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OLG Dresden Beschluss vom 30.08.2010 - Ss (OWi) 812/09 - Pflichtverteidigerbeiordnung bei schwieriger Rechtslage

OLG Dresden v. 30.08.2010: Pflichtverteidigerbeiordnung in Bußgeldsachen bei schwieriger Rechtslage


Das OLG Dresden (Beschluss vom 30.08.2010 - Ss (OWi) 812/09) hat entschieden:
In Bußgeldsachen kann die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten sein, wenn eine schwierige Rechtslage durch die bisher fehlende Austragung von Rechtsfragen vorliegt.


Siehe auch Verteidigung in Straf- und OWi-Sachen und Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren


Gründe:

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 24. Juni 2009 legte die zuständige Behörde dem Betroffenen zur Last, am 20. Mai 2009 das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage in ……. missachtet zu haben, wobei die Rotphase bereits länger als eine Sekunde andauerte. Dagegen legte der Betroffene fristgemäß Einspruch ein. Mit Schreiben vom 06. Oktober 2009 zeigte sich Rechtsanwalt D….. als Verteidiger des Betroffenen an und beantragte, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 26. Oktober 2009 abgelehnt. Dagegen hat der Betroffene Beschwerde eingelegt, welcher seitens des Amtsgerichts nicht abgeholfen wurde.

In der Hauptverhandlung vom 03. November 2009, wurde der Betroffene entsprechend dem Bußgeldbescheid zu einer Geldbuße in Höhe von 200,00 EUR verurteilt sowie mit einem Fahrverbot von einmonatiger Dauer belegt unter Anwendung des § 25 Abs. 2 a StVG. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, den Antrag auf Beiordnung eines notwendigen Verteidigers abzulehnen sowie die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 03. November 2009 als unbegründet gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

Der Betroffene hat eine Gegenerklärung abgegeben.


II.

Die Beschwerde ist begründet. Zwar lässt sich entgegen dem Vortrag des Betroffenen eine Beiordnung gemäß § 140 Abs. 2 StPO (§ 46 OWiG) nicht mit der Schwere der Tat begründen. Eine solche beurteilt sich ausschließlich nach den Rechtsfolgen. Diese erweisen sich in dieser Ordnungswidrigkeitensache nicht als derartig gravierend, dass die Schwere der Tat die Beiordnung eines Pflichtverteidigers rechtfertigen könnte.

Auch soweit vorgetragen wird, die Schwierigkeit der Sachlage erfordere die Beiordnung eines Verteidigers, ist dem nicht zu folgen. Zwar hat das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten beigezogen zur Frage, ob die Messung im Hinblick auf den Rotlichtverstoß korrekt war. Jedoch rechtfertigt dies im vorliegenden Fall nicht, von einer schwierigen Sachlage auszugehen, da die Einwendungen des Betroffenen keine konkreten Messfehler benannt haben. Dies wäre jedoch, da es sich bei der in Rede stehenden Rotlichtüberwachungsanlage nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts um ein standardisiertes Messverfahren handelte, erforderlich gewesen.

Jedoch ist dem Betroffenen zugute zu halten, dass im Zeitpunkt des Antrags wie auch der Beschwerde und des amtsgerichtlichen Urteils von einer schwierigen Rechtslage auszugehen war. Eine schwierige Rechtslage liegt dann vor, wenn es bei der Anwendung des materiellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt (KK StPO, 5. Aufl., § 140 Rdnr. 23). Die Frage, ob die Ergebnisse einer stationären Rotlichtüberwachungsanlage - entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. August 2009 (2 BvR 941/08) möglicherweise mangels Rechtsgrundlage nicht verwertbar sind, war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht obergerichtlich geklärt und auf der Ebene der Amtsgerichte senatsbekannt umstritten. Damit war eine Schwierigkeit der Rechtslage gegeben; die Beiordnung des Verteidigers als Pflichtverteidiger damit notwendig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren der Staatskasse aufzuerlegen, da niemand sonst dafür haftet.

2. Die Rechtsbeschwerde hat damit (vorläufig) Erfolg.

Das - im Übrigen nicht zu beanstandende - Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 03. November 2009 war auf die in zulässiger Weise erhobene Verfahrensrüge gemäß § 338 Nr. 5 StPO als absolutem Revisionsgrund hin aufzuheben. Die Rüge stellt in ausreichender Weise dar, dass trotz notwendiger Verteidigung ein Verteidiger der Hauptverhandlung nicht beiwohnte, da der Beiordnungsantrag abgelehnt worden war (vgl. auch OLG Zweibrücken NStZ 1986, 135). Damit wurden auch wesentliche Verfahrensförmlichkeiten in Abwesenheit des Verteidigers vorgenommen, was die Rüge begründet.



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