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OLG Köln Beschluss vom 20.07.2017 - 9 U 20/17 - Kürzung der Kasko-Versicherungsleistung auf Null

OLG Köln v. 20.07.2017: Zur Kürzung der Versicherungsleistung auf Null bei alkoholbedingter Schadensverursachung


Das OLG Köln (Beschluss vom 20.07.2017 - 9 U 20/17) hat entschieden:
Verursacht der Versicherungsnehmer unter alkoholischem Einflusss von 2,32 ‰ eine Kaskoschaden ist die Reduzierung der Versicherungsleistung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls auf Null gerechtfertigt. Zwar ist im Versicherungsrecht § 827 Satz 1 BGB entsprechend anwendbar, jedoch trifft für die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift den Versicherungsnehmer die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131).


Siehe auch Alkohol und Kfz-Versicherungsrecht und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Gründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung.

Die Beklagte ist wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls gemäß § 81 Abs. 2 VVG in Verbindung mit A.2.19.1 der dem Versicherungsverhältnis der Parteien zugrundeliegenden AKB 2013 leistungsfrei. Der Kläger hat den Versicherungsfall infolge des Genusses alkoholischer Getränke herbeigeführt, so dass der in A.2.19.1 AKB 2013 geregelte grundsätzliche Verzicht des Versicherers auf eine Kürzung bei grober Fahrlässigkeit nicht eingreift. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Klausel genügt insoweit die bloße Mitursächlichkeit des Alkoholkonsums für den Eintritt des Versicherungsfalls. Dass die unmittelbar nach dem Unfall festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2,19 %o und die daraus folgende absolute Fahruntüchtigkeit des Klägers zumindest mitursächlich für die von ihm verursachten Verkehrsunfälle war, stellt die Berufung nicht in Abrede.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger die Schäden objektiv und subjektiv grob fahrlässig verursacht hat, indem er am Nachmittag des 21.08.2016 eine größere Menge alkoholischer Getränke eingenommen hat, ohne geeignete Maßnahmen zu treffen, die ihn vor einer alkoholisierten Rückfahrt in das Uniklinikum mit dem eigenen Fahrzeug sicherten. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger bei Antritt und während der Trunkenheitsfahrt schuldunfähig im Sinne des § 827 BGB war. Da die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 81 Abs. 2 VVG lediglich an einen Erfolg, nämlich die Herbeiführung des Versicherungsfalles, nicht dagegen an ein bestimmtes Verhalten, etwa das Führen des Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand, anknüpft, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf ein zeitlich vorangehendes Verhalten des Versicherungsnehmers abgestellt werden, durch das der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wird (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-​131, zitiert nach juris). Rechnet der Versicherungsnehmer schon vor Trinkbeginn oder jedenfalls in einem noch schuldfähigen Zustand damit, dass er später unter Alkoholeinfluss mit seinem Kraftfahrzeug fahren und dabei möglicherweise einen Unfall herbeiführen werde, oder musste er damit rechnen und verschließt er sich dem grob fahrlässig, so setzt der Vorwurf der schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalles bereits zu diesem früheren Zeitpunkt ein. Maßgeblich ist, ob und welche Vorkehrungen ein Versicherungsnehmer, der mit einem PKW unterwegs ist und beabsichtigt, Alkohol zu trinken, getroffen hat, um zu verhindern, dass er eine Fahrt in alkoholisiertem Zustand antritt oder fortsetzt, in dessen Verlauf es später zum Eintritt des Versicherungsfalles kommt (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-​131, juris m. w. N.).

Vorliegend ist dem Kläger vorzuwerfen, dass er, als er mit dem Alkoholgenuss begonnen hat, keine Vorkehrungen getroffen hat, um zu verhindern, dass er in alkoholisiertem Zustand sein Fahrzeug führen wird. Dem Kläger war schon bei seiner Heimfahrt aus dem Klinikum bewusst und bekannt, dass er am Abend desselben Tages wieder zurück mit seinem Fahrzeug in das Klinikum fahren würde. Dennoch hat er keine Sicherungsmaßnahmen getroffen, um eine Rückkehr am selben Abend mit anderen Verkehrsmitteln oder durch einen anderen Fahrer sicherzustellen.

Die Behauptung des Klägers, er sei aufgrund der Medikation bereits schuldunfähig gewesen, bevor er die alkoholischen Getränke zu sich genommen habe, vermag ihn nicht zu entlasten. Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, ist § 827 S. 1 BGB im versicherungsrechtlichen Zusammenhang entsprechend anwendbar und führt dazu, dass bei Schuldunfähigkeit grobe Fahrlässigkeit entfällt. Die Darlegungs- und Beweislast für eine behauptete Unzurechnungsfähigkeit im Zeitpunkt der Herbeiführung des Versicherungsfalles trifft den Versicherungsnehmer (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-​131, Rn. 12 bei juris m. w. N.). Dieser Darlegungslast wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht. Mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen ist der angebotene Sachverständigenbeweis ungeeignet.

