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Landgericht Trier Urteil vom 26.05.2015 - 1 S 91/14 - Reparatur mit Gebrauchtteilen und wirtschaftlicher Totalschaden

LG Trier v. 26.05.2015: Reparatur mit Gebrauchtteilen und wirtschaftlicher Totalschaden


Das Landgericht Trier (Urteil vom 26.05.2015 - 1 S 91/14) hat entschieden:
Auch eine Reparatur mit Gebrauchtteilen ist fachgerecht, wenn sie in dem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. Eine solche Reparatur ist aber nicht wirtschaftlich vernünftig, wenn der Einsatz von Gebrauchtteile nur dann dazu führt, dass die 130-Grenze eingehalten wird, wenn nicht zusätzlich die Werkstatt bei den Stundensätzen einen Nachlass gewährt, ohne den die 130-%-Grenze überschritten worden wäre.


Siehe auch Totalschaden - Wiederbeschaffungswert und Reparaturschaden


Gründe:

I.

Die Parteien streiten über Restschadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 04.11.2012, den ein Versicherungsnehmer der beklagten Haftpflichtversicherung alleine verschuldet hat.

Nach einem außergerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten betragen die unfallbedingten Reparaturkosten inklusive Mehrwertsteuer 4.973,52 €, der Wiederbeschaffungswert 2.150 € inklusive Mehrwertsteuer und der Restwert 260 € inklusive Mehrwertsteuer.

Die Klägerin ließ das Unfallfahrzeug bei der Firma Auto Center ... zum Preis von 2.749,40 € reparieren. Die Beklagte zahlte davon 1.890 €.

Die Klägerin begehrte erstinstanzlich Zahlung der restlichen Reparaturkosten in Höhe von 859,40 € und einer Auslagenpauschale von 25 €. Die Beklagte verweigert die Zahlung mit der Begründung, die Reparaturkosten überstiegen 130 % des Wiederbeschaffungswerts. Nach Rechtshängigkeit zahlte die Beklagte weitere 25 € auf die begehrte Auslagenpauschale und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 €.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es liege ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, da die Bruttoreparaturkosten nach dem Gutachten in Höhe von 4.973,52 € den Wiederbeschaffungswert von 2.150 € um mehr als 130 % überstiegen. Ein Anspruch der Klägerin sei auch nicht gegeben, weil eine ordnungsgemäße Reparatur nur vorliege, wenn sie unter ausschließlicher Verwendung von Neuteilen erfolge. Letztlich scheide ein Anspruch aber auf jeden Fall aus, weil sich aus der Entscheidung des BGH vom 14.12.2010 (Az: VI ZR 231/09, zitiert nach juris) ergebe, dass bei einer Reparatur mit Gebrauchtteilen der Geschädigte den Ersatz der angefallenen Reparaturkosten nur dann verlangen könne, wenn diese Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht überstiegen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Im Berufungsverfahren haben die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit hinsichtlich der Auslagenpauschale in Höhe von 25 € und der in Höhe von 83,54 € gezahlten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr unter Wiederholung und Ergänzung des erstinstanzlichen Vortrags,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Trier vom 17.04.2014 - 32 C 31/14 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 884,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 19.01.2013 abzüglich am 10.02.2014 gezahlter 25 € und vorgerichtliche Kosten in Höhe von 134,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 19.01.2013 abzüglich am 18.02.2014 gezahlter 83,54 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen W..., einer mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen W... sowie durch Vernehmung des Zeugen B.... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten


II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Ein Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG auf Zahlung der restlichen Reparaturkosten besteht nicht, da die von der Klägerin durchgeführte Reparatur wirtschaftlich nicht vernünftig war.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sieht die Kammer dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 14.12.2010, Az: VI ZR 231/09, zitiert nach juris) auch eine Reparatur mit Gebrauchtteilen als fachgerecht an, wenn sie in dem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. In der Entscheidung des BGH meint die Kammer auch keine Beschränkung auf den Wiederbeschaffungswert zu erkennen. Die hier zu entscheidende Frage, ob der Geschädigte den vollen Ersatz der Reparaturkosten verlangen kann, wenn es ihm gelingt, die vom Sachverständigen für erforderlich gehaltene Reparatur entgegen dessen Kostenschätzung innerhalb der 130%-​Grenze durchzuführen, hat der BGH bislang soweit ersichtlich nicht entschieden.

Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich die Kammer anschließt, kann der Geschädigte den Ersatz von Reparaturkosten aber nur dann verlangen, wenn er nachweist, dass die tatsächlich durchgeführte Reparatur, sofern diese fachgerecht und den Vorgaben des Gutachtens entsprechend ausgeführt worden ist, wirtschaftlich nicht unvernünftig war (Urteil vom 08.02.2011, Az: VI ZR 79/10, zitiert nach juris).

Dies hat die Klägerin aber zur Überzeugung der Kammer nicht nachgewiesen. Aus der mündlichen Erläuterung des Sachverständigen W... ergibt sich zwar, dass die vorgenommene Teilreparatur des Querträgers fachgerecht gewesen sein könnte. Der Sachverständige hat insoweit aber auch ausgeführt, dass allein der Einsatz von Gebrauchtteilen und die Teilreparatur des Querträgers bei Ansatz der normalen Stundenlöhne des Zeugen B... nicht dazu geführt hätten, dass die Reparaturkosten weniger als 130 % des Wiederbeschaffungswert betragen hätten. Es hätten sich vielmehr Kosten in Höhe von knapp 3.650 € brutto ergeben, die den Wiederbeschaffungswert um knapp 170 % übersteigen. Maßgeblich für die Einhaltung der 130-​% Grenze war nach den Ausführungen des Sachverständigen vielmehr die Einräumung eines Rabatts durch den Zeugen B....

Die vom Sachverständigen ermittelten Kosten in Höhe von 3.650 € brutto basieren auf einer Berechnung des Sachverständigen (Bl. 192ff d.A.), in der dieser nur die Kosten der Teilreparatur sowie die normalen Stundenlöhne der Firma B... angesetzt hat. Danach ergeben sich Gesamtkosten von 3.451,01 € netto. Da bei dieser Kalkulation Neuteile berücksichtigt wurden, sind diese herauszurechnen (1.109,85 € netto) und dafür die Kosten der Gebrauchtteile, die die Firma B... angesetzt hat, hinzurechnen (725,67 € netto). Zuletzt ist noch die Mehrwertsteuer von 19 % zu addieren.

Die Ausführungen des Sachverständigen sind nachvollziehbar, in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Sie werden auch bestätigt durch die Aussage des Zeugen B..., der erklärte, er sei in seiner Rechnung deutlich unter die normalen Stundensätze seiner Firma gegangen, da er ansonsten das Auto nicht wieder hätte herstellen können. Die Klägerin habe ihm quasi die Tür eingerannt, weil sie ihr altes Auto gerne behalten wollte.

Ein solcher pauschaler Nachlass beeinflusst aber die nach objektiven Kriterien zu beurteilende Frage der Wirtschaftlichkeit nicht, da eine nach objektiven - d.h. nachprüfbaren - Kriterien unwirtschaftliche Reparatur durch die Gewährung eines pauschalen Nachlasses nicht wirtschaftlich wird (LG Wuppertal, Urteil vom 11.03.2010, Az: 9 S 26/09, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 08.02.2011, Az: VI ZR 79/10, zitiert nach juris; anders: OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.04.2001, Az: 1 U 9/00, zitiert nach juris). Reparaturkosten können nach der Rechtsprechung des BGH nicht in einem wirtschaftlich vernünftigen und einen wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgesplittet werden (BGH, Urt. v. 15.10.1991, Az: VI ZR 67/91, zitiert nach juris). Dies wäre aber hier durch den Verzicht der Reparaturwerkstatt der Fall, der nicht anders beurteilt werden kann als der Fall, dass der Geschädigte selbst einen Teil der Kosten trägt (Revilla, jurisPR-​VerkR 8/2011 Anm. 1). Durch die Berücksichtigung von Sonderkonditionen würden zudem Manipulationen ermöglicht und letztlich die Rechtssicherheit beeinträchtigt (LG Wuppertal, aaO).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs 2 i.V.m. §§ 91 Abs. 1, 91a Abs. 1, 97 ZPO. Die Kosten des für erledigt erklärten Teils hat zwar nach § 91a Abs. 1 ZPO grundsätzlich die Beklagte zu tragen, da sie diesbezüglich unterlegen wäre. Gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO waren aber der Klägerin die gesamten Prozesskosten aufzuerlegen, da die Kosten des für erledigt erklärten Teils ein verhältnismäßig geringes Unterliegen darstellen und auch keine höheren Kosten verursacht haben.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.