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OLG Hamm Beschluss vom 27.11.2003 - 2 Ss 647/03 - Die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Rechtsanwalt mit außergerichtlicher Vollmacht ohne Zustellungsvollmacht unterbricht nicht die Verfolgungsverjährung

OLG Hamm v. 27.11.2003: Die Zustellung des Bußgeldbescheides an den bevollmächtigten Rechtsanwalt, dem nur eine außergerichtliche Vollmacht ohne Zustellungsvollmacht erteilt ist, unterbricht nicht die Verfolgungsverjährung


Das OLG Hamm (Beschluss vom 27.11.2003 - 2 Ss 647/03) hat entschieden, dass eine außergerichtliche Vollmacht nicht ausreichend ist, um eine wirksame Zustellungen eines Bußgeldbescheides nur an den Rechtsanwalt zu bewirken:
Die Zustellung des Bußgeldbescheides an den bevollmächtigten Rechtsanwalt, dem nur eine außergerichtliche Vollmacht ohne Zustellungsvollmacht erteilt ist, unterbricht nicht die Verfolgungsverjährung.


Siehe auch Verjährung


Zum Sachverhalt: Der Betroffenen wurde eine am 14. November 2002 gegen 11.46 Uhr begangene Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt. Die Stadt Iserlohn hat gegen die Betroffene unter dem 06. Dezember 2002 durch Übersendung eines Anhörungsbogens ein Bußgeldverfahren eingeleitet.

Der Bußgeldbescheid vom 05. März 2003 ist sodann nicht der Betroffenen selbst, sondern ihren Rechtanwälten zugestellt worden, denen die Betroffene folgende Vollmacht erteilt hatte:
Außergerichtliche Vollmacht:
  1. zu außergerichtlichen Verhandlungen aller Art, zum Abschluß eines Vergleichs zur Vermeidung eines Rechtsstreits;
  2. in Unfallsachen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Schädiger, Fahrzeughalter und deren Versicherer;
  3. zur Entgegennahme von Zahlungen, Wertsachen und Urkunden;
  4. zur Stellung von Strafanträgen sowie zu deren Rücknahme, zur Vertretung als Nebenkläger in einem Strafverfahren;
  5. zur Akteneinsicht;
  6. zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen, zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z. b. Kündigungen) in Zusammenhang mit der oben unter "wegen ..." genannten Angelegenheit.
Nach rechtzeitiger Einspruchseinlegung hat das Amtsgericht Iserlohn die Betroffene durch das angefochtene Urteil verurteilt.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen führt dazu, dass das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 206 a StPO einzustellen ist. Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2003 zutreffend ausgeführt hat, kann die der Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr geahndet werden.

Die Verjährungsfrist beträgt bei einem Verstoß gegen die StVO nach §§ 24, 26 Abs. 3 StVG grundsätzlich drei Monate, beginnend mit dem Vorfallstag, es sei denn, der Lauf der Verjährungsfrist ist durch eine der in § 33 OWiG genannten Maßnahmen unterbrochen worden. Vorliegend ist die dreimonatige Verjährungsfrist zwar gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG durch den der Betroffenen übersandten Anhörungsbogen vom 06. Dezember 2002 unterbrochen worden; da eine weitere Unterbrechung der Verjährungsfrist aber nicht stattgefunden hat, endete diese am 06. März 2003. Der weitere Lauf der Verjährungsfrist ist in der Folgezeit auch nicht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG durch den Erlass des Bußgeldbescheides unterbrochen worden, denn dieser ist nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erlass wirksam zugestellt worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2003 Folgendes ausgeführt:
"Die von der Verwaltungsbehörde am 06.03.2003 (Bl. 19 d.A.) bewirkte Zustellung an die Rechtsanwälte der Betroffenen erweist sich als unwirksam. Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen. Bei der von dem Rechtsanwalt der Betroffenen zu den Akten gereichten Vollmacht handelt es sich jedoch ausdrücklich nicht um eine Verteidigervollmacht, sondern um eine außergerichtliche Vollmacht, die weder zur Entgegennahme von Zustellungen noch zur Vertretung im Ordnungswidrigkeitenverfahren ermächtigt. Zwar ist die Vollmacht nicht an eine besondere Form gebunden, sie muss jedoch eindeutig sein (zu vgl. KK-Lampe, OWiG, 2. Aufl., § 51 Rdnr. 85). Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 VwZG kann zwar auch an einen Vertreter des Betroffenen ein Bescheid zugestellt werden. Auch dabei ist allerdings der Umfang der Vollmacht zu berücksichtigen (zu vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 51 Rdnr. 42). Die Entgegennahme von Zustellungen war jedoch gerade nicht von der Vollmacht erfasst, so dass die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid nicht, wie geschehen, an die Anwaltskanzlei Hoffmann und Partner, sondern an die Betroffene hätte zustellen müssen.

Somit war mangels wirksamer Zustellung des Bußgeldbescheides die Ordnungswidrigkeit spätestens am 06.03.2003 verjährt. Weitere verjährungsunterbrechende Maßnahmen sind nicht ersichtlich, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren wegen des Vorliegens eines Prozesshindernisses einzustellen ist.

Dass das angefochtene Urteil aus den oben genannten Gründen der Betroffenen bisher nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, weil sich eine Zustellungsvollmacht des Verteidigers nicht bei den Akten befindet und auch eine Zustellung an die Betroffene persönlich nicht erfolgt ist, hindert eine Senatsentscheidung wegen des Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigenständiger Prüfung und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. ..."