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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil vom 06.04.2016 - 7 K 3756/14 - Untersagungsverfügung für das Führen von führerscheinfreien Fahrzeugen

VG Stuttgart v. 06.04.2016: Zur Rechtmäßigkeit einer Untersagungsverfügung für das Führen von führerscheinfreien Fahrzeugen - Elektrorollstuhl


Das Verwaltungsgericht Stuttgart (Urteil vom 06.04.2016 - 7 K 3756/14) hat entschieden:
Eine Untersagungsverfügung nach der Teilnahme am Straßenverkehr mit 1,6 ‰ mit der Auflage, einen Elekrorollstuhl nur in Anwesenheit einer Begleitperson zu führen, genügt nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Aktionsradius des Betroffenen im Kontakt zur Außenwelt stark eingeschränkt und dem öffentlichen Interesse an der Verkehrssicherheit der Vorrang eingeräumt gegenüber seinem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Faktisch Verliert der Beklagte durch die gemachte Auflage seine eigenständige Mobilität gänzlich.


Siehe auch Nutzungsverbot für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge und Stichwörter zum Thema Fahrverbot


Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Untersagungsverfügung, mit der ihm das Führen von führerscheinfreien Fahrzeugen - Elektrorollstuhl - ohne Begleitperson versagt wird.

Dem 1964 geborenen Kläger wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichtes ... vom 20.01.1999 die Fahrerlaubnis entzogen, weil er am 10.12.1998 gegen 2:10 Uhr ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt hatte (BAK 1,66 ‰). Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichtes ... vom 07.05.2002 wurde der Kläger erneut wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt, weil er am 12.12.2001 gegen 23:35 Uhr seinen Elektrorollstuhl mit 2,0 ‰ BAK fuhr. Schließlich fuhr er am 27.03.2012 seinen Elektrorollstuhl gegen 2:20 Uhr in Schlangenlinien auf dem Gehweg mit 1,6 ‰ BAK, was mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichtes ... vom 21.05.2012 geahndet wurde.

Nach erfolgter Anhörung ordnete der Beklagte am 13.09.2013 die Vorlage eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens an wegen Führen eines Fahrzeugs mit 1,6 ‰ oder mehr und wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Die zu beantwortende Frage lautete:
Ist zu erwarten, dass der Untersuchte auch zukünftig ein (Kraft-​)Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges/Fahrzeuges (Elektrorollstuhl) in Frage stellen?
Nachdem der Kläger bis zum 01.12.2013, der gesetzten Frist, kein Gutachten vorlegte, hörte ihn der Beklagte zur beabsichtigten Untersagungsverfügung an. Mit Bescheid vom 01.04.2014 untersagte der Beklagte dem Kläger das Führen von führerscheinfreien Fahrzeugen - Elektrorollstuhl - ohne Begleitperson. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wurde angeordnet. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass, weil kein Gutachten vorgelegt worden sei, von Eignungsmängeln auszugehen und der Schluss auf die Nichteignung gerechtfertigt sei. Die Trunkenheitsfahrten seien verwertbar und nicht tilgungsreif. Nachdem der Kläger geäußert habe, wirtschaftlich nicht in der Lage zu sein, die Gutachterkosten zu tragen, habe sich der Allgemeine Soziale Dienst der Beigeladenen bereit erklärt, im Rahmen eines Darlehens die Gutachterkosten in Höhe von knapp über 400,00 € abzudecken. Zusätzliche Vorbereitungskosten für Beratung und Abstinenznachweise würden dagegen nicht übernommen. Nach Abwägung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit des Klägers und der unbeschadeten Gewährleistung der Verkehrssicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer könne die Mobilität des Klägers unter der Auflage einer Begleitperson gewährt werden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 16.04.2014 Widerspruch ein, den er damit begründete, finanziell nicht in der Lage zu sein, ein Gutachten beauftragen und bezahlen zu können. Er sei bereit gewesen, ein medizinisch-​psychologisches Gutachten zu erbringen. Das angebotene Darlehen der Beigeladenen habe jedoch nur die Anmeldekosten abgedeckt, nicht hingegen die Kosten von Screenings von 500,00 € sowie eine Vorbereitungssitzung mit 100,00 €/Stunde. Auch habe er keine Angehörigen und Verwandte, die als Begleitperson zur Verfügung stünden.

