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Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss vom 27.07.2016 - W 6 S 16.680 - Ärztliches Gutachten mit psychologischer Fragestellung bei ADHS

VG Würzburg v. 27.07.2016: Ärztliches Gutachten mit psychologischer Fragestellung bei ADHS


Das Verwaltungsgericht Würzburg (Beschluss vom 27.07.2016 - W 6 S 16.680) hat entschieden:
Nr. 1 der Vorbemerkung der Anlage 4 FeV bestimmt ausdrücklich, dass die nachstehende Aufstellung häufiger vorkommende Erkrankungen und Mängel enthält, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. Nicht aufgenommen sind Erkrankungen, die seltener vorkommen oder nur kurzzeitig andauern. ADHS unterfällt ICD-10, F 90: Hyperkinetische Störungen. Personen mit ADHS bieten ein höheres Risiko für alle Arten von Unfällen, insbesondere auch Verkehrsunfällen. Weiter besteht die Neigung, gegen Regeln im Straßenverkehr zu verstoßen. Die ADHS wird weder in der FeV noch in den Begutachtungsleitlinien erwähnt, wohl deshalb weil ADHS irrtümlich für eine Störung gehalten wurde, die im Erwachsenenalter ausheilt. Auch wenn ein genereller Zweifel an der Fahreignung nicht begründbar ist, sollten augenfällige und gehäufte Verstöße gegen Verkehrsvorschriften abgeklärt werden, und zwar regelmäßig im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung.


Siehe auch MPU oder Facharztgutachten und Krankheiten und Fahrerlaubnis


Gründe:

I.

Der am 27. Mai 1983 geborene Antragsteller wendet sich gegen den Sofortvollzug der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M, S.

Nach Mitteilung der Polizeiinspektion S... vom 18. November 2015 verursachte der Antragsteller am 5. Oktober 2015 einen Verkehrsunfall. Ein freiwillig durchgeführter Drogenschnelltest reagierte positiv auf THC sowie Amphetamine. Die positive Reaktion könnte auch durch das Medikament Medikinet hervorgerufen worden sein. Der Antragsteller sei an ADHS erkrankt. Er legte eine Erlaubnis der Bundesopiumstelle vom 26. Juli 2005 vor, aus der hervorgeht, dass er die Erlaubnis habe, Betäubungsmittel zu erwerben.

Mit Schreiben vom 3. März 2016 forderte der Antragsgegner (Landratsamt Schweinfurt) den Antragsteller auf, ein ärztliches Gutachten von einem Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Unter anderem wurde ausgeführt, ADHS gehöre zu den neurologischen Krankheitsbildern, die die Fahreignung beeinflussen könnten. Gemäß Nr. 9.6.2 der Anlage 4 FeV sei die Fahreignung nicht gegeben, wenn die Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen durch die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln unter dem erforderlichen Maß liege. Das Medikament „Medikinet“ mit dem Wirkstoff Methylphenidat könne Schwindel, Schlechtigkeit und Sehstörungen einschließlich Akkommodationsschwierigkeiten, Diplopie und verschwommenes Sehen verursachen. Aufgrund der Dauermedikation mit Medikinet sei daher zu prüfen, ob die psycho-​physische Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausreichend sei. Die folgenden Fragen seien aufgrund § 11 Abs. 2 FeV i.V.m. Nr. 7 und Nr. 9.6.2 der Anlage 4 FeV zu beantworten:
Ist der Antragsteller trotz des Vorliegens einer Erkrankung (ADHS), die nach Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellt, in der Lage den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 (Klasse B, L, M, S) gerecht zu werden?

Kann die Fahreignung gegebenenfalls nur unter Auflagen und/oder Beschränkungen gewährleistet werden und falls ja welche?

Sind im konkreten Einzelfall Nachuntersuchungen erforderlich. Falls ja, in welchen Abständen?

Insbesondere ist zu überprüfen, ob das Leistungsvermögen zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 ausreicht, auch vor dem Hintergrund der Dauermedikation?

