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Landgericht Heidelberg Urteil vom 20.12.2017 - 1 S 28/1 - Kostentragung bei Nacherfüllung

LG Heidelberg v. 20.12.2017: Kostentragung bei Nacherfüllung


Das Landgericht Heidelberg (Urteil vom 20.12.2017 - 1 S 28/17) hat entschieden:

Nach § 475 Abs. 1 BGB sind Vereinbarungen, die u.a. die Mängelrechte des Käufers einschränken, vor Mitteilung des Mangels an den Unternehmer unwirksam. Dazu zählen auch Vereinbarungen, mit denen dem Käufer eine Kostentragung bei der Nacherfüllung auferlegt werden. Zwar steht § 475 Abs. 1 BGB einer - wie vorliegend - nach Mitteilung des Mangels getroffenen Vereinbarung nicht entgegen. Allerdings ist auch eine nach Mangelmitteilung getroffene Vereinbarung, mit der die Mängelrechte des Käufers eingeschränkt werden, nur dann wirksam, wenn der Käufer sich darüber im Klaren ist, dass zu seinem Nachteil von seinen Gewährleistungsrechten abgewichen wird.


Siehe auch Autokauf - Gewährleistung und Garantie beim Gebrauchtwagenkauf und Stichwörter zum Thema Autokaufrechtx


Gründe:


I.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 06.05.2016 vom Beklagten einen gebrauchten Pkw VW Golf mit einer Laufleistung von 127.600 zu einem Kaufpreis von 8.700 € (vgl. Kaufvertrag, Anlage K 1).

Im Kaufvertrag findet sich unter anderem folgendes:
„Erklärung des Käufers: 1.Jahre Garantie auf Motor, Getriebe und Differential 1.Jahr Gewährleistung“

[...]

Regulierungssummen nach KM-​Leistungen: bis 50000 KM 100%, bis 60000 KM 90 %, bis 70000 KM 80 %, bis 80000 KM 70 %, bis 90000 KM 60 %, bis 100000 KM 50 % und über 100000 KM 40 % der Reparaturkosten. Der Rest ist Selbstbeteiligung.“

Da das Getriebe merkwürdige Geräusche von sich gab, setzte sich der Kläger im Spätsommer 2016 telefonisch mit dem Beklagten in Verbindung. Das Telefonat wurde aufseiten des Beklagten von dessen Sohn, dem Zeugen T.A., geführt. Nachdem dieser den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass bei der Reparatur des Getriebeschadens eine Selbstbeteiligung von 60 % der Reparaturkosten anfiele, erklärte der Kläger sich damit einverstanden.

Am 21.10.2016 brachte der Kläger den Pkw zum Beklagten zur Reparatur und holte diesen am 04.11.2016 dort wieder ab. Der Kläger weigerte sich zunächst, die vom Beklagten geforderte Selbstbeteiligung an den Reparaturkosten in Höhe von 800 € zu zahlen, da er von seinem Rechtsanwalt den Rechtsrat erhalten hatte, dass er hierzu nicht verpflichtet sei. Daraufhin verweigerte der Beklagte die Herausgabe des Fahrzeugs. Schließlich leistete der Kläger die Zahlung von 800 € (vgl. Quittung, Anlage K 2) und nahm das ordnungsgemäß reparierte Fahrzeug mit.

Der Kläger war der Ansicht, ihm stünde ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der gezahlten 800 € zu. Da der Beklagte zur unentgeltlichen Nachbesserung verpflichtet gewesen sei, sei die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt. § 814 BGB stehe dem Rückzahlungsanspruch nicht entgegen, weil die Zahlung ausdrücklich unter Vorbehalt erfolgt sei. Daneben schulde der Beklagte auch die Kosten für die Verbringung des Fahrzeugs zur Reparatur und die Abholung desselben nach erfolgter Reparatur.

Der Beklagte wendete ein, dass der Kläger die Rückzahlung der geleisteten 800 € nicht verlangen können. Er habe sich in dem Telefonat mit dem Zeugen T.A. ausdrücklich mit der Zahlung einer Selbstbeteiligung von 60 % einverstanden erklärt. Im Vertrauen auf diese Vereinbarung habe der Beklagte das Fahrzeug dann reparieren lassen und davon abgesehen, sachverständigenseits überprüfen zu lassen, ob der Getriebeschaden tatsächlich bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen habe. Im Übrigen könne er die 800 € auch deshalb nicht zurückverlangen, weil er diese in Kenntnis der vermeintlichen Nichtschuld ohne Vorbehalt gezahlt habe. Ein Ersatzanspruch bezüglich der Wegekosten bestünde weder dem Grunde noch der Höhe nach.