Mit Bescheid vom 18.07.2014, zugestellt am 21.07.2014, wies das Regierungspräsidium ... den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Beklagte nach § 3 Abs. 2 FeV i.V.m. § 13 Nr. 2b und c FeV zu Recht die Vorlage eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens angeordnet habe. Durch die Nichtvorlage des Gutachtens sei nach § 11 Abs. 8 FeV der Schluss auf die Nichteignung zum selbständigen Führen eines Elektrorollstuhls gerechtfertigt. Die Finanzierung liege im Verantwortungsbereich des Klägers. Die Abwägung sei sachgerecht getroffen worden, schließlich würde dem Kläger seine Mobilität nicht gänzlich genommen, sondern er könne sich mit Begleitperson im Elektrorollstuhl oder mit einem handbetriebenen Rollstuhl fortbewegen.

Der Kläger hat einen isolierten Antrag auf Prozesskostenhilfe für einen gerichtlichen Eilantrag gestellt (7 K 2794/14). Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts ... vom 10.12.2014 hat der VGH Baden-​Württemberg Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 19.05.2015 bewilligt. Zur Begründung führt der VGH Baden-​Württemberg aus, dass die Erfolgsaussichten als hinreichend zu bewerten seien. Es sei offen, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend beachtet worden sei. Ob der Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 FeV in Ausnahmefällen finanziellen Unvermögens zur Gutachtenbeibringung einer Relativierung bedürfe, könnte in dem Sinne noch näherer Prüfung bedürfen, dass genauere Feststellungen über die Höhe der gegebenenfalls anfallenden Kosten und die Möglichkeit einer Finanzierung durch Sozialleistungsträger oder die Kommune in Betracht kämen. Unabhängig davon komme im Rahmen der am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientierenden Anwendung des § 3 Abs. 1 FeV auch eine nähere Prüfung in Betracht, inwieweit die vom Beklagten ohne Einschränkung angebotene Belassung der Befugnis des Klägers zum Gebrauch eines Krankenfahrstuhls ohne Elektroantrieb zum einen für den Kläger finanzierbar sei und zum anderen nicht etwa eher zu einer Erhöhung als zu einer Verringerung des Gefährdungsrisikos führe, weil der Kläger plausibel auf Verkrampfungen in den Händen hingewiesen habe. Mit Beschluss des Gerichts vom 13.07.2015 ist aufgrund des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Untersagungsverfügung insoweit wieder hergestellt worden, als dass das Führen von führerscheinfreien Fahrzeugen ohne Begleitperson zwischen 6 Uhr und 20 Uhr zulässig ist.

Der Kläger hat am 19.08.2014 einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart gestellt. Zur Begründung führt er aus, dass er aufgrund von Durchblutungsstörungen nicht in der Lage sei, Strecken außerhalb seiner Wohnung mit einem handbetriebenen Rollstuhl zu bewältigen. Ihm sei bereits ein Finger aufgrund der Durchblutungsstörungen amputiert worden. Die Kosten zur Anschaffung eines handbetriebenen Rollstuhls lägen bei ca. 3.500,00 €, die er nicht aufbringen könne. Er habe dem Beklagten angeboten, alle zwei Monate ein Screening vorzulegen, was der Beklagte abgelehnt habe. Die angebotene finanzielle Unterstützung der Beigeladenen reiche nicht aus. Ausweislich eines Kostenvoranschlages des TÜV-​Süd betrügen die Kosten für einen Abstinenznachweis für sechs Monate (4 x Urinabgabe) 414,00 € und für 12 Monate (6 x Urinabgabe) 621,00 €.

Im Klageverfahren hat der Kläger ein Attest des Dr. C. vom 24.11.2014 vorgelegt, in dem dieser bestätigt, dass der Kläger aufgrund der Durchblutungsstörungen nicht mit einem Rollstuhl ohne Motor zurecht käme, er bekäme dann Krämpfe in den Unterarmen und Händen.

