Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht München Beschluss vom 19.04.2013 - M 23 S 12.6347 - Fahrtenbuch-Auflage bei Dauerotlichtverstoß

VG München v. 19.04.2013: Fahrtenbuch-Auflage bei Dauerotlichtverstoß


Das Verwaltungsgericht München (Beschluss vom 19.04.2013 - M 23 S 12.6347) hat entschieden:
Um eine Fahrtenbuchauflage zu rechtfertigen, müssen Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang verletzt worden sein. Schon bei einem einmaligen Verstoß ist die Auflage zulässig, wenn es sich um einen nicht unwesentlichen Verstoß handelt, der sich verkehrsgefährdend auswirken kann. Der mit dem Fahrzeug des Antragstellers begangene Verkehrsverstoß in Form der Nichtbeachtung eines roten Dauerlichtzeichens ist so erheblich, dass er die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage von einem Jahr Dauer rechtfertigt.


Siehe auch Dauerrotlicht „rote gekreuzte Schrägbalken“ und Fahrtenbuch-Auflage


Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofort vollziehbare Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs.

Der Antragsteller ist Halter eines Personenkraftwagens „Fabrikat Opel“ mit dem amtlichen Kennzeichen „...“. Am ... April 2012 um ... Uhr wurde mit diesem Pkw in ..., ...straße ..., das Rotlicht der Lichtzeichenanlage missachtet. Dies wurde von mehreren Zeugen beobachtet und von einem Zeugen mittels Fotos dokumentiert.

Der Antragsteller wurde mit „Zeugen-​Fragebogen“ durch das Bayerische Polizeiverwaltungsamt vom 4. Mai 2012 wegen der begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit angehört. Nachdem der Antragsteller auf das Schreiben nicht reagiert hatte, wurde der Vorgang zu weiteren Ermittlungen an die Polizeiinspektion ... weitergeleitet.

Der Antragsteller teilte der Polizeiinspektion ... mit Schreiben vom 20. Juni 2012 mit, er habe das Schreiben vom 4. Mai 2012 erst nach seinem Pfingsturlaub erhalten und wegen einer internen Weiterbildung nicht eher bearbeiten können. Er habe schnellstmöglich versucht, den gefragten Zeitraum zu rekonstruieren. Bezüglich der Ermittlungen des Fahrers wolle er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Er wolle allerdings weiter anmerken, dass er zu besagtem Zeitpunkt mit seiner Schwiegermutter mit deren Fahrzeug hinter seinem „Opel Zafira“ hergefahren sei. Sie seien gegen besagter Zeit ohne auffallende Vorkommnisse hintereinander hergefahren. Die Ampel sei keinesfalls schon auf „Rot“ gewesen, sondern auf „Gelb“ und sie sei in normalem Tempo überfahren worden; ein Stoppen zur Haltelinie wäre gar nicht mehr möglich gewesen, abgesehen davon, dass ein starkes Abbremsen daraufhin den nachfolgenden Verkehr erheblich gefährdet hätte. Als der Antragsteller mit seiner Schwiegermutter an der Ampel gestanden sei, sei ganz regulär das „Grünzeichen“ für die Fußgänger angegangen und er habe noch eine kleinere Gruppe an der Straße erkennen können, die wild gestikuliert hätte.

Die Polizeiinspektion ... sandte den Vorgang mit Schreiben vom 3. Juli 2012 zurück an das Bayerische Polizeiverwaltungsamt mit der Mitteilung, dass der Halter am Wohnsitz nicht habe angetroffen werden können. Er berufe sich in seiner Stellungnahme auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Die Beschreibung passe auf die Ehefrau des Halters. Ein Lichtbild der Ehefrau sei beim Passamt eingeholt worden. Es sei eine Wahllichtbildvorlage am 2. Juli 2012 erfolgt, jeweils mit negativem Ergebnis bei den notierten Tatzeugen. Die verantwortliche Fahrzeugführerin sei von den Zeugen während des Verstoßes nur von seitlicher Position her gesehen worden. Der Rotlichtverstoß sei von einem Fotografen der ... Tageszeitung mit mehreren Bildern digital aufgenommen worden. Hierbei sei ersichtlich, dass die Betroffene deutlich bei „Rot“ über die Haltelinie und die Fußgängerfurt gefahren sei. Die beiliegenden Lichtbilder erlaubten aber keine zweifelsfreie Identifizierung der Betroffenen.

Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch Verfügung vom 10. Juli 2012 wurde das Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) mit Schreiben des Bayerischen Polizeiverwaltungsamts vom 11. Juli 2012 um Prüfung einer Fahrtenbuchauflage gebeten.

Das Landratsamt gab dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. Juli 2012 Gelegenheit, sich bis zum 31. Juli 2012 zum Sachverhalt zu äußern. Der Kläger übersandte daraufhin dem Landratsamt sein Schreiben vom 20. Juni 2012.

Mit Bescheid vom ... September 2012, zugestellt am 26. September 2012, legte das Landratsamt dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2013 die Führung eines Fahrtenbuchs für das Tatfahrzeug auf. Der Übergang dieser Verpflichtung auf Ersatzfahrzeuge wurde ebenso angeordnet wie die Pflicht, das Fahrtenbuch vorzulegen und aufzubewahren. Weiterhin wurden Zwangsgelder angedroht und die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.

Der Antragsteller erhob am 26. Oktober 2012 gegen diesen Bescheid Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München, seine Bevollmächtigte beantragte zudem mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2012,

„die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom ...09.2012 wiederherzustellen.“

Zur Begründung der Klage trug der Antragsteller im Wesentlichen vor, die Begründungen im Bescheid würden nicht den Tatsachen entsprechen. Zu dem Foto sei anzumerken, dass es sich dabei um ein privat angefertigtes Foto eines Passanten in einer sehr schlechten Qualität handele, der zur besagten Zeit in einigem Abstand zur Lichtzeichenanlage gestanden sei und dort diverse Fahrzeuge fotografiert habe. Dadurch sei überhaupt nicht eindeutig nachzuweisen, dass es sich hierbei um einen Rotlichtverstoß gehandelt habe. Es entspreche nicht der Wahrheit, dass er lediglich von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. Er habe in einem Schreiben an die Polizeidienststelle bestätigt, dass die Lichtzeichenanlage zu diesem Zeitpunkt nicht auf Rot gewesen sei. Des Weiteren seien zwei Telefonate mit der Sachbearbeiterin im Landratsamt geführt worden. Zudem entspreche es nicht der Wahrheit, dass sich der verantwortliche Fahrzeugführer rücksichtslos verhalten habe. Es sei bis dato kein einziger Verstoß in dieser oder einer anderen Form, weder von ihm noch von seiner Ehefrau, begangen worden, deswegen würden sie auch keine „erhebliche Gefahr“ für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. Die Bevollmächtigte des Klägers trug weiter mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2012 vor, es liege kein erheblicher Verkehrsverstoß vor. Es sei bis jetzt ein Verkehrsverstoß rechtskräftig überhaupt noch nicht nachgewiesen. Im Übrigen sei bei einem einmaligen unwillentlichen Verstoß, der keine Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit eines Kraftfahrers zulasse, eine Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht gewahrt. Im Regelfall sei eine sechsmonatige Dauer angemessen. In Anbetracht des Schreibens des Antragstellers vom 20. Juni 2012 hätte die Möglichkeit bestanden aufzuklären, ob ein Rotlichtverstoß vorgelegen habe oder nicht, ggf. hätte die Schwiegermutter ausgesagt. Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2012 führte die Bevollmächtigte des Klägers zum Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO weiter aus, die Begründung des Bescheids lasse nicht erkennen, warum anstelle einer Dauer von sechs Monaten hier ein Jahr angeordnet worden sei. Da es an einem objektiven Verkehrsverstoß als solchem fehle, fehle auch „das Rechtsschutzbedürfnis“ für eine sofortige Vollziehung.

Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz der Regierung von ... – Prozessvertretung – vom 18. April 2012, die Klage abzuweisen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es werde auf den streitgegenständlichen Bescheid und die vollkommen eindeutigen Fotos verwiesen. Im Hinblick auf die am Fahrbahnrand befindlichen Personen werde darauf hingewiesen, dass die missachtete Lichtzeichenanlage gegenüber dem städtischen Kindergarten ..., ...straße ..., liege. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertige das Überfahren einer Rotlicht zeigenden Verkehrsampel regelmäßig die Fahrtenbuchauflage nach § 31 a StVZO. Die Voraussetzungen könnten im Übrigen auch dann vorliegen, wenn der Fahrzeughalter bezweifle, dass der durch einen Zeugen angegebene Rotlichtverstoß nachgewiesen sei, solange er den Tatvorwurf nicht substantiiert bestreite und dies mit Tatsachen belege. Es handele sich im vorliegenden Fall um einen gravierenden Verkehrsverstoß mit erheblichem Gefährdungspotential, der mit drei Punkten zu bewerten sei. Die Dauer der Auflage von einem Jahr sei daher ebenfalls rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren (M 23 K 12.5336) sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamts vom ... September 2012 hat keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen gegen den angefochtenen Bescheid keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Klage wird daher aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben. Das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung überwiegt somit das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.

Nach § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend erfüllt.

Mit einer Fahrtenbuchauflage soll in Ergänzung der Kennzeichnungspflicht dafür Sorge getragen werden, dass anders als in dem Fall, der Anlass zur Auferlegung eines Fahrtenbuchs gegeben hat, künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist. Die Anordnung richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Gefährdet er die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dadurch, dass er unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten nicht dartun kann oder will, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, darf er durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugnutzung angehalten werden. Ob vom Fahrzeughalter selbst als Führer seines Kraftfahrzeugs Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen zu besorgen sind, ist demnach rechtlich nicht ausschlaggebend. Vielmehr genügt regelmäßig die bei jeder Kraftfahrzeugnutzung nicht auszuschließende Möglichkeit, dass der jeweilige Fahrer Verkehrsvorschriften zuwiderhandelt (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1989 – 7 B 90/89 – NJW 1989, 2704).

Um eine Fahrtenbuchauflage zu rechtfertigen, müssen Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang verletzt worden sein. Schon bei einem einmaligen Verstoß ist die Auflage zulässig, wenn es sich um einen nicht unwesentlichen Verstoß handelt, der sich verkehrsgefährdend auswirken kann. Dies ist beim Überfahren einer Rotlicht zeigenden Ampel regelmäßig der Fall (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.1986 – 7 B 234/85 – NJW 1987, 143). Nach den vorliegenden Fotos und Zeugenberichten ist es nicht ernsthaft zweifelhaft, dass mit dem Fahrzeug, das auf den Antragsteller zugelassen ist, am ... April 2012 in ..., ...straße ..., die Haltelinie der Lichtzeichenanlage überfahren wurde, obwohl diese Rotlicht zeigte. In der Zusammenschau der drei vorliegenden Fotos, die offensichtlich unmittelbar hintereinander aufgenommen wurden und die auch von guter Qualität sind, ergibt sich, dass mit dem Fahrzeug das Rotlicht der Lichtzeichenanlage missachtet wurde. So lässt sich auch auf den schwarz-​weißen Fotos deutlich erkennen, dass die Lichtzeichenanlage schon auf Rotlicht geschaltet war. Auf dem farbigen Foto ist eindeutig zu sehen, dass die Fußgängerampel bereits auf Grünlicht geschaltet war und das Fahrzeug des Antragstellers sich hinter der Haltelinie auf der Fußgängerfurt befand. Soweit der Antragsteller in seinem Schreiben vom 20. Juni 2012 schildert, die Ampel sei „auf Gelb“ gewesen und sei in normalem Tempo überfahren worden, lässt sich dies mit den Fotos und Zeugenaussagen nicht in Einklang bringen. Er bestreitet damit lediglich, dass der Verkehrsverstoß begangen wurde, was jedoch nicht geeignet ist, die vorliegenden Beweismittel ernsthaft zu erschüttern. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass der Rotlichtverstoß bei der erfolgten Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens nicht „rechtskräftig nachgewiesen“ sein kann. Aufgrund der vorliegenden Beweismittel ist die Begehung des Rotlichtverstoßes zumindest überwiegend wahrscheinlich. Eine weitere Aufklärung ist im Rahmen der nur summarisch vorzunehmenden Prüfung im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO daher nicht veranlasst.

