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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 01.07.2015 - 22 U 35/14 - Kenntnisbeginn im Rahmen des § 199 BGB nach Verkehrsunfall während laufendem Ermittlungsverfahren

OLG Frankfurt am Main v. 01.07.2015: Kenntnisbeginn im Rahmen des § 199 BGB nach Verkehrsunfall während laufendem Ermittlungsverfahren


Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.07.2015 - 22 U 35/14) hat entschieden:
  1. Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 199 BGB zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist

  2. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB bereits in dem Augenblick entsteht, in dem mehrere Ersatzpflichtige dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, also mit der Begründung der Gesamtschuld; er besteht zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch und wandelt sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um. Hieraus folgt, dass der Ausgleichsanspruch unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch einer einheitlichen Verjährung unterliegt. Auch soweit er auf Zahlung gerichtet ist, ist er mit der Begründung der Gesamtschuld im Sinne des § 199 BGB entstanden.

  3. Kenntnis hat der Gläubiger vielmehr schon dann, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen den Anspruch, wenn auch nur im Wege der Feststellungsklage, mit hinreichender Aussicht auf Erfolg einklagen kann. Dabei muss bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht bestehen, dass die Klage dem Gläubiger zumutbar ist, die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag; denn in diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit einer Klageerhebung.

  4. Ist das strafrechtliche Ermittlungsverfahren im Zeitpunkt der Akteneinsicht durch die Behörde, was die Umstände des Unfalls angeht, weitgehend ausermittelt und liegen die wesentlichen Zeugenaussagen zum Unfallhergang vor, ergeben sich unabhängig von der Frage einer strafrechtlichen Verurteilung ausreichende Anhaltspunkte für eine Haftungsverteilung gemäß § 17 StVG und auch für entsprechenden Gesamtschuldregress in Form einer Quote, ebenfalls gemäß § 17 Abs. 1 StVG, so endet die Hemmung der Verjährung.

Siehe auch Verjährung von Ansprüchen in der Unfallregulierung und Maßgeblichkeit der Kenntniserlangung für die Verjährung einer Regressforderung


Gründe:

I.

Das klagende Land macht gegen die Beklagten Regressansprüche aus einem Verkehrsunfall vom ...11.2007 geltend. Die Beklagte zu 1) ist die Halterin und Fahrerin des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen X, das am Unfalltag in eine Kollision mit dem im Eigentum des klagenden Landes stehenden Dienstfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen Y verwickelt war. Die Beklagte zu 2) ist die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1). Das Einsatzfahrzeug befand sich auf einer Einsatzfahrt und befuhr den linken Fahrstreifen der Straße 1 aus Richtung … kommend in nördlicher Richtung mit eingeschaltetem Martinshorn und Blaulicht. Die Beklagte zu 1) befuhr die Straße 2 aus Richtung Straße 3 kommend in Richtung Straße 1.

Die Polizeikommissarin P fuhr bei Rotlicht zeigender Lichtzeichenanlage in die Kreuzung ein. In diesem Moment querte die Beklagte zu 1) die Straße 1. Das Einsatzfahrzeug stieß mit seiner Fahrzeugfront gegen den hinteren rechten Seitenbereich des Pkws, der um 90 Grad nach rechts verdreht wurde und seitwärts gegen zwei geparkte Fahrzeuge geschleudert wurde.

Die Beklagte zu 1) ist schwerhörig und muss ständig ein Hörgerät tragen. Sie stand im Unfallzeitpunkt unter Einfluss von Cannabis. Gegen die Fahrer beider Fahrzeuge wurde bei der Staatsanwaltschaft … unter dem Aktenzeichen …/07 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der zuständige Sachbearbeiter der Oberfinanzdirektion … erhielt im April 2008 und im Februar 2009 Akteneinsicht in die Ermittlungsakte. Unter dem 16.07.2008 wurde gegen die Fahrerin des Dienstfahrzeugs Anklage erhoben, nachdem bereits verschiedene Gutachten eingeholt worden waren. Unter dem 20.10.2011 lehnte das Amtsgericht Offenbach die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Das Landgericht Darmstadt hob diesen Beschluss am 10.01.2012 auf und eröffnete das Hauptverfahren. Unter dem 23.03.2012 wurde das Verfahren gemäß § 153 a StPO eingestellt.

Das klagende Land meldete unter dem 20.07.2012 seine Ansprüche bei der Beklagten zu 2) an und bezifferte sie unter dem 28.08.2012. Die Beklagte zu 2) lehnte eine Ersatzpflicht unter dem 29.11.2012 ab. Das klagende Land reichte daraufhin unter dem 26.04.2013 Klage ein, die unter dem 16.05.2013 den Beklagten zugestellt wurde. Es begehrt damit Ersatz des eigenen Sachschadens sowie Regress wegen Leistungen, die gegenüber Drittgeschädigten erbracht worden sind.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass etwaige Ansprüche verjährt seien. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger entsprechende Kenntnis erlangt habe. Das klagende Land habe spätestens im Februar 2009 von allen anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Verjährungsfrist habe deshalb mit Ablauf des 31.12.2012 geendet, so dass die am 26.04.2013 eingegangene Klage verspätet sei.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der sie rügt, dass das Landgericht übersehen habe, dass durch die Anmeldung der Schadensersatzansprüche bis zur Ablehnung durch die Beklagte zu 2) die Verjährung gehemmt gewesen sei. Darüber hinaus habe eine dem § 199 BGB entsprechende Kenntnis des klagenden Landes im Jahr 2009 noch nicht vorgelegen, da das Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte zu 1) mit Datum vom 16.07.2008 eingestellt worden sei. Das klagende Land sei gehalten gewesen, den weiteren Gang des Strafverfahrens abzuwarten. Über die Zulassung der Anklage sei jedoch erst am 20.10.2011 entschieden worden.