Mit Beschluss vom 02.01.2015 hat das Gericht dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und das Verfahren als Klageverfahren fortgeführt.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 01.04.2014 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 18.07.2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die angefochtenen Bescheide. Hinsichtlich der Kosten führt er aus, dass eine medizinisch-​psychologische Untersuchung zwischen 400,00 € und 450,00 € koste. Sofern der Kläger zusätzlich Abstinenznachweise erstellen müsse, seien diese kostengünstiger zu erhalten, z.B. sechs Monate Alkoholabstinenzbelege (4 x Urinabgabe) für 161,00 € und 12 Monate für 229,00 € beim Labor .... Der Beklagte könne nicht beurteilen, ob und wie viele Abstinenznachweise erforderlich seien, um ein positives medizinisch-​psychologisches Untersuchungsergebnis zu erreichen. Eine zwingende Notwendigkeit Vorbereitungsstunden bzw. teure Screenings erstellen zu lassen, bestehe aus der Sicht des Beklagten nicht.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hinsichtlich der entstehenden Kosten einer MPU ausgeführt, dass er bei vier Instituten angefragt habe und alle von ihm Abstinenznachweise/Screenings gefordert hätten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet die Berichterstatterin anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).

Die Klage ist zulässig. Hinsichtlich der versäumten Klagefrist wird dem Kläger gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung gewährt, weil er den isolierten Prozesskostenhilfeantrag vor Ablauf der Klagefrist mit allen erforderlichen Unterlagen gestellt hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 60 Rn. 15, § 166 Rn. 3).

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 01.04.2014 und der Widerspruchsbescheid vom 18.07.2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn der Beklagte hat den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen des § 3 Abs. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nicht ausreichend beachtet.

Rechtsgrundlage für die Untersagungsverfügung ist § 3 Abs. 1 FeV. Wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen erweist, hat die Fahrerlaubnisbehörde nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV ihm das Führen von führerscheinfreien Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Der Elektrorollstuhl ist ein führerscheinfreies Fahrzeug im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 3 Abs. 2 FeV finden die Vorschriften der §§ 11 bis 14 entsprechende Anwendung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeuges zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist.

Gemäß § 11 Abs. 8 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser ein zu Recht von ihr gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung ist nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig ist, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.2001 - 3 C 13/01 -, juris).

Zwar hat der Beklagte zu Recht entsprechend § 13 Nr. 2b und c FeV die Vorlage eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens angeordnet. Nach § 13 Nr. 2c FeV ist dies erforderlich, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Wie im Strafbefehl des Amtsgerichtes ... vom 21.05.2012 festgestellt, hat der Kläger am 27.03.2012 seinen Elektrorollstuhl mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille geführt. Somit durfte der Beklagte die Vorlage eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens allein aufgrund dieser Tatsache anordnen. Nach § 13 Nr. 2b FeV ist die Anordnung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens zudem erforderlich, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Anders als vom Kläger vorgetragen können die weiteren Trunkenheitsfahrten (vom 10.12.1998 und vom 12.12.2001) berücksichtigt werden. Denn eine strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis (vorliegend durch Strafbefehl vom 20.01.1999) hat gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 StVG eine zehnjährige Tilgungsfrist. Diese Tilgungsfrist beginnt erst fünf Jahre nach der Entziehungsentscheidung zu laufen (§ 29 Abs. 5 StVG a.F., der nach der Übergangsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG weiterhin anzuwenden ist), so dass die Tilgungsfrist am 20.01.2014 abgelaufen wäre. Weil aber in dieser Zeit eine erneute Trunkenheitsfahrt (12.12.2001) mit einer Verurteilung hinzukam (07.05.2002), verlängerte sich die Tilgungsfrist bis zum Ablauf der Tilgungsfrist des zweiten Verkehrsvergehens (§ 29 Abs. 6 Satz 1 StVG a.F., 10 Jahre, Fristbeginn 07.05.2007, Fristende 07.05.2017). Somit sind die weiteren Trunkenheitsfahrten zu Recht berücksichtigt worden, so dass der Kläger wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat und auch aus diesem Grund die Anordnung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens erforderlich war. Formale Bedenken gegen die Gutachtensanforderung bestehen ebenfalls nicht, § 11 Abs. 6 FeV ist eingehalten und der Beklagte hat den Kläger auf die Folgen der Nichtbeibringung des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV hingewiesen. Der Kläger hat das zu Recht angeordnete medizinisch-​psychologische Gutachten nicht fristgerecht beigebracht.

