Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 26.06.1995 - 12 U 480/94 -

KG Berlin v. 26.06.1995:


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 26.06.1995 - 12 U 480/94) hat entschieden:
Verbleibt von einer 9,02 m breiten Straße infolge des beiderseitigen Parkens von Fahrzeugen noch eine Fahrbahnbreite von 4,52 m, reicht diese für ein ungehindertes Passieren von Pkw und Krad aus. - Kollidiert ein Motorradfahrer, der unter Berücksichtigung der Breite des ihm entgegenkommenden Pkw noch eine "Passierspur" von 1,69 m Breite verbleibt, gleichwohl mit dem entgegenkommenden Fahrzeug, hat er also gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen und dadurch den Unfall herbeigeführt, muss er den ihm entstandenen Schaden selbst tragen, denn er hat den Unfall in einem solchen überwiegenden Maße verursacht und verschuldet, dass eine Haftung des entgegenkommenden Fahrers aus der bloßen Betriebsgefahr seines Pkw vollständig zurücktritt.


Siehe auch Begegnungsunfall - Annäherung an Engstellen mit Gegenverkehr und Unfälle mit Kradbeteiligung - Motorradunfälle


Tatbestand:

Der Kläger befuhr am 28. Mai 1990 gegen 6.00 Uhr mit seinem Krad Honda CBX, Erstzulassung 1980, amtliches Kennzeichen B- ..., die G.-​Straße in B. in südöstlicher Richtung. Nach Durchfahren einer leichten Linkskurve kam es auf dem anschließenden geraden Teilstück in Höhe des Grundstücks Nr. 6 zu einem Zusammenstoß mit dem von dem Beklagten zu 1) geführten und gehaltenen Pkw Opel Rekord E Caravan, amtliches Kennzeichen B- ... der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war.

An der unmittelbaren Unfallstelle war die Durchfahrbreite der Fahrbahn durch beiderseits abgestellte Fahrzeuge eingeschränkt. Infolge der Berührung mit der vorderen linken Fahrzeugecke und -seite des Opel wurde das Motorrad quer über die Fahrbahn unter einen in Fahrtrichtung des Klägers am Fahrbahnrand abgestellten Hänger eines Lkw-​Zuges geschleudert. Der Kläger wurde in Fahrtrichtung hochgeschleudert und blieb auf der Mitte der Fahrbahn liegen. Der Opel geriet mit der rechten Seite gegen den linken Tür- und Kotflügelbereich eines am rechten Fahrbahnrand geparkten Pkw BMW, Typ 5, amtliches Kennzeichen B- ... .

Der Kläger erlitt im Bereich des Brustkorbes eine Rippenserienfraktur, Pneumothorax, Lungenkontusion, sowie einen drittgradigen offenen Bruch des Schienbeinkopfes des linken Unterschenkels sowie eine Trümmerfraktur mit Y-​förmiger Zertrümmerung des Tibiakopfes, Fibular Fraktur und eine erhebliche Weichteilverletzung Des weiteren erlitt der Kläger am rechten Unterschenkel einen Außenknöchelbruch. Er musste sich mehreren operativen Eingriffen unterziehen und ist seitdem arbeitsunfähig krank. Durch die Operationen sind große Narben am Unter- und Oberschenkel zurückgeblieben. Mit Schreiben vom 26. November 1990 forderte der Kläger die Beklagten zur Anerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 50.000,00 DM auf.

Der Kläger hat behauptet, er habe die Geschwindigkeit seines Motorrades bereits erheblich gedrosselt gehabt, da er ca. 75 m hinter der späteren Unfallstelle nach links auf das dortige Industriegebiet habe abbiegen wollen. Bei Erkennen des entgegenkommenden Fahrzeuges habe er seine Geschwindigkeit weiter vermindert und das Motorrad zum Stehen gebracht. Er habe sich hierbei auf der rechten Fahrbahnhälfte zwischen dem Anhänger und der gedachten Mittellinie befunden. Der Beklagte zu 1) sei mit zu hoher Geschwindigkeit durch den infolge beidseitig parkender Kraftfahrzeuge entstandenen Engpass gefahren und habe sich zu spät auf das Krad eingestellt. Der Beklagte zu 1) habe mit seinem Pkw die gedachte Mittellinie überfahren und habe sich teilweise mit seinem Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn befunden. Der Zusammenstoß mit dem Krad sei nicht frontal erfolgt, sondern der Pkw des Beklagten zu 1) sei an der linken Seite des Motorrades entlanggeschrammt, wodurch der Kläger erfasst und hochgeschleudert worden sei. Nach diesem Unfallhergang habe der Beklagte zu 1), so hat der Kläger gemeint, den Unfall allein verschuldet.