Der begangene Rotlichtverstoß wäre nach dem hierfür anzuwendenden Bußgeldkatalog mit einer Geldbuße von 90,-​- € (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BKatV i.V.m. Nr. 132 der Anlage zur BKAtV) und zumindest drei Punkten im Verkehrszentralregister (Nr. 5.17 der Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr – Fahrerlaubnis-​Verordnung) geahndet worden. Diese sachverständige Bewertung der Verkehrsordnungswidrigkeit durch den Verordnungsgeber belegt, dass es sich um einen erheblichen Verstoß handelt, unabhängig von einer damit verbundenen Gefährdungslage. Auf den Nachweis einer konkreten Gefährdung kommt es nicht an. Denn grundsätzlich reicht bereits ein lediglich mit einem Punkt bewerteter Verkehrsverstoß für die Anordnung der Fahrtenbuchauflage aus, ohne dass es auf die Feststellung der näheren Umstände der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Gefährlichkeit des Verstoßes ankommt (vgl. BVerwG, B.v. 9.9.1999 – 3 B 94/99 – BayVBl 2000, 380; OVG NRW, U.v. 29.4.1999 – 8 A 699/97 – NJW 1999, 3279).

Die Feststellung des Fahrzeugführers durch die Polizei war in diesem Fall nicht möglich. Das Ermittlungsverfahren wurde daher eingestellt.

Die in § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO geforderte Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers liegt vor, da die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Für die Beurteilung der Angemessenheit der polizeilichen Aufklärungsmaßnahmen kommt es wesentlich darauf an, ob die Polizei in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, kann sich an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn es – wie hier – um die Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten geht, die nur einen Sinn hat, wenn der Täter vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG) und deren in Betracht kommenden Unterbrechungen (§ 33 Abs. 1 bis 3 OWiG) so rechtzeitig bekannt ist, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden kann und die daran anknüpfenden verkehrspolizeilichen Maßnahmen eingeleitet werden können (BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3/80 – BayVBl 1983, 310). Weiterhin genügt die Behörde ihrer Ermittlungspflicht grundsätzlich nur dann, wenn sie den Kraftfahrzeughalter unverzüglich von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis setzt, wobei die hierzu eingeräumte Anhörungsfrist im Regelfall zwei Wochen nicht überschreiten darf (BVerwG, B.v. 14.5.1997 – 3 B 28/97 – juris; erstmals BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – NJW 1979, 1054). Die Zwei-​Wochen-​Frist ist jedoch kein formales Tatbestandskriterium der gesetzlichen Regelung und keine starre Grenze. Sie beruht auf dem Erfahrungssatz, wonach Vorgänge nur in einem begrenzten Zeitraum erinnerbar oder noch rekonstruierbar sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Fahrtenbuchauflage trotz verzögerter Anhörung des Kraftfahrzeughalters nicht ausgeschlossen ist, wenn feststeht, dass nicht die Verzögerung der Ermittlungstätigkeit ursächlich für die Erfolglosigkeit der Ermittlungen gewesen ist. Ihre Nichteinhaltung ist unschädlich in den Fällen, in denen wegen vom Regelfall abweichender Fallgestaltung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt oder die Überschreitung des Zeitrahmens nicht ursächlich gewesen sein konnte für die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers. Insbesondere ist eine verzögerte Anhörung für die unterbliebene Feststellung des Fahrers dann nicht ursächlich, wenn ein zur Identifizierung ausreichendes Foto existiert, da eine Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeugführers anhand des Fotos keine Anforderungen an das Erinnerungs-​, sondern an das Erkenntnisvermögen des Fahrzeughalters stellt (ständige Rspr. der Kammer, vgl. VG München, B.v. 12.3.2007 – M 23 S 06.4894 – juris; vgl. auch VG Oldenburg, B.v. 30.3.2009 – 7 B 1004/09 – juris m.w.N.). Zudem kann auch eine fehlende Mitwirkung des Fahrzeughalters eine verspätete Anhörung unbeachtlich machen, weil in diesen Fällen nicht die verspätete Anhörung, sondern die fehlende Kooperationsbereitschaft des Halters ursächlich für die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung war. Dies gilt unabhängig von den Gründen, warum der Fahrzeughalter zu einer Mitwirkung nicht in der Lage oder nicht gewillt ist und unbeschadet dessen, dass er zu einer Mitwirkung auch nicht verpflichtet ist. Aus diesen Gründen ist es im Fall des Antragstellers unbeachtlich, dass die Zwei-​Wochen-​Frist nicht eingehalten wurde, da dies für die erfolglose Ermittlungstätigkeit der Polizei nicht ursächlich war. Der Antragsteller konnte sich offenbar an den Vorfall erinnern und er hat von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Es kam daher auch nicht darauf an, dass die Fahrerin auf den Fotos nicht eindeutig zu erkennen war.

