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OLG München Urteil vom 15.09.2017 - 10 U 739/16 - Ersatzfähigkeit von entgangenem Gewinn

OLG München v. 15.09.2017: Ersatzfähigkeit von entgangenem Gewinn bei Alleingesellschafter und Geschäftsführer als Unfallfolgeschaden


Das OLG München (Urteil vom 15.09.2017 - 10 U 739/16) hat entschieden:

   Ein Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH hat als Unfallopfer keinen Anspruch wegen entgangenen Gewinns gegen den Verursacher eines Verkehrsunfalls, wenn er Erwerbsnachteile und Einbußen der Erwerbsfähigkeit nicht nachweisen kann, da diese Schadenspositionen eine konkrete Vermögenseinbuße voraussetzen.





Siehe auch

Geschäftsführervergütung und Gesellschaftsgewinn

und

Stichwörter zum Thema Gewinnentgang und Verdienstausfall


Gründe:


A.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei er in der Hauptsache ein angemessenes Schmerzensgeld über einen bereits bezahlten Betrag von 3.500,- € hinaus, die Feststellung uneingeschränkter Ersatzpflicht für jeglichen Zukunftsschaden und einen Erwerbsschaden von 20.295,40 € verlangt.

I.

Zugrunde liegt ein unstreitiger Zusammenstoß am Mittwoch, den 07.09.2011, zwischen dem Kläger als Motorradfahrer (BMW, amtliches Kennzeichen LL - ...) und dem bei der Beklagten versicherten Kraftfahrzeug Daimler Benz, amtliches Kennzeichen GAP - ... . Hierbei stehen sowohl die grundsätzliche uneingeschränkte Haftung der Beklagten, als auch die ursprünglich bei dem Unfall erlittenen Verletzungen des Klägers außer Streit. Gleiches gilt für die Stellung des Klägers als Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer Einmann-​GmbH (§ 1 GmbHG).

a) Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 14.01.2016 (Bl. 67/77 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).




b) Der Kläger hatte beantragt (EU 5 = Bl. 71 d. A.),

- die Beklagte zu einer angemessenen Schmerzensgeldzahlung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen,

- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftige immaterielle und materielle Schäden aus dem Unfall vom 07.09.2011 auf der Bundesstraße 2 in K. zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden, und

- die Beklagte zu einer Zahlung von 20.295,40 € zu verurteilen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.10.2011.


Die Beklagte hatte beantragt (EU 5 = Bl. 71 d. A.),
   die Klage abzuweisen


II.

Das Landgericht München II hat nach Beweisaufnahme die klägerischen Schmerzensgeldansprüche abgewiesen, und im Übrigen der Klage uneingeschränkt stattgegeben (EU 2 = Bl. 68 d. A.). Bestimmend für diese Entscheidung war, dass zum einen das vorgerichtlich bezahlte Schmerzensgeld von 3.500,- € auch bei Wahrunterstellung der behaupteten Dauerbeeinträchtigung angemessen sei, zum anderen auch der Alleingesellschafter einer GmbH das während unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit weiter bezahlte Geschäftsführergehalt verlangen könne, weil dies im Streitfall eine echte Tätigkeitsvergütung darstelle, und zum dritten angesichts unstreitiger verbleibender Invalidität die bloße Möglichkeit künftiger weiterer Gesundheitsschäden ausreiche. Hinsichtlich der Einzelheiten der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 73/76 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

III.

Gegen dieses ihr am 18.01.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Oberlandesgericht München am 18.02.2016 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 86/87 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 18.04.2016, eingegangen am gleichen Tag, - nach Fristverlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 17.03.2016 (Bl. 91 d. A.) fristgerecht - begründet (Bl. 92/99 d. A.).