Am 09.02.2017 erging im schriftlichen Vorverfahren Versäumnisurteil gegen den Beklagten. Darin wurde der Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 1.167,20 € (800 € Reparaturkosten + 367,20 € Wegekosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Dieses hat das Amtsgericht Wiesloch nach zulässigem Einspruch des Beklagten durch streitiges Urteil vom 02.06.2017 (Az. 1 C 9/17) vollumfänglich aufrechterhalten. Zuvor hatte es die Parteien informatorisch angehört und die Zeugen T.A. sowie R. und N. H. vernommen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger die gezahlten 800 € aus Bereicherungsrecht zurückverlangen könne. Ein Garantievertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, weil es an einer Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile fehle. Ferner fehle es am Hinweis nach § 477 BGB. Überdies sei der Garantievertrag als abweichende Regelungen von der Sachmängelgewährleistung nach § 475 BGB unzulässig und darüber hinaus auch unwirksam gemäß §§ 305c, 307 BGB. § 814 BGB stünde dem Rückzahlungsanspruch nicht entgegen, weil die Zahlung unter Vorbehalt erfolgt sei. Der Anspruch auf Erstattung der Wegekosten ergebe sich aus §§ 439 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Der Ansatz von 0,3 € pro gefahrenem Kilometer sei gemäß § 287 ZPO nicht zu beanstanden.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vorliegenden Berufung. Abermals wird vorgebracht, dass sich die Parteien in dem Telefonat zwischen dem Kläger und dem Sohn des Beklagten darauf geeinigt hätten, dass der Kläger 60 % der Reparaturkosten, d.h. vorliegend 800 €, als Selbstbeteiligung übernehme. Im Vertrauen hierauf habe der Beklagte das Getriebe reparieren lassen und davon abgesehen, durch einen Sachverständigen zu klären, ob ein Gewährleistungsfall vorliege, d.h. ob der Mangel bei Fahrzeugübergabe schon vorhanden gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Wiesloch vom 02.06.2017 sowie das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Wiesloch vom 09.02.2017, Az. 1 C 9/17, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt, dass es zu einer Einigung über die Übernahme einer Selbstbeteiligung nicht gekommen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die gewechselte schriftsätzliche Korrespondenz nebst zu den Akten gereichten Anlagen.





II.

Die zulässige Berufung ist als unbegründet zurückzuweisen.

1.Der Kläger kann gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Var. BGB die Rückzahlung der bei Abholung des Pkw gezahlten 800 € verlangen.

1.1 Da der Beklagte zur unentgeltlichen Nachbesserung verpflichtet war, ist die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt.

1.1.1 Der Beklagte war gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB zur unentgeltlichen Mangelbeseitigung verpflichtet. Dass der vom Beklagten gekaufte Pkw einen Getriebeschaden und damit einen Mangel aufwies, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelte und der Getriebeschaden sich während der ersten sechs Monate seit der Übergabe zeigte (diese erfolgte am 06.05.2016, der Mangel zeigte sich erstmals im Sommer 2016), wird gemäß § 476 BGB vermutet, dass dieser bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorlag. Den Beweis des Gegenteils hat der Beklagte mangels Beweisantritt nicht geführt.

1.1.2 Die im Kaufvertrag getroffene Vereinbarung, wonach der Kläger bei Getriebeschäden 60 % der Reparaturkosten selbst zahlen müsse, ist unwirksam und stellt daher keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der 800 € dar.

Nach § 475 Abs. 1 BGB sind Vereinbarungen, die u.a. die Mängelrechte des Käufers einschränken, vor Mitteilung des Mangels an den Unternehmer unwirksam. Dazu zählen auch Vereinbarungen, mit denen dem Käufer eine Kostentragung bei der Nacherfüllung auferlegt werden (vgl. MüKoBGB/Lorenz BGB § 475 Rn. 8, beck-​online).

1.1.3 Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf das zwischen dem Kläger und dem Zeugen T.A. geführte Telefonat stützen, in dem der Kläger sich mit einer Selbstbeteiligung von 60 % einverstanden erklärt hat.

Zwar steht § 475 Abs. 1 BGB einer - wie vorliegend - nach Mitteilung des Mangels getroffenen Vereinbarung nicht entgegen.

Allerdings ist auch eine nach Mangelmitteilung getroffene Vereinbarung, mit der die Mängelrechte des Käufers eingeschränkt werden, nur dann wirksam, wenn der Käufer sich darüber im Klaren ist, dass zu seinem Nachteil von seinen Gewährleistungsrechten abgewichen wird. Dies folgt aus der ratio legis, die darin besteht, dass es dem Verbraucher möglich sein soll, in Kenntnis des Mangels und seiner Mängelrechte von diesen zu seinem Nachteil abzuweichen, v.a. um mit dem Verkäufer einen Vergleich abzuschließen (vgl. BeckOK BGB/Faust BGB § 475 Rn. 16-​16a, beck-​online; Jauernig/Berger BGB § 475 Rn. 1-​9, beck-​online).

