Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss vom 28.02.2019 - 3 K 6842/18 - Zwangstilllegung eines Dieselskandal-Fahrzeugs

VG Freiburg v. 28.02.2019: Kein einstweiliger Rechtsschutz gegen Zwangstilllegung eines Dieselskandal-Fahrzeugs




Das Verwaltungsgericht Freiburg (Beschluss vom 28.02.2019 - 3 K 6842/18) hat entschieden:

  1.  Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung dürfte der Erlass einer Betriebsuntersagung regelmäßig rechtmäßig sein, wenn sich der Eigentümer des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Dieselfahrzeugs trotz mehrfacher Aufforderung weigert, das geforderte kostenlose Software-Update vornehmen zu lassen.

  2.  Der Annahme des besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses steht nicht entgegen, dass die vorschriftswidrige Verwendung von Abschalteinrichtungen seit dem Jahr 2015 bekannt war und dass von den entsprechenden Fahrzeugen keine konkrete unmittelbare Gefahr für die Gesundheit des Einzelnen bzw. der Allgemeinheit ausgeht.


Siehe auch
Dieselskandal - Betriebsuntersagung - Zwangsstilllegung
und
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“

Gründe:


Der vom Antragsteller bei sachdienlicher Auslegung seines Begehrens gestellte Antrag (vgl. § 122 Abs. 1, § 88 VwGO),

   die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 13.12.2018 gegen die Verfügung des Landratsamts Tuttlingen vom 20.11.2018 hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 wiederherzustellen,

ist statthaft und auch sonst zulässig, er ist jedoch nicht begründet (dazu .). Der sinngemäße Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die in Ziff. 3 des Bescheids verfügte Androhung des Zwangsmittels anzuordnen, ist statthaft, auch im Übrigen zulässig und auch begründet (dazu 2.).

1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bezüglich der Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 20.11.2018 ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Er ist jedoch nicht begründet.




1.1 Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist statthaft, wenn die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen - wie hier - sofort vollziehbaren Verwaltungsakt begehrt wird.

Ein solcher Antrag ist jedoch dann nicht statthaft, wenn dem Rechtsbehelf von vornherein keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO zukommen kann, etwa weil der Verwaltungsakt bestandskräftig ist (vgl. VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 03.06.2004 - 6 S 30/04 -, NJW 2004, 2690 m.w.N.; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 32 m.w.N.). Dies ist hier indes nicht der Fall. Der Antragsteller hatte zwar zunächst, insbesondere vor Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO, keinen Widerspruch gegen die Verfügung des Landratsamts Tuttlingen vom 20.11.2018 eingelegt. Er hat dies jedoch während des gerichtlichen Verfahrens form- und fristgemäß nachgeholt.

Die Verwaltungsgerichtsordnung enthält keine ausdrücklichen Anforderungen an den Inhalt eines Widerspruchs. Er muss insbesondere nicht als solcher bezeichnet werden. Es genügt, wenn der Betroffene deutlich macht, dass er sich von der angegriffenen Maßnahme beschwert fühlt, sich deshalb dagegen wehrt und die Überprüfung sowie Aufhebung der Maßnahme begehrt. Für die Auslegung der Erklärung ist nach den im öffentlichen Recht entsprechend anzuwendenden §§ 133, 157 BGB maßgebend, wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstanden werden musste. Zu berücksichtigen sind grundsätzlich alle Umstände, die dem Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennbar waren. Verbleibende Zweifel sind durch Rückfragen zu klären. Bei der Auslegung ist auch „erfolgsorientiert“ - insbesondere zugunsten des nicht anwaltlich vertretenen Bürgers - davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der seinen Interessen entspricht und den erkennbar angestrebten Erfolg erreichen kann (VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 03.12.2013 - 2 S 978/13 -, juris Rn. 36 m.w.N.).

