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Landgericht Bad Kreuznach Urteil vom 18.05.2016 - 3 O 41/16 - Gutgläubiger Erwerb eines Kfz

LG Bad Kreuznach v. 18.05.2016: Gutgläubiger Erwerb eines Kfz bei eidesstaatlicher Versicherung des Veräußerers über Verlusts des Kfz-Briefs


Das Landgericht Bad Kreuznach (Urteil vom 18.05.2016 - 3 O 41/16) hat entschieden:
Beim Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen spricht das Fehlen des Kraftfahrzeugbriefes grundsätzlich für das Fehlen der Verfügungsberechtigung des Veräußerers. Zwar können die sich daraus für den Kaufinteressenten ergebenden Bedenken im Einzelfall ausgeräumt werden, aber nur durch Umstände, die darauf hindeuten, dass dem Veräußerer der Brief nicht deshalb fehle, weil ein anderer Berechtigter ihn zu seiner Sicherung einbehalte, sondern aus einem anderen Grund (vgl. BGH vom 27.01.1965 - VIII ZR 62/63 -).


Siehe auch Gutgläubiger Fahrzeugerwerb und Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Herausgabe eines Kfz-​Briefes/einer Zulassungsbescheinigung Teil II hinsichtlich des Kraftfahrzeugs Golf Cabrio Fahrzeug-​Identifizierungsnummer: WVWZZZ1EZYK... in Anspruch. Der Beklagte macht hingegen im Wege der Widerklage Herausgabe des vorgenannten Pkws geltend. Der Kläger begehrt mit einer Hilfs-​Wider-​Widerklage Ersatz von Verwendungen.

Unter dem 22.10.2013 schlossen der Streitverkündete M. F. und der Beklagte eine Vereinbarung, wonach der Streitverkündete F. unter Ziffer 3. dieser Vereinbarung als Sicherheit für bestimmte Zahlungen seinen Golf Cabrio, das streitgegenständliche Fahrzeug, bis zur kompletten Zahlung der Mietrückstände an den Beklagten verpfändet. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass Herr F. den Wagen weiterhin benutzen darf. Wegen des gesamten Inhalt und des genauen Wortlauts wird auf Bl. 49 d.A. Bezug genommen. Der Streitverkündete überließ dem Beklagten den Kfz-​Brief (Zulassungsbescheinigung Teil II).

Unter dem 18.10.2014 schlossen der Streitverkündete und der Kläger einen schriftlichen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug VW Golf, in dem der Kaufpreis mit 900,00 € angegeben ist. Der Streitverkündete übergab das Kraftfahrzeug und die Zulassungsbescheinigung Teil I. Ferner war er im Besitz des alten Fahrzeugbriefs. Im Besitz des aktuellen Kfz-​Briefes (Zulassungsbescheinigung Teil II) war er nicht. Hierzu gab er gegenüber dem Kläger an, diesen verloren zu haben. Dem Kläger wies er den Verlust des Kraftfahrzeugbriefes durch eine eidesstattliche Versicherung nach, abgegeben gegenüber der Kreisverwaltung Kaiserslautern vom 29.08.2014. Er versicherte dort auch eidesstattlich, dass Rechte Dritter an dem Fahrzeug, etwa infolge Sicherungsübereignung usw. nicht bestehen. Auf das Anlagenkonvolut K 1 der Klage wird Bezug genommen.

Laut Kaufvertrag wollte der Streitverkündete F. den Kfz-​Brief nachreichen, sobald er aufgrund seiner eidesstattlichen Versicherung eine Neuausstellung erhalten würde. Dies ist indes nicht geschehen. Der Kläger zahlte für das Fahrzeug 900,00 €.

Der Kläger trägt vor, dass er, der Kläger, zum ersten Mal durch das Telefonat mit dem Beklagten am 12.5.2015 von den Vereinbarungen des Streitverkündeten mit dem Beklagten erfahren habe.

