Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Kammergericht Berlin Urteil vom 17.01.2000 - 12 U 6678/98 - Zu den Sorgfaltspflichten des Wartepflchtigen

KG Berlin v. 17.01.2000: Zu den Sorgfaltspflichten des Wartepflchtigen


Zu den Sorgfaltspflichten des Wartepflichtigen, der in eine Vorfahrtstraße einfahren will, hat das Kammergericht Berlin (Urteil vom 17.01.2000 - 12 U 6678/98) ausgeführt:

"... Zutreffend hat das LG festgestellt, dass gegen den wartepflichtigen Kl. der Beweis des ersten Anscheins spricht, dass der Unfall durch dessen schuldhafte Vorfahrtverletzung verursacht worden ist. Darüber hinaus steht nach dem eigenen Vorbringen des Kl., er sei in die bevorrechtigte Straße „hineingerollt”, also unter Schrittgeschwindigkeit in diese hineingefahren fest, dass der Kl. seinen Pflichten aus § 8 StVO nicht nachgekommen ist.


Siehe auch Das Vorfahrtrecht und Stichwörter zum Thema Vorfahrt


Wer die Vorfahrt zu beachten hat, darf nach § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den Vorfahrtberechtigten weder gefährdet noch wesentlich behindert. Kann er dies nicht übersehen, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, darf er sich nach § 8 Abs. 2 Satz 3 StVO vorsichtig in die Kreuzung hineintasten, bis er Übersicht hat. „Hineintasten” bedeutet zentimeterweises Vorrollen bis zum Übersichtspunkt mit der Möglichkeit sofort anzuhalten (BGH NJW 1985, 2757; Senat NZV 1999, 85; Jagusch/ Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl. 1999, StVO § 8 Rdn. 58). Der Wartepflichtige genügt seiner Pflicht nicht, wenn er die Schnittlinie der bevorrechtigten Straße überfährt und damit ganz oder teilweise die Fahrspur eines bevorrechtigten Verkehrsteilnehmers sperrt.

Nach seinem eigenen Vorbringen ist der Kl. in die Vorfahrtstraße ,hineingerollt"; hieraus folgt ohne weiteres, dass er nicht zentimeterweise, also Zentimeter für Zentimeter, vorgerollt ist bis zum Übersichtspunkt mit der Möglichkeit, sofort anzuhalten, sich also nicht i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 3 StVO „hineingetastet hat”. Dies hätte nämlich bedeutet, dass er mit seinem Wagen jeweils nur wenige Zentimeter langsam vorgerollt und dann wieder angehalten und dieses Fahrmanöver über einen längeren Zeitraum mehrfach wiederholt hätte (vgl. Senat, a. a. 0.). ..."