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Verwaltungsgericht Regensburg Urteil vom 17.09.2015 - RO 5 K 14.855 - Halte- und Parkregelungen zum Be- und Entladen an engen Straßenstellen

VG Regensburg v. 17.09.2015: Halte- und Parkregelungen zum Be- und Entladen an engen Straßenstellen




Das Verwaltungsgericht Regensburg (Urteil vom 17.09.2015 - RO 5 K 14.855) hat entschieden:

  1.  Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO ist das Halten unzulässig an engen und an unübersichtlichen Straßenstellen. Die Vorschrift dient der Sicherstellung ausreichenden Raums für den fließenden Verkehr. Eng ist eine Straßenstelle nach der Rechtsprechung in der Regel dann, wenn der zur Durchfahrt insgesamt frei bleibende Raum für ein Fahrzeug höchstzulässiger Breite von 2,55 m (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 1 StVZO) zuzüglich 0,50 m Seitenabstand bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde. Dabei ist die Gegenfahrbahn mit zu rechnen. Dementsprechend muss ein Haltender grundsätzlich eine Fahrbahnbreite von etwa 3 m zum gegenüberliegenden Fahrbahnrand freihalten.

  2.  Besteht an einer Stelle ohnehin ein gesetzliches Halteverbot, ist die zusätzliche Anordnung eines eingeschränkten Haltverbots rechtswidrig; in Betracht kommt dann nur die Anordnung eines Parkverbots, um den verkehrsrechtlich schutzwürdigen Gebrauch eines Anliegers an der ungehinderten Benutzung seiner Ein- und Ausfahrt zu gewährleisten.


Siehe auch
Schmale Straße - enger Straßenteil
und
Verkehrsrechtliche Anordnungen von Halt- und Parkeinschränkungen

Tatbestand:


Die Kläger begehren die Anordnung eines absoluten Halteverbots anstatt des derzeit angeordneten eingeschränkten Halteverbots gegenüber dem Anwesen des Beigeladenen am A...3 in ....

Beim A... handelt es sich um eine Sackgasse, die in die B... einmündet. Wenn man in den A... östlicher Richtung einfährt, befindet sich linkerhand das Anwesen des Beigeladenen. Dieser produziert hier Erfrischungsgetränke und betreibt zugleich einen Getränkemarkt. Unmittelbar vor dem Getränkemarkt befindet sich eine mit roten Pflastersteinen gepflasterte Fläche, die im Eigentum des Beigeladenen steht und die als Kundenparkplatz für den Getränkemarkt dient. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist ein eingeschränktes Halteverbot (Zeichen 286) angebracht.

Am Ende des bergab führenden A... befindet sich das Anwesen des Klägers zu 1), der dort auch wohnt. Zugleich wird das Anwesen von der Klägerin zu 2) als Mieterin genutzt, die dort ein Unternehmen zur Erstellung von Kartographie- und Datenbanklösungen betreibt.

Ursprünglich war im fraglichen Bereich des A... ein absolutes Halteverbot (Zeichen 283) angeordnet. Auf Antrag des Beigeladenen wurde dann am 18.4.2013 in der Sitzung des Bauausschusses des beklagten Marktes beschlossen, das absolute Halteverbot auf dem A... durch ein lediglich eingeschränktes Halteverbot zu ersetzen. So sollte die Belieferung für den Getränkemarkt erleichtert werden.

Am 9.12.2013 wurde die Beschilderung durch den Beklagten entsprechend geändert.

Am 15.5.2014 ließen die Kläger Klage erheben. Infolge der Änderung der Beschilderung würden nunmehr alle großen Sattelzüge, die den Beigeladenen zahlreich und häufig beliefern würden, direkt am A... entladen, so dass während dieses Ladevorgangs ein Passieren der Lkw nur schwer möglich sei und insbesondere Kunden der Klägerin zu 2) das klägerische Grundstück kaum oder gar nicht anfahren könnten. Die Straße sei oft für mehrere Stunden blockiert.

