Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Berlin-Mitte Urteil vom 19.11.2014 - 112 C 3053/14 - Ersatzfähigkeit des Kfz.-Sachverständigenhonorars

AG Berlin-Mitte v. 19.11.2014: Zur Ersatzfähigkeit des unfallbedingten Kfz.-Sachverständigenhonorars


Das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urteil vom 19.11.2014 - 112 C 3053/14) hat entschieden:
  1. Ein Kfz-Sachverständiger überschreitet allein dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt, nicht die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung. Nach den von den Sachverständigen im Land Berlin/Brandenburg verwendeten Gebührentabellen liegt das Grundhonorar im Niedrigschadenbereich bei höchstens 30 % des eingetretenen Schadens und im Höchstschadensbereich bei nur noch 0,05 % des eingetretenen Schadens. Diese Degression ist angemessen und auch im Niedrigschadenbereich nicht zu beanstanden.

  2. Kfz-Sachverständigenkosten gehören auch dann zum erforderlichen Herstellungsaufwand für ein geschädigtes Fahrzeug, wenn sich die Reparaturkosten auf weniger als 1000,00 € belaufen.

Siehe auch Die Sachverständigenkosten in der Unfallschadenregulierung und Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen bei Kleinschäden unterhalb der sog. Bagatellschadensgrenze


Tatbestand:

Von der Darstellung eines Tatbestands wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, im Übrigen unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall vom 8.10.2013 des Geschädigten Herrn ... über die vorprozessual bereits gezahlten 295,00 € hinaus noch ein Anspruch auf Zahlung weiterer Gutachterkosten in Höhe von 115,76 € brutto, aus dem Verkehrsunfall vom 13.10.2013 der Geschädigten ... GmbH über die vorprozessual bereits gezahlten 75,00 € hinaus noch ein Anspruch auf Zahlung weiterer Gutachterkosten in Höhe von 286,12 € brutto und aus dem Verkehrsunfall vom 5.5.2013 der Geschädigten Frau ... über die vorprozessual bereits gezahlten 627,13 € hinaus noch ein Anspruch auf Zahlung weiterer Gutachterkosten in Höhe von 114,06 € brutto gemäß den §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 823 ff BGB i.V.m. § 426 BGB zu.

Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die aus den vorgenannten Verkehrsunfällen entstandenen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Bedenken hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Sachverständigenhonorare in den Fällen der Geschädigten ... GmbH und … bestehen nicht.

Die Abrechnung erfolgte zulässigerweise in prozentualer Abhängigkeit zur festgestellten Schadenshöhe. Die Berechnung einer Grundgebühr für die Gutachtertätigkeit ist nicht zu beanstanden. Nach der Entscheidung des BGH vom 23.1.2007, AZ VI ZR 67/06 überschreitet ein Kfz-​Sachverständiger allein dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt nicht die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung. Eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars trägt dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist. Denn die Schadenshöhe korreliert regelmäßig mit dem Arbeitsaufwand des Gutachters, da bei einem höheren Schaden grundsätzlich größere und umfassendere Schäden vorliegen, die einen höheren Feststellungs- und Kalkulationsaufwand erfordern. Die vom Kläger in Rechnung gestellten Vergütungen entsprechen einer üblichen Vergütung gemäß § 632 Abs. II BGB für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Grundhonorar und gutachterlicher Leistung ist nicht festzustellen.

Im Fall der Geschädigten ... GmbH stellt die Berechnung eines Grundhonorars von 219,00 € netto für die Begutachtung eines Schadens von 725,00 € netto mit einem Prozentsatz von 30 % noch kein unüblich hohes Honorar dar. Es bewegt sich gerade noch im Rahmen der im Land Berlin/Brandenburg üblichen Sachverständigenvergütungen. Das Gericht, das seit zehn Jahren ausschließlich mit Verkehrssachen befasst ist, kann aufgrund der Vielzahl der bisher zu entscheidenden vergleichbaren Klagen mit Sicherheit feststellen, dass der vom Kläger geforderte Prozentsatz von 30 % an der oberen Grenze der allgemein geforderten Sachverständigenvergütungen rangiert. Nach den verschiedenen von den Sachverständigen im Land Berlin/Brandenburg verwendeten Gebührentabellen liegt das Grundhonorar im Niedrigschadenbereich bei höchstens 30 % des eingetretenen Schadens und im Höchstschadenbereich bei nur noch 0,05 % des eingetretenen Schadens. Diese Degression ist angemessen und auch im Niedrigschadenbereich nicht zu beanstanden.

