Das Verkehrslexikon

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OLG Nürnberg Beschluss vom 09.08.2007 - 1 VAs 10/07 - Zur Eintragung von Straftaten im VZR bei funktionalem Zusammenhang mit dem Straßenverkehr

OLG Nürnberg v. 09.08.2007: Zur Eintragung von Straftaten im VZR bei funktionalem Zusammenhang mit dem Straßenverkehr


Das OLG Nürnberg (Beschluss vom 09.08.2007 - 1 VAs 10/07) hat entschieden:
  1. Die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Mitteilung einer Verurteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt als ein verkehrsbezogenes Delikt berührt den Verurteilten unmittelbar in seinen rechtlichen Interessen und eröffnet den Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG.

  2. Der Begriff des Zusammenhangs in § 28 Abs. 3 Nr. 1 StVG entspricht dem der §§ 44, 69 a StVG. Dort ist seit langem anerkannt, dass eine Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen ist, wenn ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Straftat und dem Führen eines Kraftfahrzeugs besteht.

  3. Ein solcher Zusammenhang besteht auch bei körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Verkehrsteilnehmern, wenn die Auseinandersetzung ihren Anlass in einem Streit über das Fahrverhalten der Beteiligten hat.

Siehe auch Verkehrszentralregister - VZR und Das Punktsystem - Fahreignungs-Bewertungssystem


Zum Sachverhalt: Das Amtsgericht Fürth hat dem Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 13.11.2006 i.V.m. dem Urteil desselben Gerichts vom 23.01.2007, rechtskräftig seit 23.01.2007, wegen Nötigung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zur Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 € sowie einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt.

Nach den im Strafbefehl getroffenen Feststellungen fuhr der Antragsteller am 25.07.2006 mit einem Lkw (Abschleppwagen) in Stein auf der Deutenbacher Straße. Vor ihm fuhr der Geschädigte mit seinem Roller. Der Antragsteller fuhr zunächst dicht auf den Geschädigten auf und überholte ihn ca. 20 Meter vor einer Verkehrsinsel, wobei er kurz vor dieser nach rechts einscherte. Dadurch wurde der Geschädigte gezwungen, stark abzubremsen und nach rechts auszuweichen, um nicht von dem Lkw erfasst zu werden. Der Geschädigte fuhr, da der Antragsteller später kurz gehalten hatte, wieder an diesem vorbei und kam kurz vor der Einmündung in die Hauptstraße hinter einem Pkw verkehrsbedingt zum Stehen. Der Antragsteller befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Fahrzeugschlange ca. 3 Fahrzeuge hinter dem Geschädigten, scherte aus der Fahrzeugschlange aus und fuhr hupend zu dem Geschädigten vor. Er zog seinen Lkw dann äußerst knapp vor dem Geschädigten wieder nach rechts und drängte sich zwischen den Geschädigten und den vor diesem befindlichen Pkw. Er kam derart kurz vor dem Roller des Geschädigten zum Stehen, dass dieser die Lenkstange nach rechts reißen musste, um nicht von dem Lkw erfasst zu werden. Indem der Antragsteller seinen Lkw dann schräg auf der Fahrbahn anhielt, wurde der Geschädigte seiner Absicht entsprechend an der Weiterfahrt gehindert. Anschließend ging der Antragsteller zu dem Geschädigten hin und schlug ihn aufgrund eines neuen Tatentschlusses zunächst auf den Helm, schüttelte ihn am Helm und schlug den Geschädigten mit der Faust in die Nierengegend; um ihm Schmerzen zuzufügen. Der Geschädigte verspürte Schmerzen im Kopf- und HWS-Bereich sowie in der Nierengegend.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat am 12.02.2007 die Mitteilung der Verurteilung an das Kraftfahrtbundesamt verfügt und dabei sowohl die Nötigung als auch die vorsätzliche Körperverletzung mitgeteilt.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 13.03.2007 hat der Verurteilte bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth beantragt, die Mitteilung an das Kraftfahrtbundesamt hinsichtlich der vorsätzlichen Körperverletzung aufzuheben bzw. zu widerrufen. Die vorsätzliche Körperverletzung stehe nicht im Zusammenhang mit der vom Verurteilten zuvor im Straßenverkehr begangenen Nötigung.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat den Einwendungen am 07.05.2007 nicht abgeholten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die hiergegen gerichtete Beschwerde mit Bescheid vom 30.05.2007 zurückgewiesen.

