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OLG München Urteil vom 13.02.2015 - 10 U 2755/12 - Unterhaltsberechnung nach Unfall des Ehemanns

OLG München v. 13.02.2015: Unterhaltsbemessung nach Unfall des Ehemanns


Das OLG München (Urteil vom 13.02.2015 - 10 U 2755/12) hat entschieden:
  1. Hat das Gericht während des Verfahrens mehrfach darauf hingewiesen, dass in seine Unterhaltsberechnung der zwischen den Parteien unstreitig vereinbarte Haushaltsführungsschaden nicht miteingeflossen ist, darf der Zahlungspflichtige den Naturalunterhalt nicht mit den vom Gericht berechneten Unterhaltsbeträgen verrechnen.

  2. Kann weder mit Sicherheit gesagt werden, wann einer der Unterhaltsberechtigten seine Berufsausbildung beginnen wird, noch wann der verunglückte Ehemann der weiteren Unterhaltsberechtigten verrentet worden wäre, sind die Unterhaltsansprüche nicht zu befristen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 28. Februar 2007, XII ZR 37/05).


Siehe auch Prognosebildung bezüglich des hypothetischen Zukunftseinkommens und Unterhaltsschaden nach teilweise oder ganz unverschuldetem Verkehrsunfall


Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Mit Endurteil vom 30.05.2012 (Bl. 299/314 d. A.) hat das Landgericht Ingolstadt der Klage unter Abweisung der Ansprüche im Übrigen teilweise stattgegeben.

Hiergegen legte die Beklagte Berufung (Bl. 321/322 und 327/352 d. A.) und die Kläger Anschlussberufung (355/371 d. A.) ein.

Mit Endurteil vom 31.10.2014 (Bl. 527/547 d. A.) änderte der Senat auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 30.05.2012 in Ziffern 1, 3, 5, 6 und 8 ab und verurteilte die Beklagte u.a., monatlich im Voraus ab 01.10.2013 an die Klägerin zu 1) 683,57 € und an den Kläger zu 3) 703,54 € zu bezahlen. Im Übrigen wies der Senat die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger zurück.

Unstreitig leistete die Beklagte für den Kläger zu 3) für das 4. Quartal 2013 und für die Quartale 1 mit 3/2014 monatlich je 300,34 € an den Kläger zu 3). Nach den vorliegenden Excel-​Berechnungen der Parteivertreter hat die Beklagte bis 30.09.2013 auf die Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) 22.833,17 € sowie auf die Unterhaltsansprüche der Kläger zu 2) und 3) jeweils 28.108,91 € geleistet.

Unter dem 18.11.2014 (Bl. 556/557 d. A.) beantragte die Beklagte, den Tatbestand zu ergänzen, da die für den Kläger zu 3) unstreitig geleisteten monatlichen 300,34 € nicht berücksichtigt seien. Die Klagepartei beantragte unter dem 15.12.2014 (Bl. 565 d. A.) den Tatbestand dahingehend zu berichtigen, dass in den Zahlbeträgen der völlig unstreitige Naturalunterhalt in Höhe von 100,00 € je Kind und 200,00 € für die Klägerin zu 1) nicht als Rechnungsposten mit angesetzt sei.

Mit Schriftsätzen vom 19.11.2014 (Bl. 558/560 d. A.) und vom 20.11.2014 (Bl. 561/562 d. A.) beantragte die Beklagte eine Urteilsergänzung dahingehend, dass die Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) bis zur hypothetischen Verrentung des Verstorbenen zu befristen seien, die Ansprüche des Klägers zu 3) bis zum Beginn einer Berufsausbildung. Der Senat habe gegen den Grundsatz „ne ultra petita“ verstoßen, da die Klagepartei selbst für den Kläger zu 3) nur Unterhalt bis zum Beginn der Berufsausbildung beantragt habe.

Mit Beschluss vom 12.01.2015 (Bl. 570/571a d. A.) berichtigte der Senat den Tatbestand des Endurteils des Oberlandesgerichts München vom 31.10.2014, Az.: 10 U 2755/12, dahingehend, dass die Beklagte für das 4. Quartal 2013 und für die Quartale 1 mit 3/2014 monatlich je 300,34 € an den Kläger zu 3) geleistet hat. Nach den vorliegenden Excel-​Berechnungen der Parteivertreter hat die Beklagte bis 30.09.2013 auf die Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) 22.833,17 € sowie auf die Unterhaltsansprüche der Kläger zu 2) und 3) jeweils 28.108,91 € geleistet.

Der Antrag der Kläger auf Urteilsberichtigung wurde im gleichen Beschluss zurückgewiesen, da eine Berichtigung im Sinne von § 319 ZPO mangels offensichtlicher Unrichtigkeit nicht möglich und die Frist für eine Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO verstrichen sei. In seinem Berichtigungsbeschluss stellte der Senat klarstellend heraus, dass der Haushaltsführungsschaden, den die Parteien übereinstimmend als „Naturalunterhalt“ bezeichnet haben, nicht Teil der Unterhaltsschadensberechnung des Senats war.

Mit Schriftsatz vom 30.01.2015 (Bl. 575/576 d. A.) erklärte die Beklagte zu ihrem Antrag vom 18.11.2014, dass in den Zahlungen an den Kläger zu 3) von monatlich 300,34 € für den Zeitraum 01.10.2013 mit 30.09.2014 jeweils 100,00 € Naturalunterhalt enthalten gewesen seien, somit nur 200,34 € auf den Unterhalt anzurechnen seien.

