richtlinie 2006/126/EG vgl. Urteile vom 1. März 2012 - C-467/10 (Akyüz) -, a. a. O., und vom 26. April 2012 - C-419/10 (Hofmann) -, a. a. O.
Es ist auch nicht von den Anforderungen, die der EuGH an den Nachweis eines Wohnsitzverstoßes stellt, gedeckt, wenn die o. g. inländischen Erkenntnisse im Wege einer Gesamtschau mit dem Verdacht eines ganz kurzfristigen Aufenthaltes des Klägers in Polen bzw. eines bloßen dortigen Scheinwohnsitzes, wie er aus dem Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft H. X. an die Staatsanwaltschaft Frankfurt an der Oder herrührt, verknüpft wird. Die strikte Forderung, die aus der Erteilung einer Fahrerlaubnis im EU-/EWR-Ausland zu folgernde Einhaltung des Wohnsitzprinzips könne nur durch die Eintragung eines abweichenden Wohnsitzes in dem Führerscheindokument selbst oder durch (sonstige) unbestreitbare Verlautbarungen des Ausstellerstaates widerlegt werden, steht einer solchen Gesamtschau jedenfalls dann entgegen, wenn wie vorliegend praktisch nur die inländischen Erkenntnisse zu der wahrscheinlichen Annahme eines Wohnsitzverstoßes führen. Die aus Polen stammenden Erkenntnisse beschränken sich auf einen sehr allgemein in den Raum gestellten Verdacht, der offenkundig durch die sich anschließenden, schon fast vier Jahre andauernden Ermittlungen nicht weiter erhärtet werden konnte. Es fehlt weiterhin nicht nur ein Hinweis auf eine Verurteilung des Fahrschulinhabers X1. - die, sofern erfolgt, sicher ein erhebliches Medienecho auch in Deutschland hervorgerufen hätte oder sonst hätte in Erfahrung gebracht werden können -, sondern erst Recht an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass polnische Verwaltungsbehörden mit der Aufhebung oder Rücknahme vormals an deutsche Kunden der Fahrschule "K. " erteilter Fahrerlaubnisse begonnen hätten oder dass konkret der Kläger in unlautere Machenschaften im Zusammenhang mit seinem Fahrerlaubniserwerb verwickelt war. Eine solche Verknüpfung vager Verdachtsmomente, die aus dem Ausstellerstaat stammen, mit ansonsten ausschließlich inländischen Erkenntnissen ist mit den Vorgaben des EuGH über den Nachweis eines Wohnsitzverstoßes nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Anders unter Betonung der Besonderheiten des vorläufigen Rechtsschutzes aber OVG Berlin-Bbg., Beschlüsse vom 31. Oktober 2012 - 1 S 83.12 und 1 S 92.12 -, veröff. unter www.eu-fuererschein-forum.de.
Schließlich kann auch nicht vom Vorliegen zweier Wohnsitze des Klägers - einer in Polen, der andere in Deutschland - ausgegangen werden, von denen der deutschen Wohnsitz gemäß Art. 12 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG der fahrerlaubnisrechtlich relevante gewesen sei. Auch insoweit gilt, dass die Bejahung der eigenen Zuständigkeit für die Fahrerlaubniserteilung durch die polnische Fahrerlaubnisbehörde sowie die Eintragung eines polnischen Wohnsitzes in den Führerschein dafür streiten, dass der Wohnsitz des Klägers - bzw. bei mehreren Wohnsitzen der maßgebliche Wohnsitz - in Polen gelegen hat. Bei den vom Beklagten dagegen ins Feld geführten abweichenden Hinweisen handelt es sich wiederum nur um inländische bzw. dem Kläger selbst zugeschriebene Erkenntnisse, die indessen außer Betracht zu bleiben haben.

Aus der Rechtswidrigkeit der Feststellung, dass der Kläger mit seinem polnischen Führerschein nicht auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt ist, folgt auch die Rechtswidrigkeit der weiteren Anordnungen in der angefochtenen Ordnungsverfügung des Beklagten vom 30. März 2009, also namentlich der Verpflichtung des Klägers zur Vorlage seines polnischen Führerschein, der Zwangsgeldandrohung für den Fall der Nichtvorlage des Führerscheins sowie der Auferlegung von Verwaltungsgebühren und Zustellungskosten.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass das künftige Bekanntwerden neuer verwertbarer Hinweise auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis beim Fahrerlaubniserwerb des Klägers in Polen - also von unbestreitbaren Tatsachen, die aus Verlautbarungen des Ausstellerstaates folgen - vom Beklagten zum Anlass genommen werden dürfte, einen erneuten Feststellungsbescheid gegen den Kläger zu erlassen. Hinweise auf eine zeitliche Begrenzung der Befugnis, auf neue Erkenntnisse zuzugreifen, gehen insbesondere aus der Rechtsprechung des EuGH nicht hervor. Die Rechtskraft der vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bezieht sich allein auf die hier streitbefangene Ordnungsverfügung des Beklagten vom 30. März 2009, nicht aber auf eventuelle künftige Entscheidungen des Beklagten, die auf dann neuen Tatsachen beruhen. Schließlich wäre in einem solchen Fall - das heißt im Falle des nachträglichen Nachweises, dass der Erwerb der polnischen Fahrerlaubnis doch auf einer arglistigen Täuschung dortiger Stellen beruht hat - auch kein Raum für einen wie auch immer gearteten Vertrauensschutz (arg. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 2 VwVfG NRW).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.