Gemessen daran ist das an das Landratsamt Tuttlingen adressierte Telefax des Antragstellers vom 13.12.2018 als Widerspruch im Sinne von §§ 69, 70 Abs. 1 VwGO auszulegen. Es ist ausdrücklich an das „Landratsamt Tuttlingen Kfz- Zulassungsstelle“ gerichtet, als die Behörde, die die Betriebsuntersagung verfügt hat. Auch wenn der Antragsteller seine Erklärung nicht als Widerspruch bezeichnet und keine Anträge gestellt hat, wird (noch) erkennbar, dass er sich durch die im Bescheid vom 20.11.2018 verfügte Betriebsuntersagung seines Fahrzeugs beschwert fühlt und eine Überprüfung begehrt. Mit dem Betreff „Fahrverbot ... Motor VW- Diesel 1,6L SEAT ALTEA (...)“ stellt der Antragsteller einen eindeutigen Bezug zur verfügten Betriebsuntersagung her. Mit dem weiteren Betreff „VG habe es gestoppt, soll Ihnen ANLAGE neuen Antrag nachreichen“ nimmt er ersichtlich Bezug auf das diesbezüglich bereits anhängige Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und greift offenbar den Zusatz in der Eingangsverfügung vom 10.12.2018 auf, wonach das Gericht davon ausgeht, dass bis zur Entscheidung über den Eilantrag von Vollzugsmaßnahmen abgesehen wird, und er aufgefordert wurde, sein Begehren klar zu bezeichnen. Der Antragsgegner hätte bei dieser Sachlage zumindest Anlass gehabt, bei verbleibenden Zweifeln an der Einordnung dieses Schreibens jedenfalls durch Rückfragen bei dem Antragsteller auf eine Klarstellung hinzuwirken.

Der Widerspruch erfolgte auch fristgemäß. Das Schreiben des Antragstellers ist ausweislich des Telefaxberichts und des darauf gefertigten handschriftlichen Vermerk eines Mitarbeiters des Landratsamts („Eingang Donnerstag 13.12.2018 J. A.“) am 13.12.2018, also innerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO, bei der Erlassbehörde eingegangen.

Dem Antrag fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis ist zwar dann nicht mehr gegeben, wenn der Rechtsuchende mit seinem Begehren eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht mehr erreichen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.07.2009 - 8 C 4.09 -, juris Rn. 24). Dies dürfte hier aber nicht bereits deshalb anzunehmen sein, weil das Landratsamt Tuttlingen mit Verfügung vom 14.02.2019 eine weitere - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragstellers im Schreiben vom 25.02.2019 und vom 28.02.2019 nicht streitgegenständliche - Betriebsuntersagung desselben Fahrzeugs des Antragstellers aufgrund eines anderen Mangels unter Anordnung des Sofortvollzugs erlassen hat. Denn dem Antragsteller wurde insoweit eine Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 28.02.2019 gesetzt. Diese Verfügung ist noch nicht bestandskräftig und derzeit ist nicht abschätzbar, wie zeitnah eine Beseitigung dieses Mangels möglich wäre.




1.2 Das Landratsamt Tuttlingen hat die Anordnung des Sofortvollzugs in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO muss das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich begründet werden. Die Begründung hat den Zweck, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehungsanordnung veranlasst haben, die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags auf Grundlage von § 80 Abs. 4 und 5 VwGO abzuschätzen. Daneben soll die Begründungspflicht außerdem der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Schließlich dient die Begründung außer der Selbstkontrolle der Behörde auch der Kontrolle durch das Gericht (VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 29.06.2018 - 5 S 548/18 -, juris Rn. 8 m.w.N.). Die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung dürfen hierbei aber nicht überspannt werden. Diese darf sich jedoch insbesondere nicht auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken. Bei gleichartigen Fallgruppen kann auch eine standardisierte, „gruppentypisierte“ Begründung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügen (OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, juris Rn. 4 u. 8 m.w.N.).

Von diesen Maßstäben ausgehend sind die Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hier gewahrt. Das Landratsamt hat in seiner gesonderten Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgeführt, ein besonderes öffentliches Interesse an der Außerbetriebssetzung des Fahrzeugs bestehe, sofern die Mangelbeseitigung ausbleibe. Die Nicht- Einhaltung der Emissionsgrenzwerte führe zu Gesundheitsgefahren für die Allgemeinheit und zu Gefahren für die Umwelt. Um die Gesundheit der Allgemeinheit zu schützen, sei es geboten, jede vorschriftswidrige Emissionsquelle von Umweltgiften zu beseitigen. Das könne nur dann gewährleistet werden, wenn alle von der „Schummelsoftware“ betroffenen Fahrzeuge das Software- Update durchführen ließen. Das Interesse des Antragstellers, sein Fahrzeug ohne Software- Update bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch bzw. Klage weiter zu betreiben, müsse demgegenüber hinter diesem besonderen öffentlichen Interesse zurückstehen. Hieraus ergibt sich jedenfalls im Zusammenhang mit den zur Begründung der Verfügung angeführten Gründen ohne Weiteres, dass das Landratsamt die sofortige Vollziehung im vorliegenden Fall für erforderlich hält, weil das Fahrzeug des Antragstellers aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung mehr Stickoxide ausstößt und ein einheitliches Vorgehen zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit geboten ist. Einer darüber hinausgehenden, insbesondere stärker einzelfallbezogenen Begründung des Sofortvollzugs bedurfte es nicht. Die vorliegende Konstellation des serienmäßigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung betrifft einen größeren Personenkreis. Dies rechtfertigt eine weitgehend typisierende, grundsätzlich auch auf vergleichbare Fälle übertragbare Begründung, wenn sie - wie hier - den erforderlichen Einzelfallbezug noch erkennen lässt (vgl. OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, juris Rn. 15). Die Begründung knüpft erkennbar daran an, dass auch am Kraftfahrzeug des Antragstellers die unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut und (noch) nicht beseitigt sei, der Betrieb seines Fahrzeugs daher mit einem erhöhten Emissionsausstoß verbunden sei und das Fahrzeug vorschriftswidrig betrieben werde. Auf die Richtigkeit der Begründung kommt es im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht an, dies betrifft die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung.

