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Landgericht Frankenthal Urteil vom 04.03.2015 - 2 S 285/14 - Angemessene Kosten bei Verunreinigung der Bundesautobahn

LG Frankenthal v. 04.03.2015: Darlegungs- und Beweislast für angemessene Kosten bei Verunreinigung der Bundesautobahn


Das Landgericht Frankenthal (Urteil vom 04.03.2015 - 2 S 285/14) hat entschieden:
Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren das Ausmaß der klägerseits vorgetragenen Fahrbahnverschmutzung und insoweit im weiteren die Höhe der Straßenreinigungskosten in Frage stellt, bedarf es eines konkreten Vortrages dahingehend, welche Positionen und Preise der Rechnung über die Straßenreinigung bestritten werden und welche Preise nach Ansicht des Beklagten die angemessenen sein sollen, also welche Kostenansätze aus Sicht des Beklagten falsch sind und wie die Kosten richtigerweise zu berechnen wären. Nicht ausreichend ist dagegen der Vortrag, das Erstgericht habe fehlerhaft nicht über das behauptete Verschmutzungsausmaß Beweis erhoben sowie darüber, ob sämtliche in Rechnung gestellten Positionen nach Art und Umfang tatsächlich angefallen seien.


Siehe auch Entsorgungskosten - Fahrbahnreinigung nach einem Verkehrsunfall und Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Unfallregulierung


Gründe:

Die Klägerin macht rechtliche Schadensersatzansprüche wegen der Verunreinigung der Bundesautobahn A 61, Höhe Parkplatz „Auf dem Hahnen“ am 26.03.2012 geltend. Zur Darstellung des Sachverhalts kann auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen werden.

Hiervon ausgehend führt die zulässige Berufung der Beklagten in der Sache nicht zum Erfolg. Der Erstrichter hat zu Recht die Beklagte zur Zahlung der noch offenstehenden Straßenreinigungskosten nach Maßgabe der Rechnung der Firma G… vom 28.03.2012 gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 S. 1 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG verurteilt.

Berufungsrechtlich relevante Angriffe hiergegen werden nicht geführt.

Soweit die Berufung das klägerseits behauptete Ausmaß der Fahrbahnverschmutzung in Frage stellt und die Unterlassung einer Beweiserhebung insoweit seitens des Erstgerichts rügt, kann dahinstehen, ob in dem Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 25.09.2013 ein deklaratorisches Anerkenntnis liegt, wofür im Hinblick darauf, dass im diesen Schreiben ausdrücklich auf den beigefügten Prüfbericht Bezug genommen wird und auch keine Einschränkung dahingehend erfolgte, dass die Zahlung etwa ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolge, gute Gründe bestehen. Letztlich kommt es darauf deshalb nicht an, weil die Berufung nicht erkennen lässt, welche Positionen und Preise der in erster Instanz vorgelegten Rechnung der Firma G… e.K. vom 28.03.2012 bestritten werden und welche Preise nach Ansicht der Beklagten die angemessenen sein sollen. Rügt die Berufung - wie hier - übergangenen Sachvortrag in erster Instanz, so hat sie im Berufungsverfahren ganz konkret zu rügen, welche Kostenansätze aus ihrer Sicht falsch sind und wie die Kosten richtigerweise zu berechnen wären. Denn grundsätzlich genügt ein Unternehmer seiner Darlegungslast durch Vorlage einer nachvollziehbaren Rechnung eines Fachunternehmens. In diesem Falle kann sich der Vertragspartner nicht darauf beschränken, die dort angesetzten Kostenpositionen lediglich pauschal zu bestreiten. Konkreter Sachvortrag im oben dargelegten Sinne ist der Berufungsbegründung nicht zu entnehmen. Der Vortrag, das Gericht habe fehlerhaft nicht über das behauptete Verschmutzungsausmaß Beweis erhoben sowie darüber, ob sämtliche in Rechnung gestellten Positionen nach Art und Umfang tatsächlich angefallen seien, was von der Beklagten ebenfalls bestritten wird, reicht dafür nicht aus.

Der Geschädigte kann statt der Herstellung den zur Schadensbeseitigung erforderlichen Geldbetrag, also die Instandsetzungskosten beanspruchen. Diese bestehen in den Aufwendungen, die ein verständig und wirtschaftlich Handelnder in der besonderen Lage des Geschädigten zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands machen würde. Dabei hat er im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg zu wählen (BGHZ 61, 346; BGH Urteil v. 23.02.2010, VI. ZR 91/09). Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot verlangt vom Geschädigten allerdings nicht, zugunsten des Schädigers unter allen Umständen zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGHZ 100, 15, 364 ff.). Denn in letzterem Falle wird der Geschädigte nicht selten überobligatorische Anstrengungen zugunsten des Schädigers machen, die dieser vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf nämlich im Rahmen von § 249 Abs. 2 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (BGH, Urteil vom 07.05.1996, VI. ZR 138/95; Steffen, NJW 1995, 2057 ff.). Gerade im Hinblick darauf stellt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung auf eine subjektbezogene Betrachtung ab, indem er Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuelle Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten nimmt (BGHZ 115, 364 ff.).

Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich durchweg innerhalb der für die Schadensberechnung gezogenen Grenzen, wenn er sich auf den für ihn örtlich und zeitlich relevanten Markt begibt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.12.2014 (VI. ZR 138/14), in der klar gestellt wird, dass auch im Falle der besonderen individuellen Lage einer Fachbehörde nicht auf deren unbegrenzte Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten losgelöst von der tatsächlichen Marktsituation geschlossen werden kann. Eine eigenständige Bedeutung bei der Ermittlung der üblichen Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB komme dieser Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht zu.

Dass vorliegend für die Klägerin gerade im Hinblick auf die besondere Gefahrenlage und die bestehende Eilsituation im Falle der Verschmutzung einer Bundesautobahn die Möglichkeit bestand, ein anderes Drittunternehmen zu günstigeren Konditionen zu beauftragen, trägt die Berufung nicht vor. Dafür wäre erforderlich, dass im Einzelnen vorgetragen wird, welcher Sachvortrag in erster Instanz dazu gehalten und übergangen wurde, welches konkrete Unternehmen in erreichbarer Nähe bereit gewesen wäre, die Verunreinigung zu beseitigen und zu welchem, günstigeren Preis diese Aufgabe übernommen worden wäre. Soweit die Beklagte sich auf eine Rahmenvereinbarung mit der Ortsgemeinde R... bezieht, ist dies für das vorliegende Verfahren ohne Belang. Es ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass derartige Vereinbarungen auch für eine Bundesautobahn im hiesigen Bereich erreichbar wären.

Im Hinblick darauf ist der Berufung der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlagen in §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Der Streitwert wurde in Anwendung von § 3 ZPO bestimmt.