Davon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Der Kläger hat sich mit der Selbstbeteiligung erst einverstanden erklärt, nachdem ihm der Zeuge A. mitgeteilt hatte, dass es sich bei einem Getriebeschaden um einen Garantiefall handele, der eine Selbstbeteiligung des Käufers auslöse. Daraus folgt, dass der Kläger sich nicht etwa bewusst seines Rechts auf unentgeltliche Nachbesserung begeben hat, sondern die Bereitschaft zur Übernahme einer Selbstbeteiligung in der - irrigen - Annahme erklärte, hierzu aufgrund der kaufvertraglichen Klausel verpflichtet zu sein. Es ist keinerlei Grund erkennbar, weshalb der Kläger sich in Kenntnis seines gesetzlichen unentgeltlichen Nachbesserungsrechts mit einer Selbstbeteiligung einverstanden erklärt, also ohne Gegenleistung des Beklagten auf dieses verzichtet haben sollte. Seine Zustimmung zur Selbstbeteiligung lässt sich vernünftigerweise nur so verstehen, dass er - was als juristischer Laie auch naheliegt - irrig davon ausging, hierzu aufgrund des Kaufvertrags verpflichtet zu sein.

Soweit der Beklagte anführt, er habe im Vertrauen auf die Übernahme einer Selbstbeteiligung von 60 % davon abgesehen, mittels eines Sachverständigengutachtens klären zu lassen, ob der Mangel tatsächlich bereits bei Übergabe vorgelegen habe, ist er in diesem Vertrauen nicht schutzwürdig. Gemäß § 476 BGB obliegt dem Beklagten die Beweislast, dass der Mangel erst nach Gefahrübergang entstanden ist. Lässt er das Fahrzeug reparieren, ohne zuvor das Getriebe daraufhin zu überprüfen und begibt sich damit dieses Beweises, geht dies zu seinen Lasten. Daran ändert auch die - unwirksame - Selbstbeteiligungserklärung des Klägers in dem Telefonat nichts. Denn zu der Erklärung des Klägers, 60 % der Reparaturkosten zu übernehmen, kam es nur deshalb, weil der Beklagte bzw. dessen Sohn ihn darauf hinwies, dass er hierzu aufgrund der kaufvertraglichen Regelung vermeintlich verpflichtet sei. Es geht nicht an, dass der Beklagte sich auf einen Vertrauenstatbestand beruft, den er durch seine eigene unwirksame Vertragsklausel erst geschaffen hat. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn er den Kläger über die Unwirksamkeit der Selbstbeteiligungsklausel im Kaufvertrag aufgeklärt und der Kläger sich daraufhin - in Kenntnis seiner Mängelrechte - mit der Selbstbeteiligung einverstanden erklärt hätte, etwa als Gegenleistung dafür, dass der Beklagte seinerseits davon absieht, zu überprüfen, ob der Getriebeschaden nicht erst nach Übergabe aufgetreten ist. Ein derartiger Vergleich wäre wirksam gewesen (s.o.), ist vorliegend aber nicht geschlossen worden.

1.2 § 814 1. Var. BGB steht dem Rückzahlungsanspruch nicht entgegen.

Zwar hatte der Kläger bei Zahlung der 800 € nach dem ihm von seinem Rechtsanwalt erteilten Rechtsrat Kenntnis davon, dass er zur Zahlung nicht verpflichtet sei.

Allerdings ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Zahlung unter dem Vorbehalt der Zurückforderung erfolgte.

Der Kläger hat im Rahmen seiner informatorischen Befragung vor dem Amtsgericht ausgeführt, dass er angesichts dessen, dass sich der Beklagten geweigert habe, das Fahrzeug herauszugeben, gemäß dem Rat seines Rechtsanwalts bei Zahlung ausdrücklich erklärt habe, dass diese nur unter Vorbehalt erfolge. Diese Aussage haben die Zeuginnen R. und N.H. bestätigt. Die Zeugin R.H. hat ausgesagt, dass sie mit dem Rechtsanwalt telefoniert habe. Dieser habe geraten, unter Vorbehalt zu zahlen. Dieser sei dann auch erklärt worden. Diese Aussage wurde von der Zeugin N.H. bestätigt. Demgegenüber haben der Beklagte und der Zeuge T.A. ausgesagt, an eine Erklärung des Klägers, dass er unter Vorbehalt zahle, keine Erinnerung mehr zu haben.

Vor diesem Hintergrund ist die erstinstanzliche Feststellung, dass die Zahlung von 800 € unter Vorbehalt erfolgt sei, nicht zu beanstanden und das Berufungsgericht hieran gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden.

2. Der Anspruch auf Fahrtkosten für das Verbringen des Pkw zum Beklagten und dessen Abholung nach der Reparatur in Höhe von insgesamt 367,20 € ergibt sich aus § 439 Abs. 2 BGB. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger sowohl für die Hinfahrt von seinem Wohnort Rheinfelden nach Wiesloch zum Betriebsgelände des Beklagten am 21.10.2016 als auch für die Rückfahrt am 04.11.2016 zwei Fahrzeuge benötigte, sind insgesamt 1.224 km (6 x einfache Fahrt zwischen Rheinfelden und Wiesloch von 204 km) angefallen. Der Ansatz eines gefahrenen Kilometers mit 0,3 € hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.