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OVG Lüneburg Beschluss vom 15.11.2017 - 12 OA 125/17 - Terminsgebühr bei anwaltlicher Androhung von Schadensersatzansprüchen

OVG Lüneburg v. 15.11.2017: Keine Terminsgebühr bei anwaltlicher Ankündigung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen


Das OVG Lüneburg (Beschluss vom 15.11.2017 - 12 OA 125/17) hat entschieden:
Allein die anwaltliche Ankündigung gegenüber einer Behörde, Schadenersatzansprüche geltend zu machen, um so die Rücknahme einer als gebundene Entscheidung ergangenen Verfügung zu erreichen, führt nicht zum Anfall einer Terminsgebühr.


Siehe auch Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV) in den verschiedenen Verfahrensarten und Stichwörter zum Thema Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltshonorar - Rechtsanwaltskosten


Gründe:

I.

Der Kläger hatte gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 3. Februar 2017 (Bl. 28 ff. der Gerichtsakte - GA -) auf das Fahreignungs-Bewertungssystem gestützte Entziehung seiner Fahrerlaubnis am 6. Februar 2017 (vgl. Bl. 1 ff. GA) Klage erhoben. Die Erreichung eines Standes von acht Punkten hatte er unter anderem mit dem Argument in Abrede gestellt, dass ein Bußgeldbescheid nicht rechtskräftig sei, der wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gegen ihn ergangen war. Kurz nach der Erhebung der Klage hatte sein Prozessbevollmächtigter am 6. Februar 2017 ein Telefongespräch mit einer Sachbearbeiterin des Beklagten geführt, über das eine Telefonnotiz (Bl. 120 GA) gefertigt wurde. Nach einem weiteren Telefonat, in dem der Kläger persönlich mit der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten sprach (vgl. den Gesprächsvermerk vom 9.2.2017 - Bl. 121 GA), und einer die Rechtsposition des Klägers stützenden Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes hat der Beklagte seine Entziehungsverfügung schließlich unter dem 10. Februar 2017 aufgehoben (vgl. Bl. 52 GA). Das Verwaltungsgericht hat ihm nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten durch Beschluss vom 20. Februar 2017 (Bl. 58 f. GA) die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger dagegen, dass es die Vorinstanz durch den angefochtenen Beschluss vom 11. Mai 2017 abgelehnt hat, auf seine Erinnerung den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29. März 2017 (Bl. 90 ff. GA) insoweit zu ändern, als bei der Festsetzung der ihm seitens des Beklagten zu erstattenden Kosten die im Kostenfestsetzungsantrag (Bl. 77 f. GA) geltend gemachte Terminsgebühr von 547,20 EUR nicht berücksichtigt worden ist. Außerdem beanstandet er, dass das Verwaltungsgericht seinem in der Erinnerungsschrift enthaltenen Antrag (Bl. 105 GA), auch die auf die Vergütung seines Prozessbevollmächtigten entfallende Umsatzsteuer in die Festsetzung einzubeziehen, nicht entsprochen hat, soweit der Steuerbetrag an die umstrittene Terminsgebühr anknüpft (d. h. in Höhe von 103,97 EUR).

II.

Die Beschwerde des Klägers, über die der Senat in der Besetzung nach § 76 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 NJG zu entscheiden hat (vgl. Neuman, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 4. Aufl. 2014, § 165 Rn. 34), ist zulässig (vgl. § 146 Abs. 3 VwGO), aber unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Erstattung einer Terminsgebühr (Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses - VV - [Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG]) -, und damit auch diejenigen für die Erstattung der hierauf entfallenden Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) nicht vorliegen. Denn eine solche Gebühr ist nicht angefallen.

