Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Düsseldorf Urteil vom 04.11.1992 - 3 U 18/92 - Offenbarungspflicht des gewerblichen Autohändlers hinsichtlich Vorschäden

OLG Düsseldorf v. 04.11.1992: Offenbarungspflicht des gewerblichen Autohändlers hinsichtlich Vorschäden


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 04.11.1992 - 3 U 18/92) hat entschieden:
Der pauschale Hinweis des gewerblichen Gebrauchtwagenverkäufers auf "behobene Karosserieschäden" kann eine arglistige Täuschung durch irreführende Bagatellisierung des Umfangs und der Bedeutung von Vorschäden sein, wenn eine annähernd im Bereich eines wirtschaftlichen Totalschadens kalkulierte Reparatur mit nur einem Drittel des vorkalkulierten Aufwands durchgeführt wurde.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Richtbankkosten - Richtbankarbeiten


Gründe:

Die Berufung der Bekl. bleibt im wesentlichen ohne Erfolg.

Das LG hat die von ihm vertretene Auffassung, die Bekl. habe mit der "Vereinbarung" vom 12.4.1991 vertraglich zugesichert, dass es sich bei dem früheren Unfallschaden nicht um einen "Rahmenschaden" gehandelt hat, ausführlich und auch überzeugend begründet. Die Berufungsbegründung der Bekl. rechtfertigt dem ggü. keine durchgreifenden Bedenken.

Die Bekl. macht selbst geltend, die Kl. hätten wegen der Vorschäden immer wieder Sorge geäußert und seien dem Zeugen D. damit "ganz schön auf die Nerven" gegangen. Das TÜV-​Gutachten war gerade deshalb eingeholt worden, um dadurch die von den Kl. geäußerten Sorgen zu zerstreuen. Die Aussage in der ausdrücklich als "Vereinbarung" bezeichneten Übergabeerklärung vom 12.4.1991, bei dem "angegebenen Karosserieschaden (rechts)" habe "es sich nicht um einen Rahmenschaden" gehandelt, musste von den Kl. unter den gegebenen Umständen so verstanden werden, dass die Bekl. für diese ihre früheren ähnlichen Erklärungen wiederholende Aussage vertraglich einstehen wollte. Insoweit handelte es sich nicht etwa, wie die Bekl. mit der Berufungsbegründung äußert, um einen bloßen Hinweis auf das Untersuchungsergebnis des TÜV; denn das TÜV-​Gutachten hatte sich ersichtlich mit dem Ausmaß der inzwischen reparierten Unfallschäden nicht näher befasst. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, was der Zeuge D. den Kl. vorher im einzelnen über das Ausmaß der Unfallschäden gesagt haben mag. Denn jedenfalls soll auch dabei immer nur von - mehr oder weniger großen - "Karosserieschäden" gesprochen worden sein, die begrifflich in der Vereinbarung vom 12.4.1991 von einem sog. "Rahmenschaden" abgegrenzt wurden und auch werden sollten.

Nach dem Inhalt des von den Kl. vorgelegten Gutachtens der Versicherung vom 18.9.1990 über den Unfallschaden, dessen Feststellungen jedenfalls im wesentlichen von der Bekl. nicht in Frage gestellt werden, und den Erklärungen des vom LG hinzugezogenen Sachverständigen (SV) lässt sich auch feststellen, dass die von der Bekl. zugesicherte Eigenschaft ("kein Rahmenschaden") jedenfalls in ihrem für die Kl. als Käufer ersichtlich bedeutsamen Kerngehalt sachlich unrichtig war, weil auf Bagatellisierung der Unfallschäden angelegt. Dass der SV seine Bewertung, "dass dieses Fahrzeug mit Sicherheit einen Rahmenschaden (in dem ursprünglichen Sinn) davongetragen hat", daraus folgert, welche Fahrzeugteile das Gutachten der Versicherung als austausch- und erneuerungsbedürftig angesehen hatte, ist letztlich nicht zu beanstanden. Auch wenn der Zeuge C. bei der von ihm anschließend im Auftrag der Bekl. vorgenommenen Reparatur "nicht alle dort markierten Teile ausgetauscht" haben mag, so hat er doch immerhin gemeint: "Bei einem solchen Schadensumfang setze ich (das Fahrzeug) grundsätzlich aus Sicherheitsgründen immer auf die Richtbank". Die Bekl. äußert sich nicht näher dazu, welche der im Gutachten der Versicherung aufgeführten und vom SV als stabilisierende Elemente eingeordneten Kraftfahrzeugteile sich bei der Reparatur des Fahrzeugs tatsächlich nicht als erneuerungsbedürftig erwiesen haben sollen. Deshalb ist ihre von der gutachterlichen Aussage abweichende Beurteilung, ein "Rahmenschaden" habe tatsächlich nicht vorgelegen, nicht nachvollziehbar und damit auch nicht durch ein weiteres Gutachten überprüfungsbedürftig.