Die Beklagte beantragt (BB 1 = Bl. 92 d. A.),

   unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,


Nach Hinweis des Senats, dass die Berufung mangels jeglicher Ausführungen zum Feststellungsausspruch des Ersturteils (EU 1 = Bl. 67, Ziffer II) insoweit unzulässig sei (Bl. 113 d. A.), erklärte die Beklagte, der Berufungsantrag sei umzudeuten, sodass einerseits nur der Zahlungsausspruch angegriffen, andererseits die Berufung nicht teilweise zurückgenommen werde (Schriftsatz v. 15.02.2017, S. 2 = Bl. 115 d. A.; Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 05.05.2017, S. 2 = Bl. 121 d. A.).

Der Kläger beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen (BE 1 = Bl. 103 d. A., Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 05.05.2017, S. 2 = Bl. 121 d. A.).


IV.

Der Senat hat eine mündliche Verhandlung ohne Beweiserhebungen durchgeführt, insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.05.2017 (Bl. 120/122 d. A.) verwiesen.

Im Anschluss daran hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass und welcher Sachvortrag zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verdienstausfalls zu halten wäre (Beschl. v. 22.05.2017, Bl. 125/129 d. A.). Der Kläger machte zuletzt ausschließlich einen „normativen Schaden“ geltend.

Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senats vom 25.01.2017 (Bl. 111/113 d. A.) Bezug genommen.




B.

I.

Die statthafte (§§ 511 I, II Nr. 1 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zu einem Teil unzulässig (jeweils Ziffer II der Urteilsformel des Ersturteils und dieses Urteils), weil sie insoweit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet wurde, §§ 522 I 1, 520 I - III ZPO.

1. Das am 14.01.2016 verkündete Ersturteil wurde der Beklagten am 18.01.2016 zugestellt (Bl. zu 77 d. A.). Die Frist zur Berufungsbegründung lief - nach Verlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 17.03.2016 - am 18.04.2016 ab.

2. Mit Schriftsatz vom 18.04.2016, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, reichte die Beklagte eine Berufungsbegründung ein (Bl. 92/99 d. A.), die den einzigen Berufungssachantrag enthielt, das Ersturteil aufzuheben und die Klage vollständig abzuweisen. In der Begründung wurde das Ersturteil „in vollem Umfang“ zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt, jedoch unter Ziffern I. und II. Ausführungen ausschließlich zum geltend gemachten Verdienstausfallschaden des Klägers gehalten, § 520 III 2 ZPO.

3. Eine Berufungsbegründung bedarf jedoch - hinsichtlich jedes einzelnen von teilbaren Streitgegenständen (§ 260 ZPO) - einer aus sich heraus verständlichen, auf den konkreten Streitfall zugeschnittenen Angabe, welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe der Berufungsführer den entscheidungserheblichen Punkten entgegen setzen will (BGH NJW-​RR 2015, 511 = VersR 2015, 728). Solche Angaben fehlen jedoch vollständig hinsichtlich des Streitgegenstands des Feststellungsausspruchs: Die Beklagte lässt insoweit jegliche Berufungsrüge und Stellungnahme vermissen, und lässt somit nicht erkennen, warum bei unstreitigen Unfallverletzungen die Feststellung der Ersatzpflicht für künftig mögliche Schäden fehlerhaft sein könnte.

