Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Beschluss vom 02.11.2009 - 1 AR 1753/09 - 3 Ws 624/09 - Wiedereinsetzung bei Krankheit

KG Berlin v. 02.11.2009: Anforderungen an ein Wiedereinsetzungsgesuch wegen Versäumung der Berufungshauptverhandlung infolge Krankheit


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 02.11.2009 - 1 AR 1753/09 - 3 Ws 624/09) hat entschieden:
Zur Glaubhaftmachung der krankheitsbedingten Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten reicht die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allein nicht aus, wenn diese lediglich in Form eines ICD-Schlüssels einen Hinweis auf eine (gastroenterologische) Erkrankung unspezifischer Art enthält, aus dem nicht zu ersehen ist, ob der Angeklagte durch diese Erkrankung tatsächlich in seiner Verhandlungsfähigkeit derart beeinträchtigt war, dass er zum Hauptverhandlungstermin nicht erscheinen konnte.


Siehe auch Die Berufungshauptverhandlung im Strafverfahren und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Einspruch des Angeklagten gegen einen gegen ihn ergangenen Strafbefehl verworfen, weil der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung nicht zum Hauptverhandlungstermin erschienen war. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen, weil der Angeklagte auch der Berufungshauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben ist. Den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Die dagegen fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten zu Recht als unzulässig verworfen. Zur Zulässigkeit eines derartigen Antrages gehört, dass umfassend ein Sachverhalt vorgetragen und glaubhaft gemacht wird, der ein Verschulden des Angeklagten an der Säumnis ausschließen soll (vgl. Senat, Beschluss vom 17. August 2009 - 3 Ws 473/09 -; Meyer-​Goßner, StPO 52. Aufl., § 45 Rdn. 5, 6 m.N.). Beruht das Ausbleiben - wie hier - auf einer Beeinträchtigung der Gesundheit, die zu einer Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit geführt haben soll, sind dem Gericht mit dem Wiedereinsetzungsgesuch die hierfür maßgeblichen Tatsachen so vollständig und umfassend mitzuteilen und glaubhaft zu machen, dass dieses allein auf Grund dieser Ausführungen beurteilen kann, ob dem Antragsteller ein Erscheinen in der Hauptverhandlung zumutbar war oder nicht.

Anders als bei der Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO trifft das Gericht im Wiedereinsetzungsverfahren auch keine Aufklärungspflicht, wenn es Anlass hat anzunehmen, das Ausbleiben des Angeklagten könnte entschuldigt sein. Es liegt vielmehr allein bei dem Antragsteller, die zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen mitzuteilen. Dieser umfassenden Informationspflicht genügt nicht, wer lediglich ein Attest übersendet, in dem ihm vom einem Arzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird (vgl. KG, StRR 2007, 105).

So liegt der Fall hier. Das von dem Angeklagten über seinen Verteidiger eingereichte ärztliche Attest vom 8. Juli 2009 attestiert lediglich die Arbeitsunfähigkeit des Angeklagten vom 8. bis 14. Juli 2009 wegen einer Ischialgie. Dabei handelt es sich um eine Reizung des Ischiasnervs, die in verschiedenen Ausprägungen auftreten kann und nicht zwangsläufig mit einer Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit verbunden ist. In der Antragsschrift ist eine Reise- und Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten aufgrund dieser Erkrankung lediglich vorgetragen, jedoch trotz eines entsprechenden Hinweises des Landgerichts auch im weiteren Verfahrensgang nicht glaubhaft gemacht worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.