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Kammergericht Berlin Urteil vom 09.01.2015 - 6 U 100/14 - Zum Umfang der Neupreisklausel in den AKB

KG Berlin v. 09.01.2015: Zum Umfang der Neupreisklausel in den AKB


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 09.01.2015 - 6 U 100/14) hat entschieden:
In der Klausel zur Höhe einer Neupreisentschädigung:
"Der Neupreis ist der Betrag, der für den Kauf eines neuen Fahrzeugs in der Ausstattung des versicherten Fahrzeugs oder - wenn der Typ des versicherten Fahrzeugs nicht mehr hergestellt wird - eines vergleichbaren Nachfolgemodells am Tag des Schadenereignisses aufgewendet werden muss"
kommt nur zum Ausdruck, dass der Neupreis des versicherten Fahrzeugs zuzüglich zwischenzeitlicher Preissteigerungen die Obergrenze für die Entschädigungsleistung bildet, sie bedeutet keine Bindung an denselben Hersteller und Fahrzeugtyp.


Siehe auch Fahrzeugversicherung - Voll- oder Teilkasko und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Gründe:

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen.


II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie ist jedoch offensichtlich unbegründet. Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

1) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist dabei vom Wortlaut auszugehen. Der verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH VersR 2014, 1118-1121, zitiert nach juris: Rdnr. 16 unter Hinweis auf BGH VersR 2013, 995 Rn. 10 m.w.N.). Liegt eine Versicherung zugunsten Dritter vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (vgl. BGH a. a. O. - unter Hinweis auf die Senatsurteile vom 22. Januar 2014 - IV ZR 127/12, juris Rn. 13; vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, VersR 2013, 853 Rn. 40 m.w.N.). Für eine „enge“ Auslegung (vgl. II. 1) der Berufungsbegründung = Bl. 120 d. A.) ist hier kein Raum. Die Beklagte berücksichtigt nicht, dass es sich bei der begehrten Versicherungsleistung um eine vertraglich vereinbarte Leistung und nicht um Schadensersatz geht.

Gemäß A.2.6.2.1 der AKB sagt die Beklagte die Zahlung des Neupreises zu, wenn der Schaden innerhalb von 24 Monaten nach der Erstzulassung des Fahrzeugs eintritt und sich der Pkw bei Eintritt des Versicherungsfalls im Eigentum dessen befindet, der es als Neufahrzeug unmittelbar vom Kfz-​Hersteller oder -Händler erworben hat. Ein vorhandener Restwert wird abgezogen.

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnimmt dieser Leistungszusage, dass er beim Erwerb eines Neufahrzeuges vom Hersteller innerhalb von zwei Jahren nach Erstzulassung im Schadensfall finanziell in die Lage versetzt werden soll, sich ein neues Fahrzeug zum Neupreis des gestohlenen Fahrzeuges anschaffen zu können. Der Versicherer trägt nach dem Vertrag in diesem Fall das Risiko eines Wertverfalls des gestohlenen Fahrzeuges in dem genannten Zeitraum von zwei Jahren.

Aus A.2.6.3 erkennt der Versicherungsnehmer, dass diese Neuwertspitze, die über den Wiederbeschaffungswert des gestohlenen Fahrzeugs vom Versicherer versprochen ist, nur für den Fall und insoweit gezahlt wird, als ein anderes Fahrzeug erworben werden soll, dessen Preis den Wiederbeschaffungswert des gestohlenen Fahrzeuges übersteigt und dass die Verwendung der Versicherungsleistung zu diesem Zweck sichergestellt sein muss.

Diese Voraussetzungen liegen hier unstreitig vor.

2) Nicht verständlich ist der Hinweis in II. 2) der Berufungsbegründung darauf, dass auf ein gesetzliches Leitbild abzustellen sei. Denn es kommt, wie vorstehend ausgeführt, auf die Leistungszusage im Vertrag an. Unter Berücksichtigung des unter 1) beschriebenen Sinnzusammenhangs der Regelungen in den AKB geht ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer davon aus, dass in A. 2.6.7 lediglich die Höhe der Entschädigung zum Neupreis definiert wird. Er wird nicht einmal auf den Gedanken kommen, dass das Ersatzfahrzeug, das für das gestohlene Fahrzeug angeschafft wird, vom gleichen Hersteller stammen und dem Typ des gestohlenen Fahrzeugs entsprechen muss. Aus dem Wortlaut ergibt sich lediglich, dass der Neupreis der Betrag ist, der für den Kauf eines neuen Fahrzeugs in der Ausstattung des versicherten Fahrzeugs aufgewendet werden muss. Gegebenenfalls kommt es auf den Preis eines vergleichbaren Nachfolgemodells an.

Das angeschaffte Ersatzfahrzeug entspricht unstreitig auch von der Ausstattung mindestens dem Standard des gestohlenen und bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs.

Ein gesetzliches Leitbild für eine Wiederherstellungsklausel findet sich in § 93 VVG. Auch dort gibt es keine gesetzliche Definition der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung.

3) Auf die Ausführungen zu einer nicht überraschenden Wirkung der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung der von ihr verwendeten Klauseln für einen Versicherungsnehmer kommt es nicht an, weil die Klauseln nicht in diesem Sinne auszulegen sind.


III.

Die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss liegen vor. Die Sache hat keine grundsätzlich Bedeutung, denn die Grundsätze über die Auslegung von Versicherungsbedingungen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Der Senat weicht von diesen Grundsätzen auch nicht ab. Zur Rechtsfortbildung gibt der hier in Rede stehende Sachverhalt keinen Anlass. Sonstige Gründe für das Durchführen einer mündlichen Verhandlung liegen nicht vor.


IV.
Der Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen gegeben. Aus Kostengründen sollte die Rücknahme der Berufung in Erwägung gezogen werden.