Gegen diesen am 01.06.2007 zugestellten Bescheid hat der Verurteilte durch Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28.06.2007, eingegangen beim Oberlandesgericht Nürnberg am 29.06.2007 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Der Antrag blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Antrag auf Entscheidung im Verfahren § 23 ff. EGGVG ist zulässig. Das Vorschaltverfahren gemäß § 24 Abs. 2 EGGVG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 SfVollStrO ist eingehalten.

Der Antragsteller macht auch geltend, durch die von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vorgenommene Mitteilung der Verurteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt als ein verkehrsbezogenes Delikt in seinen Rechten verletzt zu sein. Zwar hat die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde in ihrer Mitteilung keine Punktebewertung vorgenommen, sondern lediglich die Tatbezeichnung und die Tatkennziffer der vorsätzlichen Körperverletzung sowie die Beteiligung des Antragstellers als Führer eines Kraftfahrzeuges weitergegeben. Dies berührt den Antragsteller nach der Rechtsprechung des Senats unmittelbar in seinen rechtlichen Interessen und eröffnet den Rechtsweg nach § 23 ff. EGGVG (OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.09.1997, VAs 1090/97; Beschluss vom 21.10.2004, VAs 1115/04; vgl. auch Thüringer Oberlandesgericht, NStZ-RR 2006, 321).

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth war gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 StVG zur Mitteilung dar Verurteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt berechtigt. Nach diesen Vorschriften teilt die Staatsanwaltschaft dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte mit, soweit sie wegen einer im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangenen rechtswidrigen Tat auf Strafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt erkennen oder einen Schuldspruch enthalten.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 Nr. 1 StVG liegen auch hinsichtlich der vorsätzlichen Körperverletzung vor. Die Gesamtschau des Geschehens zeigt, dass auch bezüglich der vorsätzlichen Körperverletzung ein Zusammenhang mit dem Straßenverkehr im Sinne des § 28 Abs. 3 Nr. 1 StVG gegeben ist (ebenso Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage, § 28 StVG Rn. 7; OLG Zweibrücken NZV, 2001, 482). Der Begriff des “Zusammenhangs” entspricht dem der §§ 44, 69 StGB. Dort ist seit langen anerkannt, dass eine Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen ist, wenn ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Straftat und dem Führen eines Kraftfahrzeugs besteht (BGHSt 22, 329; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Auflage, § 44 Rn. 8 ff. m.w.N.). Hierzu zählen insbesondere auch körperliche Auseinandersetzungen zwischen Verkehrsteilnehmern, wenn die Auseinandersetzung ihren Anlass in einen Streit über das Fahrverhalten der Beteiligten hat (LK-Geppert, StGB, 11. Auflage, § 69 Rn. 39; Tröndle/Fischer, a.a.O.; § 69 StGB Rn 38; vgl. auch OLG Hamm, VRs 28, 261; OLG Köln VRs 26, 23 jeweils für den Fall einer tätlichen Auseinandersetzung; OLG Hamm, VRs 8, 48; Thüringer Oberlandesgericht, NStZ-RR 2006, 321 jeweils für den Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte). Eine solche innere Beziehung zwischen der Anlastet und dem Führen eines Kraftfahrzeugs ist hier gegeben. Es handelt sich um einen einheitlichen Lebensvorgang. Die Nötigung kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass es zu der vorsätzlichen Körperverletzung gekommen wäre. Es besteht eine enge äußere und innere Beziehung zwischen der Nötigung und der dann begangenen vorsätzlichen Körperverletzung als Disziplinierungsmaßnahme. ..."