Im Fall der Geschädigten … stellt die Berechnung eines Grundhonorars von 457,00 € netto für die Begutachtung eines Schadens von 3499,99 € netto mit einem Prozentsatz von 13 % kein vergleichsweise hohes Honorar dar. Es bewegt sich im unteren Bereich der allgemein geforderten Sachverständigenvergütungen der im Land Berlin/Brandenburg üblichen Sachverständigenvergütungen.

Im Fall des Geschädigten ... stellt die Berechnung eines Grundhonorars von 277,00 € netto für die Begutachtung eines Schadens von 835,43 € netto mit einem Prozentsatz von 33 % allerdings ein vergleichsweise hohes Honorar dar. Es bewegt sich, wie bereits dargestellt, deutlich über den allgemein geforderten Sachverständigenvergütungen der im Land Berlin/Brandenburg üblichen Sachverständigenvergütungen. Nach den vorangegangenen Erörterungen ist auch im Niedrigschadenbereich, wie hier, ein Prozentsatz von höchstens 30 % angemessen und ausreichend. Das Gericht schätzt daher das angemessene Grundhonorar auf 250,63 €, mithin 30 % des entstandenen Schadens von 835,43 € netto, § 287 ZPO. Zuzüglich der in der Rechnung des Klägers vom 11.10.2013 ausgewiesenen Nebenkosten in Höhe von insgesamt 94,55 € sowie der gesetzlichen Mehrwertsteuer von 19 %, kann der Kläger daher von der Beklagten 410,76 € brutto Gutachterkosten verlangen. Abzüglich der bereits gezahlten 295,00 € steht dem Kläger gegen die Beklagte noch ein Anspruch auf Zahlung von restlichen Gutachterkosten in Höhe von 115,76 € zu.

Es unterliegt schließlich keinen Bedenken, dass der Kläger ein Grundhonorar berechnet und daneben Nebenkosten für Schreibkosten, Porto/Telefonkosten, Fahrtkosten sowie für Lichtbilder pauschal abgerechnet. Wie bereits aus den Begriffen Grundhonorar und Nebenkosten zu entnehmen ist, wird einmal eine Vergütung für die Kerntätigkeit des Sachverständigen, nämlich seine geistige Tätigkeit bei der Begutachtung eines Schadens mit der Berechnung des Grundhonorars abgerechnet und darüber hinaus die daneben anfallenden Kosten für die Erstellung des Gutachtens abgerechnet, die sogenannten Nebenkosten. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Höhe der abgerechneten Nebenkosten entspricht den in der BVSK 2013 festgestellten Pauschalen. Ein auffälliges Missverhältnis vermag das Gericht nicht festzustellen.

Soweit die Beklagte meint, die geschädigte ... GmbH habe durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens gegen ihre Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB verstoßen, vermag das Gericht dieser Ansicht nicht zu folgen. Kfz-​Sachverständigenkosten gehören auch dann zum erforderlichen Herstellungsaufwand für ein geschädigtes Fahrzeug, wenn sich die Reparaturkosten auf weniger als 1000,00 € belaufen. Denn schließlich sind es gerade die Kfz-​Haftpflichtversicherungen, die ein Sachverständigengutachten für die substantiierte Darlegung des Schadens vom Geschädigten fordern und einen Kostenvoranschlag nicht ausreichen lassen. Es erscheint treuwidrig, wenn sich die Kfz-​Haftpflichtversicherungen je nach Fallkonstellation entweder auf die Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens auch bei kleinen Schäden oder auf einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des Geschädigten bei Einholung eines Sachverständigengutachtens bei kleinen Schäden berufen.

Der Zinsanspruch ist gemäß den §§ 286, 288, 291 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. II ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. IV ZPO nicht vorliegen.



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