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Verwaltungsgericht Sigmaringen Beschluss vom 16.06.2015 - 5 K 1730/15 - Fahrtenbuchanordnung und Verkehrsverstoß von einigem Gewicht

VG Sigmaringen v. 16.06.2015: Fahrtenbuchanordnung und Verkehrsverstoß von einigem Gewicht


Das Verwaltungsgericht Sigmaringen (Beschluss vom 16.06.2015 - 5 K 1730/15) hat entschieden:
Ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht liegt vor, wenn die Verkehrsordnungswidrigkeit nach dem neuen Punktesystem mit einem Punkt geahndet werden kann.


Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage und Stichwörter zum Thema Verkehrsverwaltungsrecht


Gründe:

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 08.04.2015, mit dem er unter Anordnung des Sofortvollzugs u.a. verpflichtet wurde, für sein Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ...-​... für die Dauer von einem Jahr ein Fahrtenbuch zu führen.

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung betreffend die Führung des Fahrtenbuchs, die Erstreckung auf ein Ersatzfahrzeug, die Befristung auf ein Jahr sowie die Verpflichtung, das Fahrtenbuch auf Verlangen, erstmals in der 24. Kalenderwoche 2015, vorzulegen, ist formell ordnungsgemäß ergangen. Sie ist besonders verfügt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und ausreichend schriftlich begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Dazu wird es regelmäßig kommen, wenn sich die angefochtene Verfügung bei der im einstweiligen Rechtschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung als höchstwahrscheinlich rechtswidrig erweist. Ist hingegen davon auszugehen, dass die Verfügung aller Voraussicht nach rechtmäßig ist, hat der Antrag in aller Regel keinen Erfolg. Hierbei ist zu beachten, dass § 31a StVZO zu den Vorschriften gehört, bei denen das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammenfällt (vgl. Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 04.05.2015 – 1 B 66/15 –, juris; VGH Baden-​Württemberg, Beschluss vom 13.11.2001 - 10 S 1744/01 - und Beschluss vom 17.11.1997 - 10 S 2113/97 -, VBlBW 1998, 178). Die sofortige Vollziehung ist daher in solchen Fällen die Regel.

Die angefochtene Fahrtenbuchauflage ist aller Voraussicht nach zu Recht ergangen. Rechtsgrundlage für die Verfügung des Landratsamts ist § 31a Abs. 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dürften hier erfüllt sein.

1. Am Freitag, 25.07.2014, 10.39 Uhr, kam es durch den Fahrzeugführer des Kraftfahrzeug ... in ..., außerorts zu einer erheblichen Verkehrsordnungswidrigkeit, weil der Fahrzeugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit nach Toleranzabzug um 29 km/h überschritten hat. Die Verkehrsordnungswidrigkeit hätte nach dem früheren Bußgeldkatalog (gültig bis 28.02.2014) ein Bußgeld von 80 Euro und drei Punkte im Verkehrszentralregister zur Folge gehabt. Nach dem seit dem 01.03.2014 und folglich zur Zeit des Verkehrsverstoßes maßgeblichen Bußgeldkatalogs wäre die Verkehrsordnungswidrig weiterhin mit 80 Euro, aber mit „nur“ einem Punkt zu ahnden.

2. Die Feststellung des für die Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortlichen Fahrzeugführers war in der Folgezeit trotz intensiver Ermittlungen nicht möglich. Der Begriff der Unmöglichkeit ist im Rahmen des Tatbestandes des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht im naturwissenschaftlichen Sinne zu verstehen. Ausreichend zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist es, dass die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 25.06.1987 - 7 B 139.87 -, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 17 und VGH Baden-​Württemberg, Urteil vom 16.04.1999 - 10 S 114/99 -, VBlBW 1999, 463). Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahmen kommt es dabei wesentlich darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer zu ermitteln, an der Erklärung des betreffenden Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser die sachdienliche Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urteil vom 17.12.1982, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 11 m.w.N. sowie VGH Baden-​Württemberg, Beschluss vom 21.07.2014 - 10 S 1256/13 -, vom 04.12.2013 - 10 S 1162/13 und vom 15.04.2009 - 10 S 584/09 -, jeweils juris).

a. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze liegt ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit nicht vor.