Der Kläger zu 1) sei bereits außergerichtlich gegen die Änderung tätig geworden. Deshalb habe der Bauausschuss des Beklagten am 24.2.2014 eine Ortseinsicht vorgenommen. Diese habe aber lediglich das Ergebnis gehabt, dass dem Antrag auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht nachgekommen worden sei. Vielmehr sei lediglich beschlossen worden, die Getränkefirma aufzufordern, ein Schild mit dem Hinweis anzubringen, dass Fahrzeuge auch im Hof des Betriebes geparkt werden könnten. Ferner sei beschlossen worden, Sträucher am klägerischen Anwesen zuzuschneiden, sowie eine Haltelinie auf der Ortsstraße A... zu ziehen, so dass eine Durchfahrtsbreite von ca. 2,2 m an der engsten Stelle des klägerischen Anwesens möglich sein solle. Diese Maßnahmen würden jedoch die Verkehrsverhältnisse am A... allenfalls geringfügig verbessern.




Hinzu komme, dass der Ladevorgang der Lkw mit einer erheblichen Lärmbelastung zu Lasten der Kläger verbunden sei. So erfolge die An- und Ablieferung nicht zu bestimmten Zeiten, sondern an allen Werktagen zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr. Das Be- und Entladen selbst erfolge dann derart, dass die Getränke mit Gabelstablern vom Lkw zum Getränkemarkt transportiert würden. Ein Vorgang, der vor allem beim Transport von Glasflaschen äußerst lärmintensiv sei.

Ein absolutes Halteverbot sei zwingend geboten, da es die zur Abwehr von Gefahren für die körperliche Unversehrtheit und für das Eigentum erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme sei. Das jetzige eingeschränkte Halteverbot befinde sich genau an der engsten Stelle der Straße vor dem Hof der Getränkefirma. Es sei genau mit der Zielrichtung angebracht worden, dass große Lkw dort häufig länger parken, um zu entladen. Die Folge sei, dass es während des Ladevorgangs schon bei normalen Witterungsbedingungen fast unmöglich sei, vorbei zu fahren. Wenn im Winter auch noch Schnee am Straßenrand liege, sei ein Passieren gänzlich ausgeschlossen. Hinzu komme, dass durch die Lkw die Sicht derart eingeschränkt werde, dass Unfälle in jedem Fall zu erwarten seien.

Die derzeitige Situation beeinträchtige das Recht der Kläger auf Anliegergebrauch aus Art. 14 Abs. 1 GG. Der Anliegergebrauch beinhalte auch das Recht, ein Grundstück überhaupt anfahren zu können. Die Zufahrt von Grundstücken dürfe daher nicht durch parkende Fahrzeuge behindert oder übermäßig erschwert werden, was vorliegend jedoch häufig der Fall sei. Die Beeinträchtigungen würden im Übrigen nicht nur die Kläger selbst betreffen, sondern vor allem auch die Kunden der Klägerin zu 2), denen es nicht möglich sei, den Betrieb der Klägerin zu 2) anzufahren.

Ein Anspruch auf Anordnung eines absoluten Halteverbots folge auch direkt aus § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO, da ein absolutes Halteverbot zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm zwingend geboten sei. Da nur die Anbringung eines absoluten Halteverbots die Rechtsverletzung der Kläger beseitigen könne, sei eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben.

Die Kläger beantragen,

   den Beklagten zu verpflichten, das aufgrund des Beschlusses des Beklagten vom 18.4.2013 im Bereich des A... gegenüber dem Getränkemarkt des Beigeladenen angebrachte Verkehrszeichen (eingeschränktes Halteverbot, Zeichen 286) durch ein absolutes Halteverbot (Zeichen 283) zu ersetzen.

Der Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Bezüglich der Grundstückssituation müsse bedacht werden, dass es sich beim A... um eine Sackgasse handele. Nach der Stelle, an der sich das Verkehrsschild befinde, führe die Straße lediglich nur noch wenige Meter zum Grundstück der Kläger. Es handele sich somit nicht um eine Durchgangsstraße, sondern um eine untergeordnete Gemeindestraße mit sehr geringem Verkehrsaufkommen.