Falls dies nicht der Fall ist: Ist eine Kompensation der festgestellten Einschränkungen durch besondere persönliche Voraussetzungen (vgl. Anlage 4 FeV) möglich?
Nachdem das Gutachten nicht vorgelegt wurde, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 7. Juni 2016 die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Nr. 1). Weiter gab der Antragsgegner dem Antragsteller auf, den am 8. Juni 2010 unter Listen-​Nummer ... ausgehändigten Führerschein spätestens sieben Tage nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt Schweinfurt abzuliefern (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der Nichtbeachtung der Nr. 2 des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR angedroht (Nr. 4). Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus: Der Entzug der Fahrerlaubnis stütze sich auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV. Der Antragsteller habe das rechtmäßig angeforderte Gutachten nicht fristgerecht beigebracht, auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen werde geschlossen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Aufgrund der vorliegenden fachärztlichen Bescheinigung stehe fest, dass der Antragsteller an ADHS erkrankt sei und unter Dauermedikation von Medikinet stehe. Diese Tatsachen begründeten die Annahme einer psychischen Erkrankung (vgl. Nr. 7 Anlage 4 FeV). ADHS zeichne sich durch Probleme mit der Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität aus. Auch wenn ADHS nicht explizit in Anlage 4 FeV aufgeführt sei, gehöre die Krankheit zu den neurologischen Krankheitsbildern. Aufgrund der Dauermedikation mit Medikinet sei zu prüfen, ob die psycho-​physische Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausreichend sei. Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins beruhe auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV.

Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 8. Juni 2016 zugestellt. Der Führerschein wurde am 16. Juni 2016 abgeliefert.

Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2016, bei Gericht eingegangen am 5. Juli 2016, ließ der Antragsteller im Verfahren W 6 K 16.679 Klage erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen:
Die sofortige Vollziehung der Verfügung des Beklagten vom 7. Juni 2016 wird ausgesetzt und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt.

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, den vom Antragsteller abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder an diesen herauszugeben oder für den Fall, dass der Führerschein unbrauchbar gemacht wurde oder wird, dem Antragsteller einen neuen Führerschein der Klassen B, L, M und S auszustellen.
Zur Begründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen ausführen: Bei ADHS liege schon keine Erkrankung nach Anlage 4 FeV vor, so dass die Grundlage für die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV fehle. Es handele sich nicht um eine psychische Störung, so dass die Anordnung einer psychologischen Begutachtung gänzlich fehl gehe und auch keine Erkrankung vorliege, die unter Nr. 7 der Anlage 4 FeV einzuordnen sei. Aufgrund der Diagnose ADHS sei kein genereller Zweifel an der Fahreignung begründbar. Erst wenn auffällige und gehäufte Verstöße gegen Verkehrsvorschriften vorlägen, könne es angezeigt sein zu klären, in welcher Weise die registrierten Verkehrsvergehen mit den Defiziten der ADHS interagierten. Die regelmäßige Einnahme des Medikaments Medikinet erfolge unter ärztlicher Überwachung. Es seien keinerlei Anzeichen für eine missbräuchliche Einnahme erkennbar. Unter dieser Medikation bestehe laut fachärztlicher Bescheinigung eine uneingeschränkte Fahreignung. Eventuelle Zweifel seien endgültig ausgeräumt. Die Güterabwägung im Rahmen des Sofortvollzugs dürfe nicht – wie hier – lediglich formelhaft erfolgen. Der Antragsteller habe durch die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnis seine Arbeitsstelle verloren. Auch sei die Versorgungslage eingeschränkt.

Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 20. Juli 2016:
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung führte das Landratsamt Schweinfurt für den Antragsgegner im Wesentlichen aus: Die Anlage 4 FeV nenne nicht abschließend sämtliche Krankheitsbilder, die in der Praxis die Fahreignung einschränken könnten. Vielmehr seien darin gemäß der Nr. 1 der Vorbemerkung der Anlage 4 zur FeV häufig vorkommende Erkrankungen und Mängel enthalten. Gerade ADHS im Erwachsenenalter sei eine Erkrankung, die die Fahreignung durchaus schwer beinträchtigen könne. Aufgrund der potentiell verminderten Aufmerksamkeit und damit einhergehend einer erhöhten Unfallgefahr sei es erforderlich, bei Vorliegen dieses Krankheitsbildes die Fahreignung gerade hier zu klären. Die vorliegende Erkrankung erfordere bereits eine Therapie mit psychoaktiver Medikation. Es seien in der Vergangenheit bereits Unfälle aufgetreten, wobei gerade fehlende Aufmerksamkeit als Ursache für das Unfallgeschehen eingeräumt worden sei. Gerade bei Dauermedikation mit Medikinet komme bei der Frage der Verkehrsrelevanz dieser Erkrankung hohe Bedeutung zu. Denn vor dem Hintergrund der Dauermedikation mit dem psychoaktiven Medikament im Sinne von Nrn. 9.6.2 der Anlage 4 FeV ergebe sich zum einen die Schwere der Grunderkrankung, die die Medikation erfordere, und zum anderen aber auch die Frage inwieweit sich Einschränkungen aus der Grunderkrankung im Zusammenhang mit der Medikation im Straßenverkehr ergeben könnten, die eine Fahreignung in Frage stellten. Das Medikament Medikinet könne verschiedene Nebenwirkungen hervorrufen, die großen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit hätten. Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen ergäben sich beim gleichzeitigen Konsum illegaler Drogen, hier der leichtfertige Konsum von Cannabis. Der behandelnde Arzt, der die Bemerkung hinzugefügt habe, wonach unter der Medikation uneingeschränkte Fahreignung stehe, habe offensichtlich vorausgesetzt, dass das Medikament entsprechend seiner Verordnung zuverlässig und ohne Kombination mit illegalen Drogen eingenommen werde. Der Antragsteller habe in seiner Vorsprache erklärt, das Medikament täglich und zwar morgens 30 mg und mittags 20 mg einnehmen zu müssen. Das Medikament sei genau nach Verordnung jeweils zur rechten Zeit in den notwendigen Einzeldosen einzunehmen, um sicherzustellen, dass der Wirkstoff hoch genug sei, um eine zuverlässige Wirkung sicherzustellen. Das sei nicht der Fall, wenn die Einnahme einzelner Dosen leichtfertig ausgelassen oder zeitlich verschoben werde. Am 12. Oktober 2015 habe der Antragsteller gegenüber der Polizei angegeben, die letzte Dosis von 30 mg morgens um 6:00 Uhr eingenommen zu haben. Die Dosis von 20 mg, die mittags hätte eingenommen werden müssen, habe zum Unfallzeitpunkt gefehlt. Zudem könne die Kombination mit Drogen die Wirkung von Medikinet beeinflussen. Der Antragsteller habe eingeräumt, zwei Tage vor der Fahrt mit dem Pkw einen Joint geraucht zu haben. Das vorgelegte Attest gehe von falschen Grundannahmen aus, nämlich von der Einnahme der Medikation entsprechend seiner Verordnung sowie von einer Drogenabstinenz. Mit Schreiben vom 3. März 2016 sei der Antragsteller aufgefordert worden ein Fahreignungsgutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen, in dem die Fahreignung aufgrund des Vorliegens des ADHS sowie die Leistungsfähigkeit vor dem Hintergrund der Dauermedikation mit Medikinet geklärt werden sollte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist teilweise unzulässig. Soweit er zulässig ist, ist er begründet.

Der Antrag ist unzulässig, soweit sich das Rechtsschutzbegehren auf die in Nr. 4 des Bescheides vom 7. Juni 2016 enthaltene Zwangsgeldandrohung bezieht, weil sich dieser kraft Gesetzes (vgl. Art. 21a VwZVG) sofort vollziehbare Ausspruch durch die Abgabe des Führerscheins erledigt hat. Aus Nr. 4 des Bescheides ergibt sich für den Antragsteller daher keine Beschwer mehr (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 11 CS 13.2427 – juris; B.v. 29.10.2009 – 11 CS 09.1968 – juris; B.v. 12.3.2007 – 11 CS 06.2028 – juris). Der Antrag ist weiter unzulässig, soweit er sich auf die Kostenentscheidung bezieht, weil der Antragsteller noch keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde gestellt hat (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO).

Der Antrag ist ebenfalls unzulässig, soweit der Antragsteller begehrt, dem Antragsgegner aufzugeben, den abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder an den Antragsteller herauszugeben. Für diesen Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Denn für den Fall, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO – wie hier – erfolgreich ist, ist nichts dafür vorgetragen und ersichtlich, dass die Verwaltungsbehörde nicht von sich aus die Konsequenzen hieraus ziehen und dem Antragsteller seinen Führerschein zurückgeben würde (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2007 – 11 CS 06.2028 – juris).

Im Übrigen ist der Antrag zulässig.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheides) sowie gegen die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheides) entfällt im vorliegenden Fall, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – ZfSch 2015, 714 unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung).

Soweit der Antrag zulässig ist, ist er auch begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. seines Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit sich diese bereits übersehen lassen.

Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO im ausreichenden Maß begründet. Die Begründungspflicht soll der Behörde unter anderem den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen („Warnfunktion“), ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den lediglich formell-​rechtlichen Anforderungen. Es zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat. Dass in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle im Fahrerlaubnisrecht die Anordnung des sofortigen Vollzugs ähnlich begründet wird, ändert an deren Einzelfallbezogenheit nichts. Ob die im streitgegenständlichen Bescheid angeführte Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs in inhaltlicher Hinsicht zu begründen vermag oder – wie die Antragstellerseite rügt – überwiegende und dringende Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs nicht vorliegen bzw. die Interessen des Antragstellers nicht berücksichtigt wurde, ist keine Frage der Begründungspflicht, sondern des Vollzugsinteresses.

