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OVG Saarlouis Beschluss vom 15.02.2016 - 1 B 242/15 - Facharztgutachten bei Verdacht auf Amphetaminkonsum

OVG Saarlouis v. 15.02.2016: Facharztgutachten bei Verdacht auf Amphetaminkonsum


Das OVG Saarlouis (Beschluss vom 15.02.2016 - 1 B 242/15) hat entschieden:
  1. Werden bei einer Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts auf Betäubungsmittelhandel größere Mengen von Marihuana und Amphetamin, welche zum Handeltreiben vorhanden waren, sowie Griptütchen und eine Feinwaage aufgefunden und weiterhin festgestellt, dass der Verdächtigte merklich unter Einfluss von Drogen steht, ist die Anordnung eines Facharztgutachtens zur Abdeckung eines Amphetaminkonsums gerechtfertigt.

  2. Hat die Fahrerlaubnisbehörde unter Vorgabe einer konkreten Fragestellung die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Kraftfahreignung angeordnet, hat der mit der Gutachtenerstellung beauftragte (Amts-)Arzt das ihm durch die Fragestellung vorgegebene Prüfprogramm medizinisch abzuarbeiten. Er ist nicht befugt, aus den Äußerungen im Rahmen der Anamnese den Schluss zu ziehen, dass sich die medizinische Abklärung, die die Behörde als notwendig ansieht, erübrigt.

    Angesichts der einschneidenden rechtlichen Konsequenzen in Gestalt der Regelannahme der Ungeeignetheit, die bereits ein einmaliger Amphetaminkonsum, insbesondere wenn er nicht mehr als ein Jahr zurückliegt, nach sich zieht, darf für eine Entscheidung nach Maßgabe des § 11 Abs. 7 FeV kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass ein solcher Konsum tatsächlich stattgefunden hat.

  3. Die einzige Möglichkeit, einen Amphetaminkonsum nach Ablauf der Zeit, in der der Rückstände im Urin oder im Blut erwartet werden können, nachzuweisen, ist eine Haaranalyse. Allerdings ist auch eine Haaranalyse nicht zeitlich unbegrenzt verlässlich. Die Begutachtungsstellen haben sich an den CTU-Kriterien (Chemisch-toxikologische Untersuchung) zu orientieren und nach diesen setzt ein zuverlässiges Untersuchungsergebnis voraus, dass die untersuchte Haarsträhne - gemessen von der Kopfhaut - nicht länger als 6 cm ist, was erfahrungsgemäß einen Zeitraum von sechs Monaten abdeckt.

Siehe auch Amphetamine - Speed - Crystal - Meth - im Fahrerlaubnisrecht und Facharztgutachten im Fahrerlaubnisrecht


Gründe:

Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig und begründet.

Nach dem Ergebnis der im Eilrechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtfertigt der derzeitige Stand der vom Antragsgegner veranlassten Überprüfung der Kraftfahreignung des Antragstellers es nicht, diesem seine Fahrerlaubnisse mit sofortiger Wirkung zu entziehen. Dies führt zum Erfolg der Beschwerde.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Voraussetzung der Entziehung ist, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird. Bedenken an der Kraftfahreignung genügen nicht für die Entziehung der Fahrerlaubnis (BVerwG, Urteil vom 9.6.2005 - 3 C 25/04 -)