4. Soweit die Beklagte ihren Berufungsantrag ergänzen und die Berufungsbegründungsschrift im Sinne einer nur beschränkten Berufungseinlegung auslegen will (Schriftsatz v. 15.02.2017, S. 2 = Bl. 115 d. A.), ist dem nicht zu folgen. Zunächst ist der Wortlaut des Antrags eindeutig: Das Ersturteil solle aufgehoben und die Klage abgewiesen werden. Nachdem im Ersturteil Leistungs- und Feststellungsansprüche zuerkannt wurden, lässt sich eine vollständige Klageabweisung nicht damit vereinbaren, dass der Feststellungsausspruch nicht beanstandet werde, also rechtskräftig werden solle. Darüber hinaus lässt sich eine Einschränkung des Berufungsumfangs auch dem Text der Berufungsbegründung nicht zuverlässig entnehmen, denn die Beklagte erwähnt zwar, dass das erstinstanzliche Urteil wegen des Verdienstausfallschadens angegriffen werde, äußert aber auch, dass das Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung durch den Senat gestellt werde. Weiterhin ist in höchstrichterlicher und obergerichtliche Rechtsprechung anerkannt, dass eine bloß partielle Begründung der Berufung keine Teilrücknahme darstellt (BGH NJW-​RR 1989, 962; OLG Frankfurt a.M. FamRZ 1984, 406). Zwar kann und darf ein Rechtsmittel durch die in der Rechtsmittelbegründung enthaltenen Anträge beschränkt werden und dann eine Verwerfung als unzulässig nicht erfolgen, dies gilt jedoch nur, wenn zudem der Rechtsmittelkläger im Übrigen auf das Rechtsmittel verzichtet (BGH NJW 1968, 2106). Einen solchen Verzicht (§ 515 ZPO; BGH NJW 1984, 1302; 2001, 146), mit der Folge, dass eine spätere Rechtsmittelerweiterung ausgeschlossen wäre, will die Beklagte jedoch eindeutig nicht erklären. Danach kann verstärkt nicht angenommen werden, dass eine eingeschränkte, mit gleicher Wahrscheinlichkeit aber auch nur unvollständige Berufungsbegründung gegenlautende Anträge wesentlich verändern könne. Zuletzt darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch die Streitwertfestsetzung, die den Streitgegenstand des Feststellungsantrags enthält und die Gerichtskostenvorschussforderung bestimmt hat, von der Beklagten nicht beanstandet worden ist.

5. Hierauf beruhen die Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Feststellungsausspruchs (EU 2 = Bl. 68 d. A., Ziffer II) und Ziffern I 1., II der Urteilsformel.

II.

Im Übrigen, also hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs wegen entgangenen Gewinns (Ziffer I des Ersturteils), ist die Berufung jedoch ordnungsgemäß begründet und hat in der Sache uneingeschränkt Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Klage insoweit für begründet gehalten (EU 7/9 = Bl. 73/75 d. A.) und deswegen entschieden, dass verzinste Schadensersatzansprüche des Klägers in Höhe von 20.295,40 € bestünden. Dieser Betrag wurde errechnet aus dem vertraglich festgelegten jährlichen Geschäftsführergehalt (Festbezüge zuzüglich Gewinnbeteiligungen, gemittelt aus den Jahren 2010 und 2011) von 142.658,50 €. Umgelegt auf 220 Arbeitstage und vervielfacht mit 35 Ausfalltagen (Krankschreibung vom 07.09.2011 bis 26.10.2011) ergab sich ein Betrag von 22.695,40 €, von welchem unstreitig von der Beklagten 2.400,- € abgezogen wurden.

Aus Rechtsgründen geht das Erstgericht davon aus, dass das von der Gesellschaft trotz unfallbedingten Ausfalls der Arbeitsleistung weiterbezahlte Gehalt des Geschäftsführers schon dann für einen ersatzfähigen Schaden des Geschäftsführers bilde, wenn dieses Gehalt eine echte Tätigkeitsvergütung darstellt (EU 7 = Bl. 73 d. A.). Diese Auffassung ist mit den gesetzlichen Vorschriften und der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu vereinbaren und deswegen nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Tatsächliche wirtschaftliche Nachteile, welche der Unfall für den Erwerb oder das Fortkommen (§§ 842, 843 I, 1. Alt. BGB) herbeigeführt habe, hat der Kläger - nunmehr insgesamt unstreitig - nicht erlitten. Zum ersten können Erwerbsnachteile und Einbußen der Erwerbsfähigkeit nicht unmittelbar aus der Beeinträchtigung oder dem Wegfall der Arbeitskraft folgen, sondern setzen eine konkrete Vermögenseinbuße voraus. Zum zweiten hat der Kläger selbst schon nach eigenem Vortrag keinen Einkommensverlust erlitten, weil die K. GmbH sein Geschäftsführergehalt uneingeschränkt geleistet hat. Zum dritten hat auch die von ihm beherrschte GmbH keinen Vermögensschaden erlitten oder vortragen können, denn ein Betriebsvermögensvergleich des Unfalljahres 2011 ergibt nicht, dass die GmbH bei gleichbleibenden Ausgaben für den Geschäftsführer aufgrund der zeitweise verringerten und aufgehobenen Arbeitsfähigkeit Verluste oder verringerte Gewinne eingefahren hätte.