Der Kläger hat den ihm entstandenen Schaden wie folgt berechnet:

1. Wiederbeschaffungswert des Krades (unstreitig) 3.150,00 DM
2. Verdienstausfall für die Zeit vom 10. Juli 1990 bis 1992 24.993,73 DM
3. Kleidung und Motorradhelm (pauschal) 1.000,00 DM
4. Gutachterkosten (unstreitig) 272,43 DM
5. Nebenkostenpauschale (unstreitig)       20,00 DM
  29.436,16 DM
davon 50 % 14.718,08 DM


Wegen der Berechnung des Verdienstausfalls wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 23. September 1992 verwiesen. Der Kläger hat ferner behauptet, infolge des Unfalls sei sein linkes Bein nicht mehr belastbar; er befinde sich weiterhin in orthopädischer Behandlung; weitere Operationen seien nicht auszuschließen.

Der Kläger hat beantragt,
  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 14.718,08 DM nebst 4 % Zinsen von 10.292,98 DM seit Zustellung der Klageschrift - dem 18. August 1992 - und von 3.925,80 DM seit dem 21. Oktober 1992 zu zahlen;

  2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, das ab Klagezustellung mit 4 % zu verzinsen ist, zu zahlen;

  3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner für den materiellen und immateriellen Schaden in Höhe von 50 % haften, der ihm künftig aus dem Verkehrsunfall vom 28. Mai 1990 entsteht, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, der Beklagte zu 1) sei auf der kurzen Gerade vor dem Beginn einer Rechtskurve mit einer Geschwindigkeit von weit unter 50 km/h auf der ihm verbleibenden Fahrbahnhälfte gefahren, während der Kläger mit hoher Geschwindigkeit fast in der Fahrbahnmitte gefahren sei und versucht habe, noch vor dem Pkw des Beklagten zu 1) links abzubiegen. In der Erwartung, dass der Kradfahrer sein Krad nicht mehr rechtzeitig werde anhalten können, habe der Beklagte zu 1) seine Geschwindigkeit reduziert und sein Fahrzeug nach rechts in Richtung der dort abgestellten Fahrzeuge gezogen. Im gleichen Moment sei es zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Klägers gekommen, der seinen Abbiegevorgang offensichtlich fortgesetzt habe. Der polizeilichen Verkehrsunfallskizze sei, so haben die Beklagten gemeint, zu entnehmen, dass sich der Verkehrsunfall auf der dem Beklagten zu 1) verbleibenden Fahrbahnhälfte ereignet habe. Die Fahrbahnbreite an der Unfallstelle betrage 7,50 m. Der aus Sicht des Klägers rechts parkende Lkw sei 2,50 m breit gewesen, der aus Sicht des Beklagten zu 1) rechts geparkte Pkw BMW sowie der Pkw Opel des Beklagten zu 1) seien jeweils 1,70 m breit gewesen. Hieraus ergebe sich, dass es zu dem Unfall nicht gekommen wäre, wenn der Kläger auf seiner Fahrbahnhälfte geblieben wäre.

Die Beklagten sind ferner der Auffassung gewesen, dass der geltend gemachte Verdienstausfall nicht ausreichend belegt sei, da Verdienstbescheinigungen für 1990 bzw. fiktive Verdienstbescheinigungen für 1990 bis 1991 nicht vorlägen. Bei der Berechnung des Verdienstausfalles sei der hälftige Rentenversicherungsbeitrag dem Krankengeld hinzuzurechnen. Der geltend gemachte Schaden für beschädigte Kleidung etc. sei ebenfalls nicht belegt und werde deshalb mit Nichtwissen bestritten. Zur Höhe des Schmerzensgeldes haben sie darauf hingewiesen, dass in dem letzten Arztbericht vom 17. Mai 1991 Aussagen über Dauerschäden nicht getroffen worden seien.

Das Landgericht hat über den Unfallhergang durch uneidliche Vernehmung der Zeugen J. R. und A. T. Beweis erhoben. Gemäß Beschluss vom 2. Februar 1993 hat es ferner über die Behauptung des Klägers, er habe auf der für ihn zur gefahrlosen Weiterfahrt verbleibenden Fahrbahn gestanden, durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-​Ing. U. W. Beweis erhoben. Auf Antrag des Klägers hat es den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 2. Februar 1993 und vom 9. November 1993 sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen W. vom 10. Juni 1993 Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 9. November 1993 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger gegen seine Verpflichtung zur gleichmäßigen Aufteilung des freien Straßenraums auf einer beiderseits beparkten Straße zwischen sich begegnenden Fahrzeugführern sowie gegen seine Wartepflicht als derjenige Fahrzeugführer, der die Gegenfahrbahn habe mitbenutzen müssen, verstoßen habe. Bei beiderseitiger Einengung der Straße gelte nicht § 6 StVO, sondern § 1 StVO.

Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Kollision zwischen dem Pkw des Beklagten zu 1) und dem Motorrad des Klägers auf dem für den Beklagten zu 1) verbleibenden Fahrstreifen stattgefunden und der Beklagte zu 1) nicht weiter nach rechts habe ausweichen können. Nach der Aussage des neutralen Zeugen R. habe der Beklagte zu 1) wegen der rechts geparkten Fahrzeuge nicht weiter rechts fahren können, als er tatsächlich gefahren sei; beide Fahrzeuge wären an der Engstelle aneinander vorbeigekommen. Diese Einschätzung der Unfallsituation sei erheblich, da der Zeuge hinter dem Beklagten zu 1)in der gleichen Richtung wie der Beklagte zu 1) gefahren sei und dabei die gleichen Abmessungen und seitlichen Abstände zu beachten gehabt habe. Diese Einschätzung des Zeugen sei durch das Gutachten des Sachverständigen W. einschließlich seiner ergänzenden Stellungnahme bestätigt worden: Nach der Art der Schäden habe sich der Opel vor der Kollision auf den seitlich geparkten BMW zubewegt und zum Kollisionszeitpunkt dicht neben dem BMW befunden. Daraus folge, dass sich der Motorradfahrer nicht auf der für ihn zur gefahrlosen Weiterfahrt verbleibenden Fahrbahn befunden habe. Die Übertragung des Bewegungsablaufes des Pkw Opel in die polizeiliche Verkehrsunfallskizze ergebe nach den Ausführungen des Sachverständigen, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision in einem Bereich - von ihm aus gesehen - links von der Mittellinie befunden habe. Überzeugend habe der Sachverständige auch die Behauptung des Klägers widerlegt, er habe mit seinem Motorrad vor der Kollision gestanden. Aus der unstreitigen Endstellung des Motorrades unter dem Lkw-​Anhänger gehe vielmehr hervor, dass das Krad gefahren sein müsse.

Gegen dieses ihm am 23. Dezember 1993 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 21. Januar 1994 bei Gericht eingereichten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 21. März 1994 begründeten Berufung. Er hält bereits den rechtlichen Ausgangspunkt der Urteilsbegründung des Landgerichts für verfehlt, dass bei einer Engstelle mit beiderseitiger Beparkung der verbleibende Raum zwischen den rechts und links geparkten Fahrzeugen allein nach der Straßenbreite aufgeteilt werden solle. Maßgebend sei allein, dass beide Kraftfahrer äußerst langsam fahren und sich den freien Raum gleichmäßig teilen müssten. Hierbei ist der Kläger in der Berufungsbegründung vom 21. März 1994 sowie in seinem Schriftsatz vom 19. September 1994 ausgegangen von einer Fahrbahnbreite von 7,50 m, einer Breite des am rechten Straßenrand geparkten Lastzuges in Fahrtrichtung des Klägers von 2,50 m, einer Breite des in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) parkenden Pkw von 1,70 m, und somit einer befahrbaren Verkehrsfläche von 3,30 m Breite. Das Fahrzeug des Beklagten zu 1) habe eine Breite von 1,72 m. Sein Motorrad, das außergewöhnlich ausladend gewesen sei, habe eine Breite von ca. 1 m gehabt; er - der Kläger - habe bei einer anderen Firma eine vergleichbare Maschine ausgemessen und sei hierbei auf eine Breite von 92 cm gekommen. Gehe man von einem Abstand des Opel zum BMW von 30 cm sowie von Abständen des BMW und des Lkw zum Bürgersteig von jeweils 10 cm aus, so sei dem Kläger letzten Endes nur noch ein freier Raum von 8 cm zu den Seiten hin verblieben. In dieser Situation hätten beide Kraftfahrer versuchen müssen, sich mit einer vorsichtigen und langsamen Fahrweise den freien Verkehrsraum zu teilen.

Der Beklagte zu 1) sei mit ca. 50 km/h durch den von den links und rechts geparkten Fahrzeugen gebildeten Engpass gefahren. Aber auch eine Geschwindigkeit von 40 km/h sei angesichts der geringen Breite viel zu hoch gewesen. Die von dem Kläger selbst vor dem Zusammenstoß eingehaltene Geschwindigkeit dürfte allenfalls 10 bis 20 km/h betragen haben. Es habe eine streifender Anstoß stattgefunden.

Schließlich sei, so meint der Kläger, darauf hinzuweisen, dass er mit seinem Kraftrad vor dem Unfall bereits eine Strecke von 1.000 m durch den rechts und links mit Pkws und Lkws beparkten "Schlauch" gefahren sei, während der Beklagte zu 1) erst ca. 50 bis 80 m vor dem Zusammenprall in die Engstelle eingefahren sei.

Mit weiteren Schriftsatz vom 22. Juni 1995 hat der Kläger ein Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen für Unfallrekonstruktionen Prof. Dr. H. R. vom 19. Juni 1995 eingereicht. Hierzu trägt der Kläger vor, dass nach den Feststellungen dieses Sachverständigen die Kollisionsstelle bisher falsch bezeichnet worden sei: Sie habe in Querrichtung praktisch genau in der geometrischen Fahrbahnmitte bzw. auf der Mitte des verbleibenden freien Raumes gelegen. Dies ergebe sich vor allem aus der Endlage des Kradfahrers, der sich nahezu gradlinig in seiner ursprünglichen Bewegungsrichtung bewegt haben dürfte. Der Opel sei in diesem Moment in einer Ausweichbewegung nach rechts gewesen, so dass davon auszugehen sei, dass er unmittelbar vor dem Anstoß die Fahrbahnmitte deutlich überfahren haben dürfte. In Längsrichtung habe die Kollision zwischen dem Motorrad und dem Opel Rekord zwischen der Bindemittelspur des Motorrades und der Endlage des Klägers stattgefunden. Auch sei nach den Feststellungen des Sachverständigen die Annahme der Parteien zu korrigieren, wonach die Straße 7,5 m breit sei. Die tatsächliche Straßenbreite betrage nach der von dem Sachverständigen vorgenommenen Vermessung 9,02 m. Dies habe jedoch, so meint der Kläger, keine Auswirkungen zu seinen Lasten.