Das klagende Land beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an es 40.730,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2012 zu zahlen; sowie die Beklagten weiterhin als Gesamtschuldner zu verurteilen, das klagende Land von 1.530,58 € vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führen aus, dass die Verjährung bereits im Jahre 2008 begonnen habe. Deshalb komme es auf die Frage der Hemmung nicht an. Das klagende Land wäre gehalten gewesen, spätestens 2008 als denkbar einzustufende Ansprüche bei der Beklagten geltend zu machen und zu vereinbaren, einen Verjährungsverzicht bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeit zu erklären.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und überreichten Unterlagen Bezug genommen.


II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend die dreijährige Verjährungsfrist des § 199 BGB eingreift. Die vom Landgericht zugrunde gelegten Umstände rechtfertigen jedoch nicht den Eintritt der Verjährung. Die Berufung weist zu Recht darauf hin, dass das Landgericht übersehen hat, dass die Verjährung gemäß § 115 Abs. 3 VVG vom Zeitpunkt der Anmeldung bis zur Ablehnung der Ansprüche durch die Beklagte zu 2) gehemmt war. Dabei handelte es sich vorliegend um einen Zeitraum von vier Monaten und neun Tagen, der ausreicht, die nach Auffassung des Landgerichts am 31.12.2012 endende Verjährungsfrist solange hinauszuschieben, dass die am 26.04.2013 eingereichte Klage mit anschließender alsbaldiger Zustellung gemäß § 167 ZPO ausreichte, die Verjährung erneut zu hemmen.

Die Berufung hat im Ergebnis dennoch keine Aussicht auf Erfolg, da vorliegend bereits im Jahre 2008 dem Sachbearbeiter der Oberfinanzdirektion sämtliche Umstände bekannt waren, die für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 BGB notwendig waren.

Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 199 BGB zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist (vgl. nur BGH 12.05.09, VI ZR 294/08; BGH 28.02.2012, VI ZR 9/11).

Vorliegend macht das klagende Land neben einem Eigenschaden auch Regress für Schäden geltend, die an umliegenden Häusern und Pkws entstanden sind sowie Beerdigungskosten und Behandlungskosten der im Fahrzeug der Beklagten zu 1) befindlichen Insassen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Aufstellung in der Klageschrift Bezug genommen.

Eigene Schadensersatzansprüche und auch Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 1 BGB verjähren in gleichem Umfang. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB bereits in dem Augenblick entsteht, in dem mehrere Ersatzpflichtige dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, also mit der Begründung der Gesamtschuld; er besteht zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch und wandelt sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um (BGH 18.06.09, VII ZR 167/08 m. w. N.). Hieraus folgt, dass der Ausgleichsanspruch unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-​, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch einer einheitlichen Verjährung unterliegt. Auch soweit er auf Zahlung gerichtet ist, ist er mit der Begründung der Gesamtschuld im Sinne des § 199 BGB entstanden. Ein solches Verständnis mit der Folge einer relativ frühzeitigen Verjährung des Ausgleichsanspruchs belastet den Ausgleichsberechtigten nicht unbillig. Er ist hinreichend durch das zusätzliche Erfordernis des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geschützt. Es bedarf daher keiner weiteren Einschränkung hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist im Hinblick darauf, dass ein Gesamtschuldner sich seines Ausgleichsanspruchs vor seiner Inanspruchnahme durch den Gläubiger möglicherweise häufig nicht bewusst ist.

Ein Anspruch ist im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB entstanden, wenn er geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Das ist grundsätzlich der Zeitpunkt seiner Fälligkeit. Die Möglichkeit der Bezifferung ist nicht notwendig, ausreichend ist die Möglichkeit einer Feststellungsklage. Für eine Kenntnis aller Umstände, die einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB begründen, ist es erforderlich, dass der Ausgleichsberechtigte Kenntnis von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen, von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, sowie von denjenigen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen, und schließlich von den Umständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen.

Die erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners hat der Gläubiger allerdings nicht erst dann, wenn der Anspruch bewiesen ist oder der Gläubiger selbst keinerlei Zweifel mehr hat. Kenntnis hat der Gläubiger vielmehr schon dann, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen den Anspruch, wenn auch nur im Wege der Feststellungsklage, mit hinreichender Aussicht auf Erfolg einklagen kann. Dabei muss bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht bestehen, dass die Klage dem Gläubiger zumutbar ist, die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (vgl. nur BAG MDR 2013, Seite 1108; BGH 26.09.2012, VIII ZR 240/11). Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag; denn in diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit einer Klageerhebung (BGH 15.06.2010, XI ZR 309/09).

