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OLG Dresden Beschluss vom 04.07.2005 - 5 W 151/05 - Zur Deutlichkeit der Klagefristbelehrung im Hinblick auf den bloßen Zeitablauf

OLG Saarbrücken v. 04.07.2005: Zur Deutlichkeit der Klagefristbelehrung im Hinblick auf den bloßen Zeitablauf


Das OLG Dresden (Beschluss vom 04.07.2005 - 5 W 151/05) hat entschieden, dass eine ordnungsgemäße Belehrung über die Klagefrist auch einen Hinweis auf die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe enthalten muss:
Die vorgesehene Rechtsbelehrung muss den Versicherungsnehmer klar und deutlich darüber aufklären, dass er durch bloßen Zeitablauf seinen materiellen Versicherungsanspruch verliert, wenn er ihn nicht vor Fristende gerichtlich geltend macht. Dazu muss er auch auf die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe hingewiesen werden.


Siehe auch Deckungsklage und Klagefrist im Versicherungsvertragsrecht und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Zum Sachverhalt: Die Antragsgegnerin hat den Versicherungsvertrag mit einem dem Antragsteller am 7.2.2003 zugestellten Schreiben wegen arglistiger Täuschung angefochten; sie hat zugleich hilfsweise den Rücktritt von dem Versicherungsvertrag erklärt. In diesem Schreiben heißt es:
"Wenn Sie trotz unserer Ausführungen der Ansicht sind, dass unsere Entscheidung hinsichtlich der Versagung des Versicherungsschutzes der Sachlage nicht gerecht wird, müssen Sie eine Klärung durch die Gerichte in die Wege leiten. Das kann durch Klageerhebung oder mit einem Mahnbescheid geschehen. Entschließen Sie sich dazu, dann beachten Sie bitte, dass die Klageschrift bzw. der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides innerhalb einer Frist von 6 Monaten - gerechnet vom Tage des Einganges dieses Schreibens bei Ihnen - dem Gericht zugegangen sein muss. Anderenfalls besteht für uns unabhängig von der Sach- und Rechtslage schon Leistungsfreiheit allein wegen Ablauf der Frist (§ 12 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz)".
Ein Klageentwurf und ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sind am 31.1.2005 bei dem Landgericht Saarbrücken eingegangen. Das Landgericht Saarbrücken hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 15.3.2005 wegen Verwirkung etwaiger Ansprüche des Antragstellers nach § 12 Abs. 3 VVG zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 23.3.2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 25.4.2005, einem Montag, sofortige Beschwerde erhoben.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Allerdings bestehen gegen die Rechtsmeinung der angefochtenen Entscheidung, versicherungsvertragliche Ansprüche des Antragstellers seien nach § 12 Abs. 3 VVG verwirkt, Bedenken. Nach § 12 Abs. 3 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der erhobene Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von 6 Monaten nach seiner Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird. Der Fristbeginn setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer zusammen mit seiner versagenden Entscheidung über die mit dem Ablauf der Frist verbundene Rechtsfolge unterrichtet hat. Die vorgesehene Rechtsbelehrung muss den Versicherungsnehmer klar und deutlich darüber aufklären, dass er durch bloßen Zeitablauf seinen materiellen Versicherungsanspruch verliert, wenn er ihn nicht vor Fristende gerichtlich geltend macht. Zwar muss der Versicherer nicht alle Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung vollständig darlegen. Erläutert er indessen unter Abweichung vom Wortlaut des Gesetzes Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung, so dürfen sie nicht geeignet sein, den Versicherungsnehmer in die Irre zu führen und ihm Hürden des Rechtsschutzes vorspiegeln, die so nicht bestehen. Dabei gelten strenge Maßstäbe, weil es sich bei der Verwirkungsregelung des § 12 Abs. 3 VVG um eine dem allgemeinen Zivilrecht unbekannte und vielfach für nicht mehr zeitgemäß erachtete (vgl. Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts am 19.4.2004, Seite 47 f) Regelung handelt, die einem Versicherer Leistungsfreiheit ohne Prüfung des materiellen Anspruchs verspricht (vgl. BVerfG, VersR 2004, 1585).

Daher hat die Rechtsprechung beispielsweise, wenn die Rechtsbelehrung den Anschein erweckt, die gerichtliche Geltendmachung erhobener Ansprüche könne nur durch "Klage" erfolgen, einem Versicherer versagt, sich auf die Verwirkung nach § 12 Abs. 3 VVG zu berufen (BGH, Urt. 5.2.2003 - IV ZR 44/02, VersR 2003, 489). Eine solche Belehrung sei irreführend, weil auch der kostengünstigere Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides "oder ein Antrag auf Prozesskostenhilfe" für die gerichtliche Geltendmachung genügen können (vgl. auch OLG Hamm, VersR 2002, 1139, 1140).

Ähnliches gilt für die von der Antragsgegnerin formulierte Rechtsbelehrung. Mit der in ihrem Ablehnungsschreiben vom 3.2.2003 enthaltenen Rechtsbelehrung hat die Antragsgegnerin zwar - möglicherweise im Interesse einer sprachlichen Veranschaulichung des Begriffs der gerichtlichen Geltendmachung - auf die Notwendigkeit einer Klageerhebung oder der Beantragung eines Mahnbescheides hingewiesen. Sie hat es indessen unterlassen, dem Antragsteller, für den eine solche Möglichkeit, wie sich gezeigt hat, gerade in Betracht kam, auf den ihm zur Verfügung stehenden Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung seiner vermeintlichen Ansprüche hinzuweisen. Damit hat sie dem - möglicherweise - bedürftigen Antragsteller Wege verschwiegen, auf denen er sein Begehren selbst und ohne Aufwendung von Kosten hätte verfolgen können. Die in ihrem Ablehnungsschreiben enthaltene Rechtsbelehrung war folglich durch ihre Erläuterungen des Begriffs der gerichtlichen Geltendmachung unvollständig.

Ob sich an dieser Versagung einer Berufung auf den Fristablauf wegen fehlerhafter Rechtsbelehrung dann etwas ändern würde, wenn der Antragsteller schon während des Laufs der Frist anwaltlich beraten gewesen wäre, kann dahinstehen. ..."





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