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BGH Urteil vom 15.11.2005 - VI ZR 26/05 - Zum Umsatzsteuerersatz bei Vorliegen eines Totalschadens und anschließender Ersatzbeschaffung

BGH v. 15.11.2005: Zum Umsatzsteuerersatz bei Vorliegen eines Totalschadens und anschließender Ersatzbeschaffung


Der BGH (Urteil vom 15.11.2005 - VI ZR 26/05) hat entschieden:
Zur Berechnung der zu ersetzenden Umsatzsteuer bei konkreter Schadensabrechnung nach Ersatzbeschaffung für ein unfallbeschädigtes Kraftfahrzeug.


Siehe auch Totalschaden und Umsatzsteuerersatz - Differenzbesteuerung


Zum Sachverhalt: Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 2. Dezember 2003. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger erlitt leichte Verletzungen. An seinem Pkw entstand Totalschaden. Der von ihm beauftragte Sachverständige schätzte den Restwert des Fahrzeugs auf 1.800 € brutto. Den Wiederbeschaffungswert bezifferte er mit 15.100 € brutto, wobei er von einer Differenzbesteuerung ausging und einen Steueranteil von 2 % (266 €) zugrunde legte. Die Beklagte erstattete dem Kläger neben sonstigen Schadenspositionen zunächst 13.034 €, nämlich den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und Mehrwertsteueranteil. Am 26. Februar 2004 erwarb der Kläger als Ersatzfahrzeug einen regelbesteuerten Neuwagen zum Preis von 24.741,01 € brutto (21.328,46 € netto zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer). Daraufhin erstattete die Beklagte ihm auch den vom Gutachter geschätzten Mehrwertsteueranteil von 266 €. Mit der Klage hat der Kläger neben einem angemessenen weiteren Schmerzensgeld (Vorstellung: 650 €) die Zahlung weiterer 2.107,44 € begehrt, nämlich 16 % des Netto-Wiederbeschaffungswertes (15.100 € minus 266 €) abzüglich gezahlter 266 €. Das Amtsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben und dem Kläger darüber hinaus ein weiteres Schmerzensgeld von 150 € zugesprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Verurteilung um 288 € (16 % des Restwertes) auf 1.969,44 € (1.819,44 € zuzüglich 150 € Schmerzensgeld) nebst Zinsen ermäßigt. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision greift die Beklagte das angefochtene Urteil an, soweit sie zur Zahlung von 1.819,44 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Der Kläger begehrt im Wege der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... 1. Da das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist, bestimmt sich die Ersatzpflicht der Beklagten gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I 2674). Nach dieser gesetzlichen Neuregelung schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dies gilt auch im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens (vgl. Senatsurteile BGHZ 158, 388 und vom 18. Mai 2004 - VI ZR 267/03 - Verse 2004, 927).

2. Für den zu ersetzenden Mehrwertsteueranteil ist von Bedeutung, ob der Geschädigte seinen Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens oder aber konkret auf der Basis einer von ihm vorgenommenen Reparatur oder Ersatzbeschaffung abrechnet (zur Differenzierung zwischen fiktiver und konkreter Schadensabrechnung vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2005 - VI ZR 70/04 - VersR 2005, 663 und - VI ZR 172/04 - VersR 2005, 665). Erwirbt der Geschädigte - wie im Streitfall - ein Ersatzfahrzeug, ist für die Berechnung des zu ersetzenden Mehrwertsteueranteils entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Nettowiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs zugrunde zu legen und um den bei der Ersatzbeschaffung angefallenen Steuersatz zu erhöhen. Das Ergebnis einer solchen Berechnung wäre nämlich ein "fiktiver Mehrwertsteueranteil", der mit einer konkreten Schadensberechnung nicht vereinbar wäre und in Widerspruch zu § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB stünde, wonach die Umsatzsteuer nur zu ersetzen ist, soweit sie tatsächlich angefallen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 158, 388; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - VersR 2004, 1575, 1576; vom 18. Mai 2004 - VI ZR 267/03 - aaO und vom 15. Februar 2005 - VI ZR 172/04 - aaO S. 667).

Wie der erkennende Senat - zeitlich nach Verkündung des Berufungsurteils - entschieden hat, kommt es in den Fällen, in denen der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Fahrzeuges entspricht oder diesen übersteigt, nicht darauf an, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist. Vielmehr kann der Geschädigte im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto-)Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Fahrzeuges - unter Abzug des Restwertes - ersetzt verlangen (Senatsurteil vom 1. März 2005 - VI ZR 91/04 - VersR 2005, 994, zur Veröffentlichung in BGHZ 162, 270 bestimmt). Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist in diesen Fällen grundsätzlich auch nicht von Bedeutung, welcher Steuersatz bei dem Erwerb des Ersatzfahrzeugs tatsächlich anfällt. Stellt der Geschädigte durch eine konkrete Ersatzbeschaffung eines gleichartigen Fahrzeugs zu dem vom Sachverständigen genannten (Brutto-)Wiederbeschaffungswert wirtschaftlich den Zustand wieder her, der vor dem Unfallereignis bestand, so kann er nach § 249 BGB - bis zur Höhe des (Brutto-)Wiederbeschaffungswertes - den tatsächlich aufgewendeten Betrag unabhängig davon ersetzt verlangen, ob in ihm die Regelumsatzsteuer im Sinne des § 10 UStG, eine Differenzsteuer im Sinne des § 25a UStG oder gar keine Umsatzsteuer enthalten ist (Senatsurteil vom 1. März 2005 - VI ZR 91/04 - aaO S. 995 m.w.N.). 3. Der Kläger, der ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 24.741,01 € einschließlich Mehrwertsteuer erworben hat, kann mithin (nur) die Differenz zwischen dem (Brutto-)Wiederbeschaffungswert (15.100 €) und dem Restwert (1.800 €), also 13.300 € ersetzt verlangen. Da die Beklagte diesen Betrag vor-gerichtlich gezahlt hat, erweist sich der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Ersatz weiteren materiellen Schadens als unbegründet. ..."



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