Es mag dahinstehen, ob eine Besprechung im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV auch dann gegeben sein kann, wenn sie auf das vollständige Nachgeben einer Seite gerichtet ist (so: Keller, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. 2005, VV Teil 3 Vorbem. 3 Rn. 48, und Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, VV Vorb. 3 Rn. 166). Denn jedenfalls setzen auf eine Erledigung gerichtete Besprechungen im Sinne der Vorschrift die - hier von dem Kläger darzulegende - beidseitige Bereitschaft der Prozessgegner zu einer eventuellen einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens voraus (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 3.8.2017 - 13 D 136/14 -, juris, Rn. 3 ff., m. w. N.).

Für die Darlegung einer solche Bereitschaft des Beklagten anlässlich des Telefonats vom 6. Februar 2017 reicht es nicht aus, dass der Kläger vorträgt (vgl. Bl. 132 GA), sein Prozessbevollmächtigter habe der Sachbearbeiterin mitgeteilt, welche Konsequenzen, nämlich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, er zu ziehen gedenke, wenn die Verfügung nicht umgehend zurückgenommen werde. Allein die Weitergabe von Informationen genügt nämlich nicht, um einem Gespräch den Inhalt einer Besprechung zu geben, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet ist (vgl. Müller-Rabe, a. a. O., Vorb. 3 Rn. 173, letzter Spiegelstrich). Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Sachbearbeiterin des Beklagten diese Mitteilung nur schweigend angehört hat (vgl. Bischof, in: Bischof/Jungbauer u. a., RVG, 6. Aufl. 2014, Nr. 3104 VV, Rn. 48), ohne daraufhin zu äußern, eine Rücknahme der Verfügung zu prüfen, oder sich auf eine Diskussion dieser Maßnahme einzulassen (vgl. Müller-Rabe, a. a. O., VV Vorb. 3 Rn. 175). Weder legt der Kläger Letzteres substantiiert dar, noch ergeben sich aus dem behaupteten Gesprächsinhalt und dem übrigen Geschehen hinreichende Indizien dafür. Denn die Ankündigung von Schadensersatzansprüchen ist schon kein Argument, mit dem die Rechtswidrigkeit einer Verfügung als Voraussetzung gerade ihrer Rücknahme (vgl. § 48 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) dargetan werden kann. Solange der Beklagte die Entziehungsverfügung weiter für rechtmäßig hielt, kam zudem aus seiner Sicht auch eine anderweitig begründete Aufhebung derselben nicht in Betracht. Denn die Entziehung der Fahrerlaubnis wurde hier als gebundene Entscheidung (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG) getroffen. Sowohl der Gesprächsvermerk vom 9. Februar 2017 als auch der Rücknahmebescheid vom 10. Februar 2017 lassen erkennen, dass der Beklagte die Einwände des Klägers gegen seine Verfügung solange für rechtlich unerheblich hielt, als ihm keine Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes über einen veränderten Punktestand vorlag. Es kann dahinstehen, ob seine Rechtsauffassung über die alleinige Maßgeblichkeit der Eintragungen im Fahrerlaubnisregister zutrifft (vgl. dazu einerseits BVerwG, Urt. v. 26.1.2017 - BVerwG 3 C 21.15 -, ZfSch 2017, 355 ff. [357 Rn. 25], und andererseits Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 4 StVG Rn. 48) oder eine Fahrerlaubnisbehörde die Rechtskraft der Entscheidung über eine Ordnungswidrigkeit als Voraussetzung sowohl des Eintritts der Bindung nach § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG als auch eines Sich-Ergebens von Punkten nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG ggf. auch unabhängig vom Stand des Registers zu prüfen hätte. Denn die Sachbearbeiterin des Beklagten hatte jedenfalls aus der für ihr Verhalten maßgeblichen eigenen Rechtsansicht heraus keinen Anlass, sich (schon) am 6. Februar 2017 mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auf eine Besprechung über die etwaige Rücknahme der umstrittenen Entziehungsverfügung einzulassen. Es ist daher auch nicht anzunehmen, dass dies geschah.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).



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