aa) Hinsichtlich dieser Grundsätze samt zugehöriger BGH-​Rechtsprechung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats (v. 22.05.2017, S. 2 = Bl. 126 d. A.) Bezug genommen.

bb) Der Kläger hat ausführliche, genaue, zielführende und unmissverständliche Hinweise erhalten, wie ein solcher Sachvortrag zu einem konkreten Vermögensschaden darzulegen und zu substantiieren ist (Hinweisbeschl. v. 22.05.2017, S. 2/4 = Bl. 126/128 d. A.). Hierauf hat er zunächst angedeutet, diese Auflagen erfüllen zu wollen (Schriftsatz v. 10.07.2017, Bl. 131 d. A.), dann jedoch ausdrücklich erklärt, allein eine „normative“ Schadensberechnung aufgrund des weiterbezahlten Geschäftsführergehalts geltend machen zu wollen (Schriftsatz v. 25.07.2017, Bl. 133 d. A.).



b) Auch ein normativer Schaden (des Klägers) ist im Streitfall nicht eingetreten. Unter diesem Begriff soll die Differenzrechnung (der Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Unfall) wertend korrigiert werden, wenn die Differenzbilanz die Schadensentwicklung für den Normzweck der Haftung nicht hinreichend erfasst (BGH NZV 2017, 318). Zum einen kann dies in Fällen gegeben sein, in welchen Vermögenseinbußen des Geschädigten durch - häufig, aber nicht notwendig freiwillige - Leistungen Dritter (sic!, Hervorhebung des Senats, BGH NJW-​RR 2007, 1412), die den Schädiger nicht entlasten sollen, rechnerisch ausgeglichen werden (BGH NJW 2001, 1274: bei Vorruhestandsgeld nach dem Vorruhestandsabkommen für die Versicherungswirtschaft vom 25.09.1991 nicht (!) angenommen; NZS 1999, 138: Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge für die Pflegeperson durch die Pflegekasse; NJW 1972, 1705: Urlaubsentgelt des Beamten). Zum anderen kommen Fälle in Betracht, in welchen (verpflichtende) Aufwendungen des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers vorliegen, denen Entgeltcharakter zukommt und die damit im Schadensfall dem Regress zugänglich sind (BGH NZA-​RR 1998, 457: Rückstellungen für Ruhegehaltsverbindlichkeiten; NJW 1965, 1430). Beide Fallgruppen setzen voraus, dass ein tatsächlicher Schaden bei dem Dritten oder Arbeitgeber eintritt, und der Anspruch des Geschädigten an diese abgetreten wird oder kraft Gesetzes übergeht (wie im Fall der §§ 1, 3, 6 EFZG; BGH NZA 2002, 40). Weitere Fälle, etwa der Zweckverfehlung (BGH ZfBR 2015, 142) oder der zufälligen Gefahrverlagerung (BGH NJW 2013, 3297; NJW 1971, 2069) oder nicht voll werthaltiger Gesellschaftsforderungen (BGH CCZ 2011, 37), sind im Streitfall ersichtlich nicht betroffen.

aa) Der Kläger übersieht, dass bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (BGH NJW 1977, 1283) vorliegend gerade kein Dritter ihm Vorteile zuwenden möchte, die den Schädiger nicht entlasten sollen (BGH NJW 1956, 1473; NZV 1994, 270). Vielmehr handelt er ausschließlich selbst, indem er sein Vermögen umschichtet: Die ihm als alleinigem Inhaber der Gesellschaft zustehenden Jahresgewinne und der Wert des Gesellschaftsanteils (100 Prozent) werden zu einem Teil als Einkommenszuwachs rechtlich ausgestaltet, tatsächlich aber lediglich so bezeichnet.

