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OVG Bautzen Beschluss vom 19.04.2006 - 3 BS 322/05 - Im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren sind Datenmitteilungen des VZR zu überprüfen

OVG Bautzen v. 19.04.2006: Im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren sind Datenmitteilungen des VZR zu überprüfen


Das Sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen (Beschluss vom 19.04.2006 - 3 BS 322/05) hat entschieden:
  1. Die Mitteilungen der Strafbehörden über Verurteilungen für Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr sind Mitteilungen im Sinne des § 22 Abs 1 GVGEG, für die der Rechtsweg nach § 23 GVGEG gegeben ist.

  2. Entzieht die Fahrerlaubnisbehörde auf der Grundlage dieser Mitteilung die Fahrerlaubnis, ist sie Empfängerstelle nach § 22 GVGEG , so dass der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit nach § 22 Abs 1 S 2 GVGEG ausgeschlossen ist, wenn nicht vor der Fahrerlaubnisentziehung bereits ein solcher Antrag gestellt wurde. Die Datenmitteilung ist dann im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Siehe auch Verkehrszentralregister - VZR und Das Punktsystem - Fahreignungs-Bewertungssystem


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Beschwerde" (der Antragsgegnerin) "hat keinen Erfolg.

...

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei voraussichtlich rechtswidrig. Der Antragsteller, Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe, habe nach Teilnahme an einem Aufbauseminar und einer Verwarnung nicht zwei, sondern lediglich eine weniger schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen. Unabhängig davon, ob man die Mitteilung der Justizbehörde an das Kraftfahrt-Bundesamt zur Eintragung in das Verkehrszentralregister als anfechtbaren Justizverwaltungsakt ansieht oder nicht, bestehe hier eine Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte, da nach § 22 EGGVG ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG ausgeschlossen sei. Die Bindungswirkung an die strafgerichtliche Entscheidung nach § 2 a Abs. 2 Satz 2 StVG stehe der Überprüfung nicht entgegen, da diese keine der Rechtskraft fähigen Feststellungen zum Merkmal „im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr“ enthalte. Ein solcher Zusammenhang liege nur vor, wenn ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Tat und dem Straßenverkehr bestehe. Hinsichtlich des unter Ziffer 1 im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Chemnitz dargestellten Sachverhaltes sei dies der Fall, nicht jedoch hinsichtlich des Sachverhaltes unter Ziffer 2, da dieser keinen Einfluss auf den Straßenverkehr aufweise. Zwar habe die Beleidigung ihren Anlass im Straßenverkehr gehabt, die beleidigende Äußerung sei aber nach dem Abstellen des Kraftfahrzeuges auf einer Stellfläche und nachdem der Antragsteller nach einem kurzen Aufenthalt wieder aus einem Haus gekommen sei begangen worden, und damit nach beiderseitiger Beendigung der Teilnahme am Straßenverkehr.

