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BGH Beschluss vom 13.02.2003 - I ZB 23/02 - Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine Schutzschrift

BGH v. 13.02.2003: Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine Schutzschrift zur Verteidigung gegen eine einstweilige Verfügung


Der BGH (Beschluss vom 13.02.2003 - I ZB 23/02) hat entschieden:
Die Kosten einer Schutzschrift, die vorsorglich zur Verteidigung gegen einen erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht worden ist, sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag bei diesem Gericht eingeht. Dies gilt auch dann, wenn der Verfügungsantrag abgelehnt oder zurückgenommen wird, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. In diesem Fall ist jedoch nicht die volle Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, sondern nach § 32 Abs. 1 BRAGO nur eine halbe Gebühr zu erstatten.


Siehe auch Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) und gerichtliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) und Stichwörter zum Thema Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltshonorar - Rechtsanwaltskosten


Gründe:

I.

Nach einer Abmahnung durch die Antragstellerin wegen eines behaupteten Wettbewerbsverstoßes reichte die Antragsgegnerin bei dem Landgericht eine Schutzschrift ein, die den Antrag enthielt, einen etwaigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Das Landgericht wies den tags darauf eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss auf Kosten der Antragstellerin zurück. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das Landgericht nicht ab. Nach Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung durch das Beschwerdegericht nahm die Antragstellerin ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Für die Einreichung der Schutzschrift hat die Antragsgegnerin die Festsetzung einer 10/10-Gebühr ihrer Verfahrensbevollmächtigten begehrt. Das Landgericht hat nur eine 5/10-Gebühr festgesetzt. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren auf Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühr in Höhe von 10/10 weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, das Begehren der Antragsgegnerin sei gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO nicht gerechtfertigt, da dem in der Schutzschrift gestellten Sachantrag keine Bedeutung beigemessen werden könne und dieser deswegen nicht als notwendig im Sinne des § 91 ZPO zu erachten sei.

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist im Ergebnis zutreffend. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO sind der Antragsgegnerin nur solche Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten, die durch Maßnahmen entstanden sind, welche zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Danach hat die Antragsgegnerin für die von ihren Verfahrensbevollmächtigten eingereichte Schutzschrift nur Anspruch auf Erstattung einer halben Prozessgebühr (§ 32 Abs. 1 BRAGO).

a) Die Kosten einer Schutzschrift, die vorsorglich zur Verteidigung gegen einen erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht worden ist, sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn -wie hier -ein entsprechender Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei diesem Gericht eingeht, auch wenn der Antrag abgelehnt oder zurückgenommen wird, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl. dazu u.a. OLG München WRP 1992, 811; OLG Düsseldorf WRP 1995, 499, 500; KG WRP 1999, 547; OLG Bamberg OLG-Rep 2000, 228; OLG Karlsruhe OLG-Rep 2000, 436; OLG Frankfurt a.M. NJWE-WettbR 2000, 149; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 55 Rdn. 56; Pastor/Ahrens/Spätgens, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 13 Rdn. 29, jeweils m.w.N.).

b) Für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information ist nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO an sich eine volle Gebühr (Prozessgebühr) geschuldet. Nach § 32 Abs. 1 BRAGO vermindert sich der Gebührenanspruch aber auf eine halbe Gebühr, wenn der Auftrag -wie hier -endet, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz mit Sachanträgen eingereicht oder eine andere der in § 32 Abs. 1 BRAGO genannten Handlungen vorgenommen hat. Die in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift enthaltenen Anträge sind keine Sachanträge im Sinne des § 32 Abs. 1 BRAGO (vgl. OLG Hamburg JurBüro 1988, 201; OLG Bremen JurBüro 1991, 940, 941; OLG Braunschweig JurBüro 1993, 218, 219; KG WRP 1999, 547, 548; v. Eicken in Gerold/Schmidt, BRA-GO, 15. Aufl., § 40 Rdn. 30; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 824; a.A. OLG Koblenz JurBüro 1990, 1160 f.; Teplitzky aaO Kap. 55 Rdn. 57 f.; Pastor/Ahrens/Spätgens aaO Kap. 13 Rdn. 39 f.; Deutsch, GRUR 1990, 327, 332, jeweils m.w.N.).

Ein Antrag in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift leitet kein Verfahren ein. Die Schutzschrift bringt kein Verfahren in Gang, sondern äußert sich zu einem erwarteten Verfahren. Der in ihr enthaltene Antrag kann auch kein Sachantrag im Sinne des § 32 Abs. 1 BRAGO sein, weil noch kein Verfahren anhängig ist. Ein solcher Antrag "erstarkt" auch nicht zu einem Sachantrag, wenn später ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt wird. Eine solche Annahme würde zumindest voraussetzen, dass ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass sich der Antrag der Schutzschrift auf denselben Gegenstand wie der spätere Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bezieht. Dies wird jedoch schon deshalb vielfach nicht der Fall sein, weil dieser Antrag bei Abfassung der Schutzschrift dem Antragsgegner in aller Regel noch nicht bekannt ist, so dass sich die Schutzschrift in weitem Umfang nur auf Vermutungen über den späteren Inhalt des erwarteten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stützen kann (vgl. dazu auch KG WRP 1999, 547, 548; Deutsch, GRUR 1990, 327, 331, 332). Einen Anhalt dafür wird zwar oft die Begründung einer vorausgegangenen Abmahnung geben; der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann aber aus vielen Gründen von dem Gegenstand der Abmahnung abweichen, etwa im Hinblick auf die Antwort des Abgemahnten oder weitere Ermittlungen des Antragstellers.

Es kommt hinzu, dass auch nach Stellung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zunächst kein Raum für Sachanträge des Antragsgegners ist, solange dieser nicht in das Verfahren einbezogen worden ist. Das Gericht hat zwar auch in diesem Verfahrensstadium Ausführungen, die der Antragsgegner in einer Schutzschrift zu dem erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemacht hat, bei seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, wenn ihm die Schutzschrift zur Kenntnis kommt (Art. 103 Abs. 1 GG). Dabei kommt es aber allein auf das tatsächliche und rechtliche Vorbringen in der Schutzschrift an. Ob diese bereits einen formulierten "Antrag" enthält, ist für das Verfahren ohne Bedeutung (vgl. OLG Braunschweig JurBüro 1993, 218, 219; Melullis aaO Rdn. 824). Ein Antrag kann in diesem Stadium des Verfahrens nur eine Anregung des Antragsgegners an das Gericht sein, in einer bestimmten Weise zu verfahren oder zu entscheiden.

III.

Danach war die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.