In einer Vertragswerkstatt, in der der Kläger selbst - unstreitig arbeite, hätten die auf das Fahrzeug gemachten Verwendungen, Instandsetzungsmaßnahmen, Verbesserung und Reparaturen 13.338,18 € gekostet. Hierzu werde auf das Anlagenkonvolut K 4 verwiesen. Daher stehe ihm, dem Kläger, ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB zu.

Höchst vorsorglich werde dem Beklagten eine Frist bis spätestens 30.6.2016 gesetzt, sich darüber zu erklären, ob er die Verwendungen genehmige.

Das Fahrzeug habe jetzt einen Verkehrswert in Höhe von 8.000,00 €.

Der Kläger beantragt,
  1. den Beklagten zu verurteilen, den Kfz-​Brief (Zulassungsbescheinigung Teil II) des Kfz Golf Cabrio (ehemaliges amtliches Kennzeichen ..., Fahrzeug-​Identifizierungsnummer: WVWZZZ1EZYK...) an den Kläger herauszugeben,

  2. den Beklagten zu verurteilen, an die C. R. GmbH, R., D. zur dortigen Schadensnummer ... 1.266,10 € und an den Kläger 150,00 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit als nicht anrechenbare Kosten der vorgerichtlichen Interessenwahrnehmung der Rechtsanwälte L. & K. zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beantragt widerklagend,
  1. den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten und Widerkläger das Kfz Golf Cabrio Fahrzeug-​Identifizierungsnummer: WVWZZZ1EZYK... herauszugeben und

  2. festzustellen, dass der Kläger nicht Eigentümer des Kfz Golf Cabrio Fahrzeug-​Identifizierungsnummer: WVWZZZ1EZYK... ist.
Der Kläger beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Er beantragt im Wege der Hilfs-​Wider-​Widerklage,
Für den Fall der Klageabweisung wird der Beklagten verurteilt, an den Kläger 13.338,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Hilfs-​Wider-​Widerklage abzuweisen.
Er verweigert ausdrücklich die Genehmigung der behaupteten Verwendungen.

Die Klage ist ursprünglich beim Landgericht Bad Kreuznach eingereicht, sodann nach entsprechendem Hinweis an das Amtsgericht Idar-​Oberstein verwiesen und nach Erhebung der Widerklage erneut an das Landgericht Bad Kreuznach verwiesen worden.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze und Schriftstücke, die zwischen den Parteien gewechselt und zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurden, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Dem Kläger steht kein Anspruch aus §§ 985, 952 BGB auf Herausgabe des Kfz-​Briefes (Zulassungsbescheinigung Teil II) zu. Denn der Kläger ist nicht Eigentümer des Fahrzeugs Golf Cabrio, Fahrzeug-​Identifikationsnummer: WVWZZZ1EZYK... geworden. Zwar nahmen der Kläger und der Streitverkündete F. eine Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs und eine dingliche Übereignung vor. Allerdings war der Streitverkündete zu diesem Zeitpunkt am 18.10.2014 nicht - mehr - Eigentümer des Fahrzeugs. Denn dieses Fahrzeug wurde von Seiten des Streitverkündeten an den Beklagten sicherungsübereignet gemäß Vertrag vom 22.10.2013 (Bl. 49 d.A.). Zwar ist in dieser Vereinbarung von einer „Verpfändung“ die Rede. Allerdings erhielt der Beklagte keinen unmittelbaren Besitz im Sinne des § 1205 BGB. Ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen Eigentümer und Gläubiger ist ausgeschlossen (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 1205 Rdnr. 6).

Diese unwirksame Verpfändung ist allerdings in eine Sicherungsübereignung gemäß § 930 BGB umzudeuten. Dass eine solche Sicherungsübereignung zwischen den Parteien gewollt ist, ergibt sich aus Ziffer 3 der Vereinbarung, wonach der Wagen nur mit Einverständnis des Beklagten verkauft werden durfte und, sollten die Mietrückstände bis 01.06.2014 nicht vollständig beglichen sein, der Beklagte über den Golf alleine verfügen sollte. Dann nämlich sollte der VW dem Beklagten als dessen Eigentum übergeben werden. Mithin wurde die Übergabe im Sinne des § 930 BGB durch ein Besitzkonstitut ersetzt, da der Streitverkündete den Wagen weiterhin benutzen durfte.