1.3 Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene gerichtliche Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus.

Bei der gerichtlichen Abwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist maßgeblich, ob das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Für das Interesse des Antragstellers, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren gebotene summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in den Fällen, in denen abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet wurde, das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gleichwohl nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht, das über das allgemeine öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände, wie es jedem Verwaltungsakt innewohnt, hinausgeht (st. Rspr., vgl. nur VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 13.03.1997 - 13 S 1132/96 -, ESVGH 47, 177). Das Gericht nimmt in diesem Rahmen eine eigene Interessenabwägung vor und ist grundsätzlich nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beschränkt (vgl. VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 25.09.2012 - 10 S 731/12 -, juris Rn. 6).

1.3.1 Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und allein möglichen summarischen Überprüfung dürfte der Bescheid vom 20.11.2018 hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 voraussichtlich rechtmäßig sein und der hiergegen eingelegte Widerspruch ohne Erfolg bleiben.

a) Rechtsgrundlage für die Betriebsuntersagung in Ziff. 1 des Bescheids ist § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug- Zulassungsverordnung, FZV). Nach dieser Vorschrift kann die Zulassungsbehörde dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug- Zulassungsverordnung oder der Straßenverkehrs- Zulassungs- Ordnung erweist.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FZV dürften hier vorliegen. Denn das Fahrzeug des Antragstellers ist aller Voraussicht nach nicht vorschriftsmäßig. Nicht vorschriftsmäßig ist ein Fahrzeug, wenn es nicht (mehr) den (materiellen) Zulassungsvorschriften oder den Bau- und Betriebsvorschriften (§ 31 StVZO) oder Bestimmungen über Lärm und Abgase genügt (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2018, Rn. 3 zu § 5 FZV; Huppertz, Münchner Kommentar zum StVR, 1. Aufl. 2016, Rn. 4 zu § 5 FZV). Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV setzt die Zulassung u. a. voraus, dass das Fahrzeug einem genehmigten Typ (vgl. § 4 der Verordnung über die EG- Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge - EG- Fahrzeuggenehmigungsverordnung, EG- FGV -) entspricht oder eine - hier nicht bestehende - Einzelgenehmigung (vgl. § 13 EG- FGV) vorliegt. Bei dem Fahrzeug des Antragstellers handelt es sich nicht um einen genehmigten Fahrzeugtyp im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV. Denn sein mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattetes Fahrzeug enthält eine Abschalteinrichtung, die zu einer Überschreitung der zulässigen Abgasemissionen führt, und entspricht damit nicht (mehr) der EG- Typgenehmigung. Das zuständige Kraftfahrt- Bundesamt hat hinsichtlich der entsprechenden Fahrzeuge auf Grundlage von § 25 Abs. 2 EG- FGV im Wege nachträglicher Nebenbestimmungen zu den Typgenehmigungen den Herstellern die Pflicht auferlegt, die unzulässigen Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen (VO (EG) Nr. 715/2007) - auch bei bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen - zu entfernen und geeignete Maßnahmen, wie z.B. die Durchführung von entsprechenden Rückrufaktionen, zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen und dies durch das Beibringen von Nachweisen zu belegen. Dies dürfte zu einer Modifikation der ursprünglichen Typgenehmigung geführt haben. Aufgrund dessen kann sich der Eigentümer oder Halter eines hiervon betroffenen Fahrzeugs - wie der Antragsteller - nicht mehr auf die Legalisierungswirkung der Typgenehmigung berufen, solange er deren modifizierte Voraussetzungen (hier: die Teilnahme an der Rückrufaktion) nicht erfüllt hat (vgl. VG Gießen, Beschluss vom 23.01.2019 - 6 L 5936/18.GI - m.w.N. sowie ausführlich und mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung: VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/28 -, juris Rn. 18 und VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, juris Rn. 10 ff.). Nachdem der Antragsteller laut dem Schreiben des Kraftfahrt- Bundesamts vom 19.07.2018 an den Rückrufaktionen trotz mehrfacher Erinnerung nicht teilgenommen hat und sein Fahrzeug - unstreitig - nicht in der vorgesehenen Weise durch Aufspielen des entwickelten Software- Updates hat nachrüsten lassen, erfüllt dieses die Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV nicht mehr und ist damit nicht vorschriftsmäßig im Sinne von § 5 Abs. 1 FZV.


