Das Verkehrslexikon

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BayObLG Beschluss vom 27.11.1996 - 2 ObOWi 433/96 - Divergenzvorlage zum Überholverbot durch Verkehrszeichen für Wohnmobile

BayObLG v. 27.11.1996: Erstreckung eines Streckenverbots für Lkw auf Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 Tonnen


Das BayObLG (Beschluss vom 27.11.1996 - 2 ObOWi 433/96) hat entschieden:

   Das Überholverbot gemäß Zeichen 276 mit Zusatzzeichen 1049-13 gilt auch für Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t.

Wegen der entgegenstehenden Entscheidung des OLG Hamm vom 17.6.1994, 4 Ss OWi 645/94, DAR 1996, 383 wird die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.



Siehe auch

Wohnwagengespann - Wohnmobil

und

Stichwörter zum Thema Überholen


Gründe:


I.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 31.1.1996 gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit des unzulässigen Überholens gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO i.V.m. § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 80 DM festgesetzt.

Nach den Feststellungen fuhr der Betroffene am 31.5.1995 gegen 10.00 Uhr mit einem Wohnmobil - im Kraftfahrzeugschein als "Sonderkraftfahrzeug Wohnmobil" bezeichnet; zulässiges Gesamtgewicht 10 000 kg - auf der Bundesautobahn A   in Richtung B     . Im Bereich der H       auffahrt bei Kilometer 356,0 überholte er zwei auf der rechten Fahrspur fahrende Lastkraftwagen, obgleich - beginnend bei Kilometer 359,6 - mehrfach auf beiden Seiten der Autobahn das Verkehrszeichen 276 mit dem Zusatzschild Nr. 1049-​13 aufgestellt war.

Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts. Er will unter Hinweis auf den Beschluss des OLG Hamm vom 17.6.1994 - 4 Ss OWi 645/94 freigesprochen werden, weil die "Verkehrsbeschilderung" missverständlich sei.

II.

Der Senat möchte den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet verwerfen, sieht sich daran aber durch den erwähnten Beschluss des OLG Hamm (vgl. bei Burhoff DAR 1996, 381/383) gehindert.

Das OLG Hamm hat die Auffassung vertreten, das Überholverbot (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO) gelte nicht für ein Wohnmobil (zulässiges Gesamtgewicht 10 t), wenn das Zeichen 276 zusätzlich mit den Zeichen 1048-​11 (Pkw mit Anhänger) und 1048-​12 (Lkw) versehen ist, da das Zusatzzeichen 1048-​12 nicht Wohnmobile erfasse. Der Führer eines Wohnmobils müsse sich darauf verlassen können, dass nach Einführung des Zusatzschildes 1048-​17 (Wohnmobil)

   "dieses Zusatzschild und nicht das Schild 1048-​12 zum Einsatz gelangt, wenn Wohnmobile von dem Regelungsgehalt eines Ge- und Verbotsschildes umfasst sein sollen".


Diese Auffassung vermag der Senat nicht zu teilen.




1. Das Zeichen 276 (§ 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO) verbietet Führern von Kraftfahrzeugen aller Art mehrspurige Kraftfahrzeuge und Krafträder mit Beiwagen zu überholen. Die Reichweite dieses Verbots ist im vorliegenden Fall durch das Zusatzschild Nr. 1049-​13 - ebenfalls ein Verkehrszeichen (§ 39 Abs. 1 Satz 2 StVO) - eingeschränkt. Das erwähnte Zusatzschild stellt eine Kombination der Zusatzschilder 1048-​12 (Lkw), 1048-​16 (Omnibus) und 1048-​11 (Pkw mit Anhänger) dar. Der Verbotsumfang ist somit der gleiche wie in dem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall, erfasst darüber hinaus allerdings auch noch Omnibusse. Nur für Kraftfahrzeuge der abgebildeten Art soll das Überholverbot gelten. Dass im vorliegenden Fall - anders als in dem vom OLG Hamm entschiedenen - den Symbolen nicht das Wort "nur" vorangestellt ist, spielt keine Rolle. Welche Bedeutung Sinnbilder auf anderen Verkehrsschildern als den in §§ 40 - 42 StVO dargestellten haben, ist § 39 Abs. 3 StVO zu entnehmen. Danach bedeutet das Sinnbild "Lkw": "Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t einschließlich ihrer Anhänger und Zugmaschinen, ausgenommen Personenkraftwagen und Kraftomnibusse". Damit unterfällt ein Wohnmobil mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t dem Zusatzzeichen Nr. 1048-​12 (Lkw).