Ein gutgläubiger Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Sinne der §§ 929, 932 BGB ist nicht zu bejahen. Denn beim Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen spricht das Fehlen des Kraftfahrzeugbriefes grundsätzlich für das Fehlen der Verfügungsberechtigung des Veräußerers. Zwar können die sich daraus für den Kaufinteressenten ergebenden Bedenken im Einzelfall ausgeräumt werden, aber nur durch Umstände, die darauf hindeuten, dass dem Veräußerer der Brief nicht deshalb fehle, weil ein anderer Berechtigter ihn zu seiner Sicherung einbehalte, sondern aus einem anderen Grund (vgl. BGH vom 27.01.1965 - VIII ZR 62/63 -). Zwar ist nichts dafür vorgetragen, dass der Kläger von der Sicherungsübereignung etwas hätte wissen müssen, aber alleine die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 5 StVG vom 29.08.2014 gegenüber der Kreisverwaltung Kaiserslautern genügt hierfür nicht. Zwar ist zutreffend, dass die grobe Fahrlässigkeit vom Beklagten zu beweisen ist (vgl. BGB NJW 82, 38), entscheidend ist jedoch, dass die Überprüfung der Berechtigung des Veräußerers anhand der Zulassungsbescheinigung Teil II zu den Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb eines Gebrauchtwagens gehört (vgl. BGH NJW 2006, 3488; LG München vom 02.02.2015, 26 O 13374/14). Denn der Kraftfahrzeugbrief ist zur Sicherung des Eigentums oder anderer Rechte am Fahrzeug bei jeder Befassung der Zulassungsbehörde mit dem Fahrzeug, besonders bei Meldung über den Eigentumswechsel gemäß § 13 Abs. 3 FZV vorzulegen und soll dadurch, auch wenn er kein Traditionspapier ist, den Eigentümer oder sonstigen am Kraftfahrzeug Berechtigten vor Verfügungen Nichtberechtigter schützen (vgl. BGB, a.a.O. m.w.N.). Im vorliegenden Fall wies der Streitverkündete F. sogar ausdrücklich bei Schließung des Kaufvertrages vom 18.10.2014 darauf hin, nicht im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II zu sein. Die eidesstattliche Versicherung des Streitverkündeten vom 29.08.2014 gegenüber der Kreisverwaltung Kaiserslautern vermag nicht zu einer anderen Entscheidung zu führen, weil bereits die erhebliche Frist zwischen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 29.08.2014 und dem Kaufvertragsschluss vom 18.10.2014 den Kläger in erheblichem Maße hätte misstrauisch stimmen müssen. Denn der Streitverkündete hat im Kaufvertrag zugesichert, den Kfz-​Brief nach einer Neuausstellung nachzureichen. Dass dies während der dann knapp abgelaufenen 2 Monate noch nicht erfolgt sein sollte, hätte den Kläger zumindest zu Nachforschungen und Nachfragen bei der Kreisverwaltung Kaiserslautern anhalten müssen. Dass der Kläger dies unterlassen hat, begründet den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.

Da hiernach der Kläger nicht gutgläubig Eigentum am Kraftfahrzeug erworben hat, verbleibt das streitgegenständliche Fahrzeug Golf Cabrio im Eigentum des Beklagten mit der Folge, dass die Klage unbegründet ist.