Allerdings bestehen Zweifel, ob der Schluss auf die Ungeeignetheit (§ 11 Abs. 8 FeV) vorliegend aufgrund des finanziellen Unvermögens des Klägers einer Relativierung bedarf. § 11 Abs. 6 FeV enthält keine Bestimmung über die Kostentragungspflicht des Verkehrsteilnehmers, sondern setzt diese voraus. Gegen die Kostentragungspflicht des Rollstuhlfahrers spricht, dass es ganz allgemein um die Befugnis des Klägers geht, sich überhaupt noch in der ihm verbliebenen Art und Weise ohne Hilfe Dritter außerhalb seiner Wohnung fortzubewegen. Die Verweisungsnorm des § 3 Abs. 2 FeV betrifft den Straßenverkehr; die in dieser Bestimmung genannten fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge (insbesondere Fahrräder) und Tiere (insbesondere Pferde) nehmen typischerweise am Straßenverkehr teil. Zweifelhaft ist hingegen, ob die Verkehrsteilnahme von Fußgängern und Rollstuhlfahrern von dieser Bestimmung erfasst ist. Es mag gleichwohl aus Gründen des Sachzusammenhanges angebracht sein, das gefahrenabwehrrechtliche Instrumentarium der Fahrerlaubnis-​Verordnung anzuwenden, wenn die üblicherweise auf den Fußgängerbereich beschränkte Benutzung eines Elektrorollstuhles Gefahren (auch) für Dritte verursacht. Ob der Kläger, der gleichsam den letzten ihm verbliebenen Rest an eigenständiger Mobilität verteidigt, den Nachweis der gefahrlosen Fortbewegung in der Öffentlichkeit aber wie in den normalen Anwendungsfällen des Fahrerlaubnisrechts auf seine Kosten zu erbringen hat, begegnet demgegenüber rechtlichen Bedenken, zumindest wenn er dazu finanziell - wie vorliegend - nicht in der Lage ist. Näher dürfte es liegen, diesen Fall kostenrechtlich analog zu Sachverhalten zu behandeln, in denen wie etwa im Unterbringungsrecht geklärt werden muss, ob von Personen (krankheitsbedingt) unspezifische Gefahren für deren eigene Sicherheit und für die Sicherheit Dritter ausgehen (vgl. OVG Nordrhein-​Westfalen, Beschluss vom 10.11.2014 - 16 E 829/14 -, juris).

Jedenfalls genügt die Untersagungsverfügung mit den gemachten Auflagen nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV hat sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientieren. Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Möglichkeit, das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Durch die gemachten Auflagen (Begleitperson zum Führen des Elektrorollstuhls) wird der Aktionsradius des Klägers im Kontakt zur Außenwelt stark eingeschränkt und dem öffentlichen Interesse an der Verkehrssicherheit der Vorrang eingeräumt gegenüber seinem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Faktisch hat der Beklagte dem Kläger durch die gemachte Auflage seine eigenständige Mobilität gänzlich genommen. Soweit der Beklagte die Auflage einer Begleitperson zur Benutzung des Elektrorollstuhles macht, hat der Kläger keine Verwandte in der Nähe, die dies übernehmen könnten, und die Finanzierung einer sonstigen Begleitperson ist nicht gesichert. Soweit der Beklagte den Kläger auf die Benutzung eines handbetriebenen Rollstuhls verweist, reicht dies nicht aus, um seine Rechte zu wahren. Denn - unabhängig von der nicht gesicherten Finanzierung der Anschaffung eines solchen Rollstuhls - würde dies zu einer Erhöhung des Gefährdungsrisikos führen. Die Gefäßerkrankung, an der der Kläger leidet, hat bereits zur Amputation beider Unterschenkel und eines Fingers geführt. Ausweislich des Attestes des Dr. C. vom 24.11.2014 leidet der Kläger an Durchblutungsstörungen in den Händen, die zu Krämpfen in den Händen führen, wenn der Kläger einen Rollstuhl ohne Motor benutzt. Die Gefahr für ihn und für andere Verkehrsteilnehmer würde sich erhöhen, wenn er sich mit einem handbetriebenen Rollstuhl im Straßenverkehr bewegt.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist die Kostentragung für ggf. erforderliche Abstinenznachweise und eine ggf. erforderliche Vorbereitung nicht gesichert. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit hat der Beklagte zu prüfen, wie eine Kostentragung für eine MPU, ggf. erforderliche Abstinenznachweise/Screenings und eine Vorbereitungsstunde gesichert werden kann, ggf. auch durch ein Darlehen des Beklagten. Dabei ist auch das Angebot der Beigeladenen, Kosten auf Darlehensbasis zu übernehmen, zu berücksichtigen. Alternativ kommt zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit eine Auflage in Betracht, die die Benutzung des Elektrorollstuhls von der Tageszeit abhängig macht, weil sich die alkoholbedingten Vorfälle alle nachts ereignet haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.