Der Kläger beantragt,
nach den in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweisen auf die Ausführungen des Sachverständigen W., wonach der freie Verkehrsraum an der engsten Stelle gut 3 m betragen habe. Da sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) jedoch bereits dicht neben dem geparkten BMW befunden habe, habe der Kläger gefahrlos an dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) vorbeifahren können. Eine Berührung der sich begegnenden Fahrzeuge wäre überhaupt nicht erfolgt, wenn der Kläger mit seinem Krad auf der ihm verbleibenden Fahrbahnhälfte gefahren wäre bzw. gestanden hätte. Selbst wenn beide Fahrzeuge nicht hätten aneinander vorbeifahren können, hätte der Kläger sein Fahrzeug anhalten müssen und dem Beklagten zu 1) das Durchfahren ermöglichen müssen, da sich der Kläger mit seinem Krad noch vor dem rechts geparkten Lkw und damit vor der hierdurch bestimmten Engstelle befunden habe. Eine Nachfrage bei der Vertriebs- und Herstellerfirma des Krades des Klägers habe ergeben, dass das Krad mit der Bezeichnung CBX 1.000/130 serienmäßig am sogenannten Lenker nur 74 cm breit sei.

Das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 22. Juni 1995, der ihnen erst am 23. Juni 1995 zugegangen sei, haben die Beklagten als verspätet beanstandet und hierzu vorsorglich um Erklärungsfrist gebeten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 21. März 1994 und dessen Schriftsätze vom 11. Mai und 19. September 1994 sowie auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 30. März 1994 sowie deren Schriftsätze vom 26. Mai und 22. September 1994 verwiesen.

Die Akten 298 Cs 1647/90 des Amtsgerichts Tiergarten haben dem Senat zur Information vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.


Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO).

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 823, 847 BGB, 3 Nrn. 1 und 2 PflVersG auf Ersatz des ihm durch den Verkehrsunfall entstandenen Schadens zu.

Der Unfall stellt sich, soweit der Kläger Ersatz des materiellen Schadens begehrt, für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 StVG dar, weil keine Partei mangels einer entsprechenden Beweisführung für sich in Anspruch nehmen kann, dass sich der Kläger bzw. der Beklagte zu 1) auf ein etwaiges Fehlverhalten des jeweils anderen eingestellt hätten. Somit kommt es gemäß § 17 Abs. 1 StVG auf eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile des Klägers und des Beklagten zu 1) unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr an. Hierbei sind nach der ständigen Rechtsprechung neben unstreitigen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen (BGH VersR 1967, 132, 133; NJW 1971, 2030, 2031; Senat, DAR 1973, 270; VersR 1973, 1049, 1050; VerkMitt 1984, 36). Diese Abwägung führt dazu, dass der Kläger den ihm entstandenen Schaden selbst tragen muss, weil er den Unfall in einem solch überwiegenden Maße verursacht und verschuldet hat, dass eine Haftung der Beklagten aus der bloßen Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges des Beklagten zu 1) zurücktritt. Desgleichen kann der Kläger den ihm durch den Verkehrsunfall entstandenen immateriellen Schaden nicht ersetzt verlangen, weil er den hierfür erforderlichen Nachweis eines schuldhaften Verkehrsverstoßes des Beklagten zu 1) nicht geführt hat.

Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat bereits aufgrund des eigenen Vortrags des Klägers in der (letzten) mündlichen Verhandlung. Der Kläger will sich die Feststellungen des von ihm beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. R. zu eigen machen, auch soweit diese von bisher unstreitigem Vorbringen beider Parteien abweichen. Dennoch rechtfertigen diese Feststellungen, obwohl sie in Teilbereichen für den Kläger günstiger erscheinen als nach dem Gutachten des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen W., nicht die Klageanträge. Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung, ob das Vorbringen des Klägers gemäß §§ 527, 519 Abs. 2 Satz 2, 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen wäre. Aus dem gleichen Grunde war den Beklagten auch nicht gemäß § 283 ZPO eine Erklärungsfrist auf den neuen Vortrag einzuräumen, da es hierauf nicht mehr ankam.