2. Das OLG Hamm begründet seine abweichende Auffassung im wesentlichen mit dem unterschiedlichen äußeren Erscheinungsbild der Zusatzzeichen 1048-​12 (Lkw) und 1048-​17 (Wohnmobil) und leitet daraus nach den "der StVO innewohnenden Gebote der Unmissverständlichkeit, Allgemeinverständlichkeit und Leichtfasslichkeit" ab, dass das Zeichen 1048-​12 nicht für Wohnmobile gelte. Dabei wird jedoch übersehen, dass der Geltungsbereich dieses Zusatzzeichens vom Verordnungsgeber genau definiert wurde.

Würde statt des Zeichens 1048-​12 das Zeichen 1048-​17 verwendet, gälte das Überholverbot für alle Wohnmobile, unabhängig vom zulässigen Gesamtgewicht, was dem erkennbaren Zweck zuwiderliefe, nur schwere Kraftfahrzeuge mit regelmäßig herabgesetztem Beschleunigungsvermögen dem Verbot zu unterwerfen. Die Kombination der Zeichen 1048-​12 und 1048-​17 führte zu unnötigen Überschneidungen: Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t würden von beiden Zeichen erfasst.

Dass nach dem Willen des Verordnungsgebers gleiche Symbole auf Verkehrszeichen unterschiedlicher Art stets dasselbe bedeuten, ist auch dem Zeichen 253 mit seiner Erläuterung (§ 41 Abs. 2 Nr. 6 StVO) zu entnehmen. Träfe die Ansicht des OLG Hamm zu, erfasste das Zeichen 1049-​13 auch nicht Panzer (Zusatzzeichen 1049-​12), die nach der Definition des § 1 Abs. 2 StVG ebenfalls als Kraftfahrzeuge gelten.

3. Der vom OLG Hamm zitierten Kommentarstelle bei Jagusch/ Hentschel Straßenverkehrsrecht 33. Aufl. § 39 StVO Rn. 31a, wonach nur Pkw oder Lkw kennzeichnende Zusatzschilder nicht auch für Wohnmobile gelten, ist nichts Abweichendes zu entnehmen. In den dort erwähnten Beispielen (Zeichen 1048-​10, -11, -13) fehlt das Zeichen 1048-​12. Das Symbol 1048-​10 (Personenkraftwagen) trifft auf ein Wohnmobil mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,8 t schon begrifflich nicht zu (§ 23 Abs. 1 Satz 6 StVZO); das Zusatzzeichen 1048-​11 betrifft Pkw mit Anhänger; das Zeichen 1048-​13 erfasst Lastkraftwagen mit Anhänger.

Die vom Senat vertretene Auffassung steht im Einklang mit der Entscheidung des OLG Braunschweig vom 2.7.1993 (VM 1994, 9). Zwar ging es dort um ein Überholverbot gemäß Zeichen 277. Dessen Geltungsbereich erstreckt sich aber ebenfalls auf Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t, also auch auf Wohnmobile der hier vorliegenden Art.

III.

Die divergierende Rechtsauffassung ist entscheidungserheblich.

Gemäß § 121 Abs. 2 GVG legt daher der Senat dem Bundesgerichtshof folgende Frage zur Entscheidung vor:

   Gilt das Zeichen 276 (§ 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO) mit Zusatzzeichen 1049-​13 auch für Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t.


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