Dem Antragsgegner steht nach § 5 Abs. 1 FZV Ermessen zu. Bei Ermessensvorschriften prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten werden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird (§ 40 LVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO). Das Gericht hat danach nur zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat und ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat. Gemessen hieran sind keine beachtlichen Ermessensfehler erkennbar. Das Landratsamt hat erkannt, dass ihm hinsichtlich des Entschlusses zum Erlass der Betriebsuntersagung und der Maßnahmenauswahl ein Ermessen zusteht, hat die gegenläufigen Interessen in seine Entscheidung eingestellt und alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt (vgl. speziell zum Entschließungsermessen auch VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, juris Rn. 9; VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 27; Dauer, a.a.O., Rn. 3 f. zu § 5 FZV). Insbesondere hat es maßgeblich darauf abgestellt, dass durch die - nicht beseitigte - Abschalteinrichtung die im Betrieb auf öffentlichen Straßen entstehenden Abgaswerte unzulässig erhöht sind, woraus sich eine Gefahr für die allgemeine Gesundheit und die Umwelt ergibt.

Der Antragsgegner musste von einer Betriebsuntersagung des Fahrzeugs des Antragstellers nicht deshalb absehen, weil von einem einzelnen Fahrzeug mit Abschalteinrichtung keine gravierenden Umweltbelastungen ausgehen (vgl. hierzu aber VG Freiburg, Beschluss vom 22.01.2019 - 1 K 6024/18 -, juris Rn. 11). Zum einen ist zu beachten, dass das Fahrzeug des Antragstellers schon allein deshalb nicht mehr vorschriftsmäßig ist, weil dieses aus den genannten Gründen den Zulassungsvorschriften nicht (mehr) entspricht und die Behörde mit dem Erlass der Verfügung bezweckt, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, juris Rn. 27 ff.; VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 30). Maßgeblich ist zum anderen, dass die an einzelne Fahrzeuge zu stellenden normativen Anforderungen emissions- und nicht immissionsbezogen sind und die Verringerung der Emissionen bei einer Gesamtbetrachtung aller betroffenen Fahrzeuge zur Luftreinhaltung beiträgt. Sowohl die unionsrechtlichen Vorschriften über die Typgenehmigung (vgl. Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 715/2007) als auch die nationalen immissionsschutzrechtlichen Regelungen über die Beschaffenheit und den Betrieb von Fahrzeugen (§ 38 Abs. 1 Satz 1 BImSchG) knüpfen für die Luftreinhaltung an das Emissionsverhalten des einzelnen Fahrzeugs an. Dieses auf Emissionsgrenzwerten basierende Regelungsregime zielt auf eine Minderung der durch den motorisierten Verkehr verursachten schädlichen Umwelteinwirkungen, ohne dass es darauf ankäme, ob das einzelne Fahrzeug isoliert betrachtet eine Gesundheitsgefahr darstellt. Maßnahmen der Emissionsbegrenzung dienen sowohl dazu, akute Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen abzuwehren, als auch der Vorsorge. Es bedarf ihrer regelmäßig dort, wo - wie typischerweise im Verkehrsbereich - Handlungen oder Betriebsweisen nicht nur in einem abgrenzbaren Einwirkungsbereich auftreten und immissionsbegrenzende Maßnahmen deshalb versagen oder nur eingeschränkt eingesetzt werden können. Emissionsbegrenzende Maßnahmen beruhen auf einem auf einheitliche und gleichmäßige Durchsetzung angelegten Konzept und bedürfen daher zu ihrer Wirksamkeit einer gleichmäßigen Anwendung. Nur so ist die angestrebte Minderung der Gesamtemissionen garantiert, die gleichzeitig dazu beiträgt, dass die Immissionswerte im Einwirkungsbereich nicht überschritten werden. Ein einzelner Verursacher von Emissionen kann sich daher der Einhaltung von Emissionsbegrenzungen nicht mit dem Verweis darauf entziehen, dass sein individueller Beitrag für sich genommen nicht zu einer Gesundheitsgefahr führe. Ausgehend von diesen emissionsbezogenen, auf das einzelne Fahrzeug abstellenden normativen Anforderungen hat auch die Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV allein den Verstoß gegen diese Vorschriften in den Blick zu nehmen (zum Ganzen: OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, juris Rn. 32 ff.).