Die Behauptung der Kläger, wonach Sattelzüge „zahlreich und häufig anliefern“, mit der Folge, dass Kunden der Klägerin zu 2) das klägerische Grundstück nicht anfahren können, sei zu bestreiten. An den Beigeladenen seien noch zu keiner Zeit Beschwerden von Kunden des Klägers zu 2) herangetragen worden, wonach das Grundstück der Kläger nicht zu erreichen gewesen sei. Vielmehr sei es während des Entladevorgangs problemlos möglich, an dem zu entladenden Sattelzug vorbeizufahren und vor dem Gebäude der Kläger zu parken. Eine Beeinträchtigung des Rechts auf Anliegergebrauch sei somit nicht ersichtlich.

Den Klägern stehe auch kein Anspruch auf Anordnung eines absoluten Halteverbots aus § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO zu. Diese Norm gebe dem Einzelnen lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten, wenn Lärm oder Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringen würden, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden müsse. Im Rahmen der Interessenabwägung seien die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall müsse bedacht werden, dass es im Hofbereich des Getränkefachhandels des Beigeladenen nicht jedem Sattelzugführer gelinge, einen Sattelzug zu wenden. Der Innenhof des Getränkemarkts sei zum Wenden eines Sattelzuges nicht geeignet. Deshalb werde der Zug unmittelbar vor der Einfahrt entladen, was erfahrungsgemäß lediglich wenige Minuten in Anspruch nehme. Der Sattelzug sei regelmäßig mit Paletten beladen und zum Entladevorgang werde ein Gabelstabler verwendet. Allein aus diesen Tatsachen sei ersichtlich, dass ein Entladevorgang niemals mehrere Stunden andauere, wie dies die Klägerseite behaupte.

Wenn der Entladevorgang nicht unmittelbar vor dem Getränkemarkt erfolgen könne, müsse der Entladevorgang örtlich wenige Meter zurückversetzt an der B... erfolgen. Hierbei handle es sich um eine vielbefahrene Gemeinde- und Durchgangsstraße. Dort sei mit erhöhtem Verkehrsaufkommen zu rechnen, so dass ein Entladevorgang mit erheblichen Verkehrsproblemen verbunden sei.

Nicht unberücksichtigt dürfe ferner bleiben, dass der Getränkefachbetrieb des Beigeladenen bereits in der dritten Generation betrieben werde. Dem Beigeladenen stehe somit ein Anspruch auf Schutz vor Eingriffen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu.

Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Beklagtenseite an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

Am 23.4.2015 führte der Berichterstatter mit den Beteiligten eine Ortseinsicht durch. Auf die dabei gefertigten Lichtbilder sowie auf die Niederschrift vom 23.4.2015 wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf das den Vorgang betreffende Aktenheft des Beklagten, das dem Gericht vorgelegen hat, Bezug genommen.




Entscheidungsgründe:


Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Die Ersetzung des absoluten Halteverbots durch ein eingeschränktes Halteverbot aufgrund des Beschlusses des Bauauschusses des Beklagten vom 18.4.2013 war zwar rechtswidrig. Die Kläger sind jedoch durch die Anordnung eines eingeschränkten Halteverbots nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Klage ist zulässig.

a) Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Nach dieser Vorschrift kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Bei verkehrsrechtlichen Anordnungen, die durch Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen zum Ausdruck gebracht werden, handelt es sich um Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen im Sinne des Art. 35 Satz 2 BayVwVfG (st. Rspr. seit BVerwG vom 9.6.1967, BVerwGE 27,181).