Ausgehend von oben genannten Grundsätzen ist nach summarischer Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, festzustellen, dass der Bescheid vom 7. Juni 2016 rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt, weil der Antragsgegner nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers schließen durfte, da die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens vom 3. März 2016 rechtswidrig war.

Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass es angesichts der aktenkundigen Feststellungen (ADHS, Einnahme von Medikinet mit dem Wirkstoff Methylphenidat, teilweise keine ordnungsgemäße Einnahme, Beigebrauch von Cannabis) eine medizinisch-​psychologische Begutachtung des Antragstellers, gegebenenfalls nach vorheriger Einholung eines ärztlichen Gutachtens (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV und § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV), für erforderlich hält. Allerdings bedarf es dafür einer neuen, rechtmäßigen Gutachtensaufforderung durch den Antragsgegner.

Nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage durfte der Antragsgegner nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers schließen. Denn der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Fall der Nichtbeibringung eines Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist nur zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch im Übrigen den Anforderungen des § 11 FeV entspricht. Voraussetzung ist insbesondere, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist. Der Betroffene muss der Gutachtensaufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Der Gutachter ist an die Gutachtensaufforderung gebunden (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 11 FeV Rn. 55; Janker/Hühnermann in Burmann/Heß/Jahnke/Hühnermann/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 3 StVG Rn. 7c und 7e – jeweils m.w.N.).

An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung sind auch formal strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Antragsteller die Gutachtensaufforderung mangels Verwaltungsaktsqualität nicht direkt anfechten kann. Er trägt das Risiko, dass ihm gegebenenfalls die Fahrerlaubnis bei einer Weigerung deswegen entzogen wird. Der Gutachter ist an die Gutachtensaufforderung und die dort formulierte Fragestellung sowie die dort genannten Rechts- und Beurteilungsgrundlagen gebunden. Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde und nicht Aufgabe des Gutachters oder des Antragstellers, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar und fehlerfrei festzulegen (vgl. BVerwG, B.v. 5.2.2015 – 3 B 16/14 – Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 21 mit Anmerkung Liebler, jurisPR-​BVerwG 10/2015 vom 8.5.2015, Anm. 2; Saarl. OVG, B.v. 14.6.2016 – 1 B 133/16 – juris; VGH BW, B.v. 8.9.2015 – 10 S 1667/15 – Blutalkohol 52, 428-​431 [2015]; U.v. 11.8.2015 – 10 S 444/14 – VRS 129, 95-​106 [2015]; U.v. 7.7.2015 – 10 S 116/15 – DAR 2015, 592; U.v. 10.12.2013 – 10 S 2397/12 – NZV 2014, 428; BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 11 CS 15.1203 – SVR 2016, 189; B.v. 24.11.2014 – 11 ZB 13.2240 – juris; U.v. 12.3.2012 – 11 B 10.955 – SVR 2012, 396; OVG NRW, B.v. 7.2.2013 – 16 E 1257/12 – SVR 2013, 314; Zwerger, juris-​PR-​Verkehrsrecht 3/2014 vom 12.2.2014, Anm. 6).

An einer rechtmäßigen Gutachtensanordnung fehlt es hier.

Die Gutachtensaufforderung ist allerdings nicht deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner ein ärztliches Gutachten nach § 11 Abs. 2 FeV für die Überprüfung der diagnostizierten ADHS mit Dauermedikation von Medikinet gefordert hat. Der Antragsteller hat zutreffend im Schriftsatz vom 20. Juli 2016 darauf hingewiesen, dass die Anlage 4 FeV nicht abschließend ist und deshalb nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles ein ärztliches Gutachten nach § 11 Abs. 2 FeV gefordert werden kann. Die Kammer macht sich die dortigen Ausführungen zu Eigen.

Denn die Nr. 1 der Vorbemerkung der Anlage 4 FeV bestimmt ausdrücklich, dass die nachstehende Aufstellung häufiger vorkommende Erkrankungen und Mängel enthält, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. Nicht aufgenommen sind Erkrankungen, die seltener vorkommen oder nur kurzzeitig andauern. ADHS unterfällt ICD-​10, F 90: Hyperkinetische Störungen. Personen mit ADHS bieten ein höheres Risiko für alle Arten von Unfällen, insbesondere auch Verkehrsunfällen. Weiter besteht die Neigung, gegen Regeln im Straßenverkehr zu verstoßen. Die ADHS wird weder in der FeV noch in den Begutachtungsleitlinien erwähnt, wohl deshalb weil ADHS irrtümlich für eine Störung gehalten wurde, die im Erwachsenenalter ausheilt. Auch wenn ein genereller Zweifel an der Fahreignung nicht begründbar ist, sollten augenfällige und gehäufte Verstöße gegen Verkehrsvorschriften abgeklärt werden. Hinzu kommt die Dauermedikation mit Medikinet (Methylphenidat). Allerdings wird die Leistung durch Methylphenidat in üblicher Tagesdosis signifikant verbessert. Es können aber zum Beispiel auch Zweifel bei Verhalten- und Fahrauffälligkeiten, Gangunsicherheit, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen auftreten (vgl. zum Ganzen Hausotter, ADHS als Begutachtungsproblem bei Erwachsenen, VersMed 2012, 186 ff. und 2013, 20 ff.).