Im Rahmen seiner Anhörung zur Verkehrsordnungswidrigkeit machte der Antragsteller keine Angaben zur Sache. Er gab lediglich an, dass außer ihm noch andere Personen das Fahrzeug benützten; später gab er noch an, dass er auf Grund einer Augenbehandlung regelmäßig von verschiedenen Personen nach Freiburg für die Behandlung gefahren werde. Er ist durch den Anhörungsbogen des Ordnungsamtes des Landratsamtes ... vom 12.08.2014 - also 18 Tage nach dem Verstoß - über den mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß umfassend in Kenntnis gesetzt worden. Nach Erhalt des Anhörungsbogens hat er jedoch gegenüber der zuständigen Ordnungswidrigkeitenbehörde lediglich angegeben, das Fahrzeug werde sowohl von ihm persönlich als auch von „mehreren weiteren Personen“ benutzt. Er hat hingegen keine Angaben dazu gemacht, von welchen weiteren Person sein Fahrzeug am Tattag benutzt wurde bzw. welcher Personenkreis befugt war, sein Fahrzeug zum Tatzeitpunkt zu benutzen.

b. Zwar gehört zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand grundsätzlich die unverzügliche, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgte Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung (erstmals BVerwG, Urteil vom 13.10.1978 – VII C 77.74 –, NJW 1979, S. 1054; Beschluss vom 25.06.1987 – 7 B 139/87 –, Buchholz 442.16, § 31a StVZO Nr. 17).

Diese Zweiwochenfrist ist vorliegend überschritten worden. Denn die Ordnungswidrigkeit wurde am 25.07.2014 begangen, während der Anhörbogen vom Landratsamt ... erst am 12.08.2013 versandt worden ist.

Die Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist ist hier aber unschädlich. Bei dieser Frist handelt es sich weder um eine starre Grenze noch um ein formales Tatbestandskriterium der gesetzlichen Regelung. Sie beruht vielmehr auf dem Erfahrungssatz, wonach eine Person sich an Vorgänge nur für einen begrenzten Zeitraum zu erinnern vermag oder noch in der Lage ist, diese zu rekonstruieren. Deshalb ist die Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist in den Fällen unschädlich, in denen wegen vom Regelfall abweichender Fallgestaltung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt oder die Überschreitung des Zeitrahmens nicht ursächlich gewesen sein konnte für die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers (vgl. VG Koblenz, Urteil vom 13.01.2015 – 4 K 215/14.KO –, juris).

Verzögerungen bei der Anhörung des Halters stehen damit der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nicht grundsätzlich entgegen. Das gilt insbesondere für diejenigen Fälle, in denen erkennbar ist, dass auch eine frühere Unterrichtung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Halter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung hinreichend mitzuwirken. Die verspätete Anhörung ist in solchen Fällen für die Erfolglosigkeit der Ermittlungen der Bußgeldbehörde nicht ursächlich. Maßstab für die Ursächlichkeit einer verspäteten Anhörung in diesem Sinne ist ein auskunftswilliger Fahrzeughalter. Sieht sich der Betreffende - etwa wegen Erinnerungslücken oder bei einer unzureichenden Fotodokumentation - beim besten Willen zur Identifizierung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person außerstande, erschöpfen sich die Mitwirkungsobliegenheiten nicht in dieser Feststellung. Vielmehr besteht weiterhin die Obliegenheit, jeden gleichwohl noch möglichen und zumutbaren Aufklärungsbeitrag zu leisten. Das bedeutet regelmäßig, zumindest den Kreis der potentiellen Tatzeitfahrer mitzuteilen und insbesondere konkrete Angaben dazu anzugeben, an welche Personen aus dem familiären oder sonstigen Umfeld das Fahrzeug üblicherweise oder auch nur vereinzelt verliehen wird. Denn auch durch die Benennung dieses Personenkreises können die behördlichen Ermittlungen noch wesentlich gefördert werden. Verletzt der Halter diese Obliegenheiten, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, von sich aus wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. VG Berlin, Urteil vom 14.11.2014 - 14 K 25.14 -, juris).