Dies bedeutet nicht, dass der Prozess für den Kläger risikolos erscheinen muss (OLG Hamm, MDR 2013, 1173). Deshalb hindert der fehlende Abschluss eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens oder anderer Verfahren den Eintritt der Kenntnis für sich genommen nicht. Entscheidend ist die Kenntnis der Tatsachen, aus denen der Anspruch abzuleiten ist. Wie dargelegt, kommt es auf die rechtliche Würdigung der erkannten Tatsachen ebenso wenig an wie darauf, ob der Gläubiger die tatsächlichen Voraussetzungen seines Anspruchs zutreffend bewertet. Anders ist es ausnahmsweise, wenn der Gläubiger wegen der verwickelten und zweifelhaften Rechtslage daran gehindert ist, Anspruch und Schuldner überhaupt zu erkennen, oder wenn das Vorliegen einer Anspruchsvoraussetzung aufgrund der bekannten Tatsachen rechtlich schwierig zu beantworten und die Rechtsfrage durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt ist (BGH MDR 99, 963). Entscheidend ist, ob der Gläubiger sich aufgrund der ihm bekannten Tatsachen erforderlichenfalls erfolgreich beraten lassen kann.

Angesichts dieser Grundsätze ist vorliegend zwingend davon auszugehen, dass dem Sachbearbeiter der Oberfinanzdirektion bereits im Jahre 2008 ausreichende Unterlagen zur Verfügung standen, um eine aussichtsreiche Feststellungsklage gegen die Beklagten einzuleiten.

So waren sämtliche Schadenspositionen am Fahrzeug des klagenden Landes sowie an Immobilien und anderen Fahrzeugen bereits 2007 und 2008 bekannt und beziffert. Es war weiter bereits nach dem Unfall bekannt, dass die Insassen des Fahrzeugs der Beklagten erheblich verletzt und zum Teil getötet worden waren. Mithin waren auch bereits kurz nach dem Unfall Regressansprüche gegen die Beklagten aus der Haftung des klagenden Landes gemäß §§ 7, 17 StVG dem Grunde nach bekannt.

Ebenso war die Person des Schädigers bzw. des Regressverpflichteten und Mitgesamtschuldners in Form der Beklagten zu 1) und ihrer Versicherung bekannt.

Im Zeitpunkt der Akteneinsicht durch die Oberfinanzdirektion unter dem 07.04.2008 (Bl. 357 der Ermittlungsakte) war das Ermittlungsverfahren, was die Umstände des Unfalls angeht, weitgehend ausermittelt. Es lagen die wesentlichen Zeugenaussagen vor sowie die Gutachten über den Cannabiskonsum der Beklagten zu 1) und den Unfallhergang. Daraus ergab sich zwar eine für die Situation deutlich überhöhte Geschwindigkeit des Dienstfahrzeugs, es konnte aber mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass ein Nachweis durch die Beklagten, dass sich der Unfall für sie als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellen würde, nicht geführt werden konnte. Mithin ergaben sich, unabhängig von der Frage einer strafrechtlichen Verurteilung, ausreichende Anhaltspunkte für eine Haftungsverteilung gemäß § 17 StVG und auch für entsprechenden Gesamtschuldregress in Form einer Quote, ebenfalls gemäß § 17 Abs. 1 StVG.

Die Frage, ob die Voraussetzungen einer Strafbarkeit gemäß § 222 StGB (fahrlässige Tötung) bei den beiden Fahrern vorlagen, war dafür nur zweitrangig. Im Rahmen der Haftungsverteilung des StVG kommt es auf Verschulden nur nachrangig an. Maßgeblich ist gemäß den §§ 7, 17 StVG das Maß der jeweiligen objektiven Mitverursachung, das durch unterschiedliche Sorgfaltsverstöße verändert wird. Die Frage eines Verschuldens kann bei Abwägung der Verursachungsanteile im Rahmen der Gefährdungshaftung zwar grundsätzlich berücksichtigt werden, allerdings lediglich als ein Bestandteil der Verursachungsabwägung, und nur dann, wenn es sich um besonders herausragendes Verschulden handelt (vgl. nur BGH 20.01.98, VI ZR 59/97; 01.12.09, VI ZR 221/08; 20.09.11, VI ZR 282/10; zusammenfassend Schauseil MDR 08, 360: „Grob verkehrswidrig und rücksichtslos“).

Unter Berücksichtigung aller Umstände steht für den Senat deshalb fest, dass es dem klagenden Land zumutbar gewesen wäre, bereits im Jahre 2008 nach Akteneinsicht die Beklagten auf Feststellung ihrer Ersatz- und Ausgleichspflicht gemäß § 17 StVG in Anspruch zu nehmen, auch wenn die genaue Quotierung und die Bezifferung der Ansprüche noch nicht feststanden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anhaltspunkte für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 ZPO).