Auf der Grundlage des neuen Vorbringens des Klägers handelt es sich nicht um einen Verkehrsunfall im Bereich einer den Verhaltensregeln des § 6 StVO unterliegenden Engstelle. Nach dieser Vorschrift hat der an einem haltenden Fahrzeug oder sonstigem Hindernis links vorbeifahrende Fahrzeugführer entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren zu lassen. Wer an parkenden Fahrzeugen vorbeifahren will, muss zurückstehen, dies sogar dann, wenn er hierbei die Gegenfahrbahn nicht mitbenutzen muss, aber mit Gegenverkehr zu rechnen hat, der sich vermutlich oder bereits erkennbar nicht scharf rechts hält und die Mittellinie berührt (OLG Celle VersR 1980, 772; Jagusch/ Hentschel, 33. Aufl., § 6 StVO Rdnr. 3). Die Frage, ob es sich um eine Engstelle im Sinne des § 6 StVO handelt, richtet sich sowohl nach der Breite des zum Vorbeifahren an den Hindernissen verbleibenden Verkehrsraumes als auch nach der jeweiligen Breite der einander passierenden Fahrzeuge. Begegnen sich Zweiradfahrzeuge, wird eine wesentlich geringere Fahrbahnbreite zum ungehinderten Passieren ausreichend sein als dies im Begegnungsverkehr zwischen Personenkraftwagen oder gar Lastkraftwagen erforderlich ist.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Begegnungskollision zwischen Pkw und Motorrad. Im Bereich der Unfallstelle ist die Fahrbahn nach der von dem als Privatgutachter tätig gewordenen Prof. Dr. R. vorgenommenen Vermessung von Bordstein zu Bordstein 9,02 m breit. In Fahrtrichtung des Klägers parkte unstreitig ein 2,50 m breiter Lkw-​Zug mit Anhänger; dessen Abstand zur Bordsteinkante betrug nach der von Prof. Dr. R. aufgrund der Fotos vorgenommenen Schätzung ca. 20 cm.

Für die Beurteilung der Durchfahrtsbreite folgt der Senat aus Rechtsgründen insoweit nicht den Feststellungen von Prof. Dr. R., als dieser für die Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) auf den vor dem BMW abgestellten Kleinlastwagen abgestellt hat, der eine Breite von ca. 2,1 m gehabt haben dürfte und dessen Abstand zum Bordstein etwa zwischen 10 und 20 cm gelegen habe. Denn in Höhe dieses Klein-​Lkw hat sich der Unfall nicht ereignet. sondern in Höhe des davor abgestellten Pkw BMW, in dessen Richtung der Beklagte zu 1) bereits ein Ausweichmanöver eingeleitet hatte und gegen dessen rechte Fahrzeugseite der Pkw Opel infolge der Kollision mit dem Krad des Klägers geriet. Gegenüber dem Gutachten des Sachverständigen W. hat Prof. Dr. R. die Kollisionsstelle lediglich um einige Meter - aus der Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) gesehen - zurückversetzt. Insoweit besteht, wie sich aus den Anlagen 3 bis 5 zu dem Gutachten von Prof. Dr. R. ergibt, kein wesentlicher Unterschied zu dem Gutachten des Sachverständigen W.. Allein maßgebend für die Bewertung des Verkehrsverhaltens der Unfallbeteiligten Fahrzeugführer ist, wo sich tatsächlich die Kollisionsstelle in Querrichtung befunden hat, nicht, wo sich die Fahrzeuge vor der Kollision bewegt haben.

Der in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) rechts parkende Pkw BMW war unstreitig 1,70 m breit. Der Abstand dieses Fahrzeuges zur Bordsteinkante betrug nach dem Vortrag des Klägers - Feststellungen darüber sind weder von der Polizei am Unfallort noch von Prof. Dr. R. getroffen worden - ca 10 cm. Unter Abzug des von den parkenden Fahrzeugen benötigten Raumes verblieb damit noch eine restliche Fahrbahnbreite von 4,52 m (9,02 m abzüglich 2,50 m + 0,20 m für Lkw sowie weiter abzüglich 1,70 m + 0,10 m für Pkw BMW). Eine solche Fahrbahnbreite reicht für ein ungehindertes Passieren von Pkw und Krad aus. Der vom Kläger beauftragte Gutachter Prof. Dr. R. ist von einer Breite des Pkw Opel an der breitesten Stelle der Karosserie von 1,73 m zuzüglich jeweils ca. 5 cm pro Seite für die seitlichen Spiegel sowie von 1 m für das Motorrad (einschließlich Spiegel) ausgegangen. Damit verblieb eine Breite von insgesamt 1,69 m (4,52 m abzüglich 1,83 m für Pkw Opel und 1 m für Krad). Für den zu der Reihe der parkenden Fahrzeuge einzuhaltenden Sicherheitsabstand, der im Regelfall 1 m beträgt, genügen bei außergewöhnlichen Straßenverhältnissen, insbesondere einer schmalen Straße, 0,50 m (Senat, Urteil vom 13. Oktober 1994 - 12 U 2704/92 -; Urteil vom 11. Dezember 1989 - 12 U 78/89 -; Jagusch/Hentschel, 33. Aufl., § 2 StVO Rdnr. 41 und § 6 StVO Rdnr. 11; nach OLG Hamm NZV 1993, 27: auch weniger als 50 cm bei sehr schmaler Straße). Bei Einhaltung dieses Sicherheitsabstandes verblieb zu der jeweils linken Seite noch genügend Raum dafür, um das entgegenkommende Fahrzeug ohne wesentliche Behinderung passieren zu können. Bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, Beachtung der beiderseits gebotenen Aufmerksamkeit sowie der übrigen Verhaltenspflichten im Straßenverkehr konnte es zu einer gefährlichen Situation oder gar zu einer Kollision nicht kommen.