Aufgrund des Unfalls am 5. Oktober 2015 und der Begleitumstände, insbesondere der vom Antragsteller eingeräumten Unaufmerksamkeit als Unfallursache und der ebenfalls eingeräumten nicht ganz ordnungsgemäßen Einnahme des Medikaments Medikinet am Unfalltag sowie des zwei Tage vorher erfolgten Cannabiskonsums ist in jedem Fall eine gutachterliche Abklärung der Kraftfahreignung geboten. ADHS gerade verbunden mit einer Dauermedikation mit Medikinet mit dem Wirkstoff Methylphenidat bietet einen sachgerechten Anlass für eine weitere Aufklärung (vgl. etwa BayVGH, B.v. 18.4.2011 – 11 C 10.3167, 11 CS 10.3168 – SVR 2011, 389; B.v. 31.5.2007 – 11 C 06.2695 – juris). Denn es ist durchaus möglich, dass die Fahreignung auf Dauer bzw. zeitweise eingeschränkt oder aufgehoben sein könnte. Methylphenidat ist ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Der Wegfall der Fahreignung durch die Medikation ist gemäß Nr. 9.6.2 der Anlage 4 FeV nicht ausgeschlossen und daher aufklärungsbedürftig.

Denn nach Nr. 9.6.2 der Anlage 4 FeV schließt auch die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln die Fahreignung aus, wenn hierdurch die Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß sinkt. Nach den Umständen des vorliegenden Falles besteht durchaus Klärungsbedarf, ob die aktuelle Einnahme von Medikinet die Leistungsfähigkeit des Antragstellers fahreignungsrelevant herabsetzt bzw. ob eine missbräuchliche Einnahme des Medikaments bzw. ein relevanter Beigebrauch von Cannabis vorliegt. Bei der Einnahme von Arzneimitteln, die Stoffe enthalten, welche Betäubungsmittel im Sinne der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG sind, kann die fehlende Fahreignung allerdings nicht schon aus Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ein- oder mehrmalige Einnahme von Betäubungsmitteln hergeleitet werden, da die in Nr. 9.4 und Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV definierten Eignungsmängel insoweit speziellere Anforderungen normieren. Missbräuchliche Einnahme wird in Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV definiert als unregelmäßig übermäßiger Gebrauch von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln und anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen. Damit genügt aber – anders als bei illegalen Drogen – der einmalige oder mehrmalige Gebrauch gerade nicht. In diesem Sinne dürfte auch die Nr. 3.12.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung zu verstehen sein, die den Schluss aus der Einnahme von Betäubungsmitteln auf die fehlende Fahreignung dann ausschließen, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (VGH BW, B.v. 22.1.2013 – 10 S 243/12 – NZV 2013, 261; SächsOVG, B.v. 6.5.2009 – 3 B 1/09 – SVR 2009, 352).

Auch bei dem Eignungsmangel nach Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV genügt eine ein- oder mehrmalige Einnahme eines Arzneimittels nicht; vielmehr wird eine die Leistungsfähigkeit beeinträchtigende Dauerbehandlung mit Medikamenten vorausgesetzt. Bei einer ärztlich verordneten Therapie mit Medikinet ist eine einzelfallorientierte Beurteilung oder Würdigung der individuellen Aspekte erforderlich, die sowohl aus verkehrsmedizinischer Sicht der Erkrankung ihre Symptome und die medikamentenspezifischen Auswirkungen erfasst, als auch aus verkehrspsychologischer Sicht die individuelle Leistungsfähigkeit, die Compliance des Patienten gegenüber der Therapie, die Fähigkeit zur Risikoeinschätzung und die Fähigkeit zur Kompensation von gegebenenfalls festgestellten Leistungseinschränkungen, aber auch die Gefahr der missbräuchlichen Einnahme sowie eines unzulässigen Beigebrauchs sonstiger psychoaktiv wirkender Stoffe überprüft (vgl. zu den insoweit vergleichbaren morphinhaltigen Arzneimitteln VGH BW, B.v. 22.1.2013 – 10 S 243/12 – NZV 2013, 261). Dabei müsste eine geeignete Fragestellung darauf ausgerichtet sein aufzuklären, ob eine verkehrsrelevante Grunderkrankung vorliegt, die die Fahreignung ausschließt, ob die Behandlung, hier mit dem Medikament Medikinet, die Voraussetzung zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen schafft, die Arzneimitteleinnahme ihrerseits zu psycho-​physischen Leistungseinbußen oder Nebenwirkungen mit verkehrsrelevanten Auswirkungen führt, ob die langfristige Medikamenteneinnahme bereits zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen, intellektuellen oder psychischen Leistungsfähigkeit geführt hat und ob der Betroffene diese Auswirkungen gegebenenfalls kompensieren kann. Ferner dürfte erheblich sein, ob die Medikamenteneinnahme hinreichend überwacht wird und ob das Gefährdungspotential vom Betroffenen hinreichend eingeschätzt wird (vgl. zum Ganzen Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-​Leitlinien zur Kraftfahreignung, 2. Aufl. 2005, Kapitel 3.12.2, Seite 20; VGH BW, B.v. 22.1.2013 – 10 S 243/12 – NZV 2013, 261).