- Dieses Ergebnis wird durch die formalrechtliche Trennung zwischen der Einmann-​GmbH und ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer nicht entwertet und nicht einmal in Zweifel gezogen. Zwar ist grundsätzlich die rechtliche Verschiedenheit der Personen zu beachten (BGH NJW 56, 785; NJW 66, 1309; NJW 70, 2015; NJW 71, 799), „dennoch kann nicht übersehen werden, dass der alleinige Gesellschafter einer GmbH unmittelbar wirtschaftlich berührt wird, wenn seine Gesellschaft einen Verlust erleidet oder einen Gewinn erzielt. Die Rechtsprechung hat bereits in einer Reihe von Fällen den tatsächlichen Gegebenheiten bei der Einmanngesellschaft, besonders der Einmann-​GmbH, nämlich der Beherrschung der Gesellschaft durch ihren einzigen Gesellschafter, Rechnung getragen und die Einmanngesellschaft dem alleinigen Gesellschafter gleichgestellt, ohne dass damit die rechtliche Verschiedenheit der beiden Rechtssubjekte in Frage gestellt werden sollte ... Das ist auch hier erforderlich. Hat ein Gewerbetreibender sich nicht an einem fremden Unternehmen kapitalmäßig beteiligt, sondern seinem eigenen Unternehmen aus haftungs-​, steuerrechtlichen- oder anderen Gründen die Rechtsform einer GmbH gegeben (BGH NJW 57, 19; BB 71, 13), dann ist diese Gesellschaft, jedenfalls in einem Fall der vorliegenden Art, haftungsrechtlich nur ein in besonderer Form verwalteter Teil seines Vermögens. Was der Gesellschafter in der GmbH durch seine Tätigkeit erarbeitet oder einbüßt, trifft ihn, den Alleingesellschafter, unmittelbar ... Wird der Gesellschafter von einem Dritten schuldhaft verletzt und tritt ein Schaden an seinem „Sondervermögen” ein, so muss es, wenn zwischen Schadenszufügung und Schaden ein zurechenbarer Zusammenhang besteht, im Verhältnis zum Schädiger so angesehen werden, dass ihn persönlich ein Schaden getroffen hat. Eine andere Betrachtungsweise würde an der wirtschaftlichen Wirklichkeit vorbeigehen und den Schädiger auf dem Wege über formale Gegebenheiten ungerechtfertigt entlasten“ (BGH NJW 1977, 1283).

- Deswegen kann der Kläger im Streitfall nicht anders behandelt werden, als ein Einzelkaufmann oder selbständiger Gewerbetreibender. Hierauf hat der Senat mehrfach hingewiesen, insoweit wird auf die Terminsverfügung (v. 25.01.2017, S. 1 = Bl. 111 d. A.) und den Hinweisbeschluss des Senats (v. 22.05.2017, S. 2/4 = Bl. 126/128 d. A.) Bezug genommen. Gleichzeitig war anhand der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung erläutert worden, wie der Kläger einen behaupteten Verlust oder Gewinnentgang berechnen, vortragen und im Streitfall nachweisen hätte können und müssen. Dagegen hätte die Rechtsauffassung des Klägers zur Folge, dass er - ohne irgendeinen tatsächlichen und bezifferbaren Schadens - die abstrakte Vergütung seiner Arbeitskraft verlangen könnte und damit bereits der Verlust oder die Einschränkung der Arbeitskraft als solcher einen Schaden begründen würde; dies hat der BGH jedoch bis heute ausdrücklich abgelehnt (BGH NJW 1970 1411; VersR 1966, 1158; s.a. Senat, Urt. v. 29.06.2007 - 10 U 4379/01 [juris, Rn. 71]).