c. Der Antragsteller hat nach den geschilderten Grundsätzen eine mögliche Mitwirkung unterlassen. Es wäre ihm ohne weiteres möglich gewesen, den Personenkreis zu benennen, der ihn zu den Arztterminen nach Freiburg chauffierte. Ob und wie die zuständige Behörde dann weiterermittelt hätte, ist irrelevant, da ihr die Möglichkeit hierzu gar nicht gegeben wurde. Dem Antragsteller wurde auch ein Beweisfoto zugänglich gemacht. Ob ihm ein solches Foto zugeschickt wurde oder ob ihm dieses bei seinem Termin auf dem Polizeiposten gezeigt wurde, ist rechtlich bedeutungslos. Tatsächlich wurde dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt, den Fahrzeugführer anhand des Fotos zu identifizieren. Der Antragsteller hat bei seinem Termin auf dem Polizeiposten nach erfolgter Belehrung von seinem Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, als er sich als Beifahrer erkannte. Weitere Angaben zur Sache erfolgten nicht. Damit war die Feststellung des für die Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortlichen Fahrzeugführers in der Folgezeit trotz intensiver Ermittlungen nicht möglich.

3. Mit der Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuchs bleibt auch das Recht des Antragstellers gewahrt, sich oder andere Personen nicht bezichtigen zu müssen. Der Halter eines Kraftfahrzeugs, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, ist rechtlich nicht gehindert, von einem etwaigen Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeitenverfahren Gebrauch zu machen. Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, setzt als Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr nicht die Besorgnis voraus, dass künftig gerade der Fahrzeughalter als Fahrer seines Kraftfahrzeugs Verkehrszuwiderhandlungen begehen könnte. Sie soll vielmehr auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kraftfahrzeugs hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten. Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht. Ein solches „Recht“ widerspräche dem Zweck des § 31a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen, die auch der Kläger für sich gegenüber anderen in Anspruch nimmt (ständige Rechtsprechung, BVerwG, Beschluss vom 22.06.1995 - 11 B 7.95 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 9.11.1999 – 1 U 172/99 –, NZV 2000, S. 368).

4. Die Fahrtenbuchauflage ist aller Voraussicht nach weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig.

a. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setzt unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht voraus (BVerwG, Urteil vom 17.05.1995 - 11 C 12.94 -, BVerwGE 98, 227, NJW 1995, 2866 und Beschluss vom 09.09.1999 - 3 B 94.99 -, juris). Dabei ist ein wesentlicher Verkehrsverstoß nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig bereits dann anzunehmen, wenn er nach § 40 FEV i.V.m. der Anlage 13 zu dieser Verordnung (Fassung vom 13.12.2010) zu einer Eintragung mit mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.05.1995 – 11 C 12/94 –, BVerwGE 98, S. 227). Dies wäre hier bei dem Verkehrsverstoß vom 25.07.2014 ohne weiteres der Fall gewesen. Wie erwähnt, hätte die Verkehrsordnungswidrigkeit nach dem bis zum 28.02.2014 geltenden Bußgeldkatalog mit 80 Euro und einer Eintragung von drei Punkten im Verkehrszentralregister (vgl. Nr. 5.4. der Anlage 13) geahndet werden können. Wenn nach dem damaligen Punktesystem eine Fahrtenbuchauflage selbstverständlich möglich gewesen wäre, so gilt dies erst recht für das jetzt gültige Punktesystem. Da der Verkehrsverstoß mit einem Punkt hätte geahndet werden können, liegt ein wesentlicher Verkehrsverstoß vor. Nach dem Willen des Verordnungsgebers sollen nämlich nur noch solche Verkehrsverstöße mit einem Punkt bedroht sein, die im Zusammenhang mit der Verkehrssicherheit stehen.