Die Polizei hat im vorliegenden Fall auch dem Erfordernis des angemessenen und zumutbaren Ermittlungsaufwands, den § 31 a StVZO voraussetzt, genügt. Da der Antragsteller erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes abgelehnt hat, war es der Polizei nicht zuzumuten, weitere wahllose und zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Die Polizei hat in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen Maßnahmen getroffen, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht wurden und erfahrungsgemäß hätten Erfolg haben können. Der Antragsteller hat sich auf den Zeugen-​Fragebogen vom 4. Mai 2012 mit Schreiben vom 20. Juni 2012 geäußert und bezüglich der Person der Fahrzeugführerin von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die Polizei hat daraufhin ein Vergleichsbild der Ehefrau des Antragstellers eingeholt und die Tatzeugen mittels einer Wahllichtbildvorlage (acht Lichtbilder) befragt, ohne dass diese die Fahrerin hätten identifizieren können. Weitere Ermittlungen wären demnach nicht erfolgversprechend gewesen. Es wäre auch nicht damit zu rechnen gewesen, dass eine Befragung der Schwiegermutter des Antragstellers – wie von seiner Bevollmächtigten eingewandt – zur Feststellung der verantwortlichen Fahrerin geführt hätte.

Die Tatsache, dass der Antragsteller von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, führt nicht zu einem Nachteil für ihn. Der Betroffene im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist gemäß § 55 OWiG ebenso anzuhören wie der Beschuldigte im Strafverfahren gemäß § 136 StPO. Vor seiner Vernehmung ist er darüber zu belehren, dass es ihm freisteht, zur Sache auszusagen. Dieses Aussageverweigerungsrecht bezieht sich nach dem Rechtsgrundsatz „nemo tenetur“ in erster Linie auf den Beschuldigten selbst. Das Aussageverweigerungsrecht verbietet es dem Beschuldigten dagegen nicht, sich durch Nennung des wahren Täters zu entlasten. Es entspricht der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs nicht verlangen kann, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er von einem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht. Ein solches „Recht“ widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen, die auch der Antragsteller für sich gegenüber anderen in Anspruch nimmt (BayVGH, B.v. 23.2.2009 – 11 CS 08.2948 – juris, m.w.N.).

Das Landratsamt hat auch von dem ihm bei der Entscheidung über die Anordnung zustehenden Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

Wie aus den Gründen des angefochtenen Bescheids erkennbar ist, wurde gesehen, dass es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt und es erfolgte eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Maßnahme.

