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BGH Beschluss vom 05.07.2016 - 4 StR 188/16 - Berücksichtigung des Fehlens von Bedauern, Mitgefühl und Entschuldigung gegenüber dem Opfer

BGH v. 05.07.2016: Zur Berücksichtigung des Fehlens von Bedauern, Mitgefühl und Entschuldigung gegenüber dem Opfer in der Hauptverhandlung


Der BGH (Beschluss vom 05.07.2016 - 4 StR 188/16) hat entschieden:
Sowohl das Unterbleiben einer Entschuldigung als auch das Fehlen eines zum Ausdruck gebrachten Bedauerns lassen ohne weitere Umstände keinen Schluss auf eine rechtsfeindliche, durch besondere Rücksichtslosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber Interessen und Rechtsgütern anderer geprägte Gesinnung oder Gefährlichkeit des Angeklagten zu. Sie dürfen daher ebenso wenig wie bei der Strafzumessung bei der eignungsbezogenen Prognoseentscheidung im Rahmen des § 69a StGB zum Nachteil des Angeklagten Berücksichtigung finden.


Siehe auch Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und Stichwörter zum Thema unerlaubtes Entfernen vom Unfallort


Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung und versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten verurteilt, von welcher 6 Monate wegen unangemessen langer Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Des Weiteren hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von 1 Jahr und 3 Monaten angeordnet. Hiergegen wendet sich die auf eine Verfahrensbeschwerde und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg.

1. Hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs sowie der Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB ist die Revision des Angeklagten unbegründet. Insoweit hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts vom 25. April 2016 ist anzumerken:

Der Senat kann ausschließen, dass die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes durch das Landgericht auf den rechtlich bedenklichen Ausführungen zu der unterbliebenen Entschuldigung des Angeklagten gegenüber dem Geschädigten beruht. Denn die Schwurgerichtskammer ist aufgrund des objektiven Tatgeschehens zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Angeklagte, der mit lebensgefährlichen Verletzungen des Geschädigten rechnete, vom Unfallort entfernte, ohne sich darüber Gedanken zu machen, ob Hilfe durch andere Personen geleistet wird. Damit ist die Gleichgültigkeit des Angeklagten gegenüber einem als möglich erkannten tödlichen Erfolg belegt. Dies reicht für das voluntative Element des bedingten Tötungsvorsatzes aus (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 - 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 215; vom 11. Oktober 2000 - 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306). Dass das Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung auch berücksichtigt hat, dass sich aus den im Ermittlungsverfahren abgegebenen Einlassungen des Angeklagten zur Sache gegenüber der Polizei und bei der Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen keine Anhaltspunkte für ein mögliches Vertrauen des Angeklagten auf eine Hilfeleistung durch Dritte ergeben haben, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Hierin liegt insbesondere keine unzulässige Verwertung des Schweigens des Angeklagten (vgl. Meyer-​Goßner in Meyer-​Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 261 Rn. 17 mwN).

2. Dagegen begegnet die Festsetzung der Sperre nach § 69a StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die Schwurgerichtskammer hat die Dauer der verhängten Sperre unter anderem damit begründet, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung gegenüber dem Geschädigten keinerlei Mitgefühl gezeigt, sich nicht bei ihm entschuldigt und auch sonst keinerlei Bedauern habe erkennen lassen. Sowohl das Unterbleiben einer Entschuldigung als auch das Fehlen eines zum Ausdruck gebrachten Bedauerns lassen aber ohne weitere - hier nicht festgestellte - Umstände keinen Schluss auf eine rechtsfeindliche, durch besondere Rücksichtslosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber Interessen und Rechtsgütern anderer geprägte Gesinnung oder Gefährlichkeit des Angeklagten zu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 1999 - 2 StR 392/99, NStZ-​RR 2000, 362; vom 18. Mai 1994 - 5 StR 270/94, StV 1995, 132; vom 7. November 1986 - 2 StR 563/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4). Sie dürfen daher ebenso wenig wie bei der Strafzumessung bei der eignungsbezogenen Prognoseentscheidung im Rahmen des § 69a StGB zum Nachteil des Angeklagten Berücksichtigung finden (vgl. Geppert in LK, 12. Aufl., § 69 Rn. 76 und § 69a Rn. 25; Athing in MK-​StGB, 2. Aufl., § 69 Rn. 63).

Um mit Blick auf die bereits erhebliche Verfahrensdauer eine teilweise Zurückverweisung der Sache zur Neufestsetzung der Sperre nach § 69a StGB zu vermeiden und zugleich jedwede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, setzt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Sperre auf das sich angesichts der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis aus § 69a Abs. 4 Satz 2 StGB ergebende Mindestmaß von drei Monaten fest.

3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).



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