bb) Anders als der Kläger meint, lässt sich seine Auffassung auch nicht auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stützen. Vielmehr hat der BGH klargestellt, dass das von der Einmann-​GmbH (weiter-​)bezahlte Gehalt des Geschäftsführers einen Schaden darstellen kann (sic!, Hervorhebung des Senats), wenn die GmbH tatsächlich aufgrund des Ausfalls des Geschäftsführers Verluste oder verringerte Gewinne eingefahren hat (Hinweisbeschl. v. 22.05.2017, S. 2 = Bl. 126 d. A.). Die wiederholt verwendete Textfassung des BGH „... wie jeder Arbeiter oder Angestellte ...“ (BGH NJW 1974, 134) fördert deswegen das auch dem Kläger und dem Erstgericht unterlaufene Missverständnis.

- „Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BGH ein selbständiger Unternehmer den Ausfall seiner Arbeitskraft nicht abstrakt - etwa in Höhe des Entgelts für einen ähnlich befähigten Arbeitnehmer - als Vermögensschaden in Rechnung stellen ... Bei ihm setzt sich der Wegfall der Arbeitskraft erst dadurch in einen Vermögensschaden um, dass der Gewerbeertrag hinter dem zurückbleibt, was nach bisheriger Erfahrung oder besonderen Vorkehrungen zu erwarten war. Dem gegen Entgelt tätigen Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft entgeht jedoch im Regelfall während der Aufhebung seiner Arbeitsfähigkeit das für seine Tätigkeit bezahlte Gehalt; ihm entsteht damit ein unmittelbarer Vermögensschaden. Es entspricht ferner ständiger Rechtsprechung, dass es dem für die Aufhebung der Arbeitsfähigkeit Haftenden nicht zu Gute kommen darf, wenn der Arbeitgeber des Geschädigten das Arbeitsentgelt bei unfallbedingtem Ausbleiben der Gegenleistung fortzahlt ... Der Geschädigte kann vielmehr in solchen Fällen den Schädiger auf Zahlung des (Brutto)Arbeitsentgelts an den Arbeitgeber, gegebenenfalls also auch - wie hier - an die Gesellschaft, deren Geschäftsführer und gesetzlicher Vertreter er ist, in Anspruch nehmen, wenn jedenfalls im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) davon ausgegangen werden kann, dass dem Arbeitgeber ein Ausfall in Höhe des weiterbezahlten Arbeitsentgelts entstanden ist ... Dagegen berührt es die Ersatzpflicht des Schädigers nicht, in welcher Weise der Arbeitgeber dem zeitweiligen Ausbleiben der geldwerten Arbeitsleistung Rechnung getragen hat, wobei ... die Hinnahme eines entsprechend geminderten Gewerbeertrages in Frage kommen“ (BGH NJW 1971, 1136).

- „Demgemäß hat auch der Senat ausgesprochen, dass der Geschäftsführer, der zugleich alleiniger Gesellschafter einer Einmann-​GmbH ist, im Falle einer unfallbedingten Dienstunfähigkeit wie jeder Arbeiter oder Angestellte den Schädiger auf Zahlung des (Brutto-​)Arbeitsentgelts an seine Gesellschaft in Anspruch nehmen darf, wenn davon ausgegangen werden kann, dass dieser ein Ausfall in Höhe des weiterbezahlten Entgelts entstanden ist“ (NJW 1974, 134).