Mit der präventiven Zielsetzung, künftige Verkehrsverstöße dadurch zu vermeiden, dass der jeweilige Fahrer mit einer leichten Aufklärbarkeit des Verstoßes rechnen muss, wird ein legitimer Zweck verfolgt. Die Fahrtenbuchauflage ist hierzu geeignet, erforderlich sowie als angemessene Maßnahme anzusehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Insbesondere verstößt die Auferlegung eines Fahrtenbuchs nicht deshalb gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil es sich um einen erstmaligen Verstoß gehandelt hat. Ob die Dauer einer Fahrtenbuchauflage mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht, ist mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Als Kriterium für ihre zeitliche Bemessung ist vor diesem Hintergrund vor allem das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung heranzuziehen. Bei der Festlegung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage ist daneben das Verhalten zu würdigen, das der Fahrzeughalter im Zusammenhang mit den Bemühungen der Behörde an den Tag gelegt hat, eine mit seinem Kraftfahrzeug begangene Verkehrszuwiderhandlung aufzuklären. Denn je mehr sich ein Fahrzeughalter darum bemüht, zu der Tataufklärung beizutragen, desto weniger wird unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr Anlass bestehen, ihn hierzu für künftige Fälle durch eine Fahrtenbuchauflage anzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2011 – 11 CS 11.1548 – juris). Demnach ist auch die Dauer der Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs von einem Jahr im Fall des Antragstellers, der zur Ermittlung des Fahrzeugführers nichts beigetragen hat, nicht als unverhältnismäßig zu beanstanden. Der mit dem Fahrzeug des Antragstellers begangene Verkehrsverstoß in Form der Nichtbeachtung eines roten Dauerlichtzeichens ist so erheblich, dass er die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage von einem Jahr Dauer rechtfertigt (vgl. hierzu auch VGH BW, B.v. 28.5.2002 – 10 S 1408/01 – juris: Fahrtenbuchauflage für zwei Jahre bei qualifiziertem Rotlichtverstoß). Das Landratsamt hat die Dauer der Auflage auch mit Blick auf die Schwere des Verstoßes begründet, wie sich aus den Gründen in Nr. I des Bescheids ergibt.

Auch die weiteren Anordnungen im angefochtenen Bescheid zum Übergang auf Ersatzfahrzeuge und zum Inhalt der Eintragungen in das Fahrtenbuch sowie zur Vorlage und Aufbewahrung des Fahrtenbuchs gemäß § 31 a Abs. 1, Abs. 2 und 3 StVZO begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung und der Kostenentscheidung.

Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem angefochtenen Bescheid genügt auch den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ist dargelegt worden, weshalb dem Interesse, vorläufig von der Führung eines Fahrtenbuchs verschont zu bleiben, der Nachrang gegenüber den Interessen der Allgemeinheit gebührt, dass künftig erhebliche Verkehrsverstöße unterbleiben oder jedenfalls geahndet werden können.

§ 31 a StVZO gehört zu den Vorschriften, bei denen zur Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter, nämlich die Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr, das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammenfällt und sich die Behörde bei der Abwägung der Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken kann, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (BayVGH, B.v. 17.7.2002 – 11 CS 02.1320 – juris; VGH BW, B.v. 17.11.1997 – 10 S 2113/97 – NZV 1998, 126 m.w.N.). Dementsprechend ist auch den formellen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bei der Anordnung des Sofortvollzugs einer Fahrtenbuchauflage bereits dann genügt, wenn die Begründung der Anordnung erkennen lässt, dass die Behörde diese Gesichtspunkte bei ihrer Interessenabwägung berücksichtigt hat (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2002 a.a.O). Dies ist bei den Gründen des angefochtenen Bescheids der Fall. Besondere Umstände, die zu einem anderen Ergebnis hätten führen können, sind im Fall des Antragstellers nicht ersichtlich.

Nach alledem war der Antrag abzulehnen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Empfehlungen im Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 = DVBl 2004, 1525).