Aus diesem Grunde muss auch nicht geklärt werden, ob das Fahrzeug nach der Nachrüstung die maßgeblichen Grenzwerte einhält (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 30; VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, juris Rn. 23). Dabei durfte das Landratsamt auch davon ausgehen, dass das Kraftfahrt- Bundesamt mit der Freigabe der jeweiligen Software- Updates im Rahmen der einzelnen Rückrufaktionen bestätigt hat, dass die von ihm für unzulässig erachtete Abschalteinrichtung durch diese Nachrüstung wirksam beseitigt wird und ein Verstoß gegen die nach Anhang I der VO (EG) Nr. 715/2007 geltenden und für einzelne Fahrzeuge maßgeblichen Emissionsgrenzwerte nicht mehr vorliegt (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, juris Rn. 23; VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018 - 6 K 12341/17 -, juris Rn. 309 ff.). Soweit der Antragsteller im Schriftsatz vom 28.02.2019 Berichte über angebliche Fehler des Software- Updates für Volkswagen- Fahrzeuge anführt, kommt dies hier schon deshalb nicht zum Tragen, weil das Fahrzeug des Antragstellers ein Seat und kein VW- Wagen ist. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob die vom Antragsteller vorgebrachte Kritik an den Grenzwerten für Stickstoffdioxide von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter zutreffend ist. Der Antragsteller bezieht sich insoweit ersichtlich auf die in § 3 Abs. 2 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) normierten über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxide und nicht auf die für einzelne Fahrzeuge maßgeblichen Emissionsgrenzwerte.

Soweit verschiedentlich geltend gemacht wird, dass sich die Leistung des Fahrzeugs durch das Software- Update verschlechtere, vermag dies ebenfalls ein Abweichen von der regelmäßigen Ermessensausübung nicht zu rechtfertigen. Nur mit dieser Nachrüstung entspricht das Fahrzeug nämlich der (geänderten) Typgenehmigung und ist (weiter) zulassungsfähig (VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 29). Ob das Fahrzeug im zivilrechtlichen Sinne mangelhaft ist und deshalb Gewährleistungsansprüche bestehen können, ist ebenfalls allein zwischen dem Antragsteller und dem Hersteller zu klären und bleibt bei der hier gebotenen öffentlich- rechtlichen Beurteilung von vornherein außer Betracht (VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 29; VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, juris Rn. 22). Entsprechendes gilt für die Fragen, ob der Hersteller für die unzulässige Abschalteinrichtung nach Gewährleistungsrecht haften muss (vgl. Pressemitteilung des BGH Nr. 022/2019 vom 22.02.2019; hierzu LTO, Nur ein Hinweis oder schon ein Präjudiz?, 22.02.2019,

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zuletzt abgerufen am 28.02.2019) und ob der Hersteller bereit ist, bei durch das Software- Update selbst entstehenden Mängeln zu haften (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 30 m.w.N.; VG Magdeburg, Beschluss vom 02.07.2018 - 1 B 268/18 -, juris Rn. 19).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers musste der Antragsgegner auch nicht von der Verfügung absehen, um ihm zunächst die Möglichkeit zu geben, einen von ihm präferierten Katalysator einzubauen. Denn der Antragsteller hat den Einbau eines Katalysators weder vorgenommen noch konkret dargelegt, dass ein solcher zeitnah erfolgen kann und wird. Es spricht zudem einiges dafür, dass diese sogenannte Hardwarelösung derzeit noch nicht auf dem Markt verfügbar bzw. zugelassen ist, dass derzeit nicht absehbar ist, wann dies konkret der Fall sein wird, und dass dies jedenfalls derzeit keine rechtzeitige, gleich geeignete Maßnahme darstellt.

Im vorliegenden Fall kommt es auch nicht auf ein mögliches Interesse an einer Beweissicherung im Hinblick auf etwaige außergerichtliche oder zivilgerichtliche Auseinandersetzungen mit dem Hersteller oder Verkäufer des Fahrzeugs an (vgl. in diesem Sinne OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, Rn. 38; VG Sigmaringen, Beschluss vom 21.11.2018 - 5 K 6841/18 -,Rn. 21; VG Saarlouis, Beschluss vom 10.01.2019 - 5 L 1832/18 -, Rn. 36; VG Magdeburg, Beschluss vom 02.07.2018 - 1 B 268/18 -, Rn. 20; VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, Rn. 22; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018 - 6 L 709/18 -, Rn. 16; a.A. VG Freiburg, Beschluss vom 22.01.2019 - 1 K 6024/18 -, Rn. 13; jeweils nach juris). Denn der Antragsteller hat bereits nicht behauptet, einen zivilrechtlichen Haftungsstreit gegen den Fahrzeughersteller wegen der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung zu führen.

