Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Stuttgart Beschluss vom 13.01.2004 - 8 OWi 2273/03 - Für die Bekanntgabe des Mieters bzw. Fzg-Führers steht einer Autovermietung eine Zeugenentschädigung von 15 € zu

AG Stuttgart v. 13.01.2004: Für die Bekanntgabe des Mieters bzw. Fzg-Führers steht einer Autovermietung eine Zeugenentschädigung von 15 € zu


Die 8. Abteilung des Amtsgerichts Stuttgart (Beschluss vom 13.01.2004 - 8 OWi 2273/03) hat im Gegensatz zur Abteilung 7 des Gerichts eine Zeugengebührenentschädigung von 15 € für die Bekanntgabe des Mieters bzw. Fahrzeugführers gegenüber der für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Verwaltungsbehörde gerechtfertigt:


Siehe auch Zeugengebühren - Entschädigung für den Zeitverlust von Zeugen


Zum Sachverhalt: Am 17. 7. 2003 um 13:55 Uhr wurde in S vor dem Gebäude H-B-Straße der Pkw Opel, amtliches Kennzeichen S-... wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit des vorschriftswidrigen Parkens an einem nicht funktionsfähigen Parkscheinautomaten nach § 13 I und II, § 49 Straßenverkehrsordnung (StVO); § 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG) beanstandet. Nachdem das am Tattag mit einer Verwarnung und einer Zahlkarte angebotene Verwarnungsgeld in Höhe von 15,- Euro innerhalb der gesetzlichen Frist nicht bezahlt worden war, stellte die Bußgeldstelle durch Halteranfrage/-auskunft vom 27. . 2003 fest, dass das beanstandete Fahrzeug auf den Antragsteller, der eine gewerbliche Autovermietung betreibt, zugelassen war. Da der eingetragene Fahrzeughalter somit als Fahrzeuglenker ausgeschieden wurde, versandte die Bußgeldbehörde am 27. B. 2003 an diesen einen Zeugenfragebogen, der wenige Tage später beantwortet wurde. Wegen eines Irrtums wurde die schriftliche Zeugenbefragung am 18. 9. 2003 wiederholt. Obwohl das mit der ersten Zeugenbefragung verbundene Verlangen des Antragstellers auf Zeugenentschädigung von der Verwaltungsbehörde zurückgewiesen wurde, kam dieser der zweiten Aufforderung umgehend und ordnungsgemäß nach. Dem vom Antragsteller benannten Fahrzeugmieter bot die Bußgeldstelle in der Folge eine Verwarnung mit Verwarnungsgeld an, das dieser angenommen und bezahlt hat.

Nach Abschluss des Verfahrens lehnte die Verwaltungsbehörde eine Entschädigung des Antragstellers, der auf seinem ersten Antrag beharrte, mit der Begründung ab, „die Gewährung einer Entschädigung sei unbillig, denn es „gehöre zu den staatsbürgerlichen Pflichten, als Zeuge zur Aufklärung einer Zuwiderhandlung beizutragen”. Gegen den die Zeugenentschädigung versagenden Bescheid wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der Antrag hatte Erfolg. Das AG setzte die Entschädigung auf 15 € fest.


Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Entstehung des Entschädigungsanspruchs:

Das Gesetz steht auf der Seite des Antragstellers. § 59 OWiG ordnet für die Entschädigung von Zeugen, die in einem Bußgeldverfahren auszusagen haben, die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) an. Gemäß § 2 ZSEG hat jeder Zeuge, der vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft zu Beweiszwecken herangezogen wird, einen Anspruch auf Entschädigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Nachdem die für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten berufene Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten der Staatsanwaltschaft hat (§ 46 II OWiG), obliegt ihr die Entschädigung der von ihr zu Beweiszwecken herangezogenen Zeugen nach den Bestimmungen des ZSEG.

Das Gesetz selbst enthält keine Regelungen über den Ausschluss des Entschädigungsanspruchs wegen Unbilligkeit oder aus anderen Gründen. Der Entschädigungsanspruch ist nicht davon abhängig, ob die Aussage eines Zeugen zur Aufklärung der Ordnungswidrigkeit beigetragen hat. Er besteht auch völlig unabhängig davon, ob die Verwaltungs behörde die Erstattung ihres Entschädigungsaufwands von einem ermittelten Täter als Kostenschuldner verlangen oder durchsetzen kann. Daher ist ein von der Verwaltungs behörde zur Aufklärung einer Ordnungswidrigkeit herangezogener Zeuge auf dessen Verlangen zu entschädigen (§ 15 I ZSEG). Herangezogen ist ein Zeuge nicht nur, wenn er mündlich vernommen wird, sondern auch dann, wenn ihm gestattet wird, die Beweisfrage schriftlich zu beantworten. Dies wird in § 2 I 2 ZSEG für das zivilprozessuale Beweisverfahren ausdrücklich ausgesprochen, gilt jedoch auch für schriftliche Beweiserhebungen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Nachdem das am beanstandeten Fahrzeug angebrachte Verwarnungsangebot nicht angenommen wurde, hat die Verwaltungsbehörde die bußgeldrechtlichen Ermittlungen zur Feststellung des Fahrzeuglenkers aufgenommen. Zu diesem Zweck hat sie den Fahrzeughalter zur schriftlichen Äußerung zu dem beweiserheblichen Umstand, von wem das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt wurde, aufgefordert. Das Aufforderungsschreiben enthält nicht nur eine Belehrung des Angeschriebenen über ein ihm unter bestimmten Voraussetzungen zustehendes Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht, sondern auch die Androhung einer richterlichen Vernehmung, falls die Beweisfrage ohne Berechtigung nicht beantwortet werde.

Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Zeugenentschädigungsanspruch des Antragstellers, der dem Ersuchen der Verfolgungsbehörde nachgekommen ist, dem Grunde nach entstanden ist. Im Übrigen wäre dies auch der Fall, sofern der Antragsteller nicht` als zeuge herangezogen, sondern anderweitig um Erteilung einer schriftlichen Auskunft angeschrieben worden wäre. § 17 a I Nr. 2 und 11 ZSEG sieht nämlich ausdrücklich eine der Zeugenregelung entsprechende Entschädigung an solche natürlichen oder juristischen Personen vor, die, ohne Zeugen oder Sachverständige zu sein, von einer Strafverfolgungsbehörde zu Beweiszwecken um die Erteilung einer Auskunft ersucht werden.

2. Die Bemessung des Entschädigungsanspruchs:

Der Entschädigungsanspruch des Zeugen, dem nachgelassen ist, die Beweisfrage schriftlich zu beantworten, ist nicht beschränkt auf die Erstattung der ihm durch die Beantwortung entstandenen Auslagen (Meyer/Hövel/Bach, Kommentar zum ZSEG, § 2 Rdnr. 43.1). Vielmehr hat er im Rahmen des § 2 II und V ZSEG einen Anspruch auf Erstattung eines Verdienstausfalls.

Einem Selbstständigen, der infolge der Bearbeitung der Zeugenanfrage seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen kann, ist für den erforderlichen Zeitaufwand eine Verdienstausfallentschädigung jedenfalls dann zu gewähren, wenn die Aussage im Zusammenhang mit der Berufs- oder Gewerbeausübung steht. Der zu vergütende Aufwand schließt die gesamte für die Beantwortung der Anfrage erforderliche Zeit ein, beginnend bei der Lektüre des Auskunftsersuchens über das Heraussuchen und einsehen der entsprechenden Informationsträger bis zum Abfassen und Weiterleiten der schriftlichen Aussage. Neben dem Verdienstausfall ist der Zeuge auch für sonstige Aufwendungen, die' für die Anfertigung der schriftlichen Auskunft erforderlich sind, zu entschädigen (§ 11 ZSEG). Dazu zählen Kosten für Kopien und die Material- und Beförderungskosten einer Briefsendung. Erstattungsfähig nach § 11 ZSEG sind aber auch Personalkosten, sofern der um schriftliche Auskunft ersuchte Zeuge bei der Anfertigung der Aussage Mitarbeiterinnen eingesetzt hat (Hartmann, Kostengesetze, § 11 ZSEG, Rdnr. 9). Der Zeitaufwand für solche Hilfskräfte, die ja für andere Dienste als die Bearbeitung von Zeugenaussagen eingestellt und bezahlt werden, ist jedenfalls bis zu den Höchstbetragsgrenzen nach § 2 II und V ZSEG zu ersetzen. Dies ist für die Inanspruchnahme Dritter in § 17 a III ZSEG ausdrücklich geregelt. Entsprechend dem Antrag des Zeugen errechnet sich die zu gewährende Entschädigung auf 15 Euro. Auszugehen war_ dabei von dem durchschnittlichen Bruttoeinkommen für die vom Antragsteller ausgeübte Erwerbstätigkeit, das sicherlich über der in § 2 II ZSEG vorgesehenen Obergrenze von 13 Euro liegt. Zu Grunde zu legen war ein voller Stundensatz, auch wenn die Beantwortung der schriftlichen Zeugenaussagen weniger als 1 Stunde in Anspruch genommen haben. Gemäß § 2 II 2 ZSEG ist die (letzte) bereits begonnene Stunde voll anzurechnen. Bei Einrechnung der baren Aufwendungen für die beiden Antwortschreiben einschließlich der Beförderungskosten ist gegen den Ansatz von 15 Euro daher nichts einzuwenden. Dieser Betrag war auf den Antrag des Zeugengemäß § 16 ZSEG festzusetzen.