- „Wird der geschäftsführende Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft infolge Unfallverletzung arbeitsunfähig und entgeht seiner Gesellschaft dadurch ein Geschäftsgewinn ... Das deutsche Recht gewährt dem Kläger nicht Ersatz eines Schadens der AG, sondern für die Nachteile an seinem Vermögen, d.h. an seiner Gesellschaftsbeteiligung. Bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden richtet sich jedoch auch nach deutschem Recht dieser eigene Schaden des Verletzten nach dem der ihm gehörenden Gesellschaft entgangenen Gewinn ... Auch das Gebot, den jeweiligen Schaden wirtschaftlich zu betrachten, muss nicht dazu führen, jene Grundsätze für Schadensersatzansprüche des Alleingesellschafters einer Kapitalgesellschaft aufzugeben; vielmehr wird die Trennung der Vermögensbereiche gerade von wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt ... Ausgangspunkt ... war vielmehr, dass sich solche Verluste zunächst in dem Vermögen der Gesellschaft niederschlagen und der Alleingesellschafter - nicht anders als bei einer Gesellschaftsbeteiligung unter mehreren - Ersatz nur für die Auswirkungen jener Einbußen auf sein „Gesellschafter”-​Vermögen verlangen kann ... Insoweit erscheint die Gesellschaft in schadensrechtlicher Betrachtung praktisch in der Tat als ein „in besonderer Form verwalteter Teil seines Vermögens”. Für diese geht es darum, ob bei der Bemessung des Schadens, den der Alleingesellschafter durch die Verluste seiner Gesellschaft erleidet, der entgangene Gewinn mit Rücksicht auf den Zweck des vom Schädiger geschuldeten Ausgleichs als Passivposten des Gesellschaftsvermögens ungeachtet dessen rechtlicher Verselbständigung auch in die Schadensrechnung über das Vermögen des Alleingesellschafters eingesetzt werden kann. Das ist zu bejahen ... Im Ergebnis wird sein Schaden also dadurch ausgeglichen, dass der Gesellschaft der entstandene Verlust durch die Ersatzleistung des Schädigers wieder zufließt und damit auch ihn entschädigt“ (BGH NJW 1977, 1283).

- Wenn der klagende Geschäftsführer „die ihm zustehenden Bezüge nicht erhält, weil er unfallbedingt seine Dienstleistungen nicht erbringen kann, ... stellt dies einen Schaden dar, den ihm ein für den Unfall verantwortlicher Schädiger zu ersetzen hat“ (BGH Urt. v. 16.06.992 - VI ZR 264/91 [BeckRS 1992, 30397490]). Insofern spiegelt der Bundesgerichtshof lediglich den schadensersatzrechtlichen Regelfall wider, der naturgemäß einen Schaden des Geschäftsführers begründet und vorliegend nicht gegeben ist, weil der Kläger schon nach eigenem Vorbringen seine Geschäftsführerbezüge ungeschmälert weiter bezogen hat.


Soweit der Bundesgerichtshof in einer nicht entscheidungserheblichen Randbemerkung äußert, „... denn auch wenn (der Kläger) nicht (auf sein Geschäftsführergehalt) verzichtet hätte und ihm die Gehälter wie vertraglich vorgesehen ausbezahlt worden wären, könnte er einen entsprechenden Schaden gegenüber den Beklagten geltend machen, da letztere durch die Leistung der Gesellschaften nicht entlastet werden dürfen“, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der dortige Kläger in einer von zwei Gesellschaften nicht Alleingesellschafter war und somit mit den übrigen Gesellschaftern tatsächlich „Dritte“ vorhanden waren, deren Vermögensopfer (die Wertverringerung ihres Geschäftsanteils) dem Schädiger nicht zu Gute kommen sollen. Hinsichtlich der gleichzeitig für die weitere Gesellschaft bestehende Alleingesellschafterstellung des Geschäftsführers fehlen nähere Erwägungen des BGH, allerdings lässt sich dem Entscheidungstext nicht entnehmen, dass ein Verlust oder verringerter Gewinn der Gesellschaft nicht maßgeblich sei: „... zutreffend davon aus, dass ein Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers auf das vereinbarte Gehalt dann ausscheidet, wenn und soweit dieses Gehalt kein echtes Arbeitsentgelt für zu leistende Tätigkeit, sondern eine (aus steuerlichen Gründen so behandelte) verdeckte Gewinnausschüttung darstellt ... Dann könnte ihm ein Schaden nur daraus erwachsen sein, daß sich der Gewinn der Gesellschaft infolge des unfallbedingten Ausfalls seiner Tätigkeit vermindert hat“ (BGH, a.a.O.).