Die anfängliche Vorgehensweise des Antragsgegners unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Es bestand Veranlassung, den Antragsteller unter Fristsetzung (16.10.2015) zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens zu seiner Fahreignung aufzufordern. Diese Aufforderung rechtfertigte sich angesichts der Feststellungen in dem dem Antragsgegner vom Landespolizeipräsidium zugeleiteten Bericht über die am 11.8.2015 wegen des Verdachts der illegalen Abgabe und des Handelns mit Betäubungsmitteln erfolgte polizeiliche Durchsuchung des Wohnanwesens des Antragstellers aus § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Satz 2 FeV. Es heißt dort, dass bei der Durchsuchung größere Mengen von Marihuana und Amphetamin, welche zum Handeltreiben vorhanden waren, sowie Griptütchen und eine Feinwaage aufgefunden worden seien, die den Grund der Durchsuchung bestätigt hätten. Weiter ist angemerkt, dass der Antragsteller und seine in der Wohnung anwesende Bekannte merklich unter Einfluss von Drogen gestanden hätten sowie dass das Kleinkind der Bekannten mit Griptütchen gespielt habe, die offenbar Amphetamin enthielten und in denen noch Reste von den Betäubungsmitteln gewesen seien. Andererseits ergeben sich aus dem Durchsuchungsbericht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu diesen Feststellungen befragt worden wäre oder sich sonst hierzu geäußert hätte. Insbesondere wurde nicht abgeklärt, ob der Eindruck, unter Drogen zu stehen, berechtigt war, und welche Art von Drogen gegebenenfalls konsumiert worden war. Letzteres ist fahrerlaubnisrechtlich von zentraler Relevanz, da der Einfluss auf die Fahreignung je nach Drogenart an speziellen Kriterien gemessen wird. Eine diesbezügliche Sachaufklärung durch den Antragsgegner war daher angezeigt.

Die Fragestellung zum Begutachtungsauftrag war wie folgt gefasst:
„Wurden von Herrn … Betäubungsmittel im Sinne des BtmG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe eingenommen? bei Cannabiskonsum: In welcher Konzentration können Cannabinoide bzw. deren Abbauprodukte nachgewiesen werden, die das Konsummuster für die Vergangenheit widerspiegelt?“.
Nachdem der Antragsteller einen ersten Untersuchungstermin krankheitsbedingt nicht wahrnehmen konnte, unterzog er sich am 6.11.2015 der angeordneten Untersuchung. Der Amtsarzt weigerte sich, dem Antragsteller das auf Grund dieser Untersuchung erstellte Gutachten zu übersenden und übermittelte dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers statt dessen ein kurzes Anschreiben, in dem es heißt, dass das vollständige Gutachten sich in den Akten beim Gesundheitsamt befinde. Der Antragsteller habe aber eingeräumt, früher Marihuana und Amphetamin konsumiert zu haben. Mit „früher“ meine er bis zur Hausdurchsuchung am 11.8.2015. Seither konsumiere er keine Drogen mehr.

Dieses Schreiben legte der Antragsteller dem Antragsgegner vor, woraufhin dieser die verfahrensgegenständliche Entziehungsverfügung ohne vorherige Anhörung erließ. Die Verfügung ist maßgeblich damit begründet, dass der Antragsteller in der informatorischen Befragung durch den Amtsarzt zu seinem Konsumverhalten eingeräumt habe, bis zu der Hausdurchsuchung Marihuana und Amphetamin konsumiert zu haben. Nach den einschlägigen Vorschriften schließe der Konsum von sogenannten harten Drogen die Kraftfahreignung, auch ohne Bezug zum Straßenverkehr, aus. Er sehe sich daher veranlasst, die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Der Antragsteller bestreitet, die vom Amtsarzt behaupteten Äußerungen getätigt zu haben.