Erstmals in seinem nachgelassenen Schriftsatz vom 23.12.2016 behauptet der Kläger, dass er in dem Zeitpunkt, als er damit begonnen habe, Alkohol zu konsumieren, aufgrund der eingenommenen Medikamente schuldunfähig gewesen sei. Er behauptet, dass in seinem Blut die Substanzen Methanol, Aceton, 2-​Butanon, 2-​Propanol, 1-​Propanol und Iso-​Butanol festgestellt worden seien. Ausweislich des wissenschaftlichen Gutachtens zur chemisch-​toxikologischen Untersuchung der dem Kläger am 22.08.2015 abgenommenen Blutprobe wurde indes lediglich das Medikament Telmisartan nachgewiesen (Bl. 183 ff der in Kopie vorliegenden Strafakte 449 Cs 962/15 Amtsgericht Aachen). Die von dem Kläger aufgeführten Substanzen werden in den wissenschaftlichen Gutachten nicht genannt. Doch selbst wenn die vom Kläger im einzelnen aufgeführten Substanzen in dem Medikament Telmisartan enthalten sein sollten, wäre der bloße Hinweis auf einen entsprechenden Nachweis nicht geeignet, eine eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Klägers aufgrund der Medikation schlüssig darzulegen.

Nach den im Strafverfahren getroffenen Feststellungen in dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin vom 04.12.2015, den Ausführungen des im Strafverfahren bestellten Sachverständigen N. und dem wissenschaftlichen Gutachten zur Tatzeit-​BAK, Begleitstoffanalyse und Steuerungsfähigkeit von Prof. Dr. R. und Dr. J. vom 24.08.2016 bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Medikament Telmisartan generell geeignet gewesen sein könnte, die Schuldfähigkeit des Klägers vor dem Konsum von Alkohol einzuschränken. Jedenfalls ist im konkreten Fall nicht feststellbar, dass der Kläger an dem Nachmittag/Abend des 21.08.2015 vor Beginn seines Alkoholkonsums aufgrund der Medikamenteneinnahme in seiner Willens- oder Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war. Es liegen keine Anknüpfungstatsachen vor, anhand derer ein Sachverständiger die behauptete Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit des Klägers vor Trinkbeginn im Sinne des § 827 S. 2 BGB nachträglich feststellen könnte. Alle unstreitigen und im Strafverfahren festgestellten Umstände sprechen eindeutig gegen eine Einschränkung der Schuldfähigkeit allein aufgrund der Medikamenteneinnahme, erst recht ist eine behauptete Schuldunfähigkeit vor Trinkbeginn mit der Einlassung des Klägers im Strafverfahren nicht zu vereinbaren.

Nach den Feststellungen des im Strafverfahren bestellten Sachverständigen N. (Bl. 192 der Strafakte) ist bezüglich der Medikamente des Klägers im Klinikum keine besondere Umstellung erfolgt. Der Kläger war somit an die Medikation gewöhnt.

Dass er bereits vor dem 21.08.2015 aufgrund der dauerhaften Einnahme von Medikamenten in seiner Zurechnungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, behauptet der Kläger selbst nicht. Im Strafverfahren hat er sich dahingehend eingelassen, dass er seit Januar 2013 keinen Alkohol mehr getrunken habe. Er habe weder geraucht noch Alkohol getrunken, beides wäre für ihn tödlich gewesen. Danach ist eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Klägers infolge der dauerhaften krankheitsbedingten Einnahme von Medikamenten nicht nachvollziehbar. Gegen eine Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit an dem konkreten Nachmittag spricht zudem, dass der Kläger mit Einverständnis der behandelnden Ärzte vorübergehend das Klinikum alleine verlassen durfte, um erst abends wieder dorthin zurückzukehren.

Nach dem Verlassen des Klinikums war der Kläger unstreitig in der Lage, mit dem eigenen Fahrzeug nach Hause zu fahren, ohne dass es zu Schäden oder sonstigen. Auffälligkeiten gekommen wäre. In seiner Einlassung vor dem Amtsgericht am 02.02.2016 hat der Kläger ferner angegeben, dass er nach seiner Rückkehr zu Hause die Post aufgemacht habe. Dieses willensgesteuerte Verhalten enthält keinerlei Hinweise darauf, dass der Kläger sich bereits vor dem Alkoholkonsum in einem die freie Willensentscheidung ausschließenden Zustand befunden haben könnte. Sonstige Anknüpfungstatsachen, anhand derer ein Sachverständiger die Voraussetzungen des § 827 S. 2 BGB vor Beginn des Alkoholkonsums nachträglich feststellen könnte, hat der Kläger weder dargetan, noch ergeben sich diese aus der Verfahrensakte oder der in Kopie beigezogenen Strafakte. Der pauschal angetretene Sachverständigenbeweis ist ungeeignet. Der Kläger ist beweisfällig für eine Einschränkung seiner Schuldfähigkeit vor Beginn des Alkoholkonsums.

Zu Recht hat das Landgericht aufgrund des grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers gemäß § 81 Abs. 2 WG eine Kürzung des Anspruchs auf Null angenommen. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung an, denen der Kläger in seiner Berufungsbegründung nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist. Es handelt sich um einen Einzelfall.

Für den Kläger besteht Gelegenheit, binnen 3 Wochen nach Zustellung des Beschlusses zu den Hinweisen des Senats Stellung zu nehmen. Auf die gemäß Nr. 1222 KV zum GKG bestehende Möglichkeit zur Kostenersparnis im Fall der Berufungsrücknahme wird vorsorglich hingewiesen.