Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 29.10.1996 - VI ZR 262/95 - Die erneute Vernehmung eines Zeugen ist geboten, wenn das Berufungsgericht eine Aussage anders verstehen will als die Vorinstanz

BGH v. 29.10.1996: Die erneute Vernehmung eines Zeugen ist geboten, wenn das Berufungsgericht die protokollierte Aussage anders verstehen oder ihr ein anderes Gewicht beimessen will als die Vorinstanz


Nach BGH (Urteil vom 29.10.1996 - VI ZR 262/95) darf das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit von Zeugen, die in der ersten Instanz gehört wurden, nicht abweichend vom erstinstanzlichen Gericht beurteilen, ohne sich durch erneute Vernehmung den erforderlichen persönlichen Eindruck verschafft zu haben. Diese Rechtsprechung ist nochmals vom BGH DAR 1999, 449 bestätigt worden:
Die erneute Vernehmung eines Zeugen ist geboten, wenn das Berufungsgericht die protokollierte Aussage anders verstehen oder ihr ein anderes Gewicht beimessen will als die Vorinstanz.


Siehe auch Zeugen - Zeugenbeweis


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Das Landgericht hatte den Vortrag der Klägerin, die Kaufverträge seien am 5. März 1993 abgeschlossen worden, unter Zugrundelegung der beiden Zeugenaussagen für bewiesen erachtet; dabei hat es die Aussage des Zeugen K. ausdrücklich als glaubhaft bezeichnet und ist auch der Aussage des Zeugen J. inhaltlich gefolgt. So heißt es z.B., die von der Beklagten beanstandeten Auffälligkeiten an den Verträgen hätten von den Zeugen nachvollziehbar aufgeklärt werden können. Insgesamt lassen sich den Ausführungen des Landgerichts keinerlei Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen entnehmen. Demgegenüber hat das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen K. ausdrücklich als nicht glaubhaft bezeichnet und ihr jeden Beweiswert abgesprochen und auch den Beweiswert der Aussage des Zeugen J. für so stark gemindert erachtet, daß es sie nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen könne. Damit hat das Berufungsgericht der Sache nach die Glaubwürdigkeit beider Zeugen verneint, ohne sie selbst vernommen zu haben. Eine solche Beurteilung, die nicht auf dem persönlichen Eindruck des Gerichts von den Zeugen beruht, verletzt jedoch jedenfalls dann das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§§ 286, 398 ZPO), wenn sie - wie hier - nicht in gleichgerichteten Erwägungen des erstinstanzlichen Richters eine Stütze findet. Auch wenn einzelne vom Berufungsgericht angeführte Umstände möglicherweise die objektive Richtigkeit der Zeugenaussagen in Frage stellen, durfte es diesen Aussagen entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht jeden Beweiswert absprechen, ohne sich einen persönlichen Eindruck von den Zeugen zu verschaffen. Deshalb hätte das Berufungsgericht bei pflichtgemäßer Ausübung des ihm durch § 398 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens die Zeugen selbst vernehmen müssen, wenn es ihre Aussage anders würdigen wollte als das Landgericht. ..."