Der Antragsgegner räumt ein, dass die vollzugspolizeilichen Feststellungen im Durchsuchungsbericht zur Annahme der fehlenden Fahreignung nicht ausreichten, dies gelte jedoch nicht für die Aussage des Antragstellers gegenüber dem Amtsarzt, er habe bis zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung Marihuana und Amphetamin konsumiert. Dass der Antragsteller nunmehr in Abrede stelle, eine solche Aussage getätigt zu haben, sei abwegig. Der Amtsarzt sei erfahren in der Untersuchung von Fahrerlaubnisinhabern mit Eignungsbedenken, die mit Drogenkonsum zusammenhängen. Es sei ausgeschlossen, dass er ausdrücklich Marihuana und Amphetamin benenne, ohne dass der Antragsteller zuvor eine solche Aussage gemacht habe. Dass nicht das vollständige Gutachten übermittelt worden sei, sei unschädlich. Auf Grund des Schreibens des Gesundheitsamtes mit der Wiedergabe der Aussage des Antragstellers stehe dessen Nichteignung auf Grund des eingeräumten Amphetaminkonsums im Sinn des § 11 Abs. 7 FeV fest. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Der Senat hat im Beschwerdeverfahren veranlasst, dass dem Antragsteller das vollständige Gutachten übermittelt wird, woraufhin dieser das Gutachten zur Gerichtsakte gereicht hat. Die ärztlicherseits erhobenen Befunde betreffen Koordination und Gleichgewicht, eine körperliche Untersuchung des gesamten Bewegungsapparates sowie des Herzkreislaufsystems, Feststellungen zur Haut, zum Nervensystem und zur Psyche. Sie beinhalten keinerlei Erkenntnisse, die nach der Erfahrung des Senats in unmittelbarem Zusammenhang mit der aufgeworfenen Frage der Kraftfahreignung stünden und auf deren Einschränkung schließen ließen. Laborwerte in Gestalt von Blut- oder Urinuntersuchungen wurden offenbar nicht erhoben.

Der Antragsgegner hält an seiner Verfügung fest und meint, weitere Erhebungen seitens des Amtsarztes seien entbehrlich gewesen. Der Konsum der „harten“ Droge führe zwingend zum Ausschluss der Geeignetheit, ohne dass es einer ärztlichen Feststellung eines Krankheitsbildes, gleich ob physisch oder psychisch, bedürfe. Der Antragsteller habe ausweislich der Anamnese zu dem Amtsarzt gesagt, er nehme Drogen nur selbst und deale nicht damit. Die Gesprächswiedergabe in der Anamnese belege, dass ein Einschreiten nach § 11 Abs. 7 FeV zulässig gewesen sei. Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung der Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht.

Ein auf diese Vorschrift gestütztes Einschreiten setzt voraus, dass die Tatsachenfeststellungen den Schluss auf die mangelnde Kraftfahreignung tragen. Dies ist vorliegend nicht anzunehmen.

Die anlässlich der Wohnungsdurchsuchung getroffenen Feststellungen vermögen einen - zumindest einmaligen (BayVGH, Beschluss vom 22.9.2015 - 11 CS 15.1447 - m.w.N.; ständige Rechtsprechung des Senats, so u.a. bereits Beschluss vom 21.12.2004 - 1 W 42/04) - Amphetaminkonsum des Antragstellers und damit ein Eingreifen der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung nicht zweifelsfrei zu belegen. Dass die vorgefundenen Griptütchen nach Einschätzung der Beamten Spuren von Amphetamin enthielten, kann auch andere Ursachen als einen Amphetaminkonsum des Antragstellers haben. Wenngleich naheliegt, dass der Eindruck der Beamten, der Antragsteller habe unter Drogeneinfluss gestanden, durch entsprechende Beobachtungen abgesichert war, kann aber auch der Konsum von Marihuana, den der Antragsteller - anders als den Konsum von Amphetamin - nicht grundsätzlich in Abrede stellt, die Ursache hierfür gewesen sein. Insoweit räumt er einen gelegentlichen Konsum ein und betont, zwischen Konsum und Autofahren strikt zu trennen. Insoweit bleibt zu bekräftigen, dass die Entscheidung, zur weiteren Sachaufklärung ein ärztliches Gutachten einzuholen, berechtigt war. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass ein diesbezügliches Untersuchungsergebnis, das „nur“ die Annahme eines gelegentlichen Konsums von Marihuana belegt hätte, mangels aktueller Erkenntnisse zu einem fehlenden Trennungsvermögen eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht tragen könnte.

