Das Verkehrslexikon

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OLG Koblenz Urteil vom 12.01.81 - 12 U 824/80 - Haftungsverteilung bei Lückenunfall bei Kasernenausfahrt

OLG Koblenz v. 12.01.1981: Zur Haftungsverteilung bei Lückenunfall bei Kasernenausfahrt


In einem Fall, in dem einem aus einer Kasernenausfahrt kommenden Linkseinbieger vom Verkehr eine Lücke gelassen wurde und es sodann zu einem Zusammenstoß mit einem das haltende Fahrzeug in einem Überholverbot überholenden Kradfahrer gekommen war, hat das OLG Koblenz (Urteil vom 12.01.81 - 12 U 824/80) eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3zu Lasten des Kradfahrers angenommen:


Siehe auch Das Vorfahrtrecht und Stichwörter zum Thema Vorfahrt


"... Der Unfall war für den Motorradfahrer, den Polizeibeamten F., nicht unabwendbar i. S. des § 7 Abs. 2 StVG, er ist sogar von ihm verschuldet worden. Eine Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahren gem. § 17 StVG führt zu einer Haftungsaufteilung, wie sie das LG vorgenommen hat.

Der Fahrvorgang des Kl. fällt nur in geringem Maße ins Gewicht. Zwar birgt das Herausfahren aus einer Grundstücksausfahrt, auch wenn sie - wie hier - straßenähnlich ausgebaut ist, grundsätzlich eine erhebliche Gefahr in sich, insbesondere dann, wenn der Kraftfahrer nach links abbiegt und die gegenüberliegende Fahrbahnseite erreichen muss, weil er dann nämlich - bei Verkehr in beiden Richtungen - dem Verkehrsfluss auf beiden Fahrbahnseiten Rechnung tragen muss. Vorliegend bestand durch das Herausfahren des Kl. aus der Kasernenausfahrt für den Verkehr auf der L.-Straße diese grundsätzliche Gefahr nicht. Der Fahrzeugverkehr von rechts spielt hier keine Rolle. Was den Verkehr von links anbetrifft, so hatte der Zeuge K. mit seinem Pkw vor der Kasernenausfahrt angehalten und hat so dem Kl. eine Lücke eröffnet, durch die ihm die Herausfahrt ermöglicht werden sollte. Da die Fahrbahn nur 3, 80m breit ist, war durch das Stehenbleiben des Zeugen K. auch für die hinter ihm befindlichen Fahrzeuge die Weiterfahrt nicht möglich. Eine Gefahr konnte sich aus dieser Richtung nur dadurch ergeben, dass ein Moped- oder Motorradfahrer die haltende Kolonne verbotswidrig links überholte, weil auf der Straße ein Überholverbot gilt. Objektiv gesehen, war diese Wahrscheinlichkeit jedoch gering. ...

Die Betriebsgefahr des Pkw ist allerdings durch ein leichtes Verschulden des Kl. erhöht. Dieser hat gegen § 10 StVO verstoßen. Es ist nämlich eine Erfahrungstatsache, dass Motorradfahrer das Anhalten einer Fahrzeugkolonne dazu benutzen, nach Möglichkeit die haltenden Fahrzeuge zu überholen, um sich an die Spitze der Kolonne zu setzen. Der Kl. hätte deshalb, als er in die L.-Straße einfuhr, an der Mittellinie anhalten und sich erst vergewissern müssen, ob nicht von links ein Motorradfahrer ankam.

Der Vorwurf, dass er trotz Erkennbarkeit des herannahenden Polizeibeamten F. auf die gegenüberliegende Fahrbahnseite gefahren ist, kann ihm nicht gemacht werden. Es lässt sich nicht feststellen, dass F. in dem Augenblick, als der Kl. sich der Mittellinie der Straße näherte, in dem Verkehrsspiegel gegenüber der Ausfahrt zu erkennen war, da sich hinter dem Zeugen K. ein Lkw etwas links versetzt befand.

Gegenüber der mäßigen Betriebsgefahr auf seiten des Kl. wiegt diejenige des Motorrades des Bekl. schwer. Objektiv war die Gefahrenlage groß. Wenn bei regem Fahrzeugverkehr ein Kraftfahrer vor einer vielbefahrenen Grundstücksausfahrt anhielt, kann dies vernünftigerweise nur den Grund haben, dass er einem an der Ausfahrt wartenden Kraftfahrer die Gelegenheit geben will, sich in den Verkehr auf der vorbeiführenden Straße einzuordnen. ...

Die Gefährlichkeit des Betriebsvorgangs des Motorrades wurde durch ein Verschulden des Fahrers F. erhöht. Es bedarf keiner Erörterung, ob das Überholen im Überholverbot gem. § 35 Abs. 1 StVO "zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten" war. Jedenfalls hat der Polizeibeamte die Vorschriften des § 1 StVO verletzt, von deren Beachtung er auch im Fall der Inanspruchnahme von Sonderrechten nicht befreit war (§ 35 Abs. 8 StVO: Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung).

Dem Zeugen F. war die Ausfahrt bekannt. Er musste mit dem Herausfahren eines Fahrzeugs rechnen. Wenn ihm die Sicht auf die Ausfahrt durch den Lkw, der als zweiter Wagen hinter demjenigen des Zeugen K. stand, versperrt war, hatte er um so mehr Veranlassung, langsam und vorsichtig an den ersten haltenden Wagen heranzufahren. Diese Sorgfaltsverletzung wiegt schwerer als diejenige des Kl. und rechtfertigt die Haftungsverteilung im Verhältnis 1/3 zu 2/3. ..."







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