b. Auch die Dauer der Fahrtenbuchauflage ist rechtlich wohl nicht zu beanstanden. Maßgeblich dafür, ob und ggfs. für wie lange die Führung eines Fahrtenbuchs angeordnet wird, ist zum einen die Schwere des in Rede stehenden Verkehrsverstoßes und zum anderen, ob es sich um einen erstmaligen unaufgeklärten Verstoß mit einem Fahrzeug des Betroffenen oder um einen Wiederholungsfall handelt. Zwar liegt hier - soweit ersichtlich - kein Wiederholungsfall vor, jedoch handelt es sich im vorliegenden Fall um einen derart schwerwiegenden Verkehrsverstoß, dass hier schon der einmalige Verstoß die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage für die Dauer von einem Jahr rechtfertigt. Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist gerade keine Bestrafung, sondern dient der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs und stellt eine Maßnahme der vorbeugenden Gefahrabwehr dar. Sie soll - wie erwähnt - auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kraftfahrzeugs hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten, soweit verschiedenen Fahrern die Benutzung des Fahrzeugs gestattet ist. Um dies effektiv zu erreichen, ist eine gewisse Mindestdauer der Führung der Fahrtenbuchs erforderlich. Kann ein gravierender Verkehrsverstoß wie der vorliegende mangels Mitwirkung des für das Fahrzeug verantwortlichen Halters nicht aufgeklärt werden, ist ihm auch zuzumuten, für ein Jahr ein Fahrtenbuch zu führen (so bereits VG Sigmaringen, Beschluss vom 10.04.2015 - 5 K 734/15).

c. Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden (BVerwG, Urteil vom 28.02.1964 - VII C 91/61 -, BVerwGE 18, S. 107). Um dies effektiv zu erreichen, ist eine gewisse Dauer der Führung des Fahrtenbuches erforderlich. Die Dauer der Fahrtenbuchanordnung von zwölf Monaten rechtfertigt sich ohne weiteres angesichts des vorliegenden erheblichen Verkehrsverstoßes und ist insoweit auch nicht unverhältnismäßig. Nach allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung - zum bisher gültigen Punktesystem - rechtfertigt bereits die erstmalige Begehung eines nach dem sog. Punktsystem gemäß § 40 FeV wenigstens mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches, ohne dass es darauf ankommt, ob im Einzelfall Umstände vorliegen, welche die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes erhöhen (BVerwG, Urteil vom 17.05.1995 – 11 C 12/94 –, BVerwGE 98, S. 227; VGH Baden-​Württemberg, Urteil vom 16.04.1999 – 10 S 114/99 –, NZV 1999, S. 396). Dann kann für das neue Punktesystem nichts anderes gelten.

Insbesondere hat das Landratsamt bei der Bemessung der Dauer der Auflage berücksichtigt, dass das Fahrzeug des Antragstellers in nächster Zeit von vielen verschiedenen Personen benutzt werden wird. Der Antragsteller trägt selbst vor (Schriftsatz vom 11.03.2015), er werde das Fahrzeug frühestens im August 2015 „annähernd“ alleine benutzen. Bis dahin sei er auf Grund der Augenbehandlung darauf angewiesen, dass ihn andere Personen fahren. Das damit verbundene Risiko, dass zukünftig derartige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muss die Rechtsordnung nicht hinnehmen. Im Übrigen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Halter sich künftig in einer vergleichbaren Konstellation anders als im vorliegenden Fall verhalten und der Fahrer daher voraussichtlich rechtzeitig zu ermitteln sein wird. Gegenteiliges ist auch unter Berücksichtigung des Verhaltens des Antragstellers im Bußgeldverfahren nicht ersichtlich.

5. Die weitere Konkretisierung der Fahrtenbuchauflage in der angefochtenen Verfügung entspricht den Vorgaben des § 31a Abs. 2 u. 3 StVZO. Auch die verfügte Vorlage, das Fahrtenbuch erstmals in der 24. Kalenderwoche 2015 vorzeigen zu müssen, dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein.

6. Das erforderliche sofortige Vollzugsinteresse hat das Landratsamt zu Recht damit gerechtfertigt, die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Fahrzeuglenkers sei im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung im Straßenverkehr gerechtfertigt. Die sich aus der sofort vollziehbaren Fahrtenbuchauflage ergebenden Beschwernisse für den Antragsteller müssten hinter das öffentliche Interesse an der jederzeitigen Feststellbarkeit des Fahrzeuglenkers zugunsten der Sicherheit im Straßenverkehr zurücktreten. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 46.11 des Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wegen der aufgrund des angeordneten Sofortvollzugs anzunehmenden Vorwegnahme der Hauptsache ist der ermittelte Wert (400 Euro pro Monat für ein Jahr) nicht zu halbieren (vgl. VGH Baden-​Württemberg, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 S 3350/08 -, juris).