Auch die Angaben des Amtsarztes zu den Äußerungen des Antragstellers anlässlich der Untersuchung vom 6.11.2015 rechtfertigen nicht die Schlussfolgerung, dass die Nichteignung des Antragstellers im Sinn des § 11 Abs. 7 FeV feststehe. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Angaben in dem dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers übermittelten Schreiben vom 6.11.2015 als auch hinsichtlich der diesbezüglichen Ausführungen des Amtsarztes in der Anamnese des aufgrund der Untersuchung erstellten Gutachtens.

Die Argumentation des Antragsgegners, der Antragsteller müsse dem Amtsarzt gegenüber selbst angegeben haben, bis zur Wohnungsdurchsuchung auch Amphetamin konsumiert zu haben, weil der Amtsarzt sonst nicht gewusst haben könnte, dass ein Amphetaminkonsum überhaupt im Raum stehe, verfängt nicht. Aus der Anamnese ergibt sich, dass der Amtsarzt den Antragsteller auf das Ereignis vom 11.8.2015 angesprochen hat und offenbar die Einzelheiten des Durchsuchungsberichts, also auch die Art der vorgefundenen Drogen kannte.

Ob die besagten Äußerungen tatsächlich gefallen sind oder nicht, ist nach Aktenlage nicht geklärt. Es kann unter den vorliegenden Gegebenheiten nicht unter Inkaufnahme aller damit verbundenen durchaus schwerwiegenden Nachteile für den Antragsteller allein unter Hinweis auf die Erfahrung und die Integrität eines Amtsarztes unterstellt werden, dass der tätig gewordene Amtsarzt die Äußerungen des Antragstellers in allen Punkten, insbesondere in Bezug auf die zeitliche Einordnung eventueller Angaben des Antragstellers, in allen relevanten Einzelheiten richtig interpretiert und demzufolge zutreffend wiedergegeben hat.

Zweifel an der Verlässlichkeit des Gutachtens drängen sich bereits mit Blick darauf auf, dass die äußere Abwicklung des Gutachtenauftrags den rechtlichen Vorgaben nicht gerecht wurde. Nach den eindeutigen Vorgaben des § 11 FeV, insbesondere der Absätze 6 und 8, war der Amtsarzt verpflichtet, dem Antragsteller das Gutachten zuzuleiten. Dies kommt auch in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Stand 1.5.2014), die als Nachschlagewerk für die Begutachtenden erstellt worden sind (S. 3) und diesen daher bekannt sein sollten, deutlich zum Ausdruck. Dort heißt es unter 2.3 Rechtliche Stellung des Gutachters, dass der zu Begutachtende - und nicht die Behörde - Anspruch auf die Aushändigung des Gutachtens habe. Nur mit seiner ausdrücklichen Zustimmung dürfe das Gutachten unmittelbar der Behörde oder Dritten zugeleitet werden, sonst stehe die Schweigepflicht (§ 203 StGB) entgegen. Dass der Amtsarzt die ihm hierdurch gesetzten Grenzen ignorierte, befremdet.

Zudem hat der Gutachter das ihm behördlich durch die Fragestellung vorgegebene Prüfprogramm nicht abgearbeitet, obwohl er sich an die von der Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV formulierte und ihm gemäß Satz 4 der Vorschrift mitgeteilte Fragestellung zu halten gehabt hätte (vgl. z.B. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 11 FeV Rdnrn. 39 und 41 ff). Es ist nicht vordringliche Aufgabe eines Amtsarztes, den Probanden in einer einer „Vernehmung“ ähnelnden Art zu seinen Konsumgewohnheiten zu befragen, und er ist auch nicht befugt, aus den Äußerungen im Rahmen der Anamnese den Schluss zu ziehen, dass sich die medizinische Abklärung, die die Behörde als notwendig ansieht, erübrigt. Ihm obliegt vielmehr die Erhebung und medizinische Auswertung der körperlichen Befunde, die von unmittelbarer Aussagekraft für einen eventuellen Drogenkonsum sind. Derartige Befunde wurden, soweit ersichtlich, weder erhoben noch ausgewertet. Die Vorgehensweise des Amtsarztes lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass eine derartige Befunderhebung angesichts der Ergebnisse der Anamnese tatsächlich entbehrlich geworden wäre, zumal es mit dieser Argumentation der in dem Gutachten dokumentierten Befunderhebung, die vorwiegend orthopädischer und internistischer Art war, wohl erst recht nicht bedurft hätte.