Dem Kläger steht auch kein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 986, 1000 BGB zu, unabhängig von der umstrittenen Frage, ob der Auffassung des Bundesgerichtshofs zu folgen ist, wonach ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB ein Recht zum Besitz nach § 986 BGB gibt. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Ein Anspruch aus § 994 Abs. 1 BGB scheitert schon daran, dass, wie oben dargelegt, der Kläger nicht gutgläubig ist. Der Kläger kann auch nicht einen Verwendungsersatzanspruch nach § 994 Abs. 2 BGB geltend machen, weil er schon nicht dargetan, geschweige denn bewiesen hat, welche - konkreten - Verwendungen er vorgenommen hat. Er verweist auf ein Anlagenkonvolut K 4, das indes nur ein Angebot vom 24.7.2015 und einen Kostenvoranschlag vom 21.7.2015 enthält, währenddessen der Kläger das Fahrzeug schon am 18.10.2014 erworben hat. Schon gar nicht legt der Kläger dar, welche Verwendungen notwendig, also zur Erhaltung der Sache objektiv erforderlich waren (BGH NJW-​RR 2013. 1318, 1320). Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass § 994 Abs. 2 BGB eine teilweise Rechtsgrundverweisung darstellt (Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl. § 994 Rdnr 8 m.w.Nachw.), mit der Folge, dass die Verwendung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen oder dem Interesse des Beklagten entsprechen muss. Hierzu fehlen jegliche Anhaltspunkte, zumal die Verwendungen 13.338,18 € ausmachen sollen, demgegenüber der Verkehrswert nur 8.000,00 € betragen soll. Inwiefern dann die Verwendungen dem Willen oder Interesse des Beklagten entsprechen sollen, ist unerfindlich.

Für einen Anspruch aus §§ 994 Abs. 2, 684 Satz 1, 812 BGB fehlt es an der Darlegung zur Höhe des noch vorhandenen Verwendungserfolgs (Palandt/Bassenge a. a.O.; BGH JZ 91, 986) durch den Kläger, zumal er schon nicht dargetan, geschweige denn bewiesen hat, welche - konkreten - notwendigen Verwendungen er vorgenommen hat. Denn Anlage 4 stellt lediglich ein Angebot bzw. einen Kostenvoranschlag dar, nicht jedoch den Nachweis, welche konkreten Arbeiten ausgeführt wurden. Aus diesem Grund kann auch nicht der vom Kläger angegebene Verkehrswert in Höhe von 8.000,00 € herangezogen werden. Im Übrigen ist denkbar, dass der Beklagte infolge der dann aufgedrängten Bereicherung des Schutzes bedarf, solange er den Zuwachs in seinem Vermögen nicht zu seinen Gunsten verwertet hat (Palandt/Sprau, a.a.O, § 812 Rdnr. 52).

Letztlich können diese Überlegungen dahinstehen. Da nämlich ferner der Kaufpreis für das Fahrzeug bei 900,00 € lag, während die Instandsetzungskosten bei 13.338,18 € gelegen haben sollen, ist davon auszugehen, dass dieser zuletzt genannte Betrag nicht dazu diente, die Betriebsbereitschaft des Fahrzeugs wieder herzustellen, sondern dazu, eine „Runderneuerung“ des Wagens vorzunehmen, was als nützlich, aber nicht als notwendig anzusehen ist (OLG Celle - 10 U 26/94 -).

Ein Anspruch aus § 996 BGB scheitert an der mangelnden Gutgläubigkeit des Klägers.

Da dem Kläger kein Herausgabeanspruch hinsichtlich der Zulassungsbescheinigung Teil II bezüglich des Golf Cabrio zusteht, kann er auch keine Nebenforderungen geltend machen.

Der Widerklageantrag ist gemäß § 33 ZPO zulässig, da eine Konnexität mit der Klage gegeben ist. Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 ZPO zulässig, da ein Feststellungsinteresse des Beklagten zu bejahen ist. Denn der Kläger berühmt sich der Eigentümerstellung am Fahrzeug.

Die Widerklage ist auch begründet, da dem Beklagten ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gegen den Kläger zusteht, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt.

Die Hilfs-​Wider-​Widerklage ist zwar gemäß § 33 ZPO zulässig, da eine Konnexität zu bejahen ist, aber sie ist unbegründet, wie sich bereits aus den vorangegangenen Darlegungen ergibt. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Besitzer einen Anspruch auf den Ersatz der Verwendungen nur geltend machen kann, wenn der Eigentümer die Sache wiedererlangt oder die Verwendungen genehmigt (§ 1001 BGB). Weder die eine noch die andere Alternative liegen im vorliegenden Fall indes vor.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 13.338,18 € festgesetzt.