Die vom Antragsgegner zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes angeordnete Betriebsuntersagung erweist sich auch als verhältnismäßig. Es ist dabei zu beachten, dass die unzulässige Abschalteinrichtung von dem Hersteller und nicht dem Antragsteller als Fahrzeughalter eingebaut wurde, er mithin auch Geschädigter ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die zu hohen Emissionen des Fahrzeugs des Antragstellers nicht zu unmittelbaren Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer oder die Allgemeinheit führen, sondern lediglich die Gesamtheit aller betroffenen Fahrzeuge der angestrebten Verringerung der Luftbelastung entgegensteht und die Einhaltung der dem Gesundheitsschutz dienenden Grenzwerte gefährdet. Zudem ist das Aufspielen des Software- Updates erst Jahre nach Bekanntwerden des sog. Dieselskandals angeordnet worden. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Betriebsuntersagung jedenfalls als ultima ratio unverhältnismäßig erscheint, sondern führt dazu, dass die Zulassungsbehörde vor deren Erlass zunächst mildere Mittel zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zu ergreifen hat (VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 32 m.w.N.; vgl. auch VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, juris Rn. 24; VG Gießen, Beschluss vom 23.01.2019 - 6 L 5936/18.GI -; VG Köln, Beschluss vom 29.05.2018 - 18 L 854/18 -, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018 - 6 L 709/18 -, juris Rn. 15; VG Magdeburg, Beschluss vom 02.07.2018 - 1 B 268/18 -, juris Rn. 19). Dies ist hier geschehen. Nachdem der Antragsteller ausweislich des Schreibens des Kraftfahrt- Bundesamts vom 19.07.2018 trotz mehrfacher Erinnerung nicht an der Rückrufaktion teilgenommen hat, hat der Antragsgegner den Antragsteller zunächst zweimal - nämlich mit Schreiben vom 31.07.2017 und mit Schreiben vom 31.08.2018 - aufgefordert, den Nachweis zu führen, dass er das kostenlose Software- Update aufgespielt hat. Der Antragsteller ist dem nicht nachgekommen. Der Antragsgegner durfte daher davon ausgehen, dass auch eine weitere Aufforderung zur Mängelbeseitigung durch Bescheid keinen Erfolg haben wird (VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 33). Soweit der Antragsteller auf seine Schwerbehinderung verweist, führt dies ebenfalls nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Verfügung. Denn es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Schwerbehinderung des Antragstellers ihn daran gehindert hätte, das Software- Update aufspielen zu lassen. Auch der Antragsteller hat dies nicht behauptet.

b) Die Aufforderung, das Fahrzeug unter Vorlage der Kennzeichenschilder und der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) außer Betrieb zu setzen, findet ihre rechtliche Grundlage in § 5 Abs. 2, § 14 Abs. 1 FZV (vgl. nur VG Sigmaringen, Beschluss vom 21.11.2018 - 5 K 6841/18 -, juris Rn. 23). Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung bestehen nicht.

1.3.2 Auch das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ist gegeben (so auch OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, Rn. 38; VG Magdeburg, Beschluss vom 02.07.2018 - 1 B 268/18 -, Rn. 21; VG Köln, Beschluss vom 29.05.2018 - 18 L 854/18 -, Rn. 23 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018 - 6 L 709/18 -, Rn. 21; VG Gießen, Beschluss vom 23.01.2019 - 6 L 5936/18.GI -; a.A. VG Freiburg, Beschluss vom 22.01.2019 - 1 K 6024/18 -; VG Karlsruhe, Beschluss vom 26.02.2018 - 12 K 16702/17 -, Rn. 21 f.; jeweils nach juris).