Dass sich dennoch der Unfall bei der Begegnung beider Fahrzeuge ereignet hat, beruht zunächst auf einem erwiesenen Verstoß des Klägers gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO), während andererseits nicht erwiesen ist, dass sich der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt auf der für ihn linken Fahrbahnhälfte befunden hat. Hierbei stützt sich der Senat in erster Linie auf die Aussage des unbeteiligten Zeugen R., der mit seinem Pkw in einem Abstand von ca. 25 - 30 m hinter dem Pkw des Beklagten zu 1) fuhr. Der Zeuge hat angegeben, aus seiner Sicht habe der Pkw wegen der rechts geparkten Fahrzeuge nicht weiter rechts fahren können, als er tatsächlich gefahren sei. Beide Fahrzeuge wären an der Engstelle aneinander vorbeigekommen. Er - der Zeuge - erkläre sich den Unfall so, dass der Motorradfahrer nicht weit genug rechts gefahren sei.

Zu Recht hat das Landgericht der Einschätzung der Unfallsituation durch den Zeugen R. einen besonderen Beweiswert beigemessen, da der Zeuge aus der gleichen Richtung wie der Beklagte zu 1) an die Unfallstelle und die Fahrbahneinengung durch die parkenden Fahrzeuge heranfuhr und hierbei in gleicher Weise auf die seitlichen Abstände zu achten hatte. Der Beweiswert der Zeugenaussage wird nicht dadurch entkräftet, dass er in technischer Hinsicht einzelne Aspekte des Unfallgeschehens, wie Prof. Dr. R. hervorgehoben hat, falsch geschildert hat. Krad und Kradfahrer können nicht 6 - 8 m in Fahrtrichtung des Krades geflogen sein. Das Krad ist auch nicht vor dem Kradfahrer in Richtung auf den Zeugen R. zugeflogen. Ferner ist nicht zuerst der Anstoß des Pkw Opel gegen den geparkten Pkw BMW erfolgt und dann erst der Anstoß mit dem Krad, sondern der Anstoß zwischen Krad und Opel erfolgte zuerst. Bei der Bewertung dieser Irrtümer des Zeugen ist aber zu berücksichtigen, dass für ihn das Unfallgeschehen in Sekundenbruchteilen ablief und er währenddessen keinen Anlass hatte, auf Einzelheiten des technischen Bewegungsablaufes zu achten. Dagegen hatte der Zeuge die durch die seitlichen Abstände bedingte örtliche Verkehrssituation bereits vor dem Augenblick des Unfalles gut vor Augen, weil er sich hierauf auch selbst einzustellen hatte.

Ein Anhalt für die Richtigkeit der Aussage des Zeugen R. ergibt sich aus den zur Abdeckung der ausgelaufenen Flüssigkeit des Krades verwendeten Bindemitteln, deren Spuren auf den Unfallfotos sichtbar sind (Bilder 19, 21 und 22 des Gutachtens des Sachverständigen W.). Der Beginn dieser Spuren liegt in einem weitaus größeren Abstand zur Seite des Lkw-​Anhängers als zu der des parkenden BMW. Hierauf ist allerdings nicht entscheidend abzustellen, weil auch Prof. Dr. R. zu Recht darauf hinweist, dass das Bindemittel viel großflächiger gestreut worden sein kann als Spuren vorhanden waren und außerdem die Flüssigkeit nach dem Auftreffen auf die Fahrbahn noch verlaufen sein kann.