Zwar begehren die Kläger ausdrücklich nicht nur die Beseitigung des eingeschränkten Halteverbots, sondern zugleich die Wiederaufstellung eines absoluten Halteverbots. Gleichwohl hält die entscheidende Kammer im vorliegenden Fall nicht die auf den Erlass einer neuen verkehrsrechtlichen Anordnung gerichtete Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO für statthaft. Die vorliegend streitgegenständliche Anordnung hob nämlich konkludent die vorher bestehende Anordnung auf, aufgrund derer im fraglichen Bereich bereits einmal ein absolutes Halteverbot angeordnet war. Wird von einem Gericht ein Verwaltungsakt aufgehoben, der einen anderen vorangegangenen früheren Verwaltungsakt aufhebt oder abändert, so lebt grundsätzlich der ursprüngliche Verwaltungsakt wieder auf bzw. erhält seinen ursprünglichen Inhalt wieder (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 113 Rn. 9; VGH BW v. 17.2.1992, Az: 8 S 1022/90 ). Dementsprechend genügt es zur Erreichung des Rechtsschutzziels der Kläger, wenn die der Aufstellung des eingeschränkten Halteverbots zugrundeliegende verkehrsrechtliche Anordnung aufgehoben würde.

b) Die Anfechtungsklage wurde auch fristgemäß erhoben. Die Frist für die Anfechtung einer verkehrsrechtlichen Anordnung, die durch Verkehrszeichen bekannt gegeben wird, beginnt für einen von dem Verkehrszeichen Betroffenen erst dann zu laufen, wenn er zum ersten Mal auf das Verkehrszeichen trifft. Sie wird allerdings nicht erneut ausgelöst, wenn er sich dem Verkehrszeichen später ein weiteres Mal gegenübersieht (vgl. BVerwG v. 23.9.2010, BVerwGE 138,21). Da weder die verkehrsrechtliche Anordnung noch das Verkehrszeichen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sind, läuft anstelle der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Diese war zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 15.5.2014 noch nicht abgelaufen, da das streitgegenständliche Verkehrszeichen erst am 9.12.2013 aufgestellt worden ist und von den Klägern folglich frühestens zu diesem Zeitpunkt wahrgenommen werden konnte.


c) Die Kläger sind auch klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die auf § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO gestützte Anordnung des Beklagten in den Anliegergebrauch der Kläger eingreift. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der Anliegergebrauch in seinem Kern dem privatrechtlichen Eigentum so nahe, dass er unter den Schutz des Art. 14 GG fällt (BVerwG v. 8.9.1993, BVerwGE 94, 136; BVerwG v. 25.9.1968, BVerwGE 30, 235).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Anordnung eines eingeschränkten Halteverbots im fraglichen Bereich des A... ist zwar objektiv rechtswidrig, sie verletzt jedoch die Kläger nicht in ihren Rechten, weshalb eine Aufhebung durch das Gericht nicht in Betracht kommt.

a) Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO sind nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Anordnungen sind damit ausdrücklich nur aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs zulässig. Die vorliegend vom Beklagten getroffene Anordnung fördert dieses Ziel jedoch nicht, sondern beeinträchtigt die Ordnung des Verkehrs unter dem Gesichtspunkt der Leichtigkeit sowie der Verkehrsflüssigkeit.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im fraglichen Bereich gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO das Halten unzulässig wäre, wenn kein Verkehrszeichen vorhanden wäre. Nach der genannten Vorschrift ist das Halten nämlich unzulässig an engen und an unübersichtlichen Straßenstellen. Die Vorschrift dient der Sicher​stellung ausreichenden Raums für den fließenden Verkehr. Eng ist eine Straßenstelle nach der Rechtsprechung in der Regel dann, wenn der zur Durchfahrt insgesamt frei bleibende Raum für ein Fahrzeug höchstzulässiger Breite von 2,55 m (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 1 StVZO) zuzüglich 0,50 m Seitenabstand bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde. Dabei ist die Gegenfahrbahn mit zu rechnen. Dementsprechend muss ein Haltender grundsätzlich eine Fahrbahnbreite von etwa 3 m zum gegenüberliegenden Fahrbahnrand freihalten (OLG Düsseldorf v. 30.12.1999, NZV 2000, 339; VG Berlin vom 18.11.1997, NZV 1998, 224; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 12 StVO Rn. 22; Heß in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 12 StVO Rn. 6).