Es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Reinhaltung der Luft zum frühestmöglichen Zeitpunkt, um die Gesundheit der Allgemeinheit sowie die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen zu schützen (OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, juris Rn. 38). Der Anordnung des Sofortvollzugs steht nicht entgegen, dass die vorschriftswidrige Verwendung von Abschalteinrichtungen seit dem Jahr 2015 bekannt war und die für die Wahrung von Luftreinhaltungsbelangen zuständigen Behörden zum Teil selbst durch Zwangsvollstreckung aus verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu entsprechenden Maßnahmen angehalten werden mussten. Die den Sofortvollzug rechtfertigende Dringlichkeit entfällt dadurch nicht. Dem Antragsteller durfte zunächst als milderes Mittel - wie es der gesetzgeberischen Stufung der Mittel in § 5 Abs. 1 FZV entspricht - Gelegenheit gegeben werden, das (kostenlose) Software- Update aufspielen zu lassen. Auch wenn die mehrfache Aufforderung zur Mangelbeseitigung (zunächst durch das Kraftfahrt- Bundesamt und im Anschluss durch den Antragsgegner mit Schreiben vom 31.07.2018 und vom 31.08.2018) einen gewissen Zeitablauf zur Folge hatte, enthebt dies die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung zum effektiven Einschreiten, zumal zum Schutz der hochrangigen Rechtsgüter der Gesundheit und der Umwelt (vgl. OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, juris Rn. 39). Die gegenteilige Ansicht würde im Ergebnis dazu führen, dass eine Behörde nach Verstreichen eines gewissen Zeitraumes auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie der Gesundheit der Allgemeinheit und der Luftreinheit nicht mehr effektiv einschreiten könnte.

Ein überwiegendes Vollzugsinteresse ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil von dem Fahrzeug des Antragstellers keine konkrete unmittelbare Gefahr für die Gesundheit des Einzelnen und von einem einzelnen Fahrzeug mit Abschalteinrichtung keine gravierenden Umweltbelastungen ausgehen (in diesem Sinne OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, juris Rn. 40; VG Köln, Beschluss vom 29.05.2018 - 18 L 854/18 -, juris Rn. 23 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018 - 6 L 709/18 -, juris Rn. 21; a.A. VG Freiburg, Beschluss vom 22.01.2019 - 1 K 6024/18 -, juris Rn. 11). Insoweit wird zunächst auf die obigen Ausführungen verwiesen. Besonders zu berücksichtigen ist, dass emissionsbegrenzende Maßnahmen (hier: Anforderungen an Dieselfahrzeuge) zu ihrer Wirksamkeit einer gleichmäßigen Anwendung bedürfen. Nur so ist die angestrebte Minderung der Gesamtemissionen garantiert, die gleichzeitig dazu beiträgt, dass die Immissionswerte im Einwirkungsbereich nicht überschritten werden (OVG Nordrh.- Westf., Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 -, juris Rn. 30, 33). Auch wenn das einzelne Fahrzeug einen kaum messbaren Beitrag zur Gesundheitsgefährdung leistet, so hat jedoch die Gesamtheit aller Autos als Emissionsquelle erhebliche Auswirkungen auf den in der Luft zu messenden Schadstoffgehalt. Der durch jedes Fahrzeug verursachte Beitrag zur Gesamtheit der Luftverschmutzung rechtfertigt insoweit auch ein mit dem Sofortvollzug verbundenes Vorgehen, um die Gefahrenabwehr für die hohen Schutzgüter der Gesundheit der Allgemeinheit und der Umwelt effektiv zu gestalten (vgl. VG Köln, Beschluss vom 29.05.2018 - 18 L 854/18 -, juris Rn. 23 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018 - 6 L 709/18 -, juris Rn. 21; VG Magdeburg, Beschluss vom 02.07.2018 - 1 B 268/18 -, juris Rn. 21). Die gegenteilige Ansicht würde letztlich dazu führen, dass Autos, die aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung einen erhöhten Ausstoß an Stickoxid aufweisen, bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens oder bis zum Vorliegen und Einbau einer zugelassenen Hardwarelösung und damit möglicherweise über Jahre hinweg am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen könnten, ohne die gesetzlichen Emmissionsgrenzwerte einhalten zu müssen. Damit würde einer Umgehung des gesetzgeberischen Ziels, die Grenzwerte einzuhalten, Vorschub geleistet. Aufgrund dessen rechtfertigt der durch jedes Fahrzeug verursachte Beitrag zur Gesamtheit der Luftverschmutzung auch ein mit dem Sofortvollzug verbundenes Vorgehen, um ein effektives Gestalten der Gefahrenabwehr für die hohen Schutzgüter der Gesundheit der Allgemeinheit und der Umwelt zu ermöglichen (VG Magdeburg, Beschluss vom 02.07.2018 - 1 B 268/18 -, juris Rn. 21).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers entfällt das besondere Vollzugsinteresse schließlich auch nicht deshalb, weil er sinngemäß vorträgt, einen Katalysator einzubauen, sobald ein solcher verfügbar ist. Es fehlt insoweit (wie dargelegt) bereits an einem konkreten und substantiierten Vortrag, ob und wann eine sogenannte Hardwarelösung besteht und tatsächlich umgesetzt werden kann.