Nach der von Prof. Dr. R. als Anlage 6 zu seinem Gutachten gefertigten neuen Unfallskizze mit korrekten Maßen und maßstabsgerechten Eintragungen der Fahrzeuge befanden sich auf der Fahrbahn markierte Fahrstreifen (Z 340 zu § 42 Abs. 6 Nr. 1 StVO), die für den Beklagten zu 1) kurz vor der Unfallstelle - wenige Meter vorher - enden. Diese Fahrbahnmarkierung galt in ihrer gedachten Verlängerung auch noch für die unmittelbar dahinter liegende Unfallstelle. An dieser markierten Linie konnte sich der Beklagte zu 1) beim Befahren der Fahrbahn orientieren. Deshalb vermag der Senat den Ausführungen von Prof. Dr. R. insoweit nicht zu folgen, als dieser keinen Unterschied zwischen einem Kollisionsort "in der Mitte der Fahrbahn bzw. in der Mitte des verbleibenden Freiraums" macht. Allein maßgebend ist die durch die Fahrbahnmarkierung ausgewiesene Fahrbahnmitte. Am Kollisionsort hatte der Beklagte zu 1) nach Passieren des 2,1 m breiten Klein-​Lkw auf seiner Fahrbahnhälfte wesentlich mehr Platz. Denn während dort lediglich noch ein Pkw parkte, befand sich in Fahrtrichtung des Klägers auf seiner rechten Seite ein 2,50 m breiter und in einem Abstand von 20 cm zur Bordsteinkante parkender Lkw-​Zug. Nicht richtig sein kann auch die Feststellung von Prof. Dr. R., dass der Unterschied zwischen der Mitte der Fahrbahn und der Mitte des verbleibenden Freiraumes nur 20 cm betrage. Hierbei ist Prof. Dr. R. offensichtlich von der Differenz zwischen der Breite des Lkw-​Zuges (2,50 m) und der Breite des auf der Seite des Beklagten zu 1) parkenden Klein-​Lkws (2,10 m) ausgegangen und hat sodann die Differenz von 0,40 m halbiert. Wie ausgeführt, ist jedoch allein maßgeblich der tatsächliche Kollisionsort. Die Differenz in der Breite zwischen dem Lkw-​Anhänger zuzüglich des Abstandes zur Bordsteinkante (2,50 m + 0,20 m = 2,70 m, und der Breite des Pkw zuzüglich des Abstandes zur Bordsteinkante (1,70 m + 0,10 m = 1,80 m) beträgt 90 cm, so dass die gedachte Mitte zwischen den beiden parkenden Fahrzeugen in Fahrtrichtung des Klägers um 0,45 cm weiter links liegt als nach der allein maßgeblichen Berechnung anhand der Fahrbahnmarkierungen.

Soweit Prof. Dr. R. ferner ausführt, dass es rein geometrisch möglich gewesen wäre, dass der Opel vollständig auf der Fahrbahn des verbleibenden freien Raumes geblieben wäre, diese Möglichkeit aber für unrealistisch hält, weil der Abstand zu dem Kleinlaster dann weniger als 10 cm hätte betragen müssen, ergibt sich bereits aus der Anlage 11 zu seinem Gutachten, dass er hierbei das Fahrzeug des Beklagten zu 1) noch in einem deutlichen Abstand zur markierten Mittellinie hin plaziert hat. Dies beruht ebenfalls auf der - rechtlich verfehlten - Auffassung von Prof. Dr. R., auf den Unterschied zwischen Fahrbahnmitte und Mitte des freien Verkehrsraumes komme es nicht an.

Die Unfallsituation, die Prof. Dr. R. in der Unfallskizze der Anlage 10 zu seinem Gutachten darstellt, gibt einen Kollisionspunkt wieder, der teils noch innerhalb der durch die auslaufende Markierung des Mittelstreifens gekennzeichneten Fahrbahnhälfte des Beklagten zu 1) gelegen hat, teils unmittelbar im verlängerten Bereich dieser Markierung. Prof. Dr. R. hält aber insoweit absolut exakte Angaben für nicht möglich. Er hat zwar die Schlussfolgerung des Sachverständigen W., dass sich aufgrund der Anstoßsituation zwischen Opel Rekord und BMW der Motorradfahrer von ihm aus gesehen links von der Mittellinie befunden haben müsse, auf keinen Fall für zulässig gehalten, sich jedoch zu der in Anlage 5 dargestellten, etwas zurückversetzten und weiter in Richtung Fahrbahnmitte verschobenen Kollisionsstelle ausgeführt, dass der Opel Rekord auch aus dieser Position die Anstoßstellung gegen den BMW erreicht haben könne. Hieraus ergibt sich, dass die von Prof. Dr. R. aufgezeigte Unfallkonstellation nur eine von mehreren Möglichkeiten ist, die zudem auf teils unrichtigen rechtlichen Grundlagen beruht. Zudem hat auch nach der von Prof. Dr. R. in der Anlage 10 zu seinem Gutachten gefertigten Unfallskizze, der Kläger den freien Verkehrsraum zum rechts geparkten Lkw-​Zug selbst unter Berücksichtigung des erforderlichen Sicherheitsabstandes bei weitem nicht ausgenutzt, sondern befand sich mit mindestens der Hälfte der Breite seines Krades links von der kurz danach beginnenden Mittellinienmarkierung; ist also - und das ist erwiesen - entgegen § 2 Abs. 2 StVO nicht möglichst weit rechts gefahren.

Dem Kläger fällt darüber hinaus ein Verstoß gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 1 StVO) zur Last. Wenn auch die Vorschrift des § 6 StVO wegen des ausreichend breiten freien Verkehrsraums nicht anwendbar ist, so zeigen doch die an der Unfallstelle gefertigten Fotos, dass der Kläger mit seinem Krad in den etwas verengten Bereich hineingefahren ist, welcher gerade erst durch den auf seiner Seite geparkten Lkw-​Zug begonnen hatte. Die Bilder 20 und 21 der im Ausschnitt vergrößerten Fotoreproduktionen des Sachverständigen W., die polizeiliche Verkehrsunfallskizze sowie die maßstabsgerechte Skizze von Prof. Dr. R. verdeutlichen diese Verkehrssituation. In Fahrtrichtung des Klägers befanden sich, wie auf den Bildern und 22 und 23 erkennbar, zunächst zwei parkende Pkws. Sodann fuhr der Kläger an einem auf der rechten Seite abgestellten - ersten - Lkw-​Zug vorbei. Davor parkten zwei weitere Pkws (Bild 20) und weiter davor schließlich der - zweite - Lkw-​Zug, in Höhe dessen Anhängers sich der Unfall ereignete.