Dementsprechend besteht an der fraglichen Stelle des A... kraft Gesetzes ein gesetzliches Halteverbot nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO. Wie sich nämlich beim Ortstermin am 23.4.2015 ergeben hat, beträgt der zur Durchfahrt insgesamt frei bleibende Raum zwischen einem im fraglichen Bereich haltenden Lkw und dem Fahrbahnrand der Gegenfahrbahn nur 1,85 m.




Zwar hat sich beim Ortstermin auch ergeben, dass eine Vorbeifahrt am Lkw grundsätzlich problemlos möglich ist, wenn auf dem mit roten Pflastersteinen gepflasterten Kundenparkplatz des Beigeladenen keine Fahrzeuge abgestellt sind, worauf nach den glaubhaften Angaben des Beigeladenen bei Be- und Entladevorgängen strikt geachtet wird, und dieser Kundenparkplatz zum Vorbeifahren genutzt wird. Auch wenn der Beigeladene nach seinen Ausführungen mit der Nutzung seines Privatgrundes grundsätzlich einverstanden ist, so kann dies gleichwohl nicht dazu führen, dass das Halten an der fraglichen Stelle ohne das Vorhandensein von Verkehrszeichen zulässig wäre. Dies folgt schon daraus, dass § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO davon spricht, dass das Halten an engen Straßenstellen verboten ist. Nicht mehr zur Straße gehörende Privatflächen müssen deshalb schon allein aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts außer Betracht bleiben. Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass ein Grundstückseigentümer die Benutzung seines Grundstücks zum Zweck des Vorbeifahrens an einem haltenden Fahrzeug nicht dulden muss, weshalb sich die Straßenverkehrsbehörde beim Erlass verkehrsrechtlicher Anordnungen nicht darauf berufen kann, dass ein Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen ohne weiteres möglich ist, wenn Privatgrund überfahren wird.

Nach alledem wird ersichtlich, dass die vor dem 9.12.2013 im Bereich des A... bestehende Beschilderung (absolutes Halteverbot) lediglich die ohnehin bestehende Rechtslage wiedergegeben hat.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass das nunmehr aufgestellte Verkehrszeichen (eingeschränktes Halteverbot) Haltemöglichkeiten erst geschaffen hat und nicht etwa beschränkt. Das Zeichen erlaubt nämlich nicht nur das Halten für drei Minuten auf der Fahrbahn, sondern darüber hinaus sogar ein Halten von länger als drei Minuten zum Ein- und Aussteigen oder zum Be- oder Entladen (vgl. Anlage 2 zur StVO, lfd. Nr. 63).

Im Ergebnis dient das am 9.12.2013 aufgestellte Zeichen damit gerade nicht der Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs, sondern es beeinträchtigt diese sogar.

b) Gleichwohl können die Kläger die Beseitigung des derzeit aufgestellten Verkehrs​zeichens und damit die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht verlangen, da sie durch die derzeit bestehende Regelung nicht in ihren Rechten verletzt werden.

Aus Sicht der entscheidenden Kammer käme hier allenfalls eine Verletzung des Anliegergebrauchs in Frage, der dem privatrechtlichen Eigentum so nahe steht, dass er unter den Schutz des Art. 14 GG fällt (BVerwG v. 8.9.1993, BVerwGE 94, 136 sowie vom 25.9.1968, BVerwGE 30, 235). Der gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch gesteigerte Anliegergebrauch reicht aber nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert. Angemessen ist nicht schon jede Nutzung, zu der das Grundeigentum Gelegenheit bietet, sondern ausschließlich das, was aus dem Grundstück und seiner sowohl nach der Rechtslage als auch den tatsächlichen Gegebenheiten prägenden Situation der Umgebung als anerkennenswertes Bedürfnis hervorgeht. Der eigentumsrechtliche Schutz des Anliegergebrauchs erstreckt sich daher nur auf den notwendigen Zugang des Grundstücks zur Straße und seine Zugänglichkeit von ihr. Gewährleistet wird nur die Verbindung mit dem öffentlichen Straßennetz überhaupt, nicht dagegen notwendig auch die Erreichbarkeit des eigenen Grundstücks mit Kraftfahrzeugen des Eigentümers oder gar jeder Anliegerverkehr (BVerwG v. 8.9.1993, BVerwGE 94, 136).