2. Der sinngemäße Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die in Ziffer 3 des Bescheids vom 20.11.2018 verfügte Androhung des Zwangsmittels anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1.1 verwiesen.

Dieser Antrag ist auch begründet. Denn die Androhung der zwangsweisen Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs ist voraussichtlich rechtswidrig.

In Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids wird angedroht, dass für den Fall der Nichtbefolgung der Aufforderung das Fahrzeug durch den Vollzugsdienst zwangsweise außer Betrieb gesetzt wird. In der Begründung wird dies dahin konkretisiert, dass in diesem Falle der Vollzugsdienst das Fahrzeug zwangsweise entstempeln wird. Die angedrohte zwangsweise Entstempelung der Kennzeichenschilder ist eine Maßnahme unmittelbaren Zwangs, weil hierdurch auf eine Sache körperlich eingewirkt wird (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 37 m.w.N.; VG Sigmaringen, Beschluss vom 21.11.2018 - 5 K 6841/18 -, juris Rn. 25; VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, juris Rn. 28). Indes hat der Antragsgegner die Zwangsmaßnahme als Ersatzvornahme eingestuft und damit entgegen § 20 Abs. 3 Satz 1 LVwVG nicht das richtige Zwangsmittel bezeichnet (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 19.02.2019 - 7 A 4277/18 -, juris Rn. 38 m.w.N., zur vergleichbaren Bestimmung in § 70 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG).

Die Androhung unmittelbaren Zwangs erweist sich derzeit wohl auch deshalb als rechtswidrig, weil sie bereits in formeller Hinsicht dem Begründungserfordernis aus § 39 Abs. 1 LVwVfG nicht gerecht wird und daraus auch ein Verstoß gegen materielles Recht folgt.

Nach § 39 Abs. 1 LVwVfG ist u. a. ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen (Satz 1). In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (Satz 2). Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (Satz 3). Sowohl die Entscheidung, ob ein Verwaltungsakt mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll, als auch die Auswahl des Zwangsmittels (§ 19 LVwVG) stehen im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Die Auswahl des Zwangsmittels ist in der Verfügung vom 20.11.2018 nicht begründet worden. Ist eine Ermessensentscheidung nicht begründet, leidet sie auch inhaltlich an einem Mangel, der zu ihrer Rechtswidrigkeit führt. Daher ist die angegriffene Androhung unmittelbaren Zwangs derzeit auch materiell rechtswidrig. Angesichts der auch materiellen Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung ist die bloße Möglichkeit der Heilung der hier beanstandeten Fehler im Widerspruchsverfahren nicht ausreichend, um von einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzusehen (vgl. VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 27.02.2014 - 8 S 2146/13 -, VBlBW 2015, 78).



Die Androhung unmittelbaren Zwangs ist zudem wohl auch deshalb rechtswidrig, weil sie unter Missachtung des Vorrangverhältnisses in § 26 Abs. 2 LVwVG erlassen worden ist. Nach dieser Vorschrift darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn Zwangsgeld und Ersatzvornahme nicht zum Erfolg geführt haben oder deren Anwendung untunlich ist. Das baden- württembergische Landesrecht sieht damit einen grundsätzlichen Vorrang der Zwangsmittel (Zwangsgeld und Ersatzvornahme) vor dem Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs vor (anders im Verhältnis des Zwangsmittels der Ersatzvornahme und des Zwangsgelds, vgl. VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 04.12.2003 - 5 S 2781/02 -, juris Rn. 21). Davon, dass jedenfalls das Zwangsmittel des Zwangsgeldes von vornherein ungeeignet bzw. untunlich wäre, ist zumindest derzeit nicht auszugehen (a.A. VG Sigmaringen, Beschluss vom 21.11.2018 - 5 K 6841/18 -, juris Rn. 25; VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, juris Rn. 28). Trotz des gewichtigen öffentlichen Interesses, dass nur Fahrzeuge in einem vorschriftsmäßigen Zustand auf öffentlichen Straßen betrieben werden, begegnet ein Absehen von dem gesetzlichen Stufenverhältnis auch aus Verhältnismäßigkeitsgründen Bedenken, dies gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Mangel bereits seit 2015 bekannt war und von der unzulässigen Abschalteinrichtung im Fahrzeug des Antragstellers keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer und der Allgemeinheit ausgeht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Die Kammer orientiert sich für die Betriebsuntersagung an Nr. 46.16 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und setzt die Hälfte des sog. Auffangstreitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG an, der angesichts der Vorläufigkeit dieses Verfahrens nochmals halbiert wird (vgl. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; gemäß Nr. 1.7.2 Satz 1 bleibt die Androhung des Zwangsmittels außer Betracht).

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