1. Soweit die Antragsgegnerin sich mit der Beschwerdebegründung gegen die Überprüfung der gemeldeten Daten auf das in § 28 Abs. 3 Nr. 1 StVG enthaltene Merkmal „im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr“ durch die Behörde und die Verwaltungsgerichte wendet, ist ihr im Grundsatz zuzugeben, dass für die Datenübermittlung der Staatsanwaltschaft an das Kraftfahrt-Bundesamt nach § 22 Abs. 1 Satz 1 EGGVG der Rechtsweg nach § 23 EGGVG eröffnet ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.8.2005, NJW 2005, 3226 ). Dem steht nicht entgegen, dass die Datenübermittlung mangels Regelungscharakter keine Verwaltungsaktsqualität aufweist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.5.1987, BVerwGE 77, 268 ), denn der durch das Justizmitteilungsgesetz vom 18.6.1997 eingefügte § 22 EGGVG setzt eine Verwaltungsaktsqualität nicht voraus, sondern intendiert eine Rechtsschutzgewährung zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Justizmitteilungswesen unabhängig von der Rechtsqualität der Mitteilung. Um dies zu gewährleisten, erklärt er die Regelung über Justizverwaltungsakte des § 23 EGGVG für anwendbar. Vorliegend handelt es sich auch um eine Mitteilung im Sinne des § 22 EGGVG , da eine Justizbehörde - hier die Staatsanwaltschaft - personenbezogene Daten zu Zwecken außerhalb des von ihr geführten Verfahrens an eine andere Behörde - das Kraftfahrt-Bundesamt - auf der Grundlage von § 28 Abs. 4 StVG weitergeleitet hat. Jedoch ist nach § 22 Abs. 1 Satz 2 EGGVG der Rechtsweg nach § 23 EGGVG im Einzelfall ausgeschlossen, wenn aufgrund der übermittelten Daten bereits eine Entscheidung getroffen wurde, bevor gegen die Datenübermittlung ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt wurde. So liegt der Fall hier, da ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG durch den Antragsteller nicht eingereicht wurde und die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28.9.2005 auf der Grundlage der Mitteilung über strafrechtliche Verurteilungen die Fahrerlaubnis des Antragstellers entzogen hat. Zwar ist die Antragsgegnerin streng genommen nicht die Empfängerstelle, da die Staatsanwaltschaft die Daten an das Kraftfahrt-Bundesamt zur Aufnahme in das Verkehrszentralregister und nicht an die Antragsgegnerin übermittelt hat. Allerdings wurde das Verkehrszentralregister als zentrale Sammel- und Auskunftsstelle über verkehrsrechtliche Entscheidungen und sonst erhebliche Vorgänge auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechtes geschaffen, um diese Informationen an die in § 30 Abs.1 StVG genannten Stellen weiterzuleiten ( BVerwG, Urt. v. 17.12.1976, BVerwGE 51, 359 ). Aufgrund dieser Funktion ist das Kraftfahrt-Bundesamt nicht als Empfängerstelle im Sinne des § 22 Abs. 1 EGGVG anzusehen. Empfängerstelle ist vielmehr diejenige Stelle, an die es die Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben durchleitet, hier die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich um eine kommunale Behörde handelt, da nach der Gesetzesbegründung des Justizmitteilungsgesetzes §§ 12 ff. EGGVG auf Datenübermittlungen an Behörden und öffentliche Einrichtungen des Bundes, der Länder und Gemeinden anwendbar ist (BT-Drs. 13/4709 S. 20). Ist demnach der Rechtsweg nach § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 EGGVG nach § 22 Abs. 1 Satz 2 EGGVG ausgeschlossen, ist die Richtigkeit der Datenübermittlung im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren zu überprüfen. Dies widerspricht nicht der Bindungswirkung des § 2 a Abs. 2 Satz 2 StVG , da - worauf das Verwaltungsgericht zu Recht abstellt - der Strafbefehl keine der Rechtskraft fähigen Feststellungen dazu trifft, ob es sich um eine Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr handelt, und die angeordnete Bindungswirkung verhindern soll, dass die Fahrerlaubnisbehörde nochmals prüft, ob der Betroffene die abgeurteilte Straftat tatsächlich begangen hat.

2. Wenn die Antragsgegnerin zudem darauf verweist, dass sie weiterhin der Auffassung sei, dass es sich bei der Beleidigung um eine Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr handele, entspricht der Vortrag bereits nicht den Darlegungsanforderungen, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO an die Begründung der Beschwerde zu stellen sind. Die Antragsgegnerin macht mit ihrem pauschalen Verweis auf ihren erstinstanzlichen Vortrag lediglich sinngemäß geltend, das Verwaltungsgericht habe falsch entschieden, ohne sich mit der Entscheidung oder deren Erwägungen auseinander zu setzen. Dies ist für die Begründung der Beschwerde jedoch nicht ausreichend (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.12.2003 - 7 S 2465/03 -; BayVGH, Beschl. v. 20.10.2003 - 1 C 03.2000 ; zitiert jeweils nach juris). ..."



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