Ob der Antragsteller bis zum Tag der Wohnungsdurchsuchung Amphetamin konsumiert hat, lässt sich heute im Wege einer medizinischen Befunderhebung nicht mehr aufklären. Die einzige Möglichkeit, einen Amphetaminkonsum nach Ablauf der Zeit, in der der Rückstände im Urin oder im Blut erwartet werden können, nachzuweisen, ist eine Haaranalyse. Allerdings ist auch eine Haaranalyse nicht zeitlich unbegrenzt verlässlich. Die Begutachtungsstellen haben sich an den CTU-​Kriterien (Chemisch-​toxikologische Untersuchung) zu orientieren und nach diesen setzt ein zuverlässiges Untersuchungsergebnis voraus, dass die untersuchte Haarsträhne - gemessen von der Kopfhaut - nicht länger als 6 cm ist, was erfahrungsgemäß einen Zeitraum von sechs Monaten abdeckt. Da inzwischen seit dem Tag der Wohnungsdurchsuchung, dem 11.8.2015, rund sechs Monate verstrichen sind und damit der zeitliche Rahmen, für den eine wissenschaftlich verlässliche Aussage möglich ist, ausgeschöpft ist, würde eine jetzt noch veranlasste Haaranalyse eine sichere Aussage, der Antragsteller habe bis zum 11.8.2015 Amphetamin konsumiert, nicht ermöglichen. Einziger Anknüpfungspunkt für die Überzeugung des Antragsgegners, der Antragsteller sei bis zu diesem Zeitpunkt Amphetaminkonsument gewesen, was im Regelfall nach den Vorgaben der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung und der Rechtsprechung zur Kraftfahreignung zur Folge hätte, dass die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen feststünde, ist nach alldem der Amtsarzt. Indes bestreitet der Antragsteller, bei diesem Gespräch einen Amphetaminkonsum bis zum 11.8.2015 eingeräumt zu haben, und der Amtsarzt ist - wie aufgezeigt - unter den konkreten Gegebenheiten weder über jeden Zweifel erhaben, die Äußerungen des Antragstellers insbesondere in zeitlicher Hinsicht richtig interpretiert zu haben, noch enthält der medizinische Teil seines Gutachtens irgendwelche Feststellungen, die einen Rückschluss auf den Konsum dieser Droge erlauben oder nahelegen. Auch wenn der Antragsteller anlässlich der Anamnese einen Amphetaminkonsum vor dem 11.8.2015 eingeräumt hätte, könnte dies auch den Hintergrund haben, dass er zwar einen Konsum dieser Droge am 11.8.2015 klar verneinen wollte, andererseits aber nicht in Abrede stellen wollte, in früherer Zeit Amphetamin konsumiert zu haben. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass er ihr mit „früher“ den Zeitraum vor seiner Entziehungskur gemeint haben könnte, so dass sich die Interpretation des Amtsarztes durch ein Missverständnis erklären könnte. Bei der Bewertung der Wiedergabe der Äußerungen des Antragstellers durch den Amtsarzt darf nicht ausgeblendet werden, dass es infolge der nicht nachvollziehbaren Forderung des Amtsarztes, das Gutachten unmittelbar dem Antragsgegner zuzuleiten, zu einem Wortwechsel kam, der die Gesprächsatmosphäre und die Gemüter erhitzt hat, was eigentlich in einer Untersuchungssituation tunlichst zu vermeiden ist.