Im übrigen hatten die Aussagen der Bekl. - auch und vor allem die Abgrenzung eines (bloßen) Karosserieschadens von einem sog. Rahmenschaden in der Vereinbarung vom 12.4.1991 - auch noch eine von ihrem Zusicherungsinhalt unabhängige, den Umfang der tatsächlichen Unfallvorschäden bagatellisierende und damit den Käufer täuschende Bedeutung. Insoweit ist der Bekl. über die fehlerhafte Zusicherung hinaus jedenfalls eine arglistige Täuschung der Kl. durch unzureichende Aufklärung über die Vorschäden anzulasten. Auch diese arglistige Täuschung rechtfertigt das Wandlungsbegehren der Kl. (vgl. § 476 BGB).

Der Zeuge D., dem nach eigener Darstellung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Art und Umfang der Unfallvorschäden am Fahrzeug und die Art der Reparatur seinerzeit bekannt waren, will den Kl. ggü. von "behobenen Karosserieschäden" gesprochen haben. Jedenfalls darin lag - auch und gerade im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Rahmenschäden - eine irreführende Bagatellisierung des Umfangs und der Bedeutung der Vorschäden. Ein Gebrauchtwagenverkäufer hat den Käufer auch ungefragt richtig und vollständig über Mängel aufzuklären, die ihm bekannt sind (BGH NJW 1981, 928 und WM 1982, 511). Diese Offenbarungspflicht geht um so weiter, je unkundiger sich der Käufer darstellt (BGH NJW 1965, 35 und 1975, 642). Sie wird noch weiter gesteigert, wenn der Käufer sich nach Unfallschäden und deren Ausmaß ausdrücklich erkundigt (BGH NJW 1967, 1222 sowie 1977, 1055 und 1914). Eine besonders weitgehende Offenbarungspflicht besteht dann, wenn es sich, wie hier, um einen erst wenig benutzten, zu einem entsprechend hohen Preis angebotenen Wagen handelt (BGH DAR 1954, 296). Hier muss der Verkäufer dem Käufer von sich aus vollen Aufschluss über Art und Schwere des Unfalls geben (vgl. auch OLG Nürnberg MDR 1964, 693; OLG Koblenz NJW-​RR 1988, 1137). Durch Mitteilung von Einzelheiten, die geeignet sind, den Unfall zu bagatellisieren, wird die Offenbarungspflicht in keinem Fall erfüllt (BGH DAR 1954, 296; BGH NJW-​RR 1987, 436).

Diesen Anforderungen ist die Bekl. in Person des Zeugen D. nach ihrer eigenen Sachdarstellung nicht gerecht geworden. Noch in der Vereinbarung vom 12.4.1991 ist von einem "Karosserieschaden (rechts)", in dem den Kl. übergebenen TÜV-​Gutachten von "Front- und rechter Seitenschaden" die Rede. Tatsächlich hatte das Fahrzeug aber, wie die Bekl. nicht in Abrede stellt, nach den Angaben im Versicherungsgutachten und der darauf beruhenden Schlussfolgerung des SV "einen starken Frontanstoß und einen Anstoß gegen das rechte hintere Seitenteil unter Mitbeeinflussung des Hecks davongetragen". Nach dem Gutachten sollten auch Arbeiten am Heckmittelstück, am Heckboden und an der Hecksäule rechts ausgeführt werden; das Gutachten hatte u.a. die Stoßstange hinten komplett, Heckleuchte und Verkleidung Kofferraum für erneuerungsbedürftig gehalten.

Eine ins einzelne gehende Aufklärung über Art und Umfang der Unfallschäden hätte von der Bekl. um so eher deshalb redlicherweise erwartet werden müssen, weil sie eine von der Versicherung annähernd im Bereich eines wirtschaftlichen Totalschadens kalkulierte Reparatur mit nicht einmal einem Drittel des vorkalkulierten Aufwandes hatte durchführen lassen und das Fahrzeug zu einem relativ hohen Kaufpreis anbot.

Der in der Vereinbarung vom 12.4.1991 erklärte Verzicht auf Wandlung oder Minderung bezüglich des Vorschadens sollte ersichtlich nur außerhalb des Rahmens der Zusicherung, also nur dann gelten, wenn "es sich nicht um einen Rahmenschaden handelte". Für den Fall arglistigen Verschweigens gilt eine Beschränkung der Gewährleistungspflicht ohnehin nicht (§ 476 BGB).