Aus den Fotos ergibt sich deutlich, dass dieser verengte Bereich überhaupt erst durch die Überbreite des zweiten Lkw-​Zuges (2,50 m + 0,20 m Abstand zum Bordstein) entstanden war. Hätten sich dort weiterhin Pkws befunden, so wäre die freie Fahrbahnbreite noch um fast einen Meter größer gewesen. Der Kläger hätte daher, um eine Gefährdung des entgegenkommenden Verkehrs auszuschließen, neben den beiden Pkws, die zwischen den beiden Lkw-​Zügen - noch vor dem zweiten Lkw-​Zug - parkten, abwarten müssen, bis der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug den verengten Bereich verlassen hatte.

Hierzu war der Kläger auch deshalb verpflichtet, weil sich die Unfallstelle - aus der Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) gesehen - nur wenige Meter vor dem Ende des verengten Bereiches und - aus Sicht des Klägers gesehen - nur eine kurze Strecke nach Beginn dieses Bereiches befand. Aus den Bildern 19, 22 und 23 der im Ausschnitt vergrößerten Fotoreproduktionen zum Gutachten des Sachverständigen W. sowie aus der polizeilichen Verkehrsunfallskizze ist ersichtlich, dass der Pkw BMW, gegen den das Fahrzeug des Beklagten zu 1) infolge der Kollision geriet, das letzte in der Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) auf der rechten Seite parkende Fahrzeug war; anschließend war die für den Beklagten zu 1) rechte Fahrbahnseite frei. Damit ist zugleich der Vortrag des Klägers widerlegt, dass er sich bereits auf einer Strecke von 1.000 m befunden habe, die beidseitig beparkt gewesen sei.

Für das Heranfahren an eine Engstelle im Sinne des § 6 StVO hat der Senat bereits entschieden, dass ein Fahrzeugführer auf solche Verkehrsteilnehmer, die sich bereits in der Engstelle befinden, im Rahmen der §§ 1, 11 StVO Rücksicht zu nehmen und mäßige Behinderungen (Gas wegnehmen) in Kauf zu nehmen hat. Je näher die Begegnungsstelle am Ende der von dem Wartepflichtigen bereits durchfahrenen Engstelle liegt, desto eher kann sich der Gegenverkehr hierauf durch Herabsetzen der Geschwindigkeit oder durch Ausweichen an den äußersten rechten Fahrbahnrand einstellen. Kommt es in diesem Bereich zu einem Zusammenstoß, dann liegt ein Verstoß des Bevorrechtigten gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme als Unfallursache nahe (Senat, Urteil vom 14. Februar 1994 - 12 U 821/93 -).

Dem Beklagten zu 1) kann ein Mitverschuldensvorwurf nicht angelastet werden. Ohne Hinzutreten von besonderen Umständen musste er nicht damit rechnen, dass der Kläger unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot und Missachtung seiner allgemeinen Verhaltenspflichten im Straßenverkehr in den verengten Bereich, den der Beklagte zu 1) fast schon verlassen hatte, hineinfahren würde. Bei Erkennen der Gefahrensituation ist der Beklagte zu 1) nach dem unstreitigen Sachverhalt in Richtung auf den rechts parkenden BMW ausgewichen und hat damit versucht, noch unfallverhütend zu reagieren. Der Senat muss auch nicht der erstmals in der Berufungsbegründung aufgestellten Behauptung des Klägers nachgehen, dass der Beklagte zu 1) mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren sei. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die besonderen Verkehrsverhältnisse (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVO) die Einhaltung einer wesentlich geringeren Geschwindigkeit als der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verlangten. Denn der Kläger kann hierfür einen geeigneten Beweis nicht antreten. Dies ergibt sich aus dem von ihm eingeholten Gutachten von Prof. Dr. R., der ausgeführt hat, dass die Kollisionsgeschwindigkeiten beider Fahrzeuge sich nicht in engen Grenzen berechnen ließen. Aufgrund der Schadensbilder sei von einer Relativgeschwindigkeit in der Größenordnung von etwa 60 - 70 km/h auszugehen. Habe die Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw z. B. bei 40 km/h gelegen, dann habe die Kollisionsgeschwindigkeit des Krades bei etwa 20 - 30 km/h gelegen. Es sei davon auszugehen, dass die Kollisionsgeschwindigkeit des Krades unter der des Pkw gelegen habe. Allerdings habe das Krad mit Sicherheit nicht gestanden.

Hiernach ist auch eine Geschwindigkeit von 40 km/h nicht beweiskräftig festgestellt. Im übrigen durfte der Beklagte zu 1) eine solche Geschwindigkeit auf dem geraden Teilstück der G.-​Straße, der trockenen Fahrbahn und bei Tageslicht fahren, sofern er die übrigen Verhaltenspflichten im Straßenverkehr beachtete.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.