Zuletzt beantragte der Kläger,
die Beklagte wird verurteilt, monatlich im Voraus an die Klägerin zu 1) ab 01.10.2013 683,57 € bis zum Zeitpunkt der fiktiven Verrentung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin zu 1) und an den Kläger zu 3) monatlich im Voraus vom 01.10.2013 mit 30.09.2014 je 503,20 € und ab 01.10.2014 703,54 € bis zum Beginn dessen Berufsausbildung zu bezahlen.
Die Beklagten räumen weitere Zahlungen an den Kläger zu 3) ein, wenden sich allerdings gegen eine Befristung der Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) wie auch des Klägers zu 3).

Sie betonen, dass der Senat die Unterhaltsbeträge zwar ohne den Naturalunterhalt errechnet habe, die Beklagte aber in ihren Unterhaltsbeträgen den Naturalunterhalt verrechne.

Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren mit Schriftsätzen vom 16.12.2014 (Bl. 566 d. A.) und 29.12.2014 (Bl. 568/569 d. A.) zugestimmt.


II.

1. Der Antrag der Beklagten auf Erlass eines Ergänzungsurteils ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß gem. § 321 Abs. 2 ZPO gestellt worden. Der Antrag ist auch insbesondere deshalb zulässig, weil er nicht lediglich die Korrektur einer inhaltlich falschen Entscheidung zum Ziel hat, sondern auf die Schließung einer - auch nur vermeintlichen - Entscheidungslücke gerichtet ist. Dies ist für die Zulässigkeit des Antrags ausreichend. Die Frage, ob das Urteil tatsächlich lückenhaft ist, ist bei der Prüfung der Begründetheit des Urteilsergänzungsantrags zu entscheiden (BGH NJW 2006, 1351, 1352).

2. Der Antrag der Beklagten ist jedoch nur teilweise begründet.

a) Unstreitig haben sie für den Kläger zu 3) für die Zeit vom 01.10.2013 bis 30.09.2014 für den Kläger zu 3) monatliche Unterhaltsbeträge von 300,34 € bezahlt. Da insoweit der Unterhaltsanspruch des Klägers zu 3) durch Erfüllung erloschen ist (§ 362 Abs. 1 BGB), war das Urteil in Ziffer I. 6. entsprechend abzuändern.

Der Senat hat während des Verfahrens mehrfach darauf hingewiesen (Protokoll vom 21.03.2014, Bl. 496/498 d. A.; Hinweise Bl. 507/511 d. A.), dass in seine Unterhaltsberechnungen nicht der zwischen den Parteien unstreitig vereinbarte Haushaltsführungsschaden miteingeflossen ist. Diesen hat die Beklagte über die Unterhaltsleistungen hinaus zu entrichten. Soweit nun die Beklagte zu 1) erstmals im Schriftsatz vom 30.01.2015, wohl aufgrund der Tatbestandsberichtigung des Senats vom 12.01.2015 (Bl. 570/571 a d. A.) eine Verrechnung vornimmt und damit von der bisher vorgenommenen und dem Senat gegenüber erklärten Handhabung abweicht, ist dies einseitig und nach Urteilserlass nicht mehr möglich.

Auch in die Berechnung des rückständigen Unterhalts ist der sog. Naturalunterhalt nicht miteingeflossen. Das heißt, dass die Beklagte über die ausgeurteilten rückständigen und künftigen Unterhaltsansprüche hinaus zusätzlich den zwischen den Parteien unstreitigen Naturalunterhalt zu leisten hat.

b) Soweit die Beklagte einen Verstoß gegen den Grundsatz „ne ultra petita“ rügt, kann sie hiermit im Urteilsergänzungsverfahren nicht gehört werden. Die Korrektur einer - vermeintlich - inhaltlich falschen Entscheidung ist ausschließlich im Rechtsmittelweg möglich.

c) Der Senat hat die Unterhaltsansprüche sowohl der Klägerin zu 1) wie auch des Klägers zu 3) deshalb nicht befristet, weil es sich hier um künftige nicht zuverlässig vorhersehbare Ereignisse handelt (BGHZ 171, 206, 228; OLG Köln FamRZ 1980, 398; OLGR Hamburg 2007, 184; Zöller-​Vollkommer, ZPO, 30. Auflage 2014, § 323 ZPO Rz. 30). Weder kann derzeit mit Sicherheit gesagt werden, ob und wann der Kläger zu 3) seine Berufsausbildung beginnen wird, noch wann der verunglückte Ehemann der Klägerin zu 1) verrentet worden wäre. Dies sind zukünftige Ereignisse, die gegebenenfalls im Abänderungsverfahren geltend zu machen sind.


III.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung verbleibt es im Hinblick auf die relativ geringfügige Änderung bei der bisherigen Entscheidung. Die Kosten des Ergänzungsverfahrens sind solche des Rechtsstreits (Thomas/Putzo-​Reichold, 34. Aufl. 2013, § 321 Rz. 5, § 319 Rz. 11).

Gebühren fallen nicht an, § 19 Abs. 1 Nr. 6 RVG.


IV.

Hinsichtlich der Vollstreckbarkeit verbleibt es ebenfalls bei der bisherigen Entscheidung.