Dementsprechend anerkennt das Straßenverkehrsrecht in § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ausdrücklich auch nur das individuelle Interesse des Straßenanliegers an einer unbehinderten Nutzung seiner Grundstücksein- und -ausfahrt als verkehrsrechtlich schutzwürdig. Es wird verletzt, wenn der Anlieger durch parkende Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Straßenseite seiner Grundstückseinfahrt und -ausfahrt daran gehindert oder in erheblichem Maße behindert wird, diese Ein- und Ausfahrt zu benutzen (VGH BW v. 28.2.2002, Az: 5 S 1121/00 ). Nach § 12 Abs. 2 StVO parkt, wer sein Fahrzeug verlässt oder länger als 3 Minuten hält. Die Vorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO macht somit deutlich, dass der Anliegergebrauch nur vor einer Behinderung der Grundstücksein- und -ausfahrt durch parkende Fahrzeuge schützt, nicht jedoch durch haltende Fahrzeuge. Deshalb billigt die Rechtsprechung einem Anlieger, der durch parkende Fahrzeuge an der Zufahrt seines Grundstücks gehindert ist, allenfalls einen Anspruch gegen die zuständige Straßenverkehrsbehörde auf Anordnung eines eingeschränkten Halteverbots zu, nicht jedoch einen solchen auf Anordnung eines absoluten Halteverbots (BayVGH v. 28.9.2011, Az: 11 B 11.910 , VG Braunschweig v. 18.7.2006, SVR 2007, 35).

Nachdem sich das Anwesen des Klägers zu 1), welches auch von der Klägerin zu 2) zu geschäftlichen Zwecken genutzt wird, am Ende einer Sackgasse befindet, ist der vorliegende Fall mit einer Behinderung der Zufahrtsmöglichkeit zu Grundstücksein- und -ausfahrten vergleichbar, wie er in § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO geregelt ist. Deshalb müssen die Kläger Behinderungen ihres Grundstückszugangs nur durch parkende Fahrzeuge nicht hinnehmen. Parkende Fahrzeuge beeinträchtigen ihren Anliegergebrauch. Dagegen können sie Erschwernisse durch Fahrzeuge, die weniger als drei Minuten halten oder länger als drei Minuten zum Be- und Entladen halten, hinnehmen. Dies ist auch sachgerecht, da Ladegeschäfte ohne Verzögerung durchgeführt werden müssen (vgl. Anlage 2 zur StVO lfd. Nr. 63).

Dass aufgrund des angeordneten eingeschränkten Halteverbots eine übermäßige Lärmbelastung für das Anwesen der Kläger entsteht und somit eine Beeinträchtigung der Gesundheit der Bewohner bzw. Nutzer des Gebäudes am A... 5 hervorgerufen wird, ist nicht substantiiert vorgetragen. Diesbezüglich ist zu bedenken, dass im Betrieb des Beigeladenen Getränke hergestellt und verkauft werden und somit unabhängig vom angeordneten Verkehrszeichen ein Be- und Entladeverkehr entsteht. Würden die Zulieferer-​Lkw beispielsweise im Bereich der B... be- und entladen werden oder würde es ihnen gelingen in die Hofeinfahrt des Getränkemarktes einzufahren, so müssten die Lkw ebenso entladen werden und die Getränkepaletten müssten mit Hilfe von Gabelstaplern in den rückwärtigen Bereich des Anwesens des Beigeladenen verbracht werden. Hier wird deutlich, dass das fragliche Verkehrszeichen jedenfalls nicht ursächlich für gegebenenfalls entstehenden Lärm durch das Verbringen von Getränkepaletten in den Betrieb des Beigeladenen ist.



Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 ff. ZPO.

Die Kammer hat die Berufung entgegen der Anregung der Kläger nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Entscheidung des Gerichts von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht (vgl. §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO.


Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,-​- € festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 GKG i.V.m. Nr. 46.15 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG), dessen Empfehlungen die Kammer folgt.

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