cc) Die Ausgangslage des Streitfalls ist nicht vergleichbar mit Fallgestaltungen, in welchen der auf Ersatz des Verdienstausfallschadens klagende Geschäftsführer nicht oder wenigstens nicht Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist. In solchen Fällen wäre - bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung - unzweifelhaft ein „Dritter“ vorhanden, der durch eine Weiterzahlung des Geschäftsführergehalts - trotz verletzungsbedingt entfallender Gegenleistung - eine Vermögenseinbuße erleiden könnte. Ebenso könnte dann eine freiwillige Leistung an den Geschäftsführer vorliegen, während weder eine natürliche, noch eine juristische Person an sich selbst Leistungen bewirken kann. Deswegen kann der Kläger aus Entscheidungen, die zwar die Abgrenzung zwischen einer echten Arbeitsvergütung und Gewinnbeteiligungen behandeln, jedoch nicht von einer Alleingesellschafterstellung des Geschäftsführers ausgehen (können), keine ihm günstigen Rechtsfolgen ableiten: „... Ersatz der echten Arbeitsvergütung für seine Geschäftsführertätigkeit ... kein Hindernis für den Anspruch in dem Umstand, dass die Bezüge des Klägers tatsächlich trotz zeitweiser Arbeitsunfähigkeit weiterbezahlt worden sind ... Eine andere Frage ... ist es, ob der Bedienstete dadurch einen zusätzlichen Schaden erlitten hat, dass das ihm tatsächlich ausbezahlte, erfolgsabhängige Entgelt deshalb geringer ausgefallen ist, weil sich seine zeitweise Untätigkeit auf den Betriebserfolg ungünstig ausgewirkt hat. Dass der Kläger einen solchen zusätzlichen Schaden gar nicht behauptet und deshalb auch nicht begründet hat, ist richtig. Das rechtfertigt aber nicht, die erfolgsabhängige Vergütung bei der Bemessung des trotz teilweiser Arbeitsbehinderung weiterbezahlten, nach den erwähnten Grundsätzen indessen unter Umständen doch zu erstattenden Arbeitsentgelts außer Betracht zu lassen ... Ist der Geschäftsführer einer GmbH gleichzeitig Gesellschafter, dann bedarf es hinsichtlich der Frage, ob die ihm vertraglich zugestandene Tätigkeitsvergütung ein echtes Entgelt darstellt, einer besonders strengen Prüfung. Diese Prüfung stellt das Berufungsgericht schon deshalb nicht an, weil es über die Gesellschafterstellung ... keine Feststellungen trifft ...“ (BGH NJW 1978, 40; NJW 1970, 95: nach den mitgeteilten Gründen kann eine Alleingesellschafterstellung nicht angenommen werden; VersR 1967, 83: Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, die als Alleingesellschaft nicht denkbar ist).

2. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Kläger einen Verdienstausfallschaden oder entgangenen Gewinn (§ 252 BGB) nicht ersetzt erhalten kann, weil er deren tatsächliche Voraussetzungen nicht nachgewiesen hat und nicht einmal darlegen konnte oder wollte. Soweit das Erstgericht diese Forderung zugesprochen hat, war das Ersturteil abzuändern und die Klage abzuweisen, hierauf beruht Ziffer I 2 der Urteilsformel.

III.

Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus § 92 I 1, 2. Alt. ZPO. IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.




V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die eine Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-​RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft. Soweit der Kläger schriftsätzlich die Zulassung der Revision beantragt hat (Bl. 133 d. A.), fehlt jegliche Darlegung und Erörterung der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 II 1 ZPO). Weder wird eine grundsätzliche Bedeutung der Sache, noch eine Divergenz zu höchst- oder obergerichtlichen Entscheidungen dargelegt, noch bietet der Kläger eine Aufbereitung (BGH NJW-​RR 2014, 505), aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die aufgeworfenen Fragen umstritten seien oder zu Rechtsunsicherheit führen könnten.

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