Angesichts der einschneidenden rechtlichen Konsequenzen in Gestalt der Regelannahme der Ungeeignetheit, die bereits ein einmaliger Amphetaminkonsum, insbesondere wenn er nicht mehr als ein Jahr zurückliegt, nach sich zieht, darf aus Sicht des Senats für eine Entscheidung nach Maßgabe des § 11 Abs. 7 FeV kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass ein solcher Konsum tatsächlich stattgefunden hat. Dieser Nachweis ist nach Aktenlage weder geführt noch wird es im Hauptsacheverfahren möglich sein, den Nachweis, dass der Kläger bis zum 11.8.2015 Amphetaminkonsument war, im Wege einer wissenschaftlich aussagekräftigen Untersuchung nachzuholen.

Feststellungen, ob nach dem 11.8.2015 an Amphetaminkonsum stattgefunden hat, oder ob der Antragsteller seither mehr als nur gelegentlichen Cannabiskonsum praktiziert hat, sind nach Aktenlage bisher nicht getroffen, so dass seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auch nicht unter diesem Gesichtspunkt im Sinn des § 11 Abs. 7 FeV zur Überzeugung des Antragsgegners feststehen kann.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis findet mithin nach den derzeit aktenkundigen Umständen auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsteller in den Jahren vor 2010 Probleme wegen des Konsums von Drogen hatte, die Veranlassung zu der mehrmonatigen stationären Behandlung gaben (vgl. zur Relevanz früheren Drogenkonsums aus der neueren Rechtsprechung: BayVGH, Beschluss vom 24.7.2015 - 11 CS 15.1203), weder in § 11 Abs. 7 FeV noch in sonstigen Vorschriften eine Rechtsgrundlage.

An der sofortigen Vollziehung einer nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand rechtswidrigen Verfügung besteht kein öffentliches Interesse, hinter dem das gegenläufige private Interesse des Antragstellers, während des Hauptsacheverfahrens von der Vollziehung der angegriffenen behördlichen Verfügung verschont zu bleiben, zurücktreten müsste. Insoweit hat zugunsten des Antragstellers auch Berücksichtigung zu finden, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist, indem er die krankheitsbedingt notwendig gewordene Verlängerung der Frist zur Vorlage des Gutachtens mit Schreiben vom 7.10.2015 beantragt, sich der angeordneten Untersuchung sodann unterzogen und sowohl die Kurzmitteilung vom 9.11.2015 als auch das Gutachten vom 6.11.2015 vorgelegt hat.

Nach alldem hat seine Beschwerde nach Maßgabe des Beschlusstenors Erfolg.

Es ist dem Antragsgegner allerdings aus Sicht des Senats mit Blick auf die Einlassung des Antragstellers, gelegentlich Cannabis zu konsumieren, und die am 11.8.2015 anlässlich der Wohnungsdurchsuchung getroffenen Feststellungen, insbesondere die - gerade angesichts der Anwesenheit des Kleinkindes in den Wohnräumen - verantwortungslose Aufbewahrung der damals in seinem Besitz befindlichen Drogen, die die Frage aufwirft, ob sie als Indikator für einen auch sonst verantwortungslosen Umgang mit Drogen, etwa in Gestalt eines mangelnden Trennungsvermögens, zu werten wäre, unbenommen, den Sachverhalt im Rahmen des Widerspruchsverfahrens weiter aufzuklären, indem er weitere Feststellungen zu der Frage veranlasst, ob der Antragsteller aktuell Amphetamin konsumiert oder als regelmäßiger Cannabiskonsument einzustufen ist. Gegebenenfalls stünde dem Antragsgegner auf dieser Grundlage die Möglichkeit offen, erneut den sofortigen Vollzug der Entziehung der Fahrerlaubnisse des Antragstellers anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 47 Abs. 1, 52 Absatz ein GKG in Verbindung mit den Nummern 1.5, 46.1 und 46.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.