Die vorliegenden Stellungnahme des behandelnden Arztes reicht nicht aus (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV).

Obwohl nach diesen Vorgaben ein gutachterlicher Aufklärungsbedarf unter konkreten Umständen des folgenden Einzelfalls vorliegt, ist die Gutachtensaufforderung vom 3. März 2016 gleichwohl nicht in jeder Hinsicht rechtmäßig. Konkret ist die von der Fahrerlaubnisbehörde aufgeworfene Fragestellung inhaltlich unangemessen. Denn in der in der Aufforderung, ein ärztliches Gutachten vorzulegen, ist ausdrücklich angemerkt, dass aufgrund der Dauermedikation mit Medikinet zu prüfen ist, ob die psycho-​physische Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausreicht. Die Fragestellung formuliert unter anderen: Insbesondere ist zu prüfen, ob das Leistungsvermögen zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 ausreicht, vor dem Hintergrund der Dauermedikation? Falls dies nicht der Fall ist: Ist eine Kompensation der festgestellten Einschränkungen durch besondere persönliche Voraussetzungen (vgl. Anlage 4 FeV) möglich? Diese mit der Anordnung verbundene Fragestellung ist inhaltlich unangemessen, da das von der Behörde angeordnete Begutachtungsmittel (ärztliches Gutachten) zur Klärung der aufgeworfenen Frage nicht geeignet ist. Wie sich aus der Fragestellung und der Begründung der Gutachtensanordnung vom 3. März 2016 eindeutig entnehmen lässt, will die Behörde zum einen die durch die bestimmungsgemäße ärztliche Medikation mit Medikinet etwa eintretenden psycho-​physische Leistungseinbußen oder verkehrsrelevante Nebenwirkungen der Medikation aufklären lassen; daneben aber auch geklärt wissen, ob etwa festgestellte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit kompensiert werden können. Diese Fragestellung und der zur Begründung herangezogene Sachverhalt heben damit auf eine ärztlich verordnete und bestimmungsgemäße Therapie mit psychoaktiven Arzneimitteln und etwa daraus resultierenden Leistungsbeeinträchtigungen im Sinne von Nr. 9.6.2 der Anlage 4 FeV ab (vgl. VGH BW, U.v. 11.8.2015 – 10 S 444/14 – VRS 129, 95-​106 [2015]). Das Landratsamt Schweinfurt hat zudem sowohl in seinem Bescheid vom 7. Juni 2016 als auch in seiner Antragserwiderung vom 20. Juli 2016 betont, dass es ihm bei der Gutachtensaufforderung schwerpunktmäßig um die Überprüfung der psycho-​physischen Leistungsfähigkeit vor dem Hintergrund der Dauermedikation mit Medikinet (Methylphenidat) ging.

Zur Klärung der damit im Schwerpunkt auf Leistungseinbußen und etwaigen Kompensationsmöglichkeiten gerichteten Fragestellung ist das angeordnete ärztliche Gutachten durch einen Arzt der Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht geeignet. Denn die nach dem Dafürhalten der Fahrerlaubnisbehörde vor allem aufklärungsbedürftigen Zweifel an dem psycho-​physischen Leistungsvermögen des Antragstellers können durch eine rein ärztliche Begutachtung nicht ausgeräumt werden. Vielmehr erfolgt eine Überprüfung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit durch Leistungstests nach Nr. 2.5 der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung regelmäßig im Rahmen einer medizinisch-​psychologischen Begutachtung. Mit den dabei zur Anwendung gelangten Testverfahren können die Belastbarkeit, die Orientierungs-​, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistung sowie die Reaktionsfähigkeit untersucht werden. Die Überprüfung der psycho-​physischen Leistungsfähigkeit ist ein Element der psychologischen Untersuchung der medizinisch-​psychologischen Begutachtung und nicht Gegenstand eines rein ärztlichen Gutachtens (vgl. auch Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Kommentierung der Begutachtungs-​Leitlinien zur Kraftfahreignung, 2. Aufl. 2005 zu Kapitel 2.5.1, insbesondere Seite 44 f.). Die von der Fahrerlaubnisbehörde im Schwerpunkt aufgeworfene Frage nach etwaigen Leistungseinbußen und Kompensationsmöglichkeiten ist deshalb in erster Linie durch Leistungstests und damit mit psychologischen Untersuchungsmethoden zu klären. Dem steht nicht entgegen, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Begutachtung durch einen in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung tätigen Arzt gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV angeordnet hat. Denn auch die Begutachtung durch diesen Arzt beschränkt sich auf eine ärztliche Abklärung bestehender Leistungsmängel und ist deshalb von einer medizinisch-​psychologischen Untersuchung und den dabei zur Anwendung gelangenden psychologischen Tests zu unterscheiden. Bereits die Beschränkung auf eine ärztliche Begutachtung steht deshalb der von der Fahrerlaubnisbehörde möglicherweise beabsichtigten Verfahrensweise entgegen, dass der Arzt in der Begutachtungsstelle schwerpunktmäßig und in eigener Verantwortung die dem psychologischen Aufgabenbereich zuzuordnenden psycho-​physischen Testverfahren durchführen lässt. Im Ansatz zutreffend ist die Fahrerlaubnisbehörde allerdings davon ausgegangen, dass auch bei durch die ärztlich verordnete Therapie mit Medikinet begründeten Eignungszweifeln eine ärztliche Begutachtung sinnvoll ist. In deren Rahmen kann geklärt werden, ob eine verkehrsrelevante Grunderkrankung vorliegt, die unbehandelt die Fahreignung ausschließt, ob die Behandlung mit diesem Medikament die Voraussetzungen des sicheren Führens von Kraftfahrzeugen schafft und ob die erforderliche Compliance des Betroffenen vorliegt. Zur Klärung dieser vorgelagerten Fragen dürfte sich regelmäßig die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens anbieten. Indes war die von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnete ärztliche Begutachtung gerade nicht allein auf die Klärung dieser vorgelagerten medizinischen Fragen gerichtet, sondern schwerpunktmäßig auf die Abklärung der psycho-​physischen Leistungsfähigkeit, sodass sich der wesentliche Teil der gutachterlichen Fragestellung nicht für ein ärztliches Gutachten eignet (vgl. VGH BW, U.v. 11.8.2015 – 10 S 444/14 – VRS 129, 95-​106 [2015]; auch B.v. 22.1.2013 – 10 S 243/12 – NZV 2013, 261).

Der Antragsgegner hat zusammengefasst ausdrücklich nur ein ärztliches Gutachten angefordert und mit diesem vor allem die Überprüfung der psycho-​physischen Leistungsfähigkeit des Antragstellers erreichen wollen. Dies ist so nicht möglich. Vielmehr hätte es dafür nach Abklärung des vorgelagerten medizinischen Fragenkreises ein ergänzendes medizinisch-​psychologisches Gutachten gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV bedurft.

Der vorstehende Fehler machte die gesamte Gutachtensaufforderung rechtswidrig. Denn besteht eine Gutachtensanordnung wie hier aus mehreren Teilen, so infiziert die Fehlerhaftigkeit eines Teils regelmäßig auch den anderen Teil. Die Sanktion des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV setzt grundsätzlich eine vollständige rechtmäßige Gutachtensanordnung voraus (vgl. VG Augsburg, B.v. 25.3.2014 – Au 7 S 14.306 – juris; BayVGH, B.v. 4.2.2013 – 11 CS 13.22 – VD 2013, 128; VGH BW, B.v. 30.6.2011 – 10 S 2785/10 – NJW 2011, 3257; VG Osnabrück, B.v. 16.1.2013 – 6 B 73/12 – juris). Insbesondere konnte nicht dem ärztlichen Gutachter oder gar dem Antragsteller überlassen bleiben, nach eigener Wahl nur einen Teil der Gutachtensfragen zu beantworten bzw. beantworten zu lassen. Die Fahrerlaubnisbehörde muss konkret den gesamten Untersuchungsrahmen klar umreißen und dem Gutachter mitteilen. Aus dem Wortlaut und Zweck des § 11 Abs. 6 FeV folgt, dass schon in der Gutachtensanordnung die Konkretisierung des Untersuchungsthemas zu erfolgen hat. Die Beantwortung der Frage, ob die Fahreignung aufklärungsbedürftig ist und ob sowie durch wen und in welchem Umfang zusätzlich die Überprüfung der psycho-​physischen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, obliegt allein dem Antragsgegner. Er kann diese Frage nicht der Begutachtungsstelle oder dem Antragsteller überantworten, jedoch muss er die Empfehlung eines eventuell vorliegenden ärztlichen Gutachtens berücksichtigen (vgl. VGH BW, U.v. 10.12.2013 – 10 S 2397/12 – NZV 2013, 261; OVG NRW, B.v. 7.2.2013 – 16 E 1257/12 – SVR 2013, 314; Zwerger, juris-​PR-​Verkehrsrecht 3/2014 vom 12.12.2014, Anm. 16). Dem Antragsteller kann bei einer Fragestellung wie hier vorliegend nicht zugemutet werden, selbst entsprechende rechtliche Differenzierungen vorzunehmen und letztlich klüger und präziser sein zu müssen als die Fachbehörde. Selbst angesichts der getrennten Fragenkomplexe der Gutachtensaufforderung ist aufgrund der Aufgabenverteilung zwischen Gutachter, Fahrerlaubnisbehörde und Fahrerlaubnisinhaber und angesichts der Einheit der Gutachtensanordnung eine andere Sichtweise nicht gerechtfertigt. Die Gutachtensanordnung ist unteilbar, wie auch der zwingend erforderliche Hinweis nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV zeigt. Der Antragsgegner hat – ohne Abstriche zu machen oder zu differenzieren – den Antragsteller ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er auf die Nichteignung schließen dürfe, wenn sich der Antragsteller nicht untersuchen lasse bzw. das geforderte (also auch vollständige) Gutachten nicht fristgerecht vorlegen sollte (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2013 – 11 CS 13.22 – VD 2013, 138; VG Osnabrück, B.v. 18.7.2013 – 6 B 40/13 – juris; B.v. 16.1.2013 – 6 B 73/12 – juris). Hinzu kommt, dass die vorliegenden Fragen​teile verwoben sind und aufeinander aufbauen (vgl. auch VG München, U.v. 21.5.2014 – M 6b K 14.878 – juris; B.v. 13.9.2013 – M 6b S 13.2756 – juris).

Nach alledem durfte der Antragsgegner aufgrund der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens nicht auf die Nichteignung des Antragstellers schließen. Vielmehr sind die Gutachtensaufforderungen vom 3. März 2016 und damit auch der sich darauf stützende Entziehungsbescheid vom 7. Juni 2016 nach summarischer Prüfung – in einer während des laufenden Gerichtsverfahrens nicht heilbaren Weise – rechtswidrig und verletzen den Antragsteller in seinen Rechten. Die Rechtswidrigkeitsfolge erstreckt sich auch auf die Anforderung, den Führerschein abzuliefern, und die Zwangsmittelandrohung.

Vor diesem Hintergrund ist es unter Abwägung der gegenseitigen Interessen gerechtfertigt, die aufschiebende Wirkung der Klage – wie tenoriert – wiederherzustellen, weil eine Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen gegenwärtig zwar aufklärungsbedürftig ist, aber gerade noch nicht feststeht. Im Fall des Antragstellers kann angesichts der aktenkundigen Feststellungen weder von einem feststehenden Fall der Fahreignung noch von einem feststehenden Fall der Ungeeignetheit als sicher ausgegangen werden. Daher ist es dem Antragsgegner zu empfehlen, alsbald eine neue rechtmäßige Gutachtensaufforderung zu erlassen (gegebenenfalls auch zunächst die Einholung eines ärztlichen Gutachtens und in der Folge dann eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens). Dem Antragsteller ist gleichermaßen dringend anzuraten, einer Gutachtensaufforderung, die die Vorgaben des § 11 Abs. 6 FeV beachtet, Folge zu leisten. Andernfalls könnte und müsste zu seinen Lasten ein neuer Entziehungsbescheid ergehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Soweit der Antrag unzulässig ist, fällt das Unterliegen des Antragstellers nicht gravierend ins Gewicht. Vielmehr hat der Antragsteller in der Sache im Wesentlichen obsiegt.

Die Höhe des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Wegen der Höhe des Streitwerts folgt das Gericht den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Hiernach ist für die Fahrerlaubnis der Klasse B, die nach § 6 Abs. 3 FeV die Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen der Klassen L, M und S mit einschließt, gemäß Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs der Auffangwert von 5.000,00 EUR anzusetzen, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist, so